Disclaimer: Alle bekannten Figuren oder Umgebungen gehören nicht mir.


Sex without love is an empty experience, but as empty experiences go, it's one of the best.

Woody Allen (b. 1935) American comedian, writer, director


amlugwen: Hmpf, na ja vielleicht wird er dir ja irgendwann doch noch sympathischer, wenn ich ein bisschen mehr über ihn erzähle... ich hab eigentlich gar nicht so viel gegen ihn. Ethins Bruder dagegen mag ich eher weniger.

Lomion: Hm wie ich sehe wird aus der geplanten Lenwe sympathisantengruppe wohl nichts...aber es geht immerhin auch rapide weiter in diesem Kap:) Eigentlich sollte ich mich ja mehr der Uni widmen, aber es lässt mich einfach nicht los.


AN: Immer noch kein Internet zuhaus. Langsam wird das echt lächerlich. Man sollte meinen nach fast zwei Monaten klappt es mal, aber nein...

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Sestrainie

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„Sie werden hoffentlich bald zurück sein." Bemerkt Lenwe, nun wieder ganz auf die anstehenden Schwierigkeiten konzentriert. „Da du ihn wohl im Moment besser einschätzen kannst, denkst du Ethin wird die Dummheit begehen mich direkt anzugreifen?"

Ich zucke unsicher mit den Schultern.

„Genau wie sein Bruder kann er recht impulsiv sein." Gebe ich zu. „Aber ich denke nicht, dass er so einen Fehler begehen wird wenn er auch nur eine Sekunde darüber nachdenkt. Die Chance aus der Stadt herauszukommen wird er sich wahrscheinlich nicht entgehen lassen wollen Meister."

Die Frage, was er überhaupt vorhat, brennt mir unter den Nägeln, doch ich beherrsche mich und merke lediglich an: „Er fürchtet euch."

„So?" Fragt Lenwe nach, scheint aber keineswegs unzufrieden.

Ich nicke nur, unwillig den Zwischenfall mit Ainwe näher zu erläutern, der Ethin so in Furcht versetzt hat. Die Panik allerdings, die Ethin damals ins Gesicht geschrieben stand war unverkennbar und lässt mich wieder daran denken, wie wenig ich wirklich über diesen Elfen weiß dem ich soeben meinen Körper und Geist anvertraut habe.

„Nun ja, ich denke ein paar zusätzliche Maßnahmen können nicht schaden." Sagt Lenwe nun. „Kennst du defensive Sprüche?"

Ich nicke wieder.

„Wünscht ihr dass ich etwas vorbereite Meister? Eine Energiewand vielleicht?"

„Das kannst du?"

Trotz seiner vorherigen Behauptungen über meine Talente scheint er nun doch ein wenig überrascht, dass ich sofort einen konkreten Spruch anbieten kann.

„Wenn ihr mir den Diamantstaub gebt."

Daraufhin übergibt er mir einen kleinen Beutel aus dunkelrotem Samt, in dem, wie ich feststelle, wirklich Diamantstaub ist. Ein wenig überrascht von einem solchen Vertrauensbeweis, kann ich zunächst nur entgeistert schauen, was ihn zum grinsen bringt.

„Bei aller Begabung denke ich doch nicht dass du mir schon viel entgegenzusetzen hättest Junge." Erklärt er selbstsicher. „Sieh es als Chance deine Nützlichkeit unter Beweis zu stellen. Schließlich ist es zu deinem eigenen Besten wenn ich dich bei mir behalte."

Damit hat er natürlich recht. Unter seinem Schutz werden mir viele Möglichkeiten offen stehen, von denen ich sonst nur träumen könnte. Sich einen solchen Vorteil zu verbauen wäre mehr als dumm. Ich nicke und stecke den Beutel ein. Jetzt bleibt wohl nur noch zu warten bis Elavelynral mit seinem Bruder und seinem Geliebten zurückkommt. Ich frage mich beklommen wie Ethin reagieren wird, denn ich würde es ihm durchaus zutrauen entweder Lenwe, Elavelynral oder auch mich anzugreifen. Der pure Hass der in seinen Augen stand, als er von seiner Familie und den Umständen seiner Versklavung erzählte, beunruhigt mich mehr als ich zugeben möchte.

