Disclaimer: Drow und bekannte Charaktere gehören mir nicht und ich mache auch kein Geld. Wie immer. Gähn.


A/N: So, diesmal ein relativ kurzes Kapitel, aber wenn ich den Rest auch noch geschrieben hätte wäre es wohl aus allen Nähten geplatzt. Außerdem ist es so früher fertig, was ja auch nicht schlecht ist:) Die richtige Action kommt dann beim nächsten Post.


Amlugwen: Lenwe umbringen? Nein, nein, der ist noch wichtig! Ich brauch ihn doch noch! Schließlich muss irgendwer ja Ethin in Schach halten...


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Pläne

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Als ich das nächste Mal die Augen öffne fühle ich mich erstaunlich gut. Bis auf leichte Halsschmerzen tut mir nichts mehr weh und zu meinem großen Erstaunen entdecke ich auch, dass man mir die Fesseln abgenommen und die Wunden an Hand- und Fußgelenken versorgt hat, die ich mir durch die verzweifelte Gegenwehr während der Entfernung des Halsbandes zugezogen habe. Ein leiser Schock läuft durch meinen Körper als meine Finger nicht die vertraute silbrige Härte um meinen Hals ertasten. Es ist wirklich weg! Mit einem tiefen Atemzug zwinge ich mich sofort an etwas anders zu denken um nicht in hysterisches Geheule auszubrechen als mich die Panik zu überwältigen droht. Es dauert eine ganze Weile bis ich mich wieder so weit beruhigt habe dass ich zumindest die Augen öffne. Nach allem was mein Meister mir angetan hat ist es für einen Außerstehenden wohl seltsam, dass ich mich nun so absolut verloren fühle da das Zeichen seiner Inbesitznahme nicht mehr da ist, aber es erstaunt mich andererseits auch nicht wirklich, denn er hat sein möglichstes getan um sich bis in die allerletzte Ecke meines Geistes auszubreiten.

Überrascht stelle ich fest dass niemand hier ist um mich zu bewachen, stehe langsam von der schmalen Liege auf und trete ans Fenster, durch dass gerade die hellen Strahlen einer bleichen nachmittäglichen Sonne hineinfallen. Dort wird mir jedoch sehr schnell klar wieso man mich allein gelassen hat, denn ich kann deutlich den starken Schutzzauber spüren der um dass ganze Haus liegen muss. Sollte ich versuchen zu fliehen würde mir das nur einen unangenehmen Energieschock einbringen und unzweifelhaft auch den Ärger aller Anwesenden.

Mit einem Seufzer wende ich mich wieder vom Fenster ab und begebe ich stattdessen zu dem kleinen Schränkchen, auf dem noch immer der Krug mit dem Wasser steht. Zumindest kann ich auch nach eingehender Prüfung nichts anderes feststellen. Falls jemand in der Zwischenzeit etwas ins Wasser gegeben hat ist es sehr unauffällig, aber nachdem mein Meister mir beigebracht hat die meisten Gifte zu erkennen die man jemandem über Nahrung verabreichen kann bin ich recht zuversichtlich das mir hier in dieser Hinsicht keine Gefahr droht. Es ist für mich zwar ungewohnt mich einfach zu bedienen ohne die ausdrückliche Erlaubnis dazu bekommen zu haben, doch mir ist natürlich auch klar, dass niemand hier ist den ich fragen könnte und so überwinde ich schließlich mein Unbehagen und gebe meinem Durst nach.

Während ich trinke überlege ich besorgt was jetzt wohl mit mir geschehen wird. Das äußere Zeichen für meinen Sklavenstatus ist nun entfernt, aber im Grunde kann ich mir kaum vorstellen wieder zu leben wie früher. Zu groß ist der Einfluss dem ich bei meinem Meister ausgesetzt war, als dass ich auch nur ansatzweise als die selbe Person zu bezeichnen wäre, die ich vor meiner Gefangennahme darstellte. Wäre er jetzt hier, es würde nichts ändern dass das Halsband weg ist. Ich würde ihm genau so blind gehorchen wie immer. Andererseits ist mir auch klar, dass es nun kein Zurück mehr gibt und ich mich wohl oder übel an die Vorstellung gewöhnen muss nun wieder eine eigenständige Existenz zu führen.

