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(So ich dachte ein ordentlicher Disclaimer wäre mal wieder angebracht.)


Tris: Eine heimliche Leserin? Sowas gibt's hier? Vielleicht sollte ich meine Meinung über die Abgeschiedenheit dieses Abschnitts von noch mal revidieren. Freu mich jedenfalls wahnsinnig von dir zu hören! Schließlich bin ich ja auch nicht so fies wie meine Hauptfiguren, also keine Angst:)

Petalwing: Grün im Gesicht, wirklich? Dabei hatte ich extra an Details gespart. War mir sowieso nicht 100tig wohl dabei es zu schreiben, aber es war nun mal so geplant. (Von Shenjal…)

Und: Ethin Verknallt? Um es mal so auszudrücken, obwohl damit Spannung verloren geht, es ist irgendwie mehr so eine Art Besitz- und Kontrollding, soweit ich dass bis jetzt überblicke. Mal sehen wie es sich noch entwickelt.


Meister

Die gnädige Gefühllosigkeit hält den größten Teil der Nacht an und ich bringe es sogar beinahe fertig zu verdrängen was es ist, das ich da gerade in den Kessel vor mir schütte und dann unter langsamem, stetigem Rühren mit den anderen Zutaten mische. Zumindest so lange bis mein Blick wieder auf Ainwes Leichnam fällt, der noch immer in einer Ecke des Arbeitsraumes liegt. Sorgsam verdeckt unter einem großen Tuch zwar, aber ich weiß auch so welchen Anblick er bietet. Ob ich dieses beklemmende Bild wohl jemals wieder vergessen werde? Wahrscheinlich verdiene ich es für den Rest meines Lebens davon verfolgt zu werden! Doch auch dieser Gedanke ist müde und seltsam gedämpft. Jetzt habe ich also wirklich meinem Meister alles gegeben was ich, außer meinem bloßen Leben, jemals hatte. Meine Unschuld, meine Loyalität, meine Angst und mein Körper, alles was ich bin ist sein solange er es haben will.

Ich werde tun was immer er verlangt, dass steht für mich fest, selbst wenn es allem entgegensteht was mein Gewissen mir vorschreibt. Für eine freundliche Geste, einen Blick nur, würde ich augenblicklich wieder töten oder es zumindest versuchen. Auch wenn ich schon jetzt ahne, dass mir der schlimmste Teil meiner Selbstvorwürfe noch bevorsteht sobald ich den momentanen Schock überwunden habe, der im Moment mein Fühlen und Denken in gnädige, watteweiche Schleier hüllt.

Für den Moment jedoch bin ich noch völlig auf den Ablauf des Brauens konzentriert. Eine Tätigkeit die höchste Aufmerksamkeit und perfektes Timing erfordert, wenn nicht alle grausige Vorarbeit umsonst gewesen sein soll. Ethin hat sich in den Hauptraum zurückgezogen sobald er gesehen hat, dass ich mit der ernsthaften Arbeit anfange und soweit ich weiß ist er noch immer dort. Wer weiß was ihn dazu bewogen hat hier zu bleiben? Eine Chance mich ein weiteres Mal zu überwältigen? Hat ihm einmal nicht gereicht oder nimmt er nur die Möglichkeit wahr sich für ein paar kostbare Stunden unbeobachtet bewegen zu können?

Streng rufe ich mich zur Ordnung. Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt für solche ablenkenden Spekulationen über mögliche und unmögliche Motive des Goldelfen.

Wie befürchtet kann ich mein Handeln schon bald nicht mehr so distanziert sehen. Bereits während ich die letzten Handgriffe zum säubern der gebrauchten Werkzeuge ausführe, eine Aufgabe bei der ich mir feigerweise das blutverschmierte Messer bis zuletzt aufgehoben habe, fange ich immer stärker am ganzen Körper zu zittern an. Dieses Mal wünsche ich mir sogar es wäre wegen des Fluches, aber das ist ausnahmsweise nicht der Fall. Es sind die scharfen Scherben meiner Unschuld die mich von innen heraus in Stücke schneiden wollen. Der Schmerz ist fast körperlich fühlbar und treibt mir unaufhaltsam die Tränen in die Augen. Dass ich so sehr unter Schuldgefühlen leiden würde hatte ich schon fast nicht mehr erwartet nachdem ich mir nächtelang nur noch gewünscht habe dass Ainwe endlich aus meinem Leben verschwindet und die volle Wucht der Emotionen trifft mich unvorbereitet.