Ich komme nicht dazu meinen Gedanken noch länger nachzuhängen, denn auf einmal erscheint das erwartete Dreiergespann, seltsam verknäuelt vor uns auf dem Boden. Gleich darauf bricht die Hölle los. Unerwarteterweise hat das gar nichts mit einer Reaktion Ethins zu tun, nein, Ethin ist sichtlich unfähig in irgendeiner Weise zu reagieren, denn er windet sich in Schmerzen auf dem Boden kaum das er hier ist und schreit dabei so schrill das mir die Ohren schmerzen. Zur gleichen Zeit jedoch spüre ich deutlich wie die, um das Haus errichteten Schilde erbeben und mit einem trockenen Knacken erlöschen. Nikos stürmt polternd die Treppe herunter, das Entsetzen über diesen Vorgang klar ins hagere Gesicht geschrieben.

„Schnell rauf! Wir müssen alle weg!" Brüllt er gegen Ethins fortgesetzte Schreie an und schnappt sich den Arm des offensichtlich völlig verwirrten Tisraen um ihn die Treppe hinauf in den Raum zu zerren wo er bereits alle Vorbereitungen für ein Tor getroffen hat, dass uns zu den Sestrainieeinheiten bringen soll. Elavelynral blutet aus einem Schnitt über seinem Auge und hat alle Hände voll zu tun damit seinen Bruder, der angefangen hat sich heftig zu winden und wild um sich zu schlagen, ebenfalls in diese Richtung zu bewegen.

„Schnell!" Ruft Lenwe, der immer noch vergleichsweise gelassen erscheint. „Wir müssen und beeilen, ohne die Schilde sind sie in wenigen Minuten hier!"

Er zieht eine der winzigen Armbrüste der Drow aus einer der vielen Taschen seiner Robe und schießt Ethin ohne mit der Wimper zu zucken einen der kleinen Pfeile in den Oberschenkel. Noch bevor das Schlafgift wirklich zu wirken beginnt greife ich bereits nach seinen Armen um Elavelynral zu helfen ihn so schnell wie möglich die Treppe hinauf zu bugsieren. Keine Sekunde zu früh, denn nun beginnt auch schon der Angriff. Ich kann hören wie die Tür eingetreten wird und jemand laute Kommandos schreit. Wie sind sie nur so schnell hierher gekommen? Ein gleißender Blitz schlägt nur Zentimeter neben meinem Fuß ein und lässt mich erschrocken zusammenzucken, so dass ich beinahe meinen Halt an Ethins mittlerweile schlaffem Körper verliere.

Die beiden Drowmeister müssen mit dieser Möglichkeit gerechnet und einen Zauber über die beiden Sklaven gelegt haben, der es ihnen ermöglichen würde durch die Schilde zu brechen! Die Aussicht vielleicht schon bald meinem Meister im Kampf gegenüberzustehen lässt mir fast den Atem stocken. Wäre ich nicht so abgelenkt durch die schwierige Aufgabe den immer noch leise stöhnenden und schwach zuckenden Ethin die knarrenden Stufen hinaufzuschleppen würde ich bei diesem Gedanken wahrscheinlich augenblicklich in Ohnmacht fallen vor Angst. Sie müssen auch die Soldaten her teleportiert haben wird mir nun klar. Nur so können die Kämpfer derart unmittelbar zur Stelle gewesen sein. Alles geht so wahnsinnig schnell dass ich nicht einmal Zeit habe angewidert zu sein von dieser unerwünschten Nähe zu den Zwillingen.

Irgendwo muss ein Feuer ausgebrochen sein, denn gerade als wir endlich oben am Treppenabsatz angekommen sind steigt mir ein beunruhigender Brandgeruch in die Nase. Nikos' Stimme dröhnt aus einer Tür zu meiner Linken. Er ist bereits mitten in einem Spruch, der uns hoffentlich unbeschadet von hier fortbringen wird.

