Disclaimer: Wie immer.

A/N: Endlich wieder Frühling. Konnte mir auch nicht verkneifen das einfließen zu lassen.


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In der Fremde

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Ich fühle mich erst einigermaßen sicher, nachdem sich die grobe Holztür hinter mir geschlossen hat und ich daran langsam zu Boden sinke. Der namenlose Sklave starrt mich noch immer verstört und mit größter Verwunderung an.

„Wie hast du das gemacht?" Will er nach einiger Zeit ratlos wissen, woraufhin ich nur mit den Schultern zucken kann. Ich weiß es im Grunde auch nicht, aber eins ist sicher: Bei einem Drow hätte ich so etwas niemals gewagt!

„Lass uns lieber weitermachen." Sage ich schließlich einfach, denn es ist immer noch eine Menge zu tun bis alles zur Zufriedenheit unserer Herren vorbereitet sein wird. Ich bin von mir selbst überrascht. Woher hatte ich nur die Dreistigkeit diesen Mann derart zu bedrohen? Ich kann es kaum fassen. Nun ja, letztendlich habe ich bekommen was ich brauchte ohne dass dabei alles zu einem Desaster ausgeartet ist, also sollte ich wohl froh sein.

Eine Stunde später, als ich zunehmend nervöser werde und schon beinahe annehme dass der Mensch sein Versprechen doch nicht einlösen wird, da klopft es an der Tür. Es ist der Junge, der uns schon früher an diesem Abend geleitet hatte. Er führt mich zu einem noch kleineren Raum zwei Zimmer zu unserer Rechten, der ziemlich schmutzig ist und noch deutliche Spuren eines hastigen Aufbruches seiner früheren Bewohner zeigt. In einer Ecke entdecke ich sogar einen kaputten Schuh, der einmal einem Söldner gehört haben muss. Das Zimmer ist zwar völlig leer und besitzt nur ein einziges winziges Fensterchen, aber zumindest haben wir jetzt mehr Raum. Schnell fangen wir an alle nicht benötigten Utensilien herüber zu schaffen und sie an den Wänden entlang aufzustapeln. Es ist ein Wunder wie viel man in einem magisch vergrößerten Packsack unterbringen kann! Doch irgendwann ist zum Glück auch der größte Haufen von Materialien abgetragen.

Gerade als ich mich mit dem letzten Haufen Bücher im Arm aufrichte, um sie aus dem Raum zu tragen erscheint Meister Essal im Türrahmen. Ich erschrecke mich so sehr, dass ich beinahe alles wieder fallen lasse. Unbeholfen knie ich.

„Wo ist er?" Will der Meister scharf wissen als er seinen Sklaven nirgendwo entdeckt, doch die Frage beantwortet sich gleich darauf selbst, denn hinter ihm erklingt ein erstickter Entsetzenslaut und dann ein halb gehauchtes: „Herr!"

Der Magier fährt herum.

„Wieso bist du außerhalb des Raumes?" Fragt er schneidend.

„Eees ttut mir leid Herr… der zusätzliche Raum…"

Der andere Elf bricht erschrocken ab als sein Meister einen Schritt in seine Richtung macht.

„Welcher Raum? Wovon redest du verdammt?"

Essal packt den zitternden Sklaven am Kragen und schleift ihn ins Zimmer. Aus dem totenblassen Elfen wird er jedoch nicht mehr schlau, denn der bricht als nächstes in Tränen aus und gibt nur noch unverständliches Gestammel von sich. Leider heißt dies, dass der misstrauische und bereits gefährlich ärgerliche Blick als nächstes auf mir landet.

„Also? Ich hoffe für dich dass du eine gute Erklärung hast Sklave."

„Wir konnten das Gepäck nicht vollständig unterbringen Herr." Erkläre ich mit glücklicherweise nur leicht schwankender Stimme. „Daraufhin hat der zuständige Mensch uns einen weiteren Raum zur Verfügung gestellt. Wir sind gerade dabei alles zu verteilen Herr." Schließe ich und hoffe inständig dass er mit dieser Aussage zufrieden sein wird. Zu meiner großen Verwunderung scheint der Meister überrascht.

„Du hast dieses raffgierige, kleine Schweinchen Menar dazu gebracht dir ein Zimmer zu überlassen!" Sagt er mit ungläubiger Miene. „Wie hast du das angestellt?"

