Disclaimer: Siehe letztes Kapitel
A/N: Keine Reviews für Nummer 25? Schluchz... na ja hab auch recht lang gebraucht mal wieder.
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Nikos
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Uns Sklaven scheint er zumindest anfangs nicht die geringste Aufmerksamkeit zu schenken, ein Umstand der mich darauf schließen lässt, dass er schon früher Umgang mit den Drow gepflegt hat. Dort gehört es nicht zum guten Ton die Anwesenheit eines Minderwertigen zur Kenntnis zu nehmen.
Das ist Nikos. Er ist einer der mächtigsten Magier dieser bemitleidenswerten Stadt, also pass gut auf und sieh zu dass du wenigstens etwas über die Menschen lernst auf dieser überflüssigen Unternehmung.
Erklärt mein Meister überraschend. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er in den nächsten Stunden überhaupt etwas anderes als den einen oder anderen kurz angebundenen Befehl in meine Richtung äußern würde und bin von diesem vergleichsweise ausführlichen Wortschwall leicht überrascht. Dies hindert mich jedoch nicht daran dem Befehl folge zu leisten und den fremden Magier von nun an genauer zu beobachten. Er hat sich sehr gut unter Kontrolle für einen Menschen, aber nachdem ich bereits lange genug unter den Drow gelebt habe, die ihre Undurchschaubarkeit hegen und pflegen wie kein zweites Volk, fällt mir trotzdem ein gewisses Widerstreben in seiner Haltung auf. Wahrscheinlich gehört er nicht zu den größten Befürwortern dieser riskanten Allianz. Ich merke wie sein Blick im Laufe der nächsten beiden, hauptsächlich mit schwerfälliger, belangloser Konversation verbrachten, Stunden immer wieder zu dem Namenlosen schweift, der zunehmend nervöser wird. Er hat die Blicke natürlich ebenso bemerkt und scheint sich ihrer Bedeutung sicherer zu sein als ich. Kennt er den Magier? Möglich wäre es. Sollte meine Theorie richtig und der wäre Namenlose wirklich einer der gefangenen Krieger, könnten sich die beiden bereits auf dem Schlachtfeld begegnet sein.
Mit leichter Verwirrung warte ich ab, was als nächstes geschehen wird. Offensichtlich warten die anwesenden Magier ebenfalls. Worauf, darüber kann ich nur spekulieren. Ich bin mir jedoch ziemlich sicher, dass keiner der drei sich diese erzwungene Unterhaltung länger antun will als unbedingt nötig. Seit einer Weile ist mein Herr dazu übergegangen nur noch missmutig vor sich hin zu brüten. Er scheint zufrieden damit Meister Essal die Führung in diesem schleppenden Gespräch zu überlassen, der jedoch langsam selbst zunehmend unwilliger wird. Derjenige auf den sie hier warten muss sich, den allseits ärgerlichen Mienen nach, inzwischen um einiges verspätet haben.
Als auf einmal im ganzen Raum der tiefe, weiche Ton eines unsichtbaren Gongs erklingt zucke ich fast unmerklich zusammen und handle mir damit einen verärgerten Blick meines Meisters ein, neben dem ich jetzt bereits seit Stunden fast bewegungslos gekniet habe, so dass ich inzwischen meine Knie kaum noch spüre.
„Wenn ihr mich kurz entschuldigen würdet."
Mit einem kurzen Kopfnicken und erstaunlich geschmeidigen Bewegungen erhebt sich der menschliche Magier und begibt sich zum Eingang. Ich frage mich wieso er keine Bediensteten hat die seine Gäste in den Empfangsraum geleiten. Kurze Zeit später ist wieder zurück, in Begleitung eines Unbekannten Menschen, dessen ausladender, breitkrempiger Hut mich jedoch sofort an Jarlaxle denken lässt. Als der Neuankömmling dann auch noch besagten Hut schwungvoll vom Kopf zieht und in einer ausschweifenden Verbeugung vor sich her schwenkt, bin ich mir trotz des völlig anderen Erscheinungsbildes, fast sicher dass es sich hier um den exzentrischen Dunkelelfen handelt, den wir vor einigen Monaten in die Stadt der Drow geleitet haben. Es wäre im Grunde recht logisch dass er hier zu einer Besprechung erscheint, nachdem der Rat auf seine Initiative hin beschlossen hat sich in diesen Konflikt zu involvieren. Erwartet habe ich es allerdings nicht unbedingt, besonders nachdem er allem Anschein nach für beide Parteien gleichzeitig zu arbeiten scheint.