Überwältigt von den unglaublichen Schwierigkeiten die mir noch bevorstehen wünsche ich in diesem Augenblick nichts mehr als einfach nur zu ihm zurückzukehren, dorthin wo ich nicht die Verantwortung übernehmen muss für mein eigenes Leben, keine Entscheidungen treffen muss. Der Gedanke ihn enttäuscht zu haben schmerzt mich schrecklich und meine Schuldgefühle lassen mir keine Ruhe.

Auf einmal fühle ich mich unglaublich verloren angesichts der Vorstellung bald selbst für mich sorgen zu müssen. Wie sehr die letzten Monate mich geprägt haben zeigt sich nur zu deutlich als ich hastig den Becher zur Seite stelle und in einer automatischen Reaktion auf die Knie falle, kaum dass Lenwe den Raum betritt.

„Du bist schon wach?"

Er hört sich leicht erstaunt an, zuckt dann jedoch lediglich mit den Schultern und meint: „Um so besser. Dann kannst du mitkommen zum essen."

Er sieht nicht so aus als sei er sehr begeistert von der Vorstellung einen Sklaven der Drow neben sich am Tisch sitzen zu haben, während sie Pläne schmieden und macht sich auch keine Mühe dies vor mir zu verbergen. Ich glaube kaum dass er mehr in mir sieht als ein wehrloses Werkzeug, das man benutzen kann wie es gerade nötig erscheint, eine Vorstellung die mir zwar einerseits vertraut ist, aber die mich jedoch immer noch stört wenn sie nicht von meinem Meister kommt, der meinem Gefühl nach sehr wohl dazu berechtigt ist nachdem er mich nun mal unterworfen hat. Andererseits hat man mein Halsband entfernt, was mich offiziell gesehen nicht mehr als seinen Sklaven gelten lässt... der Gedanke bereitet mir solches Unbehagen, dass ich ihn schnell wieder fallen lasse.

„Herr? Was geschieht jetzt mit mir?" Platze ich auf einmal voller Zukunftsangst heraus, bevor Lenwe sich wieder abwenden kann. Er wirft mir einen leicht ungeduldigen Blick zu.

„Das werden wir gleich besprechen. Beim Essen."

Es drängt mich zwar ihm weitere Fragen zu stellen, doch seine Miene sagt mir recht klar, dass ich kaum mehr Informationen erwarten kann, sollte ich mich unkooperativ zeigen. Ich verberge meine Unzufriedenheit hinter der ausdruckslosen Maske, die sich jeder Sklave früher oder später aneignet und senke gehorsam den Kopf.

„Wie ihr wünscht Herr."

Die schmerzhafte Behandlung der letzten Stunden ist nicht spurlos an mir vorbei gegangen, wie ich beim erklimmen der schmalen Treppe bemerke. Eine lähmende Erschöpfung sitzt tief in meinen Knochen und es wird wahrscheinlich auch noch eine Weile brauchen bis ich mich wieder völlig erholt habe.

Im oberen Stockwerk sitzen Nikos und Elavelynral bereits an einem wackeligen Tisch, auf dem vier, mit Kartoffeln und etwas rot-bräunlichem, dass entfernt nach verkochtem Gemüse aussieht, gefüllte Teller stehen, die einladend vor sich hindampfen. Auf eine ungeduldige Handbewegung des Kommandanten hin lasse ich mich nach kurzem Zögern auf einem der beiden freien Stühle nieder. Es ist ein seltsames Gefühl mit diesen dreien hier zu sitzen, nachdem ich nicht lange zuvor in Anwesenheit des Menschen knien musste. Nun ja, zumindest weiß ich jetzt wieso er damals Tisraen die ganze Zeit diese seltsamen Blicke zugeworfen hat, denn ich bin mir ziemlich sicher, dass er schon an jenem Abend ganz genau wusste mit wem er es zu tun hatte. Ob ihn dieses eher zufällige Zusammentreffen war, dass ihn letztendlich dazu bewogen hat sein Leben aufs Spiel zu setzen, indem er seine eigene Stadt verrät und Ethins Bruder hilft? Ich wüsste zu gerne um seine Beweggründe, doch ich denke kaum dass er sie mir verraten wird.