Ich schlucke einmal schwer, denn ich bin mir nicht sicher wie er meine Vorgehensweise aufnehmen wird. Lügen kann ich jedoch auch nicht, weil mittlerweile auch mein eigener Meister erschienen ist und die letzten Worte mitgehört hat.

„Ich habe ihm gesagt ihr würdet sonst ungehalten sein Herr." Murmle ich so hastig dass die Worte zu einem undeutlichen Brei verschwimmen. Mein Nuscheln bringt mir prompt eine Ohrfeige ein.

„Wie war das? Rede gefälligst deutlich!" Faucht mein Herr.

„Ich habe ihm gesagt ihr würdet ungehalten sein, wenn er euch nicht noch ein weiteres Zimmer besorgen könnte Herr." Wiederhole ich, diesmal klar und vernehmlich, während meine Wange auch schon anfängt zu pochen.

„Und daraufhin soll er dir gehorcht haben?" Hakt Essal zweifelnd nach. „Du lügst doch." Behauptet er verärgert. Jetzt bleibt mir wohl nichts anderes übrig als das ganze Ereignis etwas genauer wiederzugeben.

„Hat auch nicht. Nicht sofort jedenfalls Herr." Gebe ich unbehaglich zu. „Ich habe ihm gedroht er würde persönlichen Schaden nehmen und euren Sklaven als absch… als Beispiel benutzt."

Zaghaft deute ich auf den aufgelösten Sklaven der noch immer zu Meister Essals Füßen am Boden kniet und zittert.

„Du hast ihn mitgenommen!"

Ich erstarre entsetzt. Meister Essal klingt als würde er mich jeden Augenblick erwürgen und auch wenn mein Herr bei seinem Ausbruch leicht die Stirn runzelt, bin ich nicht sicher ob er eingreifen würde, sollte mich der andere Magier zur Rechenschaft ziehen wollen.

„Ich konnte nicht… er wollte mich nicht alleine gehen lassen Herr!"

Panisch weiche ich ein kleines Stück zurück, die Bücher noch immer fest umklammert als könnten sie Schutz bieten. Woher konnte ich denn wissen dass ich damit etwas Falsches getan habe? Bevor ich jedoch in weitere Verteidigung ausbrechen kann hat sich der wütende Meister bereits seinem eigenen Sklaven zugewendet.

„Du hast ohne Erlaubnis den Raum verlassen." Bemerkt er täuschend sanft. „Du weißt was das bedeutet nicht wahr Ssinjin?"

Ein heftiger Schauer läuft durch den zusammengekrümmten Körper.

„Nein Herr, bitte nicht!" Jault er auf. „Ich werde gut sein, bitte nicht! Ich tue alles! Bitte nicht in den Verschlag."

„Leider stehen mir hier jedoch nicht die geeigneten Einrichtungen zur Verfügung." Fährt der Meister fort als hätte er das Betteln um Gnade gar nicht wahrgenommen.

Abrupt bricht das verzweifelte Flehen ab. Leise keuchend starrt er mit panischen, blauen Augen den Drow an, als er darauf wartet was ihm bevorsteht. Es scheint allerdings als hätte Meister Essal nicht die geringste Absicht seine Pläne preiszugeben, denn er lächelt nur boshaft und erhebt sich.

„Und wo ist nun dieser wunderbare zusätzliche Raum?" Will er herablassend wissen.

„Es ist die dritte Tür rechts Herr." Erkläre ich und erhebe mich dann so schnell es meine Last zulässt, als er vor mir wehender Robe den Gang hinunter eilt. Mit angehaltenem Atem warte ich auf die Reaktion der beiden Meister. Letztendlich fällt sie allerdings höchst unspektakulär aus. Meister Essal wirft nur einen kurzen Blick in das bereits mit den mitgebrachten Materialien vollgestopfte Zimmerchen, brummt etwas unverständliches, dass entfernt nach Zufriedenheit klingt und verkündet dann er werde sich jetzt zum Essen begeben.

Mein eigener Meister wirft mir nachdenkliche Blicke zu und wartet mit der üblichen aufreizenden Geduld ab bis ich meine letzte Ladung Bücher verstaut habe, bevor er sich zu einer Äußerung herablässt.

„Du hast Menar in meinem Namen bedroht?" Fragt er sehr ruhig und lehnt dabei völlig entspannt am Türrahmen. Nur der voll auf mich konzentrierte Blick aus kühlen roten Augen sagt mir wie sehr ich mich gerade in Schwierigkeiten gebracht haben könnte.