Ich schreie schmerzerfüllt auf und stolpere, als sich auf einmal ein dunkel gefiederter Pfeil tief in meinen Oberarm bohrt und stechende Schmerzen sich dort ausbreiten. Ethin entgleitet mir und nur das beherzte Zugreifen Elavelynrals rettet ihn davor hart auf den hölzernen Bohlen aufzuschlagen. Aus dem Gleichgewicht gebracht durch diese plötzliche Veränderung meiner Balance greife ich schnell mit dem unverletzten Arm nach dem Geländer um nicht hinzufallen. Ich wage nicht mich umzusehen, aus Furcht ich könnte meinen Meister erblicken, ein Bild dass mich wahrscheinlich augenblicklich zu Eis erstarren ließe. Aus dem Augenwinkel nehme ich jedoch wahr wie Lenwe sich hinter mir kurz herumdreht und den Angreifern einen Feuerball entgegenschleudert, der laute Schreie ertönen lässt.

Nun müssen wir wirklich schnell hier weg, denn der Weg zurück steht jetzt unwiederbringlich in Flammen. Wenigstens kann ich auch die Schreie der Soldaten hören die nun keine Möglichkeit mehr haben uns noch zu erreichen, wenn sie nicht gegen Feuer geschützt sind.

„Errichte eine Wand vor der Tür." Befiehlt Lenwe mir und nimmt dann hastig meinen Platz ein. Kaum sind alle sicher in dem kleinen Raum, wo Nikos sein Tor öffnen will, mache ich mich an die Arbeit. Glücklicherweise ist dies ein Spruch der keinerlei Gesten erfordert. Sonst hätte ich Schwierigkeiten bekommen mit meinem verwundeten Arm. Auch so bereitet es mir einige Mühe den Schmerz, den sich überall ausbreitenden Rauch und die lodernden Flammen zu verdrängen um mich genug zu konzentrieren. In diesem Moment bin ich meinem Meister fast dankbar für die schmerzlichen Übungen in Konzentration und Beherrschung die er mich absolvieren lies um dies überhaupt möglich zu machen.

Ich beende den Spruch keine Sekunde zu früh, denn kaum hat die letzte Silbe meinen Mund verlassen, da schlägt auch schon ein unangenehm aussehender grauer Wirbel, mit einem unheilvollen knirschenden Geräusch gegen die Barriere. Wegen dem Rauch dort draußen kann ich es nicht klar erkennen, aber ich glaube es ist ein Miniaturschneesturm, komplett mit Hagel und Eis, die schnell genug wirbeln um jemandem, der genug Pech hat diesem Phänomen ausgesetzt zu sein, augenblicklich die Haut von den Knochen zu reißen.

Entsetzt schaue ich zu Nikos und hoffe inständig, dass er bald zum Ende kommen wird, denn noch einen Angriff wird die Wand vielleicht nicht aushalten. Die wenigen Sekunden die er noch benötigt erscheinen mir Äonenlang in meiner Panik, doch schließlich ist es so weit. Die glatte, graue Fläche eines Tores erscheint vor unseren Augen, bereit uns zu empfangen. Ohne Zögern stürzen wir uns hindurch. Nikos, als Letzter, schafft es nur um Haaresbreite dem Feuersturm zu entkommen, der auf einmal von der Tür her durch den Fußboden bricht.

Auf der anderen Seite werden wir empfangen von überraschten Elfenwachen, die uns völlig überrumpelt als erstes ihre blanken Schwerter an den Hals setzen, sobald wir so überraschend aus der leeren Luft gestolpert kommen. Eine Haltung die sich augenblicklich ändert sobald sie Elavelyral erkennen. Verwirrte Entschuldigungen stotternd helfen sie ihm auf und sind offenbar zutiefst erschüttert ihren Kommandanten auf solch ungebührliche Weise empfangen zu haben. Es ist fast belustigend zu sehen wie ihre Augen groß werden, sobald sie den totgeglaubten Ethin wahrnehmen. Eine allgemeine Hochstimmung breitet sich nach der anfänglichen Verwirrung unaufhaltsam aus angesichts der Neuigkeiten und einer von ihnen rennt los um das Familienoberhaupt von dieser glücklichen Wendung in Kenntnis zu setzen.