Wie zu jenem Anlass auch, bewahrt er jedoch eine explizit neutrale Miene und äußert außer einer knappen Begrüßung nichts weiter. Sogar Elavelynral bleibt zunächst weitestgehend stumm, starrt mich jedoch fortwährend mit einer verzweifelten Intensität an unter der es mich äußerste Beherrschung kostet äußerlich unberührt weiter zu essen und nicht unruhig und voller Anspannung herumzurutschen, denn die Ähnlichkeit zu seinem Zwilling ist in diesem Augenblick wieder einmal unverkennbar, selbst wenn seine Motive andere sein mögen.

„Lenwe sagt du hättest eingewilligt uns zu helfen." Platzt er schließlich heraus und klingt hoffnungsvoll, doch gleichzeitig ein wenig zweifelnd, als könne er sein Glück noch nicht recht fassen.

„Ich bin lediglich ein Sklave." Stelle ich leise klar. „Es gibt nicht sehr viel was ich tun kann um euch zu unterstützen Kommandant."

„Nein sprich nicht so." Erklärt Elavelynral fest. „Ich sagte doch, du bist frei."

Er setzt an fortzufahren, doch Nikos fällt ihm sanft aber bestimmt ins Wort.

„Dies ist nicht so einfach wie ihr es euch offenbar vorstellt Kommandant. Bitte glaubt mir wenn ich sage, dass es noch sehr lange dauern wird bis er wirklich frei ist und habt ein wenig Nachsicht. Die Fesseln des Geistes sind bei weitem nicht so leicht abzustreifen wie die stofflich greifbaren und die Drow sind harte Herren."

Für diese Äußerung bin ich ihm zwar dankbar, aber glücklich macht sie mich nicht, denn zu hören was ich bereits tief in mir drin weiß, dass mich die Erlebnisse des letzten Jahres wahrscheinlich noch mein Leben lang verfolgen werden, ist nicht sehr ermutigend. Lohnt es sich überhaupt zu kämpfen wenn ich doch eigentlich schon vor langer Zeit aufgegeben habe? Mit einem tiefen Gefühl der Verlorenheit starre ich hinunter auf meinen halb leer gegessenen Teller.

Objektiv betrachtet gleicht meine Situation nach wie vor einem Mienenfeld. Zwischen den teilweise widersprüchlichen Wünschen der Anwesenden, fühle ich mich als ob ich bei starkem Wind auf einem schwankenden Seil über eine Grube voller Schlangen balancieren müsste. Im Grunde ist Nikos bis jetzt der Einzige der mich nicht sofort für seine Zwecke einspannen wollte, was nicht heißen muss, dass er nicht auch eigene Ziele verfolgt.

„Ich werde tun was ich kann Herr." Versichere ich tonlos und habe das hartnäckige Gefühl, dass Elavelynral meine fehlende Begeisterung als unbegreiflich erscheint. In diesem Lichte tut er mir fast doch schon wieder leid, denn sollte er jemals Tisraen befreien, wird er wohl kaum noch verstehen können was in seinem Geliebten vorgeht. Keine gute Grundlage für eine Beziehung wie ich meine.

„Lynral sagte du beherrschst Magie?" Schaltet Lenwe sich jetzt ein. Instinktiv will ich verneinen, sowohl weil mein Meister mich aufs schärfste gewarnt hat jemals freiwillig von meinen Fähigkeiten zu erzählen, als auch um diesem undurchsichtigen Elf so wenig wie möglich von mir preis zu geben. Ich sehe jedoch schnell ein, dass es nach dem Kampf an Elavelynrals Seite ziemlich nutzlos ist jegliches Wissen zu verleugnen, denn er hat natürlich gesehen das ich zumindest ein bisschen Magie eingesetzt habe.