„Nicht direkt Herr." Antworte ich unsicher, woraufhin ich nur eine hochgezogene Augenbraue ernte. Dankbar dass er mir überhaupt die Möglichkeit einer Erklärung gibt, fahre ich hastig fort.

„Ich sagte ihm ihr würdet ungehalten sein wenn er kein weiteres Zimmer mehr hätte und dass in Kriegszeiten Leute sehr leicht für einige Zeit verschwinden könnten, aber nicht dass ihr wirklich… dass ihr persönlich… er musste wirklich nur genug Fantasie aufbringen um die beiden Bilder zu verbinden Herr!" Schließe ich in flehentlichem Ton meine verworrene Verteidigung.

„Und du hast ihm Essals Sklaven als abschreckendes Beispiel vorgeführt." Setzt er mit unbewegter Miene hinzu. Ich zucke leicht zusammen als er, offensichtlich mit voller Absicht, dieselbe Formulierung benutzt, die ich mir kurz zuvor nur knapp verkniffen habe und nicke zaghaft, die Augen zu Boden gerichtet.

„In Zukunft", sagt er streng „wirst du mich von solchen eigenmächtigen Aktionen rechtzeitig in Kenntnis setzen und um Erlaubnis fragen. Ich habe keine Lust mich vor einem der anderen Meister für dein Fehlverhalten zu rechtfertigen. Ist das klar Sklave?"

Ängstlich nicke ich wieder.

„Ja Herr. Ich habe verstanden." Sage ich leise. „Wünscht ihr mich jetzt gleich zu bestrafen Herr?"

Meine letzten Worte sind ein wenig heiser, denn bei dem Gedanken an all die Dinge die er mir für eine solche Eigenmächtigkeit antun könnte wird mir augenblicklich der Mund trocken. Wieso habe ich auch nicht vorher nachgedacht? Nein, ich musste ja unbedingt kopflos in die Situation hineinstürmen und völlig unüberlegt mit unbegründeten Drohungen um mich schmeißen. Jetzt muss ich wohl mit den Konsequenzen leben, beschließe ich unglücklich und fange unbewusst bereits an nach einem festen Halt zu suchen, wo ich mich während einer Bestrafung festklammern könnte, um nichts zu beschädigen.

„Eigentlich sollte ich das wirklich tun." Murmelt er ungehalten. „Aber deine Konzentrationsfähigkeit wird bei diesen Bedingungen in den nächsten Wochen ohnehin noch genug leiden und ich habe dich schließlich mitgebracht damit du dich nützlich machst, nicht um zuzusehen wie du unterhaltsam aber nutzlos in einer Ecke vor dich hin leidest. Du kannst den Umständen dafür danken Häschen, dass du für den Moment glimpflich davonkommen wirst. Das nächste Mal wirst du die vollen Konsequenzen tragen, also sieh dich vor."

Bei diesen Worten schießt ein kurzer aber intensiver Schmerz durch mein Rückrat, der mich einmal aufstöhnen und halb zu Boden sinken lässt. Im Hinblick auf andere, frühere Bestrafungen ist dies geradezu lächerlich und ein wenig überrascht schaue ich meinem Herrn nach wie er unzufrieden den Gang entlang stapft ohne mich eines weiteres Blickes zu würdigen. Wahrscheinlich wird er in den nächsten Wochen eine Gelegenheit finden die verpasste Strafe später doch noch anzubringen, aber das mag sehr wohl noch eine Weile dauern denke ich erleichtert.

Die Bemerkung über meine Konzentrationsfähigkeit lenkt meine Aufmerksamkeit jedoch sehr schnell in eine andere Richtung. Während der letzten Tage ist, durch die regelmäßigen Anforderungen meines Herrn, die Leere in meinem Geist kein Thema gewesen über dass ich mir übermäßig den Kopf zerbrochen hätte, aber bei einer so gut wie gar nicht vorhandenen Privatsphäre und der offensichtlich vorrangigen Dinge, die die Meister zurzeit rund um die Uhr beschäftigen wird sich das leider wohl bald wieder ändern. Unglücklich schlinge ich, in einem hilflosen Versuch mich zu trösten, beide Arme um mich. Diesmal ist nicht einmal Ethin in greifbarer Nähe… energisch schüttle ich den Kopf, um diese unliebsamen Gedanken zu verbannen und mache mich auf den Weg zurück in unser ursprüngliches Zimmer, wo ich auf den immer noch völlig verstörten Sklaven von Meister Essal treffe. Er hockt in einer Ecke, die Arme fest um die Beine geschlungen und wiegt sich in einem monotonen Rhythmus vor und zurück, während er leise vor sich hin zu weinen scheint.