„Bitte entschuldigt vielmals die Verspätung meine Herren, aber ich wurde bedauerlicherweise ein wenig aufgehalten an den Toren dieser wundervollen Stadt."
Ein breites Lächeln begleitet seine Worte und lässt ihn mehr wie einen enthusiastischen Straßenhändler als den gefährlichen dunklen Elfen erscheinen der er in Wirklichkeit ist. An der Miene meines Meisters ist deutlich abzulesen, dass er nicht ein einziges Wort dieser Beteuerung glaubt, auch wenn er es unterlässt sich weiter dazu zu äußern.
„Wenn ihr euch setzen wollt."
Nikos weist auf einen der leeren Stühle.
„Ist alles bereit?" Will Meister Essal ungeduldig wissen, kaum dass der Neuankömmling Platz genommen hat. Er kann es wohl kaum erwarten endlich zum Ende zu kommen und sich wieder auf den Rückweg zu machen.
„Euch ebenso einen guten Abend Meister Essal." Ist die milde belustigte Antwort des immer noch Verkleideten, die einen kurzen Ausdruck der Verärgerung über die scharfen Züge des Magiers blitzen lässt.
„Ihr spracht davon dass ihr aufgehalten wurdet?" Fragt der Mensch höflich besorgt. „Ich hoffe doch es handelte sich dabei nur um ein Missverständniss."
Ich vermute zwar, dass Jarlaxle diese Verspätung druchaus absichtlich herbeigeführt hat, ebenso wie mein Meister es von Zeit zu Zeit tut, doch das hält ihn nicht davon ab großzügig abzuwinken und zu einer vorraussichtlich sehr ausschweifenden Erzählung anzusetzen. Es sieht so aus als hätte er, im Gegensatz zu den anderen, alle Zeit der Welt.
Hast du seine Identität erraten Häschen? Will mein Herr wissen, der sich glücklicherweise momentan zumindest noch über Meister Essals stetig wütender werdende Miene amüsieren kann.
Es ist Jarlaxle Herr.
In der Tat.
Meine Belohnung für die richtige Antwort ist ein kurzes Streicheln über den noch immer unterwürfig gesenkten Kopf.
Und was bringt dich zu diesem Schluss?
Jetzt stutze ich kurz. Es bleibt mir jedoch gar nichts anderes übrig als die Wahreheit zu sagen. Schließlich wüsste mein Meister, besonders im Moment wo seine Aufmerksamkeit so sehr auf mich konzentriert ist, augenblicklich wenn ich auch nur versuchen würde etwas zu verschleiern. Dennoch ist mir klar, dass er wahrscheinlich etwas anderes hören will als dass mich der Hut auf diese Idee gebracht hat. Wahrscheinlich gibt es irgendeine mysteriöse magische Ausstrahlung die ich übersehen habe.
Sein Hut Herr. Antworte ich dennoch resigniert und bereite mich dann auf die Schmerzen vor die jetzt sicherlich folgen werden. Zu meinem großen Erstaunen lacht er jedoch stumm und erklärt nur rätselhaft: In seinem Fall ist das möglicherweise die einzige plausible Erklärung Häschen. Wenn du klug bist hältst du dich von ihm fern so weit es geht.
Ja Herr. Wie ihr wünscht.
Noch verwirrter als zuvor kann ich innerlich nur mit den Schultern zucken. Das Verhältniss zwischen dem seltsamen Drow und meinem Herrn kann ich nur schlecht einschätzen. Ich weiß zwar, dass die beiden bereits früher miteinander zu gehabt haben, aber da mein Meister ihm gegenüber eine ausgesuchte Vorsicht und ein für ihn recht ungewöhnliches Maß an Respekt an den Tag legt, bin ich nicht sicher inwieweit Jarlaxle überhaupt vertrauenswürdig ist. Auch jetzt wartet mein Herr mit einer geradezu engelsgleichen Geduld ab bis die verworrene Geschichte über eine ungeplante Durchsuchung am Haupttor beendet ist, bevor er nüchtern bemerkt: „Ich nehme an die Pläne sind nicht in Mitleidenschaft gezogen worden. Wenn ihr also erlaubt werden wir jetzt zum Wesentlichen kommen."
