Disclaimer: Die Drow und alle erkennbaren Charaktere gehören nicht mir und ich verdiene auch kein Geld mit diesen Zweckentfremdungen.
A/N: Weil mein Internetanbieter nicht tut was er tuen sollte habe ich immer noch keinen Zugang zuhause, was heißt das es wahrscheinlich immer ein wenig länger dauern wird in nächster Zeit. Ärger!
Dieses Kapitel ist zwar nicht so actionreich wie das letzte, aber es werden einige Dinge geklärt ohne die es eben einfach nicht weiter geht. Na ja, viel Zeit hab ich im Moment eh nicht. Uni frisst mal wieder alle Zeit. Deshalb musste ich mir den Halbblutprinzen auch in Rekordgeschwindigkeit reinzwängen. Seufz.
Neue Entwicklungen
For a moment, nothing happened. Then, after a second or so, nothing continued to happen.
Douglas Adams (1952-2001)
English writer
The Restaurant at the End of the Universe
Als ich wieder zu mir komme ist das erste was sich mir aufdrängt der unerträgliche, stechende Schmerz in meinem Kopf, der mich leise aufstöhnen lässt sobald mein Geist klar genug ist um zu erkennen woher dieses penetrante Stechen kommt. Als ich jedoch in einer automatischen Reaktion meine Hande an die Schläfen pressen will, merke ich erst das man mir Fesseln angelegt hat. Meine Arme sind neben mir fixiert und auch um die Fußgelenke schlingen sich glatte, aber feste Stricke. Ich kann nur hilflos auf dem Rücken liegen. Zu erschrocken um mich länger zu beherrschen reiße ich die Augen auf und versuche herauszufinden wo ich hier bin.
Ich befinde mich in einem Haus. Soviel ist offensichtlich. Das Zimmer in dem ich liege ist klein und durch mottenzerfressene, dunkelgrüne Vorhänge verdunkelt, die das einzige Fenster notdürftig verdecken. Das es draußen schon wieder heller Tag ist sagt mir, dass ich wohl eine ganze Weile geschlafen haben muss. Außer mir scheint im Moment niemand hier zu sein, doch ich kann Schritte hören die ein Stockwerk über mir unruhig hin und her wandern. Von den dunklen, hölzernen Balken der Decke hängen Spinnweben und der generell muffige Geruch deutet darauf hin, dass das Gebäude sich erst seit kurzem wieder in Benutzung befindet und zuvor längere Zeit leer gestanden haben muss.
Das letzte woran ich mich erinnern kann ist Elavelynral der mich von hinten niedergeschossen hat. Hat er mich etwa mitgenommen? Aber wieso würde er das tun? Um mich zu befragen vielleicht. Der Gedanke lässt mich unruhig an den Fesseln zerren, die jedoch kein Stück nachgeben. Dann versuche ich etwas verspätet durch das Halsband Kontakt zu meinem Meister aufzunehmen, stoße jedoch dabei nur auf eine undurchdringliche Wand aus Energie, die ich nicht durchbrechen kann, so sehr ich es auch versuche. Panik steigt langsam aber sicher in mir auf und die Kopfschmerzen tun ihr übriges um mich am klaren Denken zu hindern. Es ist daher kaum verwunderlich das ich erschrocken zusammenzucke als auf einmal jemand durch die schmale Tür in den Raum stürmt.
Nikos! Der Magier wirkt einen Augenblick lang besorgt, fast panisch, bis er bemerkt das meine Augen offen sind und daraufhin ersteinmal aufatmet.
„Ah, du bist es gewesen!" Murmelt er mit offensichtlicher Erleichterung. „Ich dachte schon er hätte schließlich doch noch die Barriere durchbrochen."
Ich starre ihn zunächst nur völlig überrumpelt an. Dabei fällt mir auf, dass sein hageres Gesicht von Erschöpfung gezeichnet ist. Die dunklen Ringe unter den Augen und eine ungesunde Blässe geben ihm ein sehr übernächtigtes Aussehen. Abwartend schaue ich zu wie er einen Krug mit einer Flüssigkeit, die aussieht wie Wasser, von einem hoffnungslos verzogenen Schränkchen nimmt und einen Becher einschenkt, den er mir dann einladend hinhält. Bei diesem Anblick muss ich beinahe lachen. Glaubt er ernsthaft ich würde etwas trinken von dem ich nicht weiß was es ist? Trotzig presse ich meine Lippen zu einem dünnen Strich zusammen, halb in der Erwartung für meinen Widerstand geschlagen zu werden, aber er seufzt lediglich und hebt dann den Becher an seine eigenen Lippen um einen kleinen Schluck zu nehmen, bevor er ihn mir wieder hinhält. Ich bin hin und hergerissen zwischen Misstrauen und dem heftigen Bedürfnis den schrecklichen Geschmack in meinem unangenehm trockenen Mund loszuwerden.
Schließlich gebe ich nach, in dem Bewusstsein, dass er mir ohnehin jederzeit mit Gewalt alles einflößen könnte was im einfällt, sollte dies sein Wunsch sein. Ich lasse sogar widerstandslos zu das er mit sanfter Hand meinen Kopf stützt, damit ich besser trinken kann. Während das wunderbar kühle Wasser meine Kehle hinabrinnt überlege ich bereits wie ich ihn dazu bringen könnte mir zu erzählen wieso ich hier bin oder noch besser dazu mich gehen zu lassen.