Ich beschließe, dass es sich nicht lohnt zu versuchen ihn aus diesem Zustand zu reißen, da er beim nächsten Erscheinen Meister Essals ohnehin wieder in völlige Panik verfallen wird und spätestens dann jegliche Bemühung meinerseits zu überflüssigem Aufwand verkommen würde.

Selbst noch ein wenig angekratzt durch die vorherige Konfrontation mit meinem Meister beginne ich etwas ziellos die bereits im Schrank untergebrachten Kleider und Utensilien noch einmal zu ordnen. Irgendwann gibt es jedoch einfach nichts mehr zu tun womit ich mich nun noch ablenken könnte und langsam beginne ich mich beunruhigt zu fragen, was ich denn die ganze Nacht hier anstellen soll? Der Gedanke auf längere Zeit mit dem verstörten Nervenbündel hier eingepfercht zu sein behagt mir gar nicht. Seine leisen Wimmer- und Schluchzgeräusche irritieren mich bereits jetzt und wenn ich mir vorstelle welchen grausamen Reiz seine Gegenwart nach einigen Tagen der Vernachlässigung meines Kontaktbedürfnisses haben wird, dann trägt dies absolut nichts dazu bei mich in seiner Gesellschaft wohler zu fühlen.

Auch wenn er es nicht explizit gesagt hat, bin ich mir recht sicher, dass mein Meister es kaum gutheißen würde, wenn ich mich aus diesem beengenden Raum entferne. Abgesehen davon bin ich selbst nicht gerade wild darauf ein weiteres Mal jemandem wie der Küchenmagd in die Arme zu laufen, der schon bei meinem bloßen Anblick in Angstschreie auszubrechen droht. Ich bemerke auf einmal wie meine Finger nervös auf der Kante des Bettes trommeln neben dem ich gerade stehe und rufe mich streng zur Ordnung. Wenn mein Herr es verlangt werde ich eben hier ausharren, so langweilig es auch sein mag. Langweilig ist immer noch besser als schmerzhaft.

Langsam steigert sich jedoch meine Abneigung gegen die fortwährend schniefende Geräuschkulisse und ich beginne ernsthaft zu überlegen ob ich nicht doch etwas unternehmen sollte. Noch unentschlossen nähere ich mich langsam dem unverändert in seiner Ecke hockenden Sklaven, der mich kaum wahrzunehmen scheint, so gefangen ist er in seiner eigenen Verzweiflung. Die Arme fest um sich geschlungen und den Kopf zwischen den angezogenen Knien verborgen, reagiert er jedoch nicht einmal auf meine Gegenwart als ich mich direkt vor ihm auf den Boden hocke. Eine Weile verharre ich so, unwillig ihn in diesem Zustand anzufassen, aber irgendwann beschließe ich es doch zu riskieren und strecke versuchsweise eine Hand aus um zunächst lediglich einen Finger auf seinen Arm zu legen und ihn dadurch dazu zu bringen mich überhaupt wahrzunehmen.

Dass was als nächstes geschieht hatte ich zwar halb erwartet, aber es scheint das meine Reflexe doch einiges zu wünschen übrig lassen, denn kaum spürt er auch nur den Hauch einer Berührung explodiert dieses so hilflos und gebrochen erscheinende Wesen in plötzliche und blitzschnelle Aktivität. Bevor ich auch nur zwinkern kann finde ich mich auf einmal auf dem Rücken wieder, die Handgelenke über meinem Kopf auf den Boden gepresst von einem verheulten und halb wahnsinnig schauenden Elfen, der gleich darauf zwar etwas erschrocken wirkt über sein eigenes Handeln, jedoch keine Anstalten macht deshalb von mir herunter zu steigen. Es scheint als hätte ich in meiner Aussage, dass er ein Krieger ist doch nicht völlig daneben gelegen. Unglücklicherweise.