„Oh, aber natürlich!" Pflichtet Jarlaxle ihm nachdrücklich bei und zieht dann mit schwungvoller Geste eine feste Rolle Pergament hervor, die er schließlich auf einem kleinen Tischchen ausbreitet. Von meiner Position auf dem Boden kann ich nicht erkennen was auf den Blättern abgebildet ist und obwohl ich weiß, dass mein Meister es nicht schätzt wenn ich derartig neugierig bin, macht sich ein leichtes Bedauern über diesen Umstand in mir breit.
An den folgenden Diskussionen erkenne ich jedoch schon bald, dass es sich um einen Plan der gegnerischen Stadt und des dortigen Heerlagers handeln muss, denn Jarlaxle erkärt einige der offenbar größtenteils kodierten Abbildungen näher.
Wieder beginne ich mich zu fragen was wohl meine Rolle in den Plänen des Rates sein mag. Noch immer weiß ich nichts genaueres darüber und je länger wir in dieser Stadt sind, desto mehr nagt die Unsicherheit an meinen Nerven. Der Gedanke vielleicht wirklich in einen Kampf verwickelt zu werden bereitet mir zunehmend Sorgen.
Was zuvor nur eine entfernte Möglichkeit war, wird beim Anblick all dieser Söldner immer mehr zur stetig wachsenden Wahrscheinlichkeit. Werde ich überhaupt fähig sein mich zu wehren? Lang verdrängte Bilder von der blutigen Auslöschung meines Clans und meiner Familie steigen ungewollt wieder in mir hoch und mit ihnen eine lähmende Angst, die mich paralysiert und innerlich erstarren lässt. Das Gefühl bereits besiegt zu sein, dass jeden Kampf, jede Gegenwehr überflüssig scheinen lässt macht sich unaufhaltsam in mir breit wie schleichendes Gift.
Stimmt es nicht sogar? Reflektiere ich bitter. Schließlich bin ich bereits mehr als besiegt. Ich bin Eigentum eines Anderen, ohne das Recht auf eigenen Willen oder Wünsche. Ich brauche meinen Meister, auch wenn ich mich gleichzeitig für dieses Bedürfniss hasse, meine Abhängigkeit aus der ich niemals aus eigener Kraft entkommen kann, aus der ich fast nicht mehr entkommen will, weil sie Alles so viel einfacher macht, mir Schuld und Entscheidungen abnimmt die ich sonst vor mir selbst rechtfertigen müsste.
Auf seinen Befehl hin könnte ich mittlerweile riesige Flammenbälle loslassen, die bis zu zehn oder auch mehr Personen in den Tod reißen würden, aber könnte ich dasselbe auch aus eigenem Antrieb tun? Könnte ich von mir aus töten wenn man mich angreift, obwohl bereits fast jeder Impuls zum Widerstand aus meinem wachen Bewusstsein verbannt worden ist? Wiederstand bedeutet Schmerz und Erniedrigung für mich und sich zu wehren verlängert nur das Leiden. Das habe ich schnell gelernt.
Andererseits, so wird mir jetzt klar, schlummert das Bedüfnis zurückzuschlagen doch noch immer irgendwo tief in mir. Ich muss mir nur das letzte Zusammentreffen mit Ethin vor Augen halten um dies zu bestätigen. Der Gedanke noch einmal morden zu müssen lässt mich allerdings erschauern und ich hoffe inständig, dass es trotz allem nicht dazu kommen wird.
Der formale Teil dieses langerwarteten Treffens kommt schließlich überraschend schnell zum Ende, nachdem die einzelnen Zeichen erklärt sind.
Entweder sind alle zukünftigen Aktionen bereits geplant oder sie werden später noch diskutiert werden. Auf jeden Fall bin ich zuerst ein wenig überrumpelt als plötzlich die mitgebrachten Karten in die Hände Meister Essals übergehen und Nikos, durch die Regeln der allgemeinen Höflichkeit gezwungen, eine Einladung zum Essen ausspricht, die ausnahmslos angenommen wird.
Hier zu speisen ist vermutlich eine wesentlich ruhigere Angelegenheit als dafür wieder in das hoffnugslos überfüllte Haus von Menar zurückzukehren, zudem die Gesellschaft von lediglich einem Menschen der von einem ganzen Haufen aus Sicht der Drow sicherlich vorzuziehen ist. Ich bin hauptsächlich froh noch nicht wieder in die enge Kammer zurückkehren zu müssen, wo ich wahrscheinlich doch nur unruhig auf und ab laufen würde.