Wie konnte ich nur? Frage ich mich geschüttelt von Selbsthass und Abscheu, nur um gleich darauf ängstlich zu denken: Was wenn es nicht genug ist? Was wenn mein Herr mehr von mir verlangt? Wie soll ich es dann geben? In mir herrscht ein völliges Chaos und mit einem halb erstickten Schluchzen sinke ich langsam an einem Tischbein hinab um hilflos die Arme um meine angezogenen Beine zu schlingen, so fest als wollte ich mich zusammenpressen bis nichts mehr übrig ist von mir, meiner Verzweiflung und der schrecklichen Schuld die ich auf mich geladen habe. Jetzt wo mir die Konsequenzen meiner Entscheidung klar vor Augen stehen, mir praktisch mit totem Blick ins Gesicht starren, kann ich nicht mehr nachvollziehen wie ich mich je dazu überwinden konnte das Messer zu führen. Der stille, erkaltete Körper dort hinten in der Ecke ist wie eine unüberwindliche Anklage der ich nicht entkommen kann, so sehnlichst ich mir das auch wünschen mag.

Mit wird übel und plötzlich habe ich das Gefühl es keine Sekunde länger in diesem Raum auszuhalten wo mir alle Details der heutigen Geschehnisse ständig so unbarmherzig deutlich vor Augen geführt werden. Mit unsicheren Bewegungen ziehe ich mich an der Tischkante hoch um diesen Ort so schnell wie möglich zu verlassen. Undeutlich sehe ich ein letztes Mal durch Tränenschleier die verhüllte Gestalt während ich weghaste. Dann bin ich endlich durch die Tür, die ich heftig hinter mir zuschlage, nur um sogleich erschrocken zusammenzuzucken als der laute Knall von Holz auf Holz durch den Raum hallt. Ethin springt plötzlich wie angestochen hoch von dort wo er zusammengerollt auf dem weichen Teppich lag und starrt mich wütend an.

„Musste das sein?" Grummelt er ungehalten und erst jetzt wird mir klar dass er wohl geschlafen haben muss, denn sonst hätte er mich früher bemerkt. Aber in meiner momentanen Verfassung bin ich nicht mehr wirklich fähig ihm eine klare Antwort zu geben, obwohl ich es versuche kommt nichts aus meinem Mund als ein klägliches, wortloses Stammeln und Stöhnen. Wie um alles in der Welt kann er nach so etwas einfach schlafen?

Mit einer steilen Falte zwischen den Brauen kommt er auf mich zu und scheint jetzt erst wirklich zu sehen wie es um mich steht. Einen endlosen Augenblick, in dem er mich nur forschend anstarrt, vermute ich fast dass er mir gleich eine kräftige Ohrfeige verpassen wird, denn ich kann noch immer nicht aufhören unkontrolliert zu zittern und bin kurz davor einfach in mich zusammenzusinken. Dann aber entscheidet er sich doch noch anders, nimmt mich mit einem verdrossenen jedoch gleichzeitig resignierten Seufzer am Arm und führt mich wie ein hilfloses Kind in den Baderaum, wo er nur stumm auf die Wanne deutet bis ich endlich verstehe und das Wasser herbei rufe.