Zumindest scheint er augenblicklich nichts weiter vorzuhaben als mich lediglich festzuhalten, etwas wofür ich mich wohlmöglich glücklich schätzen sollte, verstört wie er ist.

Die unebenen Holzplanken des abgelaufenen Bodens knacken leise unter mir und nach einer kurzen Zeit, die ich für ausreichend erachte für ihn um seine Fassung zurückgewinnen, fange ich an mich versuchsweise zu wehren. Es ist mehr ein zaghaftes ziehen an den Fingern die sich immer noch fest um meine Handgelenke klammern, als ein wirklicher Ansatz zur Gegenwehr, denn ich hoffe noch darauf dass er einfach nur überrascht war und mich mit dem richtigen Denkanstoß ganz von selbst wieder loslassen wird.

„Geh runter von mir!" Murre ich ihn gleichzeitig an und bemühe mich einen Ton zu wählen, der dieses Vorgehen als absolut selbstverständlich erscheinen lässt. In Wirklichkeit erinnert mich diese Situation allerdings viel zu sehr an ähnliche Vorkommnisse mit Ethin um dabei ruhig zu bleiben. Das erleichterte Aufatmen, das mir entkommen will als er sich wirklich zurückzieht, halte ich nur mühsam zurück.

„Entschuldige." Murmelt er undeutlich und für eine Sekunde glaube ich fast mich verhört zu haben. Das sich jemand für irgendetwas bei mir entschuldigt bin ich nicht mehr gewohnt. Derart überrascht brauche ich ein paar Sekunden um eine unsichere Antwort hervorzustoßen.

„Nicht schlimm. Ich wollte dich nicht so überraschen. Ich dachte nur…"

Und da gehen mir die Worte aus. Das mir sein Geheule auf den Geist gegangen ist, das will ich ihm im Moment nicht unbedingt vorhalten. Glücklicherweise unterbricht er den Moment der Stille bevor es offensichtlich wird dass ich nicht mehr weiter weiß.

„Doch!" Stößt er heftig hervor. „Es ist schlimm! Wenn ich so auf den Herrn reagiert hätte…!"

Allein die Vorstellung lässt ihn erzittern. Mit purer Verzweiflung im Blick starrt er mich nun an.

„Ich kann nicht mehr." Stöhnt er leise und krallt sich ziellos an meinem Ärmel fest. Eine Geste, die mich erneut in Nervosität stürzt.

„Wie hältst du es aus so zu leben?"

Angesichts der unnatürlich glänzenden Augen und fahrigen Bewegungen befürchte ich jetzt wirklich einen ausgewachsenen Zusammenbruch und überlege bereits hektisch wie ich ihn ablenken könnte.

„Du gewöhnst dich daran." Versuche ich eindringlich ihn zu beruhigen. „Nach einer Weile ist es nicht mehr so schrecklich. Du musst nur lernen dich zu fügen."

Auch wenn das manchmal unendlich schwer ist, wie ich jedoch nur vor mir selbst zugebe. Dieselben Worte habe ich vor gar nicht allzu langer Zeit auch aus Ethins Mund vernommen. Geholfen haben sie mir damals nicht, aber vielleicht sind diese leeren Worte immer noch besser als gar nichts zu haben an dass man sich klammern kann. Auf jeden Fall ist es besser als stumm zuzusehen wie der andere Elf hier direkt vor mir zerbricht.

„Wirklich?" Will er mit schwankender Stimme wissen.

„Ja." Lüge ich. „Du wirst sehen."

Er schaut zu Boden.

„Aber es ist so schwierig." Flüstert er und erschauert. Ich kann ihm da nicht widersprechen und so schweige ich lediglich. Zu versuchen die Wünsche meines Meisters vorauszuahnen oder zumindest befriedigend zu erfüllen ist unendlich schwierig, besonders wenn er unklare Anweisungen gibt. Das weiß ich aus bitterer Erfahrung. Außerdem bin ich sicher, dass Meister Essal noch ein gutes Stück bösartiger ist als mein eigener Herr. Stumm tue ich das einzige was mir in dieser Situation noch übrig bleibt und ziehe ihn langsam zu mir heran, bis ich locker die Arme um ihn schlingen kann, immer vorsichtig darauf bedacht dabei keinen Druck auf mögliche Verletzungen auszuüben. Diese unvollkommene Zuwendung ist das einzige was zu geben mir noch möglich ist, denn alles andere habe ich bereits verlernt. Es scheint jedoch als genüge dies für den Moment, denn ich spüre wie der namenlose Elf sich nach einigen Minuten langsam ein wenig zu entspannen beginnt. Ich selbst versuche so viel aus dem lockeren Kontakt zu machen wie möglich, denn obwohl ich mich leicht schuldig fühle dabei, trägt es doch dazu bei meinen geistigen Zustand weiterhin stabil zu halten.