Geleitet von einem nach wie vor bewundernswert neutral wirkenden Nikos begeben sich alle in den, in schlichtem Grün gehaltenen, Speiseraum. Er wird dominiert von einem großen, runden, aus honigfarbenem Holz gezimmerten Tisch, der zwar schon von einer ebenfalls grünen, durchscheinenden Tischedecke bedeckt, jedoch sonst in keiner Weise vorbereitet ist. Der Man hat Geschmack, denke ich und wage ein paar neugierige Blicke zu den ansprechenden Deckenmalereien, die schließlich kaum merklich in die sanften Wellen der Wandbehänge übergehen.
Es dauert kaum ein paar Minuten bis ein nervöser, schlaksiger Jüngling hereinkommt, beladen mit einem gefährlich schwankenden Tablett voller Geschirr, dass er schließlich laut klirrend absetzt und dann damit beginnt ungelenk die Gedecke zu platzieren. Keiner der beiden elfischen Magier bemüht sich die Herablassung angesichts der ungeschickten Bemühungen zu verbergen und ich frage mich unbehaglich, ob ich bei meinen ersten Versuchen in diesem Bereich ähnlich unfähig gewirkt habe. Nachdem er sich eine Weile über den peinlichen Anblick amüsiert hat durchbricht mein Meister schließlich die herrschende Stille: „Ist der Junge euer Lehrling meister Nikos?"
Besagter Junge zuckt daraufhin heftig zusammen und lässt um ein Haar das dünnwandige Weinglas fallen, das er gerade in einer leicht zittrigen Hand hält. Hilfesuchend schaut er zu dem menschlichen Magier, der lediglich nickt und ihm wortlos bedeutet mit seiner Tätigkeit fortzufahren.
„Wenn ihr erlaubt," unterbricht mein Herr zum zweiten Mal die, nur durch Geschirrklappern gefüllte, Stille „wird mein Sklave ihm zur Hand gehen."
Jetzt muss ich selbst den Drang unterdrücken zu ihm aufzuschauen. Ich kann nicht recht entscheiden, ob das Angebot nun eine Beleidigung sein soll oder ob es lediglich dem Wunsch entspringt diese unwürdige Darbietung nicht länger mit ansehen zu müssen. Nikos scheint ähnliche Probleme zu haben, denn es dauert einige Sekunden bis er endlich antwortet.
„Ich danke euch für das großzügige Angebot." Erklärt er schließlich in einem erstaunlich ungerührten Tonfall und fügt dann an seinen Lehrling gewandt hinzu: „Keson zeig ihm doch bitte wo die Küche ist."
Der Junge nickt so ruckartig, dass er mich dabei ein wenig an ein nervöses Huhn erinnert und wendet sich prompt zum gehen ohne seine Aufgabe hier beendet zu haben. Auf ein kaum merkliches Kopfnicken meines Meisters hin erhebe ich mich schnell und folge ihm. Hätte ich ein derart unhöfliches Verhalten an den Tag gelegt, wäre mich das teuer zu stehen gekommen. Einfach alles halb fertig dort stehen und liegen zu lassen bereitet mir sogar jetzt ein ungutes Gefühl wo ich gar nicht direkt dafür verantwortlich bin.
Ich folge dem verschüchterten Jungen über dunkle Dienstbotengänge beinahe durch das halbe Haus, ohne dass er es auch nur wagt mich anzublicken. Erst kurz bevor wir in der Küche eintreffen wird er ein wenig mutiger und kann sich zu gelegentlichen Seitenblicken durchringen. Dass er mich unheimlich findet irritiert mich ein wenig, auch wenn es gleichzeitig seltsam befriedigend ist. Normalerweise treffen mich eher abschätzige oder auch lüsterne Blicke, die ich jedoch mittlerweile größtenteils zu ignorieren gelernt habe.