„Dieser verrückte Elf ist der Meinung du könntest ihm helfen." Erklärt er schließlich von sich aus und klingt dabei gleichzeitig zweifelnd und resigniert, als beuge er sich dem Willen des anderen wider besseres Wissen.
„Um seinen Bruder zu befreien?" Frage ich, nachdem ich entschieden habe diese Information preisgeben zu können. Man müsste schon blind sein um die beiden nicht miteinander in Verbindung zu bringen, daher könnten meine Worte auch als einfache Vermutung aufgefasst werden.
„Du weißt davon?" Hakt der Magier auch sogleich nach.
„Er sieht genauso aus wie Ethin." Biete ich ihm an, ohne dabei wirklich zu antworten. Schließlich weiß ich nicht ob er eine Lüge durch Zauber aufspüren würde. Es scheint ihn jedoch zufriedenzustellen, denn er seufzt lediglich ein weiteres mal und stellt den leeren Becher wieder weg. Als ob ihn die Erwähnung dieses Namens herbeigezaubert hätte taucht plötzlich auch Elavelynral auf. Seine Schulter scheint bereits geheilt worden zu sein, wie ich bemerke als er schnellen Schrittes auf die schmale Liege zueilt, auf der ich immer noch angebunden mitten im Zimmer liege.
„Er ist wach!" Stellt er dabei überflüssigerweise fest und scheint unerklärlich erfreut über diesen Umstand. Ich starre lediglich missmutig zu ihm hoch und wünsche mich zurück zu dem roten Backsteinhaus, wo mein Meister wahrscheinlich bereits ausser sich ist vor Wut nachdem er mich nicht mehr erreichen kann. Wer weiß was er mit mir anstellen wird wenn ich zurückkomme? Aber werde ich überhaupt jemals wieder diesen Raum verlassen? Die Überlegung jagt mir einen plötzlichen Schauer über den Rücken. Soweit mir bewusst ist, weiß niemand ausser den beiden dass ich hier bin. Verdammt soll er sein, dieser Zwilling. Die ganze Sestrainie Familie hat mir bis jetzt nichts als Unglück gebracht!
„Ja er ist wach." Meint Nikos und fährt sich in einer fahrigen Geste über das erschöpfte Gesicht. „Aber ich glaube immer noch nicht, dass er euch eine große Hilfe sein wird."
Elavelyral scheint von seinen Worten völlig unbeeindruckt und wendet sich mit hoffnungsvollem Blick an mich.
„Wie geht es meinem Bruder?" Will er wissen, eine Frage die mich wünschen lässt ihn wütend anzuschreien. Aber vielleicht kann ich ihm diese unerwünschte Einmischung in mein Leben ja auf andere Weise heimzahlen. Ob es ihn wohl berührt was mit seinem Liebhaber geschehen ist?
„Als mein Herr mich in die Stadt schickte war er gerade damit fertig Tisraen zu vergewaltigen." Erkläre ich mit dem uninteressiertesten Blick den ich in diesem Augenblick zustande bringe. Woraufhin Nikos einmal kurz schockiert die Augen schließt und der blonde Elf vor mir einige Sekunden lang nur entsetzt starren kann, bevor er sich mit unsicherer Stimme an den Magier wendet.
„Er lügt oder? Nikos?"
Die Frage kommt beinahe einem Flehen gleich, doch der Mensch schüttelt lediglich voller Mitleid den Kopf. Er hat also wirklich einen Zauber gewirkt! Trotzdem wendet sich der Elf gleich darauf wieder mir zu.
„Was du gerade gesagt hast ist nicht wahr." Hält er mir fast bittend vor. „Es kann nicht wahr sein. Mein Bruder würde soetwas niemals tun!"
Idiot. Fauche ich ihn in Gedanken an. Was hat er denn erwartet nach einer derart langen Zeit? Wie es scheint muss ich noch deutlicher werden. Meine gehässige Befriedigung diesmal nicht verbergend sage ich: „Er hat ihn vor mir auf dem Fussboden gefickt."
Wenn ich leiden werde, dann soll er das gefälligst auch tun! Das er mir daraufhin mit einem unartikulierten Aufschrei die geballte Faust ins Gesicht schlägt überrascht mich nicht unbedingt, auch wenn ich den Umstand verfluche dass ich keine Möglichkeit habe auszuweichen um die Wucht abzudämpfen. Die Tatsache, dass Nikos ihm vor dem zweiten Schlag in den Arm fällt und den rasenden Elfen zur Seite zieht erstaunt mich allerdings schon. Ich kann nicht genau verstehen was er sagt, denn in meinen Ohren hat sich nach dem kräftigen Hieb ein hartnäckiges Rauschen und Klingeln festgesetzt, aber ich bemerke doch wie der Magier hastig auf ihn einredet. Soll er. Mir ist es gleich. Mein Tod ist ohnehin fast sicher entweder mein Herr bekommt heraus was hier geschieht oder die Mitglieder dieser seltsamen kleinen Verschwörung werden mich töten müssen um ihr Geheimnis zu wahren. Der Gedanke weckt zwar Wut über die Ungerechtigkeit des Schicksals, aber erstaunlich wenig Angst in mir. Vielleicht, weil die Alternative, mein momentanes Leben, nicht sehr viel ansprechender ist. Die Magie werde ich allerdings doch vermissen, wird mir nun mit einem leisen Anflug von Wehmut klar. Ich wünschte nur diese grausamen Kopfschmerzen würden endlich vorrüber gehen. Der aufblühende Schmerz unter meinem rechten Auge ist dagegen fast unerheblich. Für einen Augenblick verschwimmt meine Sicht und ich muss einige Male blinzeln bis sich mein Blick wieder geklärt hat. Es kommt gerade noch rechtzeitig um Elavelynral wütend und mit lauten Schritten hinausstürmen zu sehen.