Sofort erwärmt sich der ganze Raum und Dunst steigt aus dem heißen Wasser empor. Vielleicht ist die Temperatur ein wenig zu hoch geworden, aber ich bin eigentlich auch kaum in einer Verfassung um irgendwelche Magie auszuüben. Wahrscheinlich sollte ich dankbar sein, dass überhaupt etwas geschehen ist auf mein verstört herausgespucktes Kommando. Willenlos lasse ich zu dass Ethin sowohl mich als auch sich selbst entkleidet, die Gewänder ordentlich zusammenlegt und mir dann mit sanftem Druck in meinem Rücken zu verstehen gibt dass ich in die Wanne steigen soll. Wie bringt er es nur über sich mich zu berühren, wo ich selbst doch eine solche Abscheu vor mir empfinde, dass ich am liebsten laut Schreien würde. Mein Kopf immer noch ein einziges großes Knäuel von widersprüchlichen Empfindungen und Gedanken, folge ich auch dieser stummen Aufforderung beinahe ohne es wirklich zu merken.

Hitze trifft auf meine bloße Haut und lässt mich zunächst zurückschrecken. Doch der immer noch sanfte, aber stetige Druck Ethins bringt mich bald dazu meine Vorsicht zu überwinden und mich langsam ganz von der intensiven Wärme umschließen zu lassen. Das Wasser brennt ein wenig in meinen Wunden, besonders an den aufgeschürften Knien und Ellenbogen, die nicht in den Genuss der Salbe gekommen sind. Aber der Schmerz geht zum größten Teil einfach unter in meinem inneren Auffuhr. Als er sich langsam hinter mich schiebt mache ich zwar den automatischen Versuch mich aus seiner Nähe zu entfernen, aber nachdem er nicht aufhört hartnäckig jeder meiner Bewegungen zu folgen gebe bereits nach kurzer Zeit erschöpft auf. Ich kann einfach nicht mehr. Soll er tun was er will, es interessiert mich nicht. Ich will nur noch dass dies alles ein Ende hat, dieser Selbsthass, die Vorwürfe, das Gefühl nicht mehr Atmen zu können, weil mir jede Freiheit zur Bewegung fehlt.

Hätte ich gewusst was Ainwes Tod bei mir hervorrufen würde, ich hätte alles versucht eine andere Möglichkeit zu finden um meine Befehle auszuführen. Die Frage, wie konnte ich nur? hallt endlos in meinem Schädel wieder und bereitet mir Kopfschmerzen. Ethins gründliche Hände waschen mich langsam von Kopf bis Fuß, aber können sie auch das Blut von meinen eigenen Händen schrubben? Ich versuche mir zu sagen, dass mein Herr es so gewollt hätte, dass er zufrieden sein wird mit meiner Arbeit, aber diese kraftlosen Beteuerungen tragen nichts dazu bei mein fortwährendes Zittern zu verringern.

Was wenn wieder von mir verlangt wird zu töten und ich es nicht kann? Die Frage erschreckt mich in mehr als einer Hinsicht. Denn obwohl sich alles in mir gegen den Gedanken wehrt ein weiteres Mal Leben zu nehmen, steht an der Seite dieser Empfindung sofort dass unkontrollierbare Bedürfnis trotzdem gehorchen zu wollen, fähig sein zu wollen jeden Befehl auszuführen und meinen Meister Zufriedenzustellen, gepaart mit der Angst in genau darin zu versagen.

„Wird es irgendwann leichter?" Höre ich mich auf einmal mit unsicher schwankender Stimme fragen. Die Worte rufen ein rätselhaftes Schnauben hinter mir hervor.

„Hättest du gerne das es leichter wird?" Fragt Ethin jetzt seinerseits, ohne die langsamen gleichmäßigen Striche mit dem weichen Schwamm zu unterbrechen. Ich kann seinen Ton nicht richtig einordnen. Er liegt irgendwo in dem weiten Feld zwischen verhalten mitleidig und ärgerlich. Vielleicht ist es sogar eine Mischung aus beidem. Diese Worte verstärken nur den grässlichen Zwiespalt in mir und lassen mich verunsichert auf meine überraschend sauberen Hände schauen. Aus irgendeinem Grund hatte ich erwartet sie seien blutverschmiert.