In der Küche selbst treffen wir dann auf einen kleinen, drahtigen Mann, der eine ehemals weiße, soßenfleckige Schürze trägt und ganz offensichtlich der Koch ist. Er versteht seine Aufgabe, im Gegensatz zu dem Lehrling, meisterhaft wie ich nach einem kurzen Blick auf das bereitgestellte Menü erkenne. Als ich mich kurz verbeuge schaut er zwar ein wenig verdutzt, nimmt meine Anwesenheit aber ansonsten mit erstaunlicher Gelassenheit hin und deutet lediglich, mit unbestimmtem Brummen auf vier Teller mit einer zierlichen Salatkomposition, die er nebst Soße und einigen köstlich aussehenden Brotscheiben bereits auf einem großen, silbernen Tablett platziert hat. Eine Karaffe mit Wasser und eine mit Weißwein stehen ebenfalls daneben.
Zielsicher greife ich nach den Getränken, denn das korrekte Einschenken ist ungleich schwieriger als lediglich einen Salat auf den Tisch zu stellen. Dass der Junge ebenfalls dieser Meinung ist, erkenne ich deutlich an dem erleichterten Ausdruck auf dem schmalen, sommersprossigen Gesicht. Wenn er einmal ein wenig älter ist, wird er wahrscheinlich sogar recht niedlich aussehen. Im Moment jedoch ist er noch gefangen in jenem unproportionierten, halbwüchsigen Stadium, das alle Menschen irgendwann auf ihrem Weg des Heranwachsens durchlaufen.
Nachdem wir den Rückweg ohne weitere Schwierigkeiten hinter uns gebracht haben, schaffe ich es sogar irgendwie gleichzeitig einzuschenken und relativ unauffällig die noch fehlenden Teile der Gedecke an ihren Platz zu legen, bevor ich mich wieder an die Seite meines Meisters begebe. Eine Weile verharre ich dort und lausche der, hauptsächlich von Jarlaxle bestrittenen Konversation, doch als ich mich irgendwann automatisch erheben will um nachzuschenken hält mein Herr mich mit einer leichten Berührung an der Schulter zurück.
Du hast deine Aufgabe fürs erste getan Häschen.
Erklärt er und beobachtet noch eine Weile wie sich das Glas von Meister Essal immer weiter leert. Dessen Sklave beobachtet den Vorgang ebenfalls, allerdings mit zunehmender Unruhe. Ein leichtes Zucken durchfährt ihn als wolle er aufspringen, doch im Moment ist dies ebenso wenig seine Aufgabe wie meine und er bezähmt sich. Dennoch zuckt er ein weiteres Mal zusammen als ihn gewohnheitsmäßig der böse Blick des Magiers trifft, nachdem dieser schließlich ein leeres Glas an die Lippen geführt hat. Der Blick verlagert sich jedoch gleich darauf hin zum unglückseligen Zauberlehrling. Jener scheint nicht zu bemerken in welch unangenehme Lage er sich gerade gebracht hat.
„Nein wie die Zeit vergeht. Es scheint als könnten wir fast mit dem Hauptgang beginnen." Wirft Jarlaxle auf einmal ein, bevor Essal sich äußern kann. „Was hat euer hervorragender Koch denn aus dem Ärmel gezaubert Meister Nikos? Ich hoffe doch es wird von dem exquisiten Rotwein begleitet von dem ich bei meinem letzten besuch in dieser Stadt bereits einmal kosten durfte."
Nach dieser Äußerung klappt Essal abrupt den gerade geöffneten Mund wieder zu. Jetzt noch mehr Wein zu verlangen wäre unangebracht, besonders da Nikos gerade nickt und etwas von einer Ente erzählt, die dieses Jahr besonders gut sein soll.
Der Rest der Mahlzeit verläuft ungefähr nach demselben Muster und mein Respekt vor dem gewitzten Spion steigt immer mehr, während ich zusehe wie er geschickt die Untiefen und gesellschaftlichen Unterschiede in dieser Runde meistert ohne dabei zu offensichtlich zu sein. Er scheint Augen und Ohren überall zu haben obwohl er fast permanent über alle möglichen Belanglosigkeiten redet. Wie er das schafft ist mir ein Rätsel.
Als wir später wieder auf dem Weg zu unserer eigenen Unterkunft sind bin ich ein wenig überrascht wie reibungslos diese Begegnung abgelaufen ist. Nach den ersten zähen Stunden hatte ich schon fast mit einer unschönen Szene gerechnet. Ich weiß zwar noch immer nicht viel mehr über meine eigentliche Aufgabe hier, aber wenigstens ist die erste Hälfte dieser Nacht ohne Probleme vorrübergegangen, eine Tatsache die mich unter diesen erschwerten Umständen in verhältnismäßig gute Stimmung versetzt.