„Ein wenig ja." Gebe ich widerstrebend zu. „Es ist jedoch kaum der Rede wert Herr. Mein Meister wollte dass ich es lerne um ihm bei einfachen Aufgaben zur Hand zu gehen Herr, deshalb hat er mir ein paar Monate lang etwas beigebracht."

Lenwe runzelt die Stirn.

„Es war offenbar genug um zwei voll bewaffnete Drow auszuschalten." Bemerkt er spitz.

„Mein Meister gab mir einen vergifteten Dolch bevor er mich losschickte Herr." Antworte ich unbewegt, aber mit vollendetem Respekt.

„Er muss sich seiner Macht über dich sehr sicher sein, wenn er dir eine Waffe gab."

„In der Tat Herr."

Den leisen Unterton der Bitterkeit kann ich nicht unterdrücken und versuche es auch gar nicht. Wahrscheinlich verachten sie mich jetzt noch ein wenig mehr als zu zuvor, aber es ist nun mal so. Selbst ohne Halsband denke ich nicht, dass ich in der Lage wäre die Hand gegen meinen Herrn zu erheben. Zu tief gehen die konditionierten Verhaltensweisen und die Angst. Selbst daran zu denken widerstrebt mir zutiefst.

„Soviel zu eurer Idee ihn mitzunehmen." Sagt Lenwe trocken. „Seht ihr jetzt endlich ein wie wahnwitzig diese ganze Sache ist? Ich kann kaum glauben das Tisraen sich überhaupt darauf eingelassen hat. Ich hätte ihn wirklich für vernünftiger gehalten!"

„Ihr habt eure Meinung bereits klar zum Ausdruck gebracht Lenwe." Wirft Nikos nun beschwichtigend ein, wobei man deutlich sehen kann, dass dies nicht das erste Mal ist, dass er es tut, denn die irritierte, steile Falte die dabei zwischen seinen Brauen erscheint steht in krassem Gegensatz zu seinem immer noch ruhigen Ton. Der dunkelblonde Berater wirft ihm zwar einen wütenden Blick zu, reißt sich dann jedoch zusammen und sagt: „Ihr habt recht Meister Nikos. Zurück zum Wesentlichen also." Sein Blick fällt wieder auf mich. „Der Junge wird uns alle Information geben die wir benötigen und dann werden wir so schnell wie möglich diese Aktion durchführen um endlich aus der Stadt herauszukommen bevor euer Vater vor Sorge noch völlig außer sich gerät."

Den Rest des Nachmittags werde ich nach jeden Detail ausgequetscht das auch nur von entferntester Wichtigkeit sein könnte. Wo steht was in welchem Raum, wie viele Leute leben auf unserem Stockwerk oder wann werden für gewöhnlich die Mahlzeiten abgehalten. Danach schwirrt mir der Kopf und ich frage mich wie um alles in der Welt sie einen Nutzen aus diesen Nebensächlichkeiten ziehen wollen.

Der Plan den sie schließlich unter langen und teilweise recht hitzigen Diskussionen entwickeln ist recht einfach und simpel, was angesichts der beschränkten Möglichkeiten aber kaum überraschend ist. Elavelynral wird sich in die Küche des Hauses schleichen und dort warten bis die beiden Sklaven erscheinen um das abendliche Frühstück für ihre Meister abzuholen. Ich versuche zwar ihm zu erklären, dass er im Falle seines Bruders mit Widerstand rechnen und ihn deshalb lieber unvorbereitet überraschen sollte, doch er ist erst nach langer Überzeugungsarbeit von Seiten der beiden Magier dazu bereit dafür einen Unsichtbarkeitszauber über sich legen zu lassen. Trotz meiner unverblümten Anschuldigungen scheint er noch immer Hemmungen zu haben Ethin als dass zu sehen was er eben ist.