So plötzlich von überschäumender Euphorie überschwemmt zu werden trifft mich ein wenig unvorbereitet. Ich hatte fast vergessen wie es ist Jemanden voll ehrlicher Freude über etwas zu sehen, das nicht aus dem Leid eines anderen geboren wurde und fühle mich seltsam fremd inmitten all dieser aufgeregten, fröhlich und voller Begeisterung durcheinander redenden Menge. Ich werde aus meinen Überlegungen gerissen durch eine Hand, die sich auf einmal haltsuchend an meinen Ärmel klammert. Es ist Tisraen, der vielleicht ähnliche Gedanken hegt wie ich, jedenfalls hat einen äußerst verlorenen Ausdruck auf dem Gesicht und ein unruhiges Flackern in den Augen, auch wenn er ganz offensichtlich sein Bestes tut um eine möglichst ruhige Miene zu bewahren. Die meisten würden sich wahrscheinlich sogar täuschen lassen von dieser vorgeschobenen Gelassenheit, aber ich kenne die Zeichen besser als sie und sehe deutlich, dass der blonde Elf sich nicht besonders wohl fühlt in diesem Moment.

„So viele." Murmelt er undeutlich, schaut dabei jedoch hauptsächlich mit verlorenem Blick in Elavelynrals Richtung, der gerade alle Mühe hat von einem begeisterten Haufen seiner Truppe loszukommen, die ihn völlig in Anspruch nehmen. Und es kommen immer mehr von ihnen, je weiter sich die freudige Nachricht verbreitet.

Natürlich ist Elavelynral nicht der Einzige dem Aufmerksamkeit gewidmet wird. Wir alle werden neugierig begutachtet und begrüßt. Etwas womit ich mich nicht wirklich wohl fühle, nachdem ich nun schon so lange gewohnheitsmäßig alle übermäßige Aufmerksamkeit zu vermeiden suche. Derart im Mittelpunkt zu stehen macht mich zunehmend nervös und unruhig. In diesem Augenblick will ich nur möglichst weit weg von all diesen Leuten und neugierigen Blicken und Fragen. Der brennende Schmerz in meinem Arm, wo noch immer der Pfeil steckt, tut sein Übriges um meine Nerven weiter zu strapazieren.

Hilfesuchend werfe ich Lenwe einen halb panischen Blick zu, denn ich weiß einfach nicht an wen ich mich sonst wenden soll. Elavelynral genießt offenbar diese Aufregung um seine Person und ist viel zu sehr in Anspruch genommen um sich um uns zu kümmern, Nikos ist hier ebenso fremd wie ich und von Ethin oder Tisraen kann ich in deren gegenwärtigem Zustand kaum sinnvolle Hilfe erwarten. Ich sehe erleichtert zu wie er mir kurz zunickt und dann ein paar der Krieger zu uns hinüber schickt.

„Meister Lenwe sagt ich soll euch zu den Heilern bringen. Bitte folgt mir, dann werden wir uns um eure Verletzungen kümmern." Eröffnet einer mir mit einem mitleidigen Blick auf meinen Arm, während die anderen bereits geschäftig zupacken und den unruhigen Ethin hochheben und wendet sich mit einem freundlichen Lächeln in Richtung eines atemberaubend schönen Gebäudes, das mir zuvor gar nicht aufgefallen ist, obwohl man eine solche Schönheit eigentlich nur schwer übersehen kann. Wahrscheinlich war ich einfach ein wenig überfordert, denn erst jetzt nehme ich wirklich meine nähere Umgebung wahr.