„Du solltest versuchen dich damit abzufinden, aber ich denke nicht dass du Krieger genug bist um jemals ohne Reue zu töten."

Die beißende Herablassung die ich eigentlich bei einem solchen Satz von ihm erwartet hätte, ist merkwürdig gedämpft und er lacht ein leises verbittertes Lachen.

„So unschuldig immer noch, trotz der Kälte." Murmelt er mit leichter Verwunderung, als wäre es ihm erst in dieser Sekunde klargeworden. „Und das nach fast einem Jahr."

„Und du?" Will ich auf einmal wissen. „Fühlst du keine Reue mehr?"

Diesmal ist sein Lachen scharf und gefährlich. Ein gewaltiger Sturm versteckt sich dahinter, der nur darauf wartet loszubrechen und alles in seinem Weg in Trümmer zu verwandeln.

„Reue?"

Unvermittelt zieht er mich nah an sich und bei seinem nächsten Satz kann ich warmen Atem an meinem Ohr spüren.

„Willst du wissen was ich wirklich bereue Kleiner?"

Für einen Augenblick bin versucht zu verneinen, aber er redet bereits weiter.

„Ich bereue es dass ich Lenwe damals nicht öffentlich bloßgestellt und ihn getötet habe als mir diese Möglichkeit noch offen stand. Um das unwichtige Leben eines armseligen Soldaten mache ich mir keine Sorgen. Er war ohnehin schwach."

Bei diesen Worten versteife ich mich unwillkürlich.

„Schwach?" Wiederhole ich dumpf, obwohl er meine eigenen Gedanken auf unheimliche Weise widerspiegelt. „Schwach, so wie auch schwach bin?" Will ich zynisch von ihm wissen.

„Ah!"

Ethin klingt auf einmal erfreut.

„Wenn du schon wieder beim Selbstmitleid angelangt bist, dann kann es dir nicht mehr so schlecht gehen." Stellt er selbstzufrieden fest. Eine Äußerung für die ich ihn am liebsten schlagen möchte. Das kann ich jedoch nicht, weil er in weiser Voraussicht schon während er sprach seine Arme fest um mich geschlungen hat, wodurch mir nun jegliche Bewegungsfreiheit fehlt. Auch mein eher halbherziges Winden ändert nichts an dieser Situation.

„Außerdem" fährt er fort und ich kann das breite Grinsen auf seinem Gesicht fast bildlich vor mir sehen, „bist du gar nicht so schwach wie du zunächst scheinst. Bis jetzt hat noch keiner der früheren Sklaven deines Meisters ihn dazu gebracht sich wegen einer solchen Lappalie wie deiner letzten Bestrafung mit meinem Herrn anzulegen. Nur du. Ich glaube du hast mehr Einfluss auf ihn als du vielleicht denkst."

Allein der Gedanke lässt mir den Mund trocken werden vor Furcht. Dass es zwischen den beiden zu einem Streit gekommen ist war mir gar nicht bewusst. Es muss wohl kurz vor der Abreise meines Herrn geschehen sein. Aber ich weiß noch immer genau wie ungehalten mein Meister war als ich das erste und einzige Mal versucht habe ihn zu verführen. Das was Ethin da andeutet ist für mich etwas, dass ich innerlich mit direktem Ungehorsam gleichsetze. Es ist als hätte er einen Eimer Eiswasser über mir ausgeleert, der mich für kurze Zeit aus meiner Lethargie reißt und abrupt entwinde ich mich seinem Griff. Etwas dass er sogar mehr oder weniger zulässt.

„Es ist spät." Erkläre ich frostig, sobald ich aus dem Wasser und seiner unmittelbaren Reichweite heraus bin. „Ich denke du wirst zurück erwartet."