„Du solltest ihn in Zukunft nicht so sehr reizen. Die Sorge um seinen Bruder macht ihn unbeherrscht." Hält Nikos mir müde vor, doch in seinen Worten liegt nur wenig Überzeugungskraft. Zu sehr in meinem antrainierten Verhalten gefangen, dass mich dazu bringt alles schweigend hinzunehmen, lasse ich die wütenden Vorwürfe die mir bei diesem Satz auf der Zunge liegen ungehört verhallen und drehe lediglich den Kopf weg um stumm an eine fleckige Wand zu starren.
Nach einer Weile höre ich wie der Mensch ebenfalls das Zimmer verlässt und ich schließlich allein bin. Bei dieser Erkenntnis packt mich sofort der Drang ihn zurückzurufen, doch beiße mir störrisch auf die Lippe. Lieber alleine mit meinen eigenen Dämonen als in einem Raum mit diesen beiden. Dies wird in den nächsten Stunden meine Litanei gegen die aufsteigende Panik, denn angebunden auf dieser Liege kann ich nichts tun als dazuliegen und nachzudenken. Die Gedanken die mir dabei kommen sind alles andere als erfreulich.
Ich glaube zwar kaum dass mein Meister sich groß um den Tod von ein paar Söldnern scheren wird nachdem er mir schon eine Waffe gegeben hat, aber die Tatsache, dass ich ihm unerlaubt fernbleibe und seiner Kontrolle entziehe wird mich wahrscheinlich den Kopf kosten. Ob es nun freiwillig geschehen ist oder nicht. Obwohl ich dies weiß wird der Drang mich loszureißen und zu ihm zurückzukehren mit jeder verstreichenden Minute größer, bis ich mich nicht mehr beherrschen kann und anfange unruhig an meinen Fesseln zu zerren, mir dadurch jedoch nur Abschürfungen an den Hand- und Fußgeleken einhandle und sonst nichts erreiche.
Die stechenden Kopfschmerzen wollen einfach nicht aufhören. Im Gegenteil, sie scheinen stetig stärker zu werden und lassen mich nach einer Weile mit einem leisen Wimmern die Augen schließen. Ich frage mich ob es daran liegt, dass Nikos den Kontakt zu meinem Meister für den Moment unterbrochen hat, doch wegen der Schmerzen fällt mir das Denken zunehmend schwerer. Ob es mich letztendlich umbringen wird? Ich bin so auf die unangenehmen Empfindungen in meinem Schädel konzentriert, dass ich mit einem leisen Aufschrei zusammenzucke als mich jemand vorsichtig an der Schulter berührt.
Erschrocken starre ich Elavelynral einige Sekunden an. Ist er zurückgekommen um dort weiterzumachen wo Nikos ihn unterbochen hat? Sein Blick ist jedenfalls nicht sonderlich freundlich. Als ich die kleine Glasflasche voll bläulicher Flüssigkeit in seiner Hand erblicke verspannt sich mein Körper automatisch. Wenn er mir das einflößen will muss er mich schon zwingen. Leider tut er genau das, trotz meiner verbissenen Gegenwehr. Als ich den unbekannten Trank meine Kehle hinabrinnen fühle erwarte ich irgendeine schreckliche Reaktion, aber nachdem auf einmal die grausamen Kopfschmerzen beginnen langsam abzuklingen verstehe ich erst dass er mir wohl etwas heilsames und kein Gift eingeflößt hat.
„Fühlst du dich jetzt besser?" Will er mit eisiger Zurückhaltung wissen.
„Ja Herr." Antworte ich aus alter Gewohnheit tonlos und rufe damit einen leicht verletzten Blick bei ihm hervor.
„Ich hätte dich nicht schlagen dürfen." Erklärt er nach einer kurzen Zeit unangenehmen Schweigens steif und sieht dabei nicht so aus als würde er es wirklich bedauern. „Es tut mir leid."
Fast komme ich mir ein wenig verspottet vor bei seinen Worten, doch immerhin scheint er im Gegensatz zu seinem Bruder wenigstens ein Minimum an Mitgefühl oder zumindest Verantwortungsbewusstsein zu haben.