Wir werden unsanft aus unserer seltsamen Umarmung geschreckt als die Tür sich plötzlich öffnet und den Blick freigibt auf einen mehr als schlecht gelaunten Meister Tishé. Unglücklicherweise befinden wir uns gerade mitten im Weg, was dazu führt, dass ich als nächstes eine schallende Ohrfeige von ihm bekomme, in Begleitung eines wütend gezischten: „Aus dem Weg Missgeburt."

Zum zweiten Mal in dieser Nacht fühle ich wie meine Wange anfängt zu pochen. Sobald ich meine Balance wiedererlangt habe ziehe ich es vor mich augenblicklich in die am weitesten entfernte Ecke des Raumes zu begeben. Eine Regung die der andere Sklave zu teilen scheint, denn er folgt mir mit gehetztem Blick und sieht wieder aus als stünde er kurz vor einer Ohnmacht. Die Chance dass der Meister uns ernsthaften Schaden zufügen würde sehe ich jedoch als eher gering an, denn solange wir nichts tun das eine Strafe rechtfertigt sind wir beide durch den höheren Rang unserer Herren einigermaßen geschützt.

Vielleicht ist es ja auch gerade das was den Magier erst so aufgebracht hat. Sich auf so engem Raum mit zwei höherstehenden Meistern zu befinden und dadurch ständig an die eigene Unvollkommenheit erinnert zu werden muss an seinem Selbstbewusstsein kratzen, besonders weil ich mir sicher bin, dass die beiden anderen in typischer Drowmanier keine Gelegenheit auslassen werden ihn daran zu erinnern wo sein Platz in der Gesellschaft ist. Die Tatsache, dass er sich jetzt gerade nicht mit ihnen unten beim Essen befindet sagt jedenfalls meiner Meinung nach bereits einiges aus über die zukünftige Arbeitsteilung.

Seltsamerweise hat er außer einer kleinen Tasche überhaupt kein Gepäck mitgebracht. Ein Umstand, der mir erst in diesem Augenblick bewusst wird, als ich ihn mürrisch in besagter Tasche herumkramen sehe, bis er eine zerrupfte Schreibfeder und ein leicht zerknittertes Stück Pergament zutage fördert auf dem er hastig zu kritzeln beginnt. Ich frage mich wie lange er hier bleiben wird. Möglicherweise ja nur einen Tag. Das würde auch erklären wieso Ciel im Gegensatz zu uns nicht hier ist. Ich entscheide, dass es wahrscheinlich seine Aufgabe ist, als Verbindungsglied zwischen der Schule der Magier und dieser Stadt zu dienen. Es muss ein undankbares Amt sein diese Botengänge auszuführen während andere den Ruhm oder zumindest die Anerkennung für die geleistete Arbeit ernten.

Als später in dieser Nacht mein Herr und Meister Geryn zurückkommen ist der dritte Magier bereits lange wieder verschwunden. Wir Sklaven werden in den zweiten Raum geschickt zum schlafen, wohl damit wir nebenbei auch auf die wertvolle Ausrüstung achten können. Obgleich ich nicht annehme, dass irgendwer es wagen würde von diesen beiden zu stehlen. Dazu ist die Vorliebe der Drow für blutige und grausame Racheakte viel zu bekannt.

Ein wenig unsicher stehe ich schließlich in einer Ecke des winzigen, bereits fast ausgefüllten Raumes und überlege ob wir den harten, groben Boden nicht etwas erträglicher machen können. Durch das winzige Fensterchen dringen gedämpft die Geräusche der langsam erwachenden Stadt herein. Trotz allem sieht es so aus als würden wir den nächtlich aktiven Rhythmus auch hier beibehalten wo eigentlich alles nach anderen Regeln abläuft.

Nach kurzer Zeit des ratlosen Suchens muss ich einsehen, dass sich zwischen den hier aufgehäuften Glasflaschen, Instrumenten und Büchern wohl nichts geeignetes finden wird um unser Lager zu polstern und mit einem resignierten Seufzer fange ich an mich entlang einem der weniger scharfkantigen Stapel so bequem wie möglich zu arrangieren.