Ich weiß nicht genau was ich erwartet habe, aber bestimmt nicht dass er einfach nur nickt, sich kommentarlos abtrocknet, ankleidet und dann nach einem letzten bösartigen, aber stummen Grinsen verschwindet. Während der ganzen Zeit stehe ich nur in misstrauischer Anspannung da und warte auf eine letzte Attacke, verbal oder physisch, die jedoch nie kommt. Und schließlich, als mein Blick durch Zufall wieder auf die geschlossene Tür des Arbeitsraumes fällt, wird mir überraschend klar, dass er mich, beabsichtigt oder auch nicht, wenigstens zeitweise von meinen Selbstvorwürfen abgelenkt hat. Leider ist dieser Zustand nicht von Dauer und der folgende Tag ist einer der schrecklichsten in meinem bisherigen Leben. Statt zu schlafen wälze ich mich ruhelos herum und kann meinen Gedanken und Gefühlen einfach nicht entkommen. Bei Anbruch der nächsten Nacht bin ich fast noch erschöpfter als zuvor und im Spiegel sehe ich dass dunkle Ringe unter meinen müden, geröteten Augen liegen. Die Schminke, die ich widerwillig aber pflichtbewusst auch während der Abwesenheit meines Herrn auflege, hilft nur bedingt gegen meine erbärmliche Erscheinung. Aus einem unsinnigen Impuls der Buße heraus zwinge ich mich dazu mein Spiegelbild um einiges länger zu betrachten als absolut nötig, etwas dass ich sonst noch immer tunlichst vermeide. Letztendlich halte ich es jedoch schon bald einfach nicht mehr aus und wende mich schaudernd ab. Was ist nur aus mir geworden?

Der bloße Gedanke an Frühstück ruft eine Welle der Übelkeit bei mir hervor, aber ich weiß dass ich besser alles tun sollte um bei Kräften zu bleiben. Ein kranker Sklave ist für niemanden von Nutzen. Am wenigsten für sich selbst. Mit dieser unangenehmen Tatsache im Hinterkopf schleppe ich mich schließlich doch noch in den Essensraum, wo ich eine Weile stumm in meinem Eintopf herumrühre und versuche wenigstens ein kleines bisschen der Mahlzeit in mich hineinzuzwingen. Eigentlich müsste ich hungrig sein, denn ich habe gestern nicht wirklich viel zu mir genommen, aber meine gegenwärtige Gemütsverfassung scheint weitere Nahrungsaufnahme nicht zuzulassen und schließlich gebe ich auf und mache mich wieder auf den Rückweg.

Wieder im Quartier meines Meisters angelangt versuche ich zunächst wirklich Informationen über den Quortek Caluss zu finden, aber nachdem ich fast eine Stunde die meiste Zeit nur nervös zwischen den Regalen herumgeirrt bin und weder die nötige Konzentration noch die Ruhe zu einer ernsthaften Recherche aufbringen kann, gebe ich schließlich auf um vor der Tür des Arbeitraumes stehen zu bleiben. Wie das Kaninchen vor der Schlange verharre ich dort in einer seltsamen Starre, unfähig den Blick abzuwenden oder hineinzugehen. Ainwe ist da drinnen oder besser gesagt das was noch von ihm übrig ist und obwohl ich weiß, dass ich besser noch einmal nachschauen sollte ob ich gestern in meiner überstürzten Flucht wirklich alles ordentlich weggeräumt habe, kann ich mich einfach nicht dazu überwinden auch nur nach der Klinke zu greifen.

Ich habe keine Ahnung wie lange ich dort gestanden habe, als mich auf einmal eine leichte Berührung an der Schulter aus dem kleinen abgeschlossenen Universum meiner Schuldgefühle reißt. Völlig überrascht und noch halb gefangen in den quälenden Bildern meines eigenen Geistes, schreie ich erschrocken auf, etwas dass mir schon lange nicht mehr passiert ist und dass wahrscheinlich ein sicheres Anzeichen für meine tiefgehende Verstörung ist. Ich fahre herum und schaue auf einmal direkt in die roten, leicht erstaunten Augen meines Meisters.