„Werdet ihr mir einen schnellen Tod gewähren Herr?" Frage ich ihn in der Hoffung dass dieses Verantwortungsgefühl anhalten wird und er mir wenigstens dies zugesteht. Entsetzt prallt er zurück, als wäre ich es diesmal der ihn geschlagen hätte.
„Was!"
Erst in diesem Moment wird mir wirklich klar dass ich es hier nicht mit einem Drow zu tun habe sondern jemandem der denselben Moralvorstellungen folgt wie mein Clan. Moralvorstellungen die mir inzwischen fast so fern sind wie den Drow selber. Trotzdem hätte ich damit rechnen müssen, schelte ich mich in Gedanken. Vorauszuahnen wie mein Gegenüber reagieren wird ist für mich zu einem lebenswichtigen Bestandteil meines Alltags geworden und diese Fehleinschätzung hinterlässt bei mir tiefes Unbehagen, selbst wenn sie hier und heute wahrscheinlich keine fatalen Folgen haben wird.
„Ich töte keine hilflosen Gegner!" Grollt er ärgerlich, mit einer Spur verletzten Stolzes angesichts meiner Annahme, ein Ton bei dem ich mich beherrschen muss damit sich meine Lippen nicht in einem kleinen, bitteren Lächeln kräuseln. Es gibt nicht viele die sich ein derartiges Ehrgefühl auch leisten können. Äußerlich unbewegt zucke ich jedoch nur leicht mit den Schultern.
„Und du musst mich nicht Herr nennen." Setzt er irritiert hinzu. „Kommandant reicht völlig."
„Und was habt ihr dann mir mir vor Kommant?"
Als er mir daraufhin kaum noch ins Gesicht schauen kann vermute ich stark, dass er eigentlich gar keine Ahnung hat was nun als nächstes mit mir geschehen soll.
„Du..." er stockt und es fällt ihm eindeutig schwer die nächsten Worte herauszubringen. „Du hast wirklich nicht gelogen nicht wahr?" Fragt er leise.
„Nein Kommandant."
Innerlich verdrehe ich entnervt die Augen. Muss er denn schon wieder dieses Thema aufbringen? Aber wenn er sich unbedingt selbst damit quälen will, werde ich ihm den Gefallen tun. In Anbetracht der Tatsache dass er so nett war mir einen Heiltrank zu geben und ich außerdem größtenteils von seiner Gnade abhängig bin, beschließe ich allerdings meine Formulierungen diesmal ein wenig behutsamer zu gestalten.
„Ich mag euren Bruder nicht besonders." Erkläre ich in einer schamlosen Untertreibung. Von mir aus könnte Ethin sich in der nächstbesten Pfütze ertränken und ich würde ihm keine Träne nachweinen, eine Tatsache die man mir vielleicht deutlicher ansieht als ich es gern hätte, denn der nachdenkliche Blick aus diesen unheimlichen grünen Augen scheint mir auf einmal viel zu durchdringend zu sein.
„Mir war nicht klar dass er sich so sehr verändert hat." Murmelt er mehr zu sich selbst als zu mir, bevor er auf einmal die Hände vor's Gesicht schlägt. "Oh Tisraen!" Es ist mehr ein gequältes Stöhnen als irgendetwas anderes. „Was habe ich ihm nur angetan. Ich hätte ihn niemals gehen lassen dürfen! Niemals dort lassen dürfen, auch wenn er es noch so sehr wollte. Es hat mich fast zerrissen ihn zu sehen mit diesem... Drow. Ich hatte gar nicht vor ihn zu töten, aber als ich sah wie...wie.." Er bricht ab und wischt sich fahrig über die Augen. „Ethin war immer der stärkere von uns beiden weißt du. Irgendwie habe ich wohl geglaubt er wäre unbesiegbar." Voll bitteren Bedauerns presst er die Lippen aufeinander. „Hätte ich bloß früher erfahren dass er noch lebt!"
Einen winzigen Augenblick lang bin ich fast versucht etwas nettes, beschwichtigendes zu sagen wie: Es tut mir leid oder ähnliches, aber am Ende schweige ich doch. Es wäre ohnehin nur eine Lüge. Auch wenn er offensichtlich von Selbstvorwürfen zerfressen wird, kann ich mich kaum zu mehr als einem vagen Anflug von Mitgefühl motivieren nachdem er einfach so in mein eigenes Leben eingedrungen ist, ohne sich über die Konsequenzen Gedanken zu machen.
„Hasst du ihn so sehr? Willst du mir deshalb nicht helfen?"
Er scheint mich wirklich noch immer überreden zu wollen und langsam beginnt auch die grenzenlose Verzweiflung durchzuscheinen die ihn überhaupt erst zu dieser wahnwitzigen Tat getrieben haben muss.
„Mein Meister wird mir die Haut von den Knochen peitschen, sollte er davon erfahren dass ich euch in irgendeiner Weise helfe." Versuche ich mich herauszuwinden, weil ich keine Lust mehr habe noch weiter über Ethin zu diskutieren.
„Dein Meister?" Fragt er mit einem entgeisterten Gesichtsausdruck. „Du glaubst doch nicht dass du zurückkehren wirst. Du bist frei!"