Wir sind in einem großen, luftigen Innenhof gelandet, um den sich an drei Seiten einige Bauten gruppieren, die von dem höheren Haupthaus dominiert werden. Die vierte Seite des Hofes ist frei von Gebäuden und öffnet sich in einen üppigen Garten, der sehr weitläufig zu sein scheint. Angenehme Gerüche der frisch erblühten Blumen schweben von dort herüber, die für mich den leisen Hauch lang vergangener, glücklicher Tage in sich tragen. Schlanke Türmchen und Säulen aus gelbem Sandstein laden den Betrachter ein näher zu treten und die detaillierten, mit größter Sorgfalt ausgeführten Verzierungen und Fresken zu betrachten. Bevor ich jedoch die riesige Fülle von Eindrücken ganz in mich aufnehmen kann, sind wir bereits durch eine kleine Seitentür eingetreten und bewegen uns einen schmalen Flur entlang, bis wir an eine Abzweigung gelangen, an der sich mehrere Gänge treffen. Eine große Tür aus Eichenholz stellt offenbar den Eingang zu den Räumen der Heiler dar. Wie alles hier ist auch sie mit filigranen Schnitzereien verziert. Es scheint sich um eine Geschichte zu handeln die in verschiedenen Szenen dargestellt werden soll. Neugierig versuche ich zu ergründen ob es eine sein mag, die mir bekannt ist.

„... später noch Zeit sein nicht wahr?"

Erschrocken wende ich meine Aufmerksamkeit wieder unserem Führer zu. Abgelenkt von meiner Umgebung habe ich kein Wort von dem gehört was er mir erzählt hat, doch mein vorsichtiges Nicken scheint ihn fürs erste zufrieden zu stellen. Solange sich endlich jemand um meinen immer stärker schmerzenden Arm kümmert ist mir fast alles recht. Tisraen zeigt keine Anzeichen meinen gesunden Arm bald loslassen zu wollen und zuckt unmerklich zusammen als der andere ihn respektvoll anspricht.

„Seid ihr ebenfalls verletzt General?"

„Ich...nur ein paar gebrochene Rippen und Kleinigkeiten Jasir." Sagt er leise. „Es ist nicht weiter schlimm. Kümmert euch zuerst um ihn."

Durch lange Übung halte ich die Grimmasse zurück, die sich bei seinen Worten auf meinen Zügen ausbreiten will. Ein paar gebrochene Rippen. Es sieht ganz so aus als hätte er statt meiner unter der Wut meines Meisters leiden müssen, nachdem ich verschwunden war. Mein Meister. Der Gedanke an ihn lässt mich kurz innehalten. Sowohl er als auch Meister Geryn werden ernsthafte Probleme bekommen, nachdem sie uns nun alle haben entkommen lassen! Ich glaube nicht dass der Rat sehr gnädig reagiert, wenn bekannt wird, dass sie den von langer Hand geplanten Angriff ruiniert haben. Realistisch betrachtet können sie eigentlich kaum wieder in die Stadt zurückkehren ohne eine Exekution befürchten zu müssen. Die augenblickliche Besorgnis die sich daraufhin in mir ausbreitet versuche ich so weit es geht zu unterdrücken, aber völlig verdrängen kann ich sie nicht.

Den Pfeil aus meinem Fleisch zu entfernen ist unangenehm, aber nicht so schmerzhaft wie einige andere Dinge die ich bereits aushalten musste. Außerdem lenkt es mich glücklicherweise ein wenig von den Sorgen über meinen Herrn ab. Ich bekomme sogar neue Verbände für meine Hand- und Fußgelenke und eine Salbe für mein Gesicht, wo Elavelyral mich geschlagen hat. Dankbar für die betäubenden Kräuter, die der freundliche Heiler mir auf die Armwunde legt, schaue ich schließlich zu wie man auch Tisraen fachkundig und sorgfältig versorgt. Die dunklen Hämatome, Kratzer und Bissspuren auf seinem Oberkörper sprechen leider eine für meine Augen sehr deutliche Sprache. Ohne nachschauen zu müssen weiß ich ganz genau, dass er wahrscheinlich weitere, durch ziemlich gewalttätigen Geschlechtsverkehr verursachte, Verletzungen haben muss, auch wenn er stur behauptet ihm fehle sonst nichts und sich, nachdem seine Rippen bandagiert sind, so schnell es irgend geht wieder dem besorgten Zugriff der Heiler entzieht.