Oben in unserem Zimmer wartet bereits, mit ungeduldigem Gesichtsausdruck, Meister Tishé auf uns. Seine Begrüßung fällt recht spitz aus, was ich angesichts, der durch Jarlaxle hervorgerufenen, Verspätung durchaus verstehen kann. Ein wenig überraschend ist allerdings die weitere Entwicklung, denn als sich die drei, nach der sorgfältigen Errichtung eines Zauberschildes gegen heimliche Mithörer, zu einer Besprechung des Treffens auf ihren jeweiligen Betten niederlassen, zieht mein Meister mich wie beiläufig zu sich auf seinen Schoß und hält mich dort an seine Brust gelehnt fest. Als er auch noch unauffällig seine Hand unter mein Hemd gleiten lässt beginne ich mich ein wenig unwohl zu fühlen. Normalerweise ist er in Gesellschaft von anderen zurückhaltender und ich weiß nicht recht wie ich mich jetzt verhalten soll. Unsicher schaue ich auf, doch abgesehen von den Händen die langsam und aufreizend über meine Seite gleiten sieht es so aus als nehme er mich überhaupt nicht wahr und so entscheide ich dass es vorerst besser ist einfach möglichst entspannt in dieser Position zu verharren bis er etwas anderes befiehlt.
Als er mich dann jedoch auf einmal zwickt muss ich mir auf die Lippe beißen um das überraschte Quieken zu unterdrücken, welches mir daraufhin entkommen will. Zusammenzucken tue ich natürlich trotzdem, was mir einen missbilligenden Blick Meister Essals einbringt, der sich daraufhin leicht genervt an meinen Herrn wendet.
„Muss das jetzt sein?" Will er scharf wissen und macht dabei eine unbestimmte Geste mit seiner Hand als wolle er mich einfach wegwischen. Der Umstand, dass dies natürlich nichts dazu beiträgt die gegenwärtige Situation zu verändern scheint ihn nur noch zusätzlich zu ärgern. „Wir haben wirklich Wichtigeres zu tun." Bemerkt er schließlich beißend, was meinen Herrn aber lediglich zu einem süffisanten Lächeln reizt.
„Keine Sorge." Antwortet er gelassen. „Ich bin mir des Stellenwertes dieser Diskussion durchaus bewusst. Meine Entschuldigungen falls ich euch abgelenkt haben sollte."
Dass er bei diesen Worten langsam meine empfindlichen Ohren entlangstreicht und damit eine plötzliche Röte auf meine hellen Wangen zaubert, lässt seine Aussage wie puren Spott erscheinen. Aus dem Augenwinkel sehe ich wie sich der Namenlose, der bis jetzt unbeachtet neben der Tür gehockt hat, geschockt eine Hand vor den Mund schlägt und sich noch etwas tiefer zusammenkauert.
Einen Augenblick bin ich versucht aufzuspringen, denn in den Augen des anderen Magiers steht die pure Rage und in dieser Position bin ich mitten in der Schusslinie, sollte er seiner Wut nachgeben. Der Hang meines Herrn mehr oder weniger jeden in seiner Nähe zu provozieren ist etwas, dass mich regelmäßig in kalten Schweiß ausbrechen lässt. Dass er sich dazu ausgerechnet diesen Meister aussuchen muss, der schon in guten Zeiten sehr jähzornig auf solche Sticheleien reagiert, bringt mich an den Rand einer ausgewachsenen Panik. Manchmal frage ich mich ob es nicht vielleicht sogar diese Eigenschaft war, die dazu geführt hat, dass er seine Heimatstadt verlassen musste.
Ich bin mehr als nur überrascht als sich die Wut unseres Gegenübers von einer Sekunde zur anderen plötzlich verwandelt und der unberechenbare Magier anfängt zu lachen.
„Nun denn," sagt er kryptisch und zuckt gleichgültig mit den schmalen Schultern „genießt ihn solange ihr ihn noch in einem Stück habt."