„Frei!" Zische ich zurück und kann meine eigene Wut dabei nun doch nicht mehr verbergen. „Nur weil ihr aus einer Laune heraus entscheidet mich hinterrücks niederzuschießen und dann hierherschleppt, wo dieser Mensch einen lächerlichen Wall errichtet bin ich noch lange nicht frei! Ihr habt nicht die geringste Ahnung mit wem ihr es hier zu tun habt Kommandant!"
„Aber Lenwe wird dich..."
„Ihr seid ein Narr!" Falle ich ihm ins Wort unfähig mich in diesem Moment zu behrrschen, angesichts solch naiver Gedankenlosigkeit.
„Genau." Unterbricht uns plötzlich eine neue Stimme von der Tür her. „Was habt ihr euch nur dabei gedacht Kommandant? Euer Leben so leichtfertig auf's Spiel zu setzen indem ihr einfach hierher kommt. Ich hätte mehr Verantwortungsbewusstsein von euch erwartet."
Abrupt klappe ich den Mund zu und schaue dem Neuankömmling misstrauisch entgegen. Er ist groß und schlank, aber eindeutig elfischer Abstammung, mit beinahe hüftlangem, dunkelblondem Haar, dass zu einem festen Zopf geflochten ist und Augen deren unbestimmbare Farbe zwischen Blau und Grün zu schwanken scheint. Alles in Allem gäbe er, bis auf seine, für einen Elfen, ungewöhnliche Größe, äußerlich eine eher durchschnittliche Erscheinung ab, wäre da nicht eine gewisse Ausstrahlung, die keinen Zweifel daran aufkommen lässt, dass er über ein Maß an Macht und Wissen verfügt das den meisten in seiner Umgebung überlegen ist. Auf mich wirkt er ein wenig wie ein Löwe, im Alltag majestätisch und vielleicht ein bisschen behäbig, aber im Zorn schrecklich und äußerst gefährlich. Und zornig ist er in diesem Augenblick, dass ist unübersehbar. Sogar Elavelynral scheint ein Stück zu schrumpfen als er diesen wütend blitzenden Augen entgegentreten muss.
„Ihr habt unsere Truppen in helle Aufregung versetzt mit eurem unangekündigten Verschwinden! Euer Vater wird mehr als nur enttäuscht sein wenn er erfährt was ihr hier getrieben habt. Wie könnt ihr nur so überstürzt handeln? Ist euch nicht klar was dabei alles auf dem Spiel steht?"
Weit ausholende, kräftige Gesten unterstreichen die Stärke der Emotion, als müsse der fremde Elf sich irgendwie Erleichterung verschaffen um seinen Regungen Herr zu werden.
„Aber versteht ihr denn nicht Lenwe!" Bringt Elavelynral schließlich hervor und stoppt damit für einen Moment den Strom der Vorwürfe. „Ich konnte nicht mehr leben mit dem Gedanken dass mein eigener Bruder auch nur eine Sekunde länger leidet und ich es tatenlos zulasse wenn ich ihn schon vor Jahrzehnten hätte retten müssen!"
Die tiefe Seelenqual und Verzweiflung in diesem Appell veranlassen mich zu einer unbehaglichen Grimasse. Seine Gefühle derart auszubreiten ist nicht üblich unter den Drow und wird gemeinhin als Schwäche deklariert. Doch der Andere scheint auf einmal innezuhalten und lässt lediglich ein letztes ärgerliches Schnauben hören, bevor er sich plötzlich wieder meiner Anwesenheit bewusst zu werden scheint.
„Und wer ist das?" Will er knapp wissen, wobei er mich durchdringend mustert. „Nikos sagte nur es sei dringend, aber nicht weshalb ihr die zwingende Notwendigkeit saht mich in einer derart leichtsinnigen und risikoreichen Aktion mitten ins feindliche Lager zu befördern."
In seinen Augen kann ich kurz eine Spur der Härte erkennen, die mir von meinem Meister nur zu gut bekannt ist. Schnell senke ich den Blick, in einer Reaktion die mehr Instinkt als bewusste Entscheidung ist. Das ist also Lenwe? Ich bin mir zwar nicht sicher wieso er hier ist, aber die Dinge die ich von Ethin über ihn weiß, lassen ihn nicht gerade in einem guten Licht erscheinen. Immerhin hat er versucht ihn ermorden zu lassen. Ich werde auf der Hut sein müssen vor diesem Elfen.
„Ihr müsst sein Halsband entfernen, damit er mir helfen kann." Erklärt Elavelynral und deutet dabei nachdrücklich auf mich. Ich starre mit zusammengepressten Lippen zur Seite.
„Er sieht aber nicht unbedingt so aus als wäre er dazu bereit Kommandant." Bemerkt Lenwe kritisch und tritt ein wenig näher. „Wie kommt er überhaupt hierher?"