Ethins Zustand scheint allerdings alle vor ein Rätsel zu stellen. Selbst unter dem Einfluss des extrem wirksamen Schlafgiftes stöhnt und zuckt er noch voll Schmerzen. Ihn aufzuwecken ohne zuvor eine passende Gegenmaßnahme gefunden zu haben ist also kaum ratsam. Gerade als man beschlossen hat lieber Lenwe zu Rate zu ziehen um die ungeklärte und höchstwahrscheinlich magische Ursache dieser Schmerzen zu ergründen, erscheint besagter Berater auch schon im Türrahmen. Er zeigt eine Miene perfekter Besorgnis. Wenn ich es nicht besser wüsste, ich würde nach diesem Anblick Stein und Bein schwören, dass ihm wirklich etwas an Ethins Sicherheit und Wohlergehen gelegen ist.

Meiner Ansicht nach wäre es am einfachsten ihm zuerst das Halsband abzunehmen, um alle daran geknüpften Zauber zu eliminieren. Hier dürfte das, im Gegensatz zu dem Haus in der Menschenstadt, sogar relativ schmerzfrei mittels einer Antimagische Zone möglich sein. Nicht das ich unbedingt sofort mit einem solchen Vorschlag herausplatzen werde. All diese hervorragend ausgebildeten Leute werden auch alleine eine Lösung finden und je länger Ethin leidet desto zufriedener bin ich. Aufmerksam schaue ich zu wie Lenwe, ähnlich wie bei mir zuvor, sorgfältig das Halsband untersucht, eine Aufgabe die sich ein wenig schwierig gestaltet und schließlich darin mündet, dass drei der Heiler den sich immer stärker windenden Elfen auf seiner Liege festhalten müssen.

„Bringt ihn in den Turmraum." Befiehlt Lenwe nach einer Weile schließlich ruhig und winkt dann Tisraen und mich heran. „Er kennt euch am besten also ist es wohl am günstigsten wenn ihr mich ebenfalls begleitet um ihm nach dem Aufwachen zu helfen sich wieder zurechtzufinden."

„Wie ihr wünscht." Murmle ich und packe den leicht abwesend wirkenden Tisraen unauffällig am Arm, um ihn mit zu ziehen als sich alle um uns herum in Bewegung setzen. Es will offenbar keiner dieses spektakuläre Ereignis verpassen. Ich bin zwar keineswegs der Meinung dass meine Anwesenheit Ethin helfen wird, aber ich sehe leider keinen Weg darum herum zu kommen, diesem Ereignis beizuwohnen. Trotzdem lasse ich mich so weit es geht zurückfallen, während der Großteil der Schaulustigen dicht hinter Lenwe und der Trage herströmt. Das unangenehme Gefühl der Bedrängnis weicht ein wenig als ich endlich mit Tisraen am Schluss des Zuges angelangt bin.

„Du musst vorsichtig sein." Flüstert der eigentlich so abwesend wirkende Elf neben mir auf einmal. „Vor was?" Frage ich zurück, unsicher ob es jetzt ein gutes Zeichen ist dass er überhaupt mit mir spricht oder doch nicht, weil ich nicht genau sagen kann was er eigentlich meint.

„Ethin hat mir etwas über Lenwe erzählt, dass ich nie vermutet hätte." Wispert er eindringlich. „Auch wenn er freundlich wirkt, du kannst ihm nicht vertrauen!"

Und damit stehe ich wieder einmal vor einer schwierigen Entscheidung. Gebe ich zu dass ich genau wusste was Ethin angetan wurde oder lüge ich. Was wäre vorteilhafter?

„Und wer sagt dir dass Ethin dich nicht angelogen hat?" Frage ich, hauptsächlich um Zeit zu gewinnen, aber Tisraen schüttelt ohne zu zögern den Kopf.

„Er mag sich sehr verändert haben, aber ich bin mir sicher dass er die Wahrheit sagte."

„Und was genau sagte er?" Versuche ich vorsichtig zu ergründen wie viel Elavelynrals Geliebter eigentlich weiß.

„Lenwe hat versucht ihn umbringen zu lassen!"

Selbst sein Flüstern klingt ein wenig verletzt, als wäre er es gewesen dem Unrecht wiederfahren ist und nicht Ethin. Nun ja, vielleicht hat er auch damit zu kämpfen über eine so lange Zeit getäuscht worden zu sein. Ich bin jedoch inzwischen zu einer Entscheidung gelangt.