War ich so in mich selbst versunken dass ich gar nicht bemerkt habe wie er eingetreten ist? Hastig weiche ich ein kleines Stück zurück und murmle dabei wirre Entschuldigungen. Wofür dass weiß ich in diesem Augenblick der Verwirrung selbst nicht genau. Ohne darüber nachdenken zu müssen finde ich mich auf den Knien wieder, eine Haltung die mir gegenüber meinem Herrn inzwischen als völlig natürlich erscheint. Mit der vertrauten Haltung geht unwillkürlich ein Gefühl der plötzlichen Erleichterung einher. Mein Meister ist wieder da und das bedeutet, dass ich nicht mehr selbst über mich richten muss. Die Verantwortung für mein eigenes Handeln ist mir wieder aus den Händen genommen, ein Umstand der mich in dieser Situation bereits jetzt beträchtlich besser zurechtkommen lässt als noch wenige Minuten zuvor. Zwei Finger legen sich unter mein Kinn und heben es nachdrücklich an, damit mein Meister mir voll ins Gesicht schauen kann.

„Du siehst schrecklich aus Häschen." Erklärt er mit einem Ton so klinisch distanziert, dass mir augenblicklich beklommen zu mute wird. „Was ist passiert?"

Um überhaupt einen Ton herauszubringen muss ich erst einmal kräftig schlucken. Auch mit dem Gefühl der Erleichterung fällt es mir noch immer schwer laut auszusprechen was ich getan habe.

„I… ich habe…", die Tränen steigen mir ungebeten wieder in ohnehin schon verquollene Augen, „Ich habe g… gemordet Herr." Die letzen beiden Worte flüstere ich nur noch und gleich darauf schütteln mich wieder einmal heftige Schluchzer, die mich fürs erste verstummen lassen. Als mein Herr mäßig beeindruckt und mit gehobenen Augenbrauen fragt: „Wen?" Kann ich nur mit zitternder Hand die Tür öffnen, vor der ich nun schon so lange ausgeharrt habe und ihn zu der noch immer von dem Tuch verdeckten Leiche führen. Während ich es langsam zurückschlage sehe ich für einen Augenblick seinen Mundwinkel zucken, als müsste er ein Lachen unterdrücken.

„Und sein Tod bedrückt dich so?" Fragt er jedoch lediglich in neutralem Tonfall.

„Ja… nein… ich es…"

„Ja, ich höre?"

Der langsam ins spöttische übergehende Ton verrät mir, dass ich mich besser zusammennehmen sollte bevor ich seine Geduld noch über Gebühr strapaziere.

„Es ist falsch!" Bricht es schließlich einfach verzweifelt aus mir hervor. „Man darf kein Leben nehmen."

Ich bin so aufgewühlt, dass ich sogar vergesse bei meiner Antwort den nötigen Respekt an den Tag zu legen, etwas dass mein Herr für den Moment völlig ignoriert. Allein diese Tatsache sollte mir eigentlich zu denken geben, aber dazu bin ich im Moment viel zu abgelenkt. Nach einer Weile in der er mich nur mit undeutbarem Blick ansieht sagt er schließlich: „Ich nehme an du hast ihn für den Trank benötigt?"

„Ja Herr."

„Den Trank den ich dir befohlen hatte zu brauen?"

„Ja Herr."

Langsam werde ich ein wenig unsicher. Was bezweckt er mit diesen Fragen?

„Glaubst du vielleicht ich wüsste nicht ganz genau was für Zutaten nötig sind um den Trank der Velkyn Ogglin zu brauen?"

„Nein Herr."

Was will er damit andeuten? Dass er genau dies erwartet hat? War es eine Art Test, um zu sehen wie weit meine Loyalität zu ihm reicht?

„Dann glaubst du also mir in dieser Sache zu gehorchen sei etwas unrechtes?"

„Nein!" Rufe ich entsetzt und setze schnell nach: „Nein Herr. Ihr wisst dass besser als ich Herr."

„Genau." Bemerkt er trocken. „Wenn ich es also sowieso besser weiß und dir obendrein auch noch die Order dazu gegeben habe, wie kann es dann falsch sein zu tun was ich verlange?"

„Ich…", geschlagen senke ich den Kopf, „Ihr habt natürlich Recht Herr."