Innerlich winde ich mich unter seiner Begutachtung, während Ethins Bruder kurz die Umstände unseres Zusammentreffens erläutert. Auf einmal habe ich schreckliche Angst er könnte sein Versprechen mich zu befreien wahrmachen. Der Gedanke allein erscheint mir als unverzeihlicher Verrat meinem Meister gegenüber und verursacht ein nervöses Kribbeln an meinem ganzen Körper. Das alarmierende Gefühl etwas Verbotenes zu tun, allein indem ich mich in diesem Raum aufhalte nimmt mir für kurze Zeit fast den Atem. Das Halsband, so sehr ich es auch manchmal verwünschen mag, ist bereits fast ein Teil von mir geworden , weshalb ich die Möglichkeit es zu entfernen gar nicht ernsthaft in Betracht gezogen habe. Das Elavelynral es jetzt vorschlägt gibt mir fast das Gefühl als wolle er mir ein Bein oder einen Arm nehmen.
Obwohl ich weiß dass sie dies nie erlauben werden, bin ich kurz davor darum zu betteln dass sie mich einfach wieder gehen lassen. Allein die Möglichkeit, dass man mich meinem Meister dauerhaft wegnimmt lässt in mir eine irrationale, aber derart heftige Angst vor Strafe aufsteigen dass ich am liebsten vor Furcht wimmern würde.
In entsetzter Bewegungslosigkeit erstarrt lasse ich zu dass Lenwe schließlich vorsichtig den silbrigen Ring um meinen Hals betastet und dabei einen kurzen Spruch murmelt, der ihm wahrscheinlich nähere Informationen über dessen Eigenschaften zugänglich macht. Nur mein unregelmäßig zitternder Atem verrät wie sehr mich die Ereignisse verstören. Im Hintergrund kann ich hören wie Elavelynral nervös auf und ab geht, während Lenwe sich ganz auf die Schwingungen unter seinen Fingern zu konzentrieren scheint. Kurz kann ich Fühlen wie er auch mit seinem Geist darüber streift, was mich dazu veranlasst scharf Luft zu holen, weil der plötzliche Kontakt mich überrascht hat.
„Lasst uns bitte für einen Augenblick allein Kommandant."
Trotz der Formulierung als Bitte kommen seine Worte mehr einem Befehl gleich. Ein Befehl, der von Ethins Bruder mit einem Blick befolgt wird, der zur einen Hälfte aus Verzweiflung und zur anderen Hälfte aus Hoffnung besteht. Ich selbst bin hin und hergerissen zwischen Panik und Erleichterung. Einerseits bin ich den Umgang mit Leuten wie Lenwe, deren Verhalten zum größten Teil auf kühler Berechnung und Logik beruht, mittlerweile eher gewohnt, aber andererseits ist er auch gefährlicher für mich, denn ich glaube kaum dass es in seinem Sinne ist wenn Ethin befreit wird. Aber natürlich kann er dass schlecht offen zugeben, womit ich in der unglücklichen Situation bin eine Gefahr für ihn und seine Pläne darzustellen. Trotz meiner berechtigten Befürchtungen sind seine nächsten Worte erstaunlich sanft.
„Wem gehörst du?" Will er zunächst lediglich wissen.
„Elarn Shenjal Herr."
„In welcher Beziehung steht dein Meister zu Rayen Geryn?"
Es scheint er weiß sehr gut bescheid über Ethins momentane Situation, wenn er schon solche Fragen stellen kann. Wahrscheinlich steht Jarlaxle auch auf seiner Gehaltsliste. Ich würde es dem schlüpfrigen Drow durchaus zutrauen für alle Seiten gleichzeitig zu arbeiten und dabei auch noch Profit herauszuschlagen. Als ich mit meiner Antwort zu lange zögere wird Lenwes Blick schmal.
„Die Wahrheit Junge." Fordert er kalt.
„Natürlich Herr." Versichere ich hastig. „Es ist nur schwer zu beschreiben." Er schaut mich abwartend, aber bereits mit leichter Ungeduld an. Wieviel darf ich verraten?
„Sie kennen sich schon recht lange." Ich stocke wieder. Wie soll ich nur diese seltsame Beziehung in Worte fassen? Ich verstehe ja selbst kaum wie die beiden nun wirklich zueinander stehen. Außerdem widerstrebt es mir zutiefst solche Details über meinen Herrn auszuplaudern, so dass ich praktisch jedes Wort einzeln über meine Lippen zwingen muss. „Die meiste Zeit scheinen sie ein seltsames Spiel zu spielen, dessen Regeln ich nicht verstehe Herr." Gebe ich schließlich hilflos zu und bemerke mit Interesse dass Lenwe sich offenbar, anders als Elavelynral, mit dieser Anrede zufriedengeben wird.
„Aber sie sind Verbündete?" Bohrt mein Gegenüber nach, woraufhin ich nur ratlos mit den Schultern zucken kann.
„Soweit man einen Drow als Verbündeten betrachten kann Herr."
Diese ausweichende Antwort bringt mir ein ärgerliches Schnauben ein, begleitet von einer heftigen Handbewegung, die mich automatisch zusammenzucken lässt. Einen winzigen Augenblick meine ich daraufhin Befriedigung aufblitzen zu sehen in diesen unbestimmbaren Augen, aber die Emotion ist so flüchtig, dass ich mir nicht völlig sicher sein kann.