Lenwe wird in den nächsten beiden Stunden etwas vorbereiten dass er Denait nennt und dass offensichtlich alle drei auf einmal über die relativ kurze Strecke von Menars Haus zurück in dieses hier versetzen kann, von wo aus Nikos uns alle durch die Schilde der Stadt zum Lager der Sestrainie senden wird, da er der einzige ist, der mit allen Sicherheitsvorkehrungen vertraut ist.

Die Vorraussetzungen sind derart unsicher und die ganze Aktion so überstürzt, dass ich ernsthafte Zweifel habe ob die Idee überhaupt erfolgreich durchführbar ist, aber es ist ebenfalls klar, dass sie schnell handeln müssen, bevor sich die Situation noch mehr zu ihren Ungunsten verändert. Heute ist es wahrscheinlich, dass die beiden Meister ihre Sicherheitsvorkehrungen noch nicht vollständig umgestellt haben, aber nach dieser Nacht könnte bereits alles sehr viel schwieriger geworden sein, da sie nun wissen, dass zumindest Elavelynral sich in der Stadt befindet.

Ich fühle mich leicht überrumpelt, als auf einmal, sobald die Details offenbar geklärt sind, alle Anwesenden in plötzliche Aktivität ausbrechen und mich gänzlich ignorieren. Mit dem starken Gefühl hier völlig fehl am Platz zu sein hocke ich mich unglücklich in eine Ecke und versuche so unauffällig zu sein wie möglich.

Was tue ich hier eigentlich? Wieso bin ich nicht bei meinem Meister, wo ich hingehöre? Wieder einmal bin ich aus meinem Leben herausgerissen worden ohne Vorwarnung oder irgendeiner Zustimmung meinerseits. Ich hasse die Unsicherheit dieser Situation. Was wird mit mir geschehen wenn all dies vorüber ist? Abhängig zu sein vom Wohlwollen Lenwes und Elavelynrals, der mich nicht einmal besonders zu mögen scheint, macht mich furchtbar unruhig, weil ich ihnen gegenüber nicht wirklich etwas anzubieten habe. Im Gegenteil, ich stehe Elavelynrals Plan sehr negativ gegenüber und bin mir sicher, dass Lenwe mich eher als Gefahr ansehen wird, sollte er herausfinden wie viel ich bereits weiß. Mein Herr dagegen wollte etwas von mir und wenn ich seine Wünsche erfüllt habe konnte ich mehr oder weniger darauf vertrauen dass er mich am Leben ließ und versorgte, aber wieso sollten die beiden sich um mich kümmern nachdem sie nun haben was sie von mir wollten? Wie sehr werden sie sich mir verpflichtet fühlen? Und wenn nun der Kommandant bei seinem waghalsigen Rettungsversuch umkommt? Allein auf Lenwe angewiesen zu sein erscheint mir noch schlimmer, denn dann wäre es noch viel unsicherer was mit mir geschieht, da ich ihn absolut nicht einschätzen kann.

Voller Unruhe, aber dazu verdammt nichts zu tun beiße ich mir nach und nach die Lippen blutig ohne es wirklich zu merken. Ansonsten jedoch sitze ich völlig still. Lange Erfahrung hat mich gelehrt dass es besser ist meinen Bewegungsdrang zu unterdrücken um meinen Meister nicht zu verärgern und dieses Wissen hat sich bereits so tief in meinen Geist gebrannt, dass sogar danach handle wenn er gar nicht zugegen ist. In ein paar Stunden wird sich wahrscheinlich alles deutlicher abzeichnen, aber bis dahin bleibt mir nichts übrig als wie auf heißen Kohlen hier abzuwarten.

Nachdem Elavelynral fort und zumindest Lenwe offenbar auch mit seinen jeweiligen Aufgaben fertig ist, bin ich wenigstens nicht mehr der Einzige der auf nervöses Warten reduziert ist. Nikos zeigt sich schließlich als der bei weitem gelassenste von uns dreien. Er nickt, nachdem er alle nötigen Vorbereitungen getroffen hat, einfach mit dem Kopf auf dem wackligen Tisch liegend ein. Lenwe trommelt unregelmäßig, aber ausdauernd mit den Nägeln neben ihm auf der Tischplatte herum, doch das scheint ihn nicht im geringsten zu stören. Im Gegenteil, er fängt sogar kurz darauf an leise zu schnarchen, was Lenwe zu einem giftigen Blick verleitet.