„Natürlich." Wiederholt er mit beißendem Spott. „Und jetzt wo du das endlich einsiehst Sklave, kannst du vielleicht aufhören dich so erbärmlich zu benehmen und anfangen dich um mein Gepäck zu kümmern."

„Wie ihr wünscht Herr."

Ich bin schon fast auf dem Weg zur Tür um so schnell wie möglich aus dem Raum zu fliehen, da erklingt seine Stimme noch einmal und lässt mich etwas ungelenk mitten in der Bewegung inne halten. „Ist er denn wenigstens fertig?" Will er wissen.

„Ja Herr."

Mit einem Nicken weise ich auf die sauber aufgereihten Flakons, die seit gestern dort auf dem Tisch stehen und wohl für jeden anderen als mich wie einfache, völlig unschuldige Fläschchen mit irgendeinem beliebigen Trank wirken. Mir selbst läuft allein bei diesem Anblick bereits ein kalter Schauer über den Rücken.

„Ein Glück für dich Häschen."

Ich nicke beklommen und beschließe die Dokumente betreffs Ainwes Übergabe lieber erst morgen anzusprechen. In seiner gegenwärtigen Stimmung würde er wahrscheinlich doch nur gereizt reagieren. Auf einmal ist es mir trotz aller Schuldgefühle fast peinlich, dass er mein Verhalten als erbärmlich ansieht. So wenig mich dies im Bezug auf Ethin auch kümmert, wenn es um meinen Meister geht, ist es mir unglaublich wichtig dass er mein Handeln gutheißt. So sehr ich mir jedoch vorhalte, dass wenn er es sagt, meine Tat gerechtfertigt ist, am Ende klingt diese Beteuerung dennoch kläglich hohl und schwach. Da sie letztlich jedoch alles ist was mich vor einem erneuten Zusammenbruch bewahrt, halte ich mich bei allen Zweifeln daran fest und versuche mir störrisch einzureden, dass es stimmt.

Eine Weile bin ich vollauf damit beschäftigt verlaufene Schminke aus meinem Gesicht zu entfernen, die Unmengen an Gepäck wieder auseinander zu sortieren und alles an seinen Platz zu bringen. Mein Meister scheint derweil die Ergebnisse meiner wochenlangen Bemühungen zu inspizieren. Nervös schaue ich ab und zu in Richtung Arbeitsraum, doch durch die geschlossene Tür dringt kein einziger Laut und als er schließlich doch endlich herauskommt würdigt er mich keines Blickes sondern beginnt sich zuerst in aller Ruhe eine reichhaltige Mahlzeit zu bestellen.

Ich hasse es wenn mein Herr mich auf diese Weise warten lässt, was wahrscheinlich genau der Grund ist aus dem er es immer wieder tut. Ich bin mir zwar relativ sicher alles zu seiner Zufriedenheit erledigt zu haben, aber vielleicht habe ich ja doch etwas übersehen. Angespannt schaue ich zu wie er sich auf einem der weich gepolsterten Sessel niederlässt und mit einem zufriedenen Grinsen die langen Beine von sich streckt. Das kann einerseits bedeuten, dass alles seinen Wünschen entspricht oder aber dass er vorhat mich noch ein wenig länger schmoren zu lassen bevor er mich mit irgendeinem Fehler und der daraus resultierenden Bestrafung konfrontiert. Ein kleiner Wink genügt inzwischen damit ich sofort an seiner Seite knie.

„Habt ihr einen Wunsch Herr?" Frage ich und seufze gleich darauf leise auf als seine Finger sacht durch mein Haar gleiten. Erst jetzt wird mir bewusst wie sehr ich dies vermisst habe und ich wage es mich ein wenig in die sanfte Berührung hineinzulehnen. Ein seltener Ausdruck der Entspannung legt sich auf sein Gesicht, das sich jedoch gleich darauf wieder verfinstert.