„Es tut mir wirklich leid Herr." Beeile ich mich zu beteuern. „Aber mein Meister achtet sehr darauf dass ich nichts über solche Dinge weiß." Weil ich genau die langsam aufkeimende Wut in der Art sehen kann wie sich seine Kiefermuskeln mehr und mehr anspannen, entscheide ich mich meinen inneren Widerstand zu überwinden und ihm doch noch einen Brocken hinzuwerfen um nicht als völlig nutzlos und damit entberlich zu erscheinen. „Sie schlafen miteinander Herr." Murmle ich, so schnell und leise, dass man schon genau zuhören muss um es zu verstehen. Der Berater der Sestrainie Familie muss ein scharfes Gehör haben, denn er fragt nicht noch einmal nach.
Er seufzt, scheint auf einmal wieder freundlicher, was mich aber nur in tiefes Misstrauen stürzt. Dieses Misstrauen wächst bei seinem nächsten Satz fast sprunghaft an.
„Es tut mir leid Junge. Ich wollte nicht so grob sein." Sagt er und legt sanft eine kühle Hand auf meine Schulter, von der ich vorgebe sie gar nicht wahrzunehmen, obwohl ich das Gefühl habe der Kontakt würde sich durch den Stoff meiner Kleider brennen und in meine Haut fressen. „Wir sind alle ein wenig angespannt in diesen schwierigen Zeiten."
Ich schweige und mache lediglich eine winzige Kopfbewegung, die man mit gutem Willen als Nicken interpetieren könnte. Offenbar hat Lenwe diesen guten Willen, denn er sagt daraufhin etwas ruhiger: „Ich will nicht darum herumreden. Lynral hat unglaublich viel riskiert indem er in diese Stadt kam und dich hierherbrachte. Er mag hoffnungsvoll sein, aber in der gegenwärtigen Situation stellst du aus meiner Sicht ein ziemliches Sicherheitsrisiko dar und ich kann mir nicht leisten das zu ignorieren. Bitte verzeih also wenn ich geradeheraus frage: Wie stehst du zu Lynrals Vorhaben seinen Bruder zu befreien?"
Natürlich habe ich mit einer solchen Frage gerechnet, doch das macht eine Antwort nicht wirklich leichter. Ich versuche es mit einem neuerlichen Ausweichmanöver und sage langsam: „Vielleicht ist es besser zuerst Tisraen zu befreien Herr."
„Wie meinst du das?" Will er alarmiert wissen. „Du weißt wo Tisraen sich befindet!"
Innerlich knirsche ich mit den Zähnen. Es scheint als hätte ich genau das falsche Thema erwischt. Er lässt mich jetzt bestimmt nicht mehr so einfach davon kommen. Nicht dass es mich überrascht, aber es macht meine Situation um einiges schwieriger. Wie hätte ich denn auch ahnen sollen, dass er gar nicht weiß wo Tisraen sich im Moment aufhält? Es sieht so aus als hätte Elavelynral eine menge eingenmächtige Pläne im Bezug auf die Befreiung seines Bruders.
„Tisraen ist...war Meister Essals Sklave Herr. Ich weiß nicht wie er zu ihm gekommen ist, aber der Kommandant hat den Meister gestern getötet. Ich weiß auch nicht genau was sie mit him angestellt haben, aber er ist vielleicht noch zu retten. Wenn er möglichst schnell dort weggebracht wird Herr."
Er schaut mich einige Zeit nachdenklich an und ich werde zunehmend nervös, bis er mit einem winzigen, rätselhaften Lächeln fragt: „Und Ethinayren ist deiner Ansicht nach verloren?"
„Ethinayren?" Wiederhole ich verwirrt bevor ich mich beherrschen kann. Lenwe wedelt nachlässig mit einer Hand.
„Das ist sein voller Name. Du kennst ihn wahrscheinlich nur dem Aussehen nach als Lynrals Bruder. Dem wird es allerdings nicht gefallen eine solche Einschätzung zu hören." Er zuckt mit den Schultern. „Aber du wirst helfen und tun was ich dir sage."
Es ist eher eine Feststellung als eine Frage, aber ich antworte trotzdem, überkommen von einer plötzlichen Erschöpfung, die mich wünschen lässt dies alles wäre schon vorbei.
„Ich habe nicht wirklich eine Wahl oder Herr?"
Er nickt nur. Die gegenwärtige Lage lässt mir wenig Spielraum, dass weiß er genau so gut wie ich. Dann verdüstert sich seine Miene plötzlich drastisch. „Diese Situation ist ein Alptraum!" Grollt er und blickt dabei zu meiner großen Erleichterung in Richtung der Tür hinter welcher Elavelynral wahrscheinlich noch immer auf und ab geht. „Unser Kommandant auf einer leichtsinnigen Rettungsaktion inmitten der feindlichen Stadt, einer unserer besten Generäle für unbestimmte Zeit dienstunfähig und dazu noch wehrlos direkt in der Hand der fleißg intrigierenden Drow! Wie um alles in der Welt soll ich das nur Kaesvain erklären?"
Den letzten Satz spricht er hauptsächlich zu sich selbst und schüttelt dabei fassunglos den Kopf.
„Warte hier." Befiehlt er mir dann überflüssigerweise auf einmal scharf, bevor er aufspringt und aus dem Raum stürmt, mit einer Miene die wahrscheinlich sogar einen ausgewachsenen Dämon das Fürchten lehren würde. Ich möchte jetzt nicht in Elavelynrals Haut stecken.