„Komm." Befiehlt er mir schließlich scharf und schickt sich an das Zimmer zu verlassen. Bevor ich überhaut eine bewusste Entscheidung darüber treffen kann bin ich bereits aufgestanden um ihm zu folgen. Ich bin so sehr daran gewöhnt allen Befehlen unmittelbar folge zu leisten, dass sogar mein tiefsitzendes Misstrauen dem Berater gegenüber nicht genug ist um mich zu einer spontanen Verweigerung anzustacheln. Und er ist meinem Meister auf eine unterschwellige Weise unheimlich ähnlich, was jeglichen Widerstand gleich um einiges schwieriger macht für mich.

Unten, zurück im Raum mit der Liege, wendet er sich mir abrupt wieder zu, mit einer Plötzlichkeit die mich unwillkürlich zurückweichen lässt. Er macht zwar eine vage beschwichtigende Geste, doch ich kann auch diesmal ein halb unterdrücktes Glitzern in seinen Augen erkennen, dass mir ganz genau sagt, wie wenig es ihm leid tut eine solche Reaktion bei mir hervorzurufen. Angespannt presse ich lediglich die Lippen ein wenig fester aufeinander und warte ab was er nun zu tun gedenkt.

„In nicht allzu langer Zeit wird Ethin also wieder hier sein." Sagt er ohne jegliche Vorrede und starrt mich dabei unverwandt an als wolle er eine Regung aus mir herauszwingen. Leicht beleidigt dass er glaubt so leicht Druck auf mich ausüben zu können nicke ich nur und hefte stumm meinen Blick auf einen seiner Wangenknochen, aufmerksam, aber ohne irgendetwas preiszugeben.

„Wie wird er reagieren? Was glaubst du Laylien?" Bohrt Lenwe nach und langsam glaube ich zu wissen wieso er mich hier her gebracht hat. Außer Reich- und Hörweite von Nikos. Er will herausbekommen, ob ich etwas weiß über Ethins Vergangenheit und möglicherweise auch seinen Part in der Geschichte. Der unerwartete Gebrauch meines alten, bereits fast in Vergessenheit geratenen, Namens soll mich wahrscheinlich aus der Fassung bringen. Er muss Entreri eine Menge Gold zugesteckt haben um solch detaillierte Informationen zu bekommen. Ich muss sogar zugeben, dass diese Taktik mich nicht völlig kalt lässt, denn obwohl ich jegliche äußere Reaktion unterdrücke kann ich eine leise Wehmut nicht verleugnen die bei dem Klang aus alten, glücklicheren Tagen in mir aufsteigt.

„Ich glaube der Kommandant sollte ihm nicht den Rücken zudrehen Herr." Erkläre ich lediglich ohne mit der Wimper zu zucken, woraufhin er ein knappes fast bellendes Lachen hören lässt.

„Dieser Shenjal hat dich gut abgerichtet." Sagt er mit einer eisigen Belustigung, die mich erzittern lässt. Dies ist dann wohl sein wahres Gesicht. Absurderweise beruhigt es mich sogar ein wenig zu sehen was wirklich hinter der Fassade steckt, doch gleichzeitig ist es auch gefährlich für mich so viel zu erfahren. Trotzdem bewege ich mich keinen Zentimeter als er an mich heran tritt, eine Position die es ihm erlaubt bequem auf mich herabzuschauen, denn während er groß ist für einen Elfen, bin ich mit meiner Statur, die eher den zierlicher gebauten Drow gleicht ungleich kleiner. Nicht dass er diesen Größenvorteil bräuchte um mich einzuschüchtern. Aber wohin sollte ich gehen um ihm zu entkommen? Zu Nikos, um mich dann später wieder in derselben Situation wiederzufinden? Nein, es ist wohl besser es gleich hinter mich zu bringen.