Während ich mich auf der vergeblichen Suche nach ein bisschen Komfort herumwälze, steht der Namenlose noch immer stumm neben der Tür. Er strahlt wieder einmal unübersehbare Unsicherheit aus.

„Was ist? Worauf wartest du?" Frage ich unwirsch. „Komm endlich her und leg dich hin."

Ich kann auf keinen Fall schlafen wenn er darauf besteht dort zu verharren und auf mich herabzustarren! Trotzdem bin ich wieder einmal fast überrascht als er auf meinen aufgesetzt herrischen Ton mit promptem Gehorsam reagiert und sich schließlich vorsichtig neben mich drapiert. Was immer Meister Essal mit ihm angestellt hat muss extrem traumatisch gewesen sein beschließe ich und bin wieder einmal froh dem bösartigen Meister nicht selbst tagtäglich völlig ausgeliefert zu sein. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren schließe ich die Augen. Eine Weile lausche ich noch den zittrigen, unregelmäßigen Atemzügen neben mir und im Stillen bin ich dankbar für die Wärme die mein Zimmergefährte ausstrahlt, selbst wenn er mich kaum berührt, beruhigt seine stetige, schwach wahrnehmbare Präsenz die Leere in meinem Geist. Das unangenehme Pieksen und Scheuern des auf dem Boden verbliebenen Drecks versuche ich zu ignorieren, auch wenn es nicht unbedingt leicht ist. Zu Hause im Quartier meines Meisters ist der Boden auf dem ich schlafe wenigstens sauber und von einem Teppich bedeckt! Missmutig schließe ich die Augen und versuche den Schlaf durch pure Willenskraft herbeizuzwingen.

Irgendwann in einem unruhigen Dämmerzustand, der nicht ganz als Schlaf zu bezeichnen ist, merke ich wie sich langsam und unter äußerster Behutsamkeit von hinten ein Arm um mich legt, gefolgt von einem Körper der sich sanft aber eng an mich schmiegt. Einen Augenblick lang bin ich leicht irritiert, beschließe aber dass es ein völliges Erwachen nicht wert ist mich jetzt freizumachen. Außerdem ist mir die zusätzliche Wärme mehr als willkommen. Gleichgültig lasse ich mich wieder zurückgleiten in den leichten oberflächlichen Schlummer.

Das nächste Mal erwache ich dadurch, dass jemand zärtlich über meine Wange streichelt. Verblüfft warte ich ab was diese seltsame Annährung zu bedeuten hat. Das Bedürfnis nach Nähe kann ich nach Isolation zwar verstehen, aber das hier geht schon ein wenig darüber hinaus wie ich meine. Ich bin zwar nicht mehr wirklich müde, doch aus reiner Neugierde entscheide ich mich den Anschein des Schlafes zunächst beizubehalten und abzuwarten was der seltsame Elf als nächstes tun wird.

Für einige Minuten geschieht nichts weiter als dass er mich sanft streichelt. Eine Behandlung die ich von meinem Meister zwar ab und zu erfahre, bei der er jedoch niemals eine solche Ausdauer an den Tag legt. Fast automatisch lehne ich mich der Berührung nach und nach ein klein wenig entgegen. Es ist schön so gestreichelt zu werden beschließe ich insgeheim und schlafe sogar nach einer Weile beinahe wieder ein. Leider macht mich bald darauf das Kribbeln meines Halsbandes darauf aufmerksam, dass jetzt nicht die passende Zeit zum Faulenzen ist.

Geh in die Küche zum Frühstücken Häschen und dann komm zu mir.

Befiehlt mein Meister kurz angebunden und dann hat er sich bereits wieder zurückgezogen. Obwohl ich klare Anzeichen des Erwachens von mir gebe, scheint der andere Elf mich nur widerstrebend freizugeben. Ich frage mich zwar auch weiterhin was ihn dazu getrieben haben mag, nachdem ich nicht einmal besonders freundlich zu ihm war, aber keiner von uns beiden erwähnt seine Annährung. Stattdessen frage ich nur: „Darfst du Frühstücken?"

Woraufhin er stumm nickt.