In meiner eigenen Haut zu stecken ist in diesem Moment allerdings auch nicht sehr viel angenehmer. Der flache Schnitt an meiner Hand, Souvenier vom Kampf mit den Drowsöldnern, beginnt langsam unangenehm zu pochen und ich frage mich, ob jemand daran denken wird mir etwas zu essen oder zu trinken zu geben. Hier festgebunden zu sein macht mich langsam aber sicher verrückt und die lauter werdenden Stimmen aus dem Stockwerk über mir tun absolut nichts um dem entgegenzuwirken. Ich rutsche unruhig herum, ab und zu zusammenzuckend wegen der Abschürfungen die ich mir bereits eingehandelt habe und versuche mich mit dem Gedanken anzufreunden, dass ich keine Ahnung habe wie mein Leben nun weitergehen wird. Tief in mir gibt es noch immer einen winzigen Teil der sich noch mit Freude an mein frühere Zeiten erinnert und der diese Entwicklung begrüßt, doch der Großteil meiner Selbst erzittert einfach nur in irrationaler, zutiefst entsetzter Furcht vor diesen unkontrollierbaren Entwicklungen. Mein Meister hat nun schon so lange über jeden Aspekt meiner Existenz geherrscht, dass ich mir gar nicht mehr vorstellen kann ohne ihn zu sein. Allein diese Möglichkeit ernsthaft in betracht zu ziehen, lässt mich in kalten Schweiß ausbrechen. Es ist jedoch etwas worum ich wohl nicht herumkommen werde.
Ich fühle mich als stünde ich vor einem tiefschwarzen Abgund, der mich jeden Augenblick ohne Vorwarnung verschlucken könnte. Es scheint allerdings als nähmen die Umstände keine Rücksicht auf meine zarten Gefühle, denn nachdem ich einige Stunden damit verbracht habe mich völlig irre zu machen mit Gedanken die sich doch immer nur im Kreis herumdrehen, erscheint Lenwe wieder auf der Bildfläche, zusammen mit Nikos. Sie habe nun offensichtlich einen Plan ausgetüftelt um mein Halsband zu entfernen. Jedenfalls verschwenden sie keine Zeit und kommen sofort zum Wesentlichen.
Bevor ich auch nur beginnen kann an Widerstand zu denken ist der Mensch bereits hinter mich getreten und hat eine Hand unter mein Kinn gelegt um einen sicheren Griff um meinen Kopf zu bekommen. Lenwe steht vor mir, eine Rolle Pergament in der einen und ein kleines Säckchen in der anderen Hand.
„Was ich jetzt tue wird höchstwahrscheinlich sehr schmerzhaft werden." Verkündet er knapp, mit leicht besorgten Gesichtsausdruck und setzt hinzu: „Es tut mir leid, aber es geht so schnell nicht anders."
Das er dabei nicht mich sondern Nikos anschaut lässt mich vermuten, dass es über diesen Punkt Unstimmigkeiten zwischen den beiden gab. Dann beginnt er ohne weitere Umschweife den Spruch abzulesen. Zunächst scheint dabei gar nichts zu geschehen außer dass ich unruhig herumrutsche und wider besseren Wissens versuche mich aus Nikos' festem Griff zu winden. Die Ankündigung von Schmerzen hat mich einfach in Panik vesetzt. Und als sie schließlich kommen ist es sogar schlimmer als ich gedacht hätte. Das Gefühl jemand würde mir gerade einen glühenden Nagel in die Schläfe treiben und gleichzeitig rücksichtslos in meinem Gehirn herumrühren lässt mich schrill aufschreien und so sehr zucken, dass Nikos alle Kraft aufbieten muss um mich weiterhin festzuhalten. Was es mit dem Säckchen auf sich hat bekomme ich nicht mehr mit, denn der grausame Schmerz nimmt für den Moment meine ganze Welt ein und verdrängt alles andere aus meinem Bewusstsein. Dies ist schlimmer als jede Bestrafung meines Meisters schießt es mir undeutlich duch den Kopf während ich mich heiser schreie und nichts mehr wünsche als zu sterben und diese schreckliche Agonie hinter mir zu lassen.
Als schließlich der Schmerz doch irgendwann abbricht bin ich zuerst einfach nur überrascht. Für eine Sekunde kann ich am Rande meines Bewusstseins etwas fühlen, dass wohl Lenwes Geist sein muss. Es erscheint mir fast vertraut, dem meines Meisters unerwartet ähnlich. Kälte und Kontrolle gepaart mit diesem seltsamen Anflug von Humor, der bei meinem Meister allerdings noch etwas ausgeprägter ist. Der Eindruck ist jedoch nur flüchtig und reicht nicht aus für eine gründliche Einschätzung. Offensichtlich hatte Ethin aber recht mit seiner Behauptung, dass Lenwe nicht ganz dem ehrenhaften Bild entspricht, dass er in der Öffentlichkeit von sich päsentiert. Das ist mein letzter Gedanke bevor die Erschöpfung überhand nimmt und endlich erlösende Schwärze über mich kommt, die ich aus vollem Herzen willkommen heiße.