„Ich denke aber du weißt sehr genau worauf ich hinaus will." Eine kühle Hand legt sich locker in meinen Nacken, entspannt, aber bereit jeden Augenblick zuzupacken. Ein Gefühl dass ich nur zu gut kenne. „Und lass dir gesagt sein, allein dein augenblickliches Misstrauen mir gegenüber spricht bereits Bände Junge. Ich schlage vor du sagst mir was du weißt bevor ich ärgerlich werde."

So sehr wie mein Meister! Ein unfreiwilliger Schauer durchläuft mich, begleitet von dem automatischen Drang nachzugeben und einfach vor ihm auf die Knie zu fallen. Sollte es ihm wirklich so leicht fallen meinen Widerstand zu brechen? Eine wohlbekannte Hilflosigkeit breitet sich bereits in mir aus und ich bin mir sicher, dass er mir nun doch ohne weiteres ansieht was seine Nähe und diese Worte bei mir bewirken. Es scheint als wüsste er genau welche Knöpfe er drücken muss um zu bekommen was er will. Für jemanden der angeblich „gut" ist, hat er offenbar erstaunlich viel Erfahrung in solchen Dingen. Ich schließe kurz die Augen, eine resignierende Geste die meine Kapitulation nur allzu deutlich zeigt.

„Ethin sagt ihr schlaft mir euren Lehrlingen Herr. Über jemanden in eurer Position ist das nicht unbedingt eine vertrauenerweckende Information."

„Und du glaubst ihm."

Bei dieser Feststellung wandert mein Blick unwillkürlich zu seiner Hand, die noch immer an meinem Nacken liegt.

„Jetzt schon Herr."

Will er mich etwa zu einer Lüge herausfordern? Jetzt etwas anderes zu behaupten wäre geradezu absurd!

„Und was denkst du, habe ich sie gezwungen?"

Er klingt mehr belustigt als wütend und als er auch noch damit beginnt seine langen Finger sanft über meinen Hals und Nacken wandern zu lassen, muss ich gegen den leisen Seufzer ankämpfen der mir entschlüpfen will. Meine eigenen voraussehbaren Reaktionen verdammend versuche ich mich krampfhaft wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren.

„Nicht..." Ich stocke, denn dies ist nichts woran ich gerne denke, auch jetzt nachdem ich mich so sehr daran gewöhnt habe benutzt zu werden, dass ich wahrscheinlich kaum noch auf andere Weise Befriedigung finden werde. „Nicht wie ich gezwungen wurde." Murmle ich schließlich und schaue zaghaft zu ihm auf, unfähig mich seiner Präsenz weiter zu entziehen. Was hat er nur vor, dass er das Gespräch auf solche Umwege führt?

„Sie alle hatten die Wahl." Sagt er leise, die sanften Streicheleinheiten fortführend, Augen dunkel mit undeutbaren Emotionen. „Was würdest du sagen wenn ich dich ebenfalls vor die Wahl stellte?"

Ist das ein Angebot? Überrascht reiße ich die eigenen Augen auf und starre ungläubig zu ihm hoch.

„Ihr würdet mich als Lehrling annehmen?" Hauche ich völlig überrumpelt und kann mich des neuerlichen Misstrauens dabei nicht erwehren. „Aber ihr wisst gar nichts über meine Fähigkeiten."

Meinem Einwand begegnet er mit einem überheblichen Lächeln.

„Wer nach kaum einem Jahr Training mit zwei Söldnern fertig wird hat meiner Meinung nach genug Talent. Dolch hin oder her. Und außerdem..." lächelt er scharf, „vertraue ich Jarlaxles Einschätzung zumindest in dieser Hinsicht."