„Gut." Murmle ich und strecke langsam die schmerzenden Glieder. Ob mein Meister mir erlauben wird zu versuchen irgendwo eine Decke aufzutreiben? Wenn er heute schlechte Laune hat stehen die Chancen dafür leider eher ungünstig. Mit diesem unerquicklichen Gedanken im Hinterkopf begebe ich mich, den Namenlosen wieder im Schlepptau, hinunter zur Küche, von der ich ja glücklicherweise inzwischen weiß wo sie sich befindet.

Wie am Vortag wird uns kommentarlos ein Teller mit Eintopf vorgesetzt, den wir ebenso stumm in uns hineinschlingen wie gestern, bevor wir uns, jeder mit einem schweren Tablett für den jeweiligen Meister beladen, schnell wieder auf den Weg nach oben machen um dort die erste Mahlzeit der Nacht zu servieren. Als wir am Treppenabsatz angekommen sind fangen meine Arme bereits langsam an zu schmerzen von dem hohen Gewicht das sie tragen müssen und ich bin froh meine Last bald absetzen zu können.

Ein wenig hoffe ich darauf heute nicht wieder in der erdrückenden Enge des Kämmerchens zurückgelassen zu werden. Schließlich hatte mein Meister doch erwähnt dass ich noch etwas Nützliches zu tun bekommen würde…

Glücklicherweise verläuft das heutige Frühstück, anders als das gestrige, ohne besondere Vorkommnisse und schon bald werden wir mit unseren merklich leereren Tabletts wieder zurück in die Küche geschickt. Das Bad muss heute offensichtlich ausfallen, denn schon als wir wieder in den Vorraum treten fangen uns die Meister ab und wir machen uns wieder einmal auf den Weg durch die vor Leben brodelnde Stadt. Die laute Lebhaftigkeit, welche die Menschen hier an den Tag legen, ist mir unangenehm nach der stillen, lauernden Zurückhaltung, die die Drowstadt kennzeichnet und ich zucke mehrfach zusammen, weil neben mir plötzlich jemand das Bedürfnis verspürt aus heiterem Himmel in heftiges Gestikulieren und laute Konversation auszubrechen.

Die Blicke die uns folgen sind nicht unbedingt freundlich zu nennen und tragen das ihrige zu meinem Unbehagen bei. Selbst hier unter all den Menschen scheint es ironischerweise hauptsächlich mein Sklavenstatus zu sein der mich vor Übergriffen schützt. Es ist zwar eigentlich nicht verwunderlich wenn man bedenkt, dass mein Volk in diesem Krieg auf der Seite des Feindes dieser Leute steht, aber trotzdem trifft mich die unverhohlene Ablehnung, die uns auf unserem Weg entgegenschlägt, unvorbereitet. Eingeschüchtert achte ich darauf auf keinen Fall den Anschluss an die beiden Meister zu verlieren, vor denen die Massen auseinander fließen wie Öl.

Nach einem Fußmarsch der uns fast durch die halbe Stadt geführt hat, kommen wir schließlich zu einer prachtvollen Villa, die als eines der wenigen Häuser hier nicht völlig überbevölkert zu sein scheint. Die großen schmiedeeisernen Tore öffnen sich ohne dass sie jemand bewegt. Ein Anblick der mich, neben der deutlich spürbaren Ausstrahlung des Grundstücks selbst, zu der Schlussfolgerung verleitet, dass hier ein mächtiger Zauberer wohnen muss.

Unser Weg windet sich spielerisch durch einen liebevoll gepflegten Vorgarten, dessen Besitzer offensichtlich ein Faible für Rosen hat. Die kunstfertig überall verteilten Sträucher sind noch nicht erblüht, doch das satte, frische Grün des Frühlings scheint die Luft mit einer Lebendigkeit zu erfüllen die ich, eingesperrt zwischen den steinernen Wänden der Schule der Magie, lange vermisst habe. Ich versuche so viel davon aufzunehmen wie mir während unserer kurzen Durchquerung des Gartens möglich ist und ein kurzer Seitenblick zeigt mir, dass Essals Sklave genau dasselbe fühlen muss.

An der Tür des Hauses schließlich tritt uns ein hochgewachsener, leicht hager wirkender Mann in den dunkelroten Roben eines Magiers entgegen. Seine Gesichtszüge offenbaren nichts außer vorsichtig erhaltener Neutralität als er die beiden Meister mit Respekt, aber ohne große Ehrfurcht begrüßt.