Damit scheint das Thema für ihn erledigt und die Diskussion geht weiter als wäre nichts geschehen, doch bei mir ruft seine Äußerung verständlicherweise unangenehme Befürchtungen hervor. Was genau ist es bloß dass der Rat vorhat? Diese Frage bekommt auf einmal einen sehr viel höheren Stellenwert für mich. Ich bin sogar kurz davor meinen Meister wirklich danach zu fragen, obwohl ich sehr gut weiß, dass er darauf nicht unbedingt vorteilhaft reagieren wird. In Ermanglung anderer Möglichkeiten bleibt mir für den Moment nur übrig konzentriert zuzuhören und zu versuchen die hauptsächlich in Drow geführte Unterhaltung einigermaßen zu verstehen, um vielleicht etwas mehr herauszufinden über meine nähere Zukunft. Meine Kenntnisse in dieser Sprache sind zwar um einiges besser geworden während der letzten Monate, doch leider fällt es mir noch immer sehr viel leichter das geschriebene Wort zu verstehen als das gesprochene.
Während ich darum kämpfe dem immer abstrakter werdenden Gespräch einen Sinn abzugewinnen, wird mir nach und nach klar, dass dies ein Angriff werden soll der endlich eine Entscheidung herbeiführen würde, falls er denn gelingen sollte. Die Meister reden wiederholt von Zusammensetzungen die meines Wissens normalerweise, aufgrund ihrer extremen Explosivität und Instabilität, verboten sind an der Schule. Falls sie vorhaben die gegnerische Stadt damit anzugreifen würde dies eine äußerst vorrausschauende Planung nötig machen, um sich dabei nicht versehentlich selbst in die Luft zu sprengen. Einige der empfindlichen Komponenten könnten nur direkt vor Ort zusammengefügt werden, wenn das ganze Unternehmen nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt sein soll.
Ein schrecklicher Verdacht keimt in mir und lässt mir das Blut in den Adern erstarren. Was wenn sie mich und vielleicht auch den anderen Sklaven dazu benutzen wollen nah genug an die Stadt heran zu kommen? Eine simple, magische Verkleidung, wie jene die wir auf unserer Suche nach Jarlaxle benutzt haben wäre in diesem Fall wirkungslos, da sich die feindlichen Magier auf eine solche Finte höchstwahrscheinlich bereits vor langer Zeit eingestellt und entsprechende Maßnahmen ergriffen haben. Aber ich brauche dieses Hilfsmittel schließlich nicht und könnte mithilfe eines Trankes wie dem eigenhändig von mir gebrauten Velkyn Ogglin ohne größere Schwierigkeiten überall dort hin gelangen wo sich die strategisch wichtigen Ziele befinden. So viele Leben würden ausgelöscht!
Mach dir nicht so viele Gedanken Häschen.
Befiehlt mein Meister jetzt, der natürlich meine steigende Anspannung bemerkt hat. Leider trägt diese Order nichts zu meiner Beruhigung bei. Im Gegenteil. Sie versetzt mich erst recht in Entsetzen, denn an dem leichten Unwillen in seinem Tonfall merke ich wie nah ich mit meinen Vermutungen der Wahrheit gekommen sein muss. Ohne das ich es merke haben sich meine Hände fest in die groben Laken verkrallt und verraten deutlich meine Angst. Einen solchen Verrat zu begehen, an meinem eigenen Volk! Das kann ich nicht, schießt es mir durch den Kopf.
Kaum habe ich diesen Gedanken zuende gedacht, da legt sich bereits ein stahlharter Griff um meinen Kiefer und verdreht mir blitzschnell den Kopf bis ich meinem Meister von unten ins unvermittelt wütende Gesicht schauen kann. Ich höre gedämpft das leise Rascheln von Roben, als die beiden anderen Meister bei dieser plötzlichen Bewegung alarmiert aufspringen.
„Was habe ich dir gerade befohlen Sklave?" Fragt mein Herr. Er spricht leise und beherrscht, aber dennoch hält jedes einzelne Wort das deutliche Versprechen von unendlichen Schmerzen.
„Ich soll mir keine Gedanken machen Herr!" Jaule ich erschrocken hervor und starre aus schreckgeweiteten Augen zu ihm hoch.
„Und was hast du getan?"
„Es tut mir leid Herr!"
Nach diesen Worten schreie ich auf, denn kurzzeitig versinkt meine Welt in reißender, alles überschattender Agonie. Ich versuche zwar es zurückzuhalten, doch der Schmerz ist so intensiv, dass er mich einfach überwältigt.
„Was hast du getan?" Wiederholt er danach noch immer ruhig seine Frage, um gleich darauf scharf zu verlangen: „Antworte!"