„Verdammter Krieg." Murmelt er, plötzlich missmutig und setzt mit einem leichten Kopfschütteln verdrossen hinzu: „Es ist so eine Verschwendung."

Da er währenddessen jedoch unverändert mit seinen Streicheleinheiten fortfährt, sehe ich keinen Grund auf seine Äußerungen anders zu reagieren als mich ein wenig näher an sein Bein zu schmiegen. Seine Berührung hilft mir zu vergessen und Vergessen ist genau was ich jetzt will und brauche.

„So eifrig Häschen?"

Ich erröte angesichts der offenen Belustigung in seiner Stimme.

„Wir werden sehen ob du dir das verdient hast. Erzähl mir von den Eigenschaften des Trankes der Velkyn Ogglin."

Auf diese grausame Weise wieder zurück in die Wirklichkeit gerissen bleibt mir nichts anderes übrig als nach einem innerlichen Seufzen alles wiederzugeben an dass ich mich erinnern kann.

„Einmal verabreicht behält der Trank seine Wirkung für etwa vier bis fünf Stunden." Fange ich an und bemühe mich dabei den Anflug der Enttäuschung aus meiner Stimme zu verbannen. Es ist eine seiner üblichen Taktiken mich derart zu überfallen und aus heiterem Himmel zu verlangen über etwas dass ich Tage, manchmal sogar Wochen zuvor gelesen habe, erzähle. Anfangs hat meine Unwissenheit bei dieser Strategie des Öfteren zu schmerzhaften Bestrafungen und Nahrungsentzug geführt, doch mittlerweile habe ich mir angewöhnt sorgfältiger zu lesen und mir dabei so viel wie irgend möglich einzuprägen. Es reicht zwar nicht immer, aber inzwischen kann ich wenigstens den Großteil seiner Fragen zufriedenstellend beantworten.

„Seine hervorstechendste Wirkung", Fahre ich ein wenig monoton fort „besteht darin, dass er bei jedem, selbst bei erbitterten Feinden augenblickliche Sympathie und Hilfsbereitschaft weckt. Der große Nachteil dieser Mischung besteht jedoch darin, dass nachdem die Wirkung einmal verflogen ist, der Konsument selbst unter unangenehmen Nebenwirkungen zu leiden hat. Symptome die von starkem Brechreiz bis zu temporärer Blindheit und in extremen Fällen auch tagelanger Ohnmacht reichen sind bereits beobachtet worden. Weniger stark ausgeprägt traten auch Müdigkeit und bei einigen Personen ein Verlust von Erinnerungen auf, die hauptsächlich die Zeit betrafen in welcher der Trank seine volle Wirkung entfaltete." Ich halte kurz inne. „Meister soll ich die einzelnen Zutaten und deren Eigenschaften auch aufzählen?"

Mir graut zwar davor, aber besser ich kann es jetzt hinter mich bringen als dass er mich später nach jedem der Bestandteile einzeln befragt. Er schüttelt jedoch den Kopf.

„Nein, nein. Genug für heute. Das Essen sollte ohnehin gleich kommen."

Dann steht er unvermittelt auf und zieht mich mit sich auf die Füße.

„Aber für den Moment können wir dass wohl vernachlässigen."

Mit einem Grinsen tritt er nah an mich heran, nimmt meinen Kopf in beide Hände und beginnt mich zu küssen. Langsam und genießerisch, als hätte er die ganze Ewigkeit lang Zeit um dies zu spüren.

„Hast du mich vermisst Häschen?" Will er wissen und der Blick in seinen halb geschlossenen Augen sagt mir deutlich dass er die Antwort bereits kennt.

„Ja Herr. Sehr." Murmle ich, schon jetzt völlig gefangen in den körperlichen Empfindungen die seine Nähe bei mir hervorruft. Dem Kribbeln meiner Haut unter seinen Fingerspitzen. Das begehrte Vergessen ist wieder in Reichweite und ich setze mein ganzes Wissen und Können ein um den Augenblick so lange auszudehnen wie irgend möglich. Es scheint als wäre mein Meister damit mehr als einverstanden.