Ich bin hin und her gerissen. Die Idee ist trotz meines anhaltenden Misstrauens verlockend. Ein fester Handel, der mir das garantiert was ich in meinem kurzen Leben schon jetzt am meisten lieben gelernt habe. Die Aussicht auch weiterhin Magie zu lernen übt eine geradezu unwiderstehliche Anziehungskraft auf mich aus, gegen die alles andere verblasst. Selbst die Bedingung dafür mit Lenwe schlafen zu müssen. Genau betrachtet wäre das vielleicht sogar von Vorteil. Wie sonst sollte ich die Leere in Schach halten, ohne dabei Misstrauen zu erwecken?

„Ihr bietet mir an euer Lehrling zu werden, wenn ich euch dafür zur freien Verfügung stehe und dieses Übereinkommen endet mit der Lehrzeit?" Vergewissere ich mich noch einmal und bekomme ein eindeutiges Nicken von ihm zu sehen.

„Es ist sehr viel besser als weiterhin auf unbestimmte Zeit das Leben eines Sklaven zu führen glaub mir." Schnurrt er. „Ich kann sehr großzügig sein, wenn du mich zufrieden stellst."

Sein Daumen fährt federleicht die geschwungene Linie meiner Unterlippe nach, eine Taktik die meine Nasenflügel zittern lässt.

„Natürlich erwarte ich auch, dass du mir erzählst was ich wissen will." Stellt er dann wie beiläufig fest. Natürlich. Diese Forderung ist kaum überraschend. Die Sicherheit wieder zu „gehören", nicht mehr hilflos zu treiben, eine Aufgabe zu haben und eine Zukunft, dass ist es was ich haben kann, wenn ich Ethin an ihn verrate. Meine Entscheidung fällt im Bruchteil einer Sekunde. Ich ignoriere das leichte Zwicken der Schuld als ich sage: „Ethin weiß dass ihr ihn töten wolltet und er hasst euch Meister."

Die leise Befriedigung dem brutalen Elfen endlich etwas heimzahlen zu können von all den Schmerzen und Erniedrigungen und sei es nur indirekt, breitet sich in mir aus und bringt jegliches schlechte Gewissen schnell zum Schweigen.

„Ich sehe wir verstehen uns."

Lenwes Lippen verziehen sich zu einem zufriedenen Lächeln. Es mag feige klingen wenn ich sage, dass mich in diesem Augenblick ein Gefühl der Erleichterung überkommt. Mich, kaum dass ich die Freiheit hätte mein Leben selbst in die Hand zu nehmen, bei der ersten sich bietenden Gelegenheit wieder zu binden, scheint kaum sehr heroisch, das gebe ich zu, aber die schiere Angst vor der undefinierten Zukunft, den unzähligen Möglichkeiten die bis vor diesem Augenblick so ungeordnet und überwältigend zu meinen Füßen lagen ist, nach all den Monaten die mein Meister damit verbracht hat mich zu seinem Geschöpf zu machen, ohne eigenen Willen und Ambition, schlicht und einfach stärker als mein Wunsch nach Selbstbestimmung. Andererseits ist dieses Arrangement längst nicht so strikt und einengend wie mein bisheriges Leben bei meinem Herrn, mit Befehlsgrenzen, die sehr viel enger gesteckt sind als die unbegrenzte Verfügungsgewalt eines Besitzers über seinen Sklaven, denn ich denke nicht, dass Lenwe diese Vereinbarung öffentlich machen will.

Zu überwältigt von meinen momentanen Gefühlen um ihn weiter anzusehen, drehe ich den Kopf ein wenig zur Seite, bis ich meine Zunge sanft über die Innenseite seiner Hand gleiten lassen kann, was er mit einem kaum hörbaren Zischen quittiert. Für einen Moment glaube ich dass er mich jetzt zu sich heranziehen und küssen wird, doch dann schüttelt er nur leicht den Kopf, murmelt mit leisem Bedauern: „Dafür wird später noch Zeit sein." Und fährt lediglich noch einmal genießerisch mit den Fingern durch mein Haar. Es sieht nun ganz so aus als stünde ich seinen Plänen doch nicht im Weg. Erleichtert, trotz meiner neuerlichen Unterordnung, wage ich sogar ein leichtes Lächeln.