„Ich habe mir... Gedanken gemacht Herr." Keuche ich atemlos, während vor meinem Blickfeld noch vereinzelte bunte Lichter flimmern. Mittlerweile wünsche ich mir sehr, ich hätte die Spirale der Befürchtungen in meinem Kopf einfach anhalten können, aber es ist so schwierig! Wieso verlangt er etwas von mir, dass fast unmöglich ist?
„Wirst du damit aufhören?"
„Ja Herr!"
„Gut."
Ein unheilvolles Lächeln legt sich auf sein Gesicht.
„Ich werde dir dabei helfen dich ein wenig abzulenken Evoe." Erklärt er so freundlich, das mir vor Angst fast die Zähne klappern. Auf diesen Tonfall ist noch nie etwas Gutes gefolgt!
„Du wirst jetzt zu Menar gehen." Eröffnet er mir, wieder völlig gelassen. „Ich habe ihm versprochen dich heute Nacht zu ihm zu schicken, um dein ungebührliches Benehmen wieder gut zu machen. Er erwartet dich zwar erst in den nächsten zwei Stunden, aber ich glaube kaum dass er etwas gegen dein vorgezogenes Eintreffen haben wird."
Für einen Augenblick bin ich so entsetzt, dass ich lediglich zu ihm aufstarre, dann begreife ich, dass ich wohl oder übel gehorchen muss, selbst wenn mich schon der bloße Gedanke an die plumpen, fleischigen Hände anekelt, die sich wohl bald ungehemmt über meinen Körper schieben werden.
„Wo erwartet er mich Meister?" Frage ich schließlich kleinlaut, bemüht ihn jetzt nicht noch mehr zu verärgern und damit weitere Schmerzen herauszufordern. Ich versuche zwar die Abneigung aus meinen Zügen zu verbannen, aber offenbar lassen meine Anstrengungen noch zu wünschen übrig, denn mein Herr setzt ein kritisches „Geh in sein Arbeitszimmer und reiß dich ein wenig zusammen.", hinzu, bevor er endlich seinen Griff lockert und ich mich erheben kann.
„Wie ihr wünscht Herr." Murmle ich und gehe, mit gesenktem Kopf und vorsichtig den anwesenden Meistern nicht vorzeitig den Rücken zuzuwenden, in Richtung Tür. Während ich schließlich rückwärts auf den Gang hinaustrete fällt mein Blick noch einmal kurz auf den Namenlosen, der jedoch angestrengt auf den Boden starrt und sein Bestes tut um möglichst unsichtbar zu werden.
Ein leises Seufzen entfährt mir als ich mich zunächst in die kleine Kammer zur Rechten begebe um mich angemessen vorzubereiten, denn ich erwarte nicht dass sich der Mensch selbst darum kümmern wollen wird. Als ich schließlich fertig bin und gewohnheitsmäßig so unauffällig wie möglich durch den dunklen Gang auf die Treppe zuschleiche versuche ich mich innerlich von den nächsten Stunden zu distanzieren. Ich werde mich von diesem armseligen Menschen nicht dazu verleiten lassen Schwäche zu zeigen, beschließe ich grimmig und beiße fest die Zähne zusammen. Jetzt wo ich darüber nachdenke wird mir klar, dass ich ihn vielleicht nur dazu bringen muss sich schnell zu verausgaben. Bei einer solchen Körperfülle kann er schließlich keine große Ausdauer haben und wenn ich es richtig anstelle muss ich möglicherweise gar nicht viel tun um ihn bald in die Erschöpfung zu treiben. Aber nicht zu schnell, denn wenn ich zu früh zurückkehre wird mein Meister unzufrieden sein.
Bei dem Gedanken an die teigige, aufgeschwemmte Haut schüttelt es mich zwar nach wie vor, aber die Hoffnung darauf selbst ein gewisses Maß an Kontrolle ausüben zu können, lässt mich etwas ruhiger werden. Diese Angelegenheit wird unangenehm aber nicht im Entferntesten so gefährlich wie etwa eine Nacht mit einem der Magier.
Nachdem ich es ohne besondere Zwischenfälle bis vor die Türe des Arbeitszimmers geschafft habe, halte ich dort einen Augenblick ein bevor ich anklopfe und zwinge ein falsches Lächeln auf mein Gesicht, dass hoffentlich meine Abscheu wirkungsvoll verbergen wird.