„Das mag Ethins Meister ihm ja vielleicht so erzählt haben," sage ich „aber mal ehrlich Tisraen, du hast ihn gesehen. Du weißt genau dass er nicht immer logisch reagiert. Was ist wenn seine Anschuldigung gar nicht auf Tatsachen beruht? Ich würde mich nicht auf eine Behauptung von ihm verlassen ohne klare Beweise zu haben."

Damit behaupte ich nicht dass es unmöglich ist, verankere jedoch trotzdem einen gewissen Zweifel in seinem Geist, der nach meiner Ansicht sogar durchaus berechtigt wäre, wüsste ich nicht bereits dass Ethin wirklich die Wahrheit sagt. Seine Warnung grundheraus abzulehnen wäre nur misstrauenserweckend, da ich ja Lenwe eigentlich kaum kenne und meine Verpflichtung ihm gegenüber noch nicht bekannt ist. Sonst wäre Tisraen wahrscheinlich auch nie so offen an mich herangetreten.

„Du meinst er wurde selbst getäuscht?" Der blonde Elf neben mir wirkt nun zumindest nachdenklich. „Ich muss zugeben, dass ich es nicht mit Sicherheit sagen kann." Murmelt er unsicher und verlangt dann: „Versprich mir, dass du vorerst nichts darüber sagen wirst."

Ich rolle mit nur halb gespielter Irritation die Augen.

„Wem sollte ich es wohl erzählen?" Frage ich missmutig zurück und beschleunige meine Schritte, da wir inzwischen doch schon recht weit zurückgefallen sind. Natürlich werde ich Lenwe davon berichten müssen, sonst habe ich bald meinen nächsten Lehrer verloren. Ärger über Ethin steigt wieder einmal in mir empor. Muss er denn ständig mein Leben in Unruhe bringen? Selbst wenn er gar nicht bei Bewusstsein ist schafft er es mir Probleme zu verursachen!

An einer schmalen Wendeltreppe müssen schließlich die meisten unserer spontanen Begleiter unter allgemeinem Murren und heftiger Spekulation zurückbleiben. Nur Lenwe, Ethin mit den beiden Heilern, die seine Bahre tragen, Tisraen und ich dürfen weiter gehen bis wir in einen runden Raum gelangen, der bis auf einen schmalen Tisch aus schwarzem Stein völlig leer ist. Zu jeder Himmelsrichtung weist ein schmales Fenster ohne Vorhänge oder auch nur Verglasung. Ohne zu zögern legen die beiden Ethin samt seiner Bahre auf den Tisch und treten mit Mienen voll besorgter, hoffnungsvoller Erwartung zurück.

Lenwe scheint bereits vorbereitet und ich bin ein wenig überrascht, als es wirklich ein antimagisches Feld ist, dass er letztendlich heraufbeschwört. Sofort wird die schlanke Gestalt auf dem Tisch daraufhin still und verfällt in die tiefen Atemzüge einfachen Schlafs. Ich fühle mich seltsam unwohl bei dem Gedanken an die Abwesenheit jeglicher Magie in diesem Zimmer und meine sogar es körperlich wahrnehmen zu können, dass etwas wichtiges fehlt, doch meinen Begleitern scheint dies nicht aufzufallen. Sie sind allesamt völlig auf den schlafenden Ethin konzentriert, dem einer der Heiler nun einen, mit einer dunkelroten Flüssigkeit getränkten Lappen unter die Nase hält um die Wirkung des Schlafgiftes aufzuheben.

Sobald der Elf die ersten Regungen zeigt winkt Lenwe Tisraen und mich heran, während er selbst unauffällig eine Position schräg hinter Ethin einnimmt um nicht sofort in dessen Blickfeld zu geraten. Der andere Sklave gehorcht trotz seiner jüngsten Erfahrungen mit dem Zwilling, weit eifriger als ich selbst. Mürrisch, aber mit scheinbar unbeteiligter Mimik, betrachte ich wie zunächst Ethins Atem sich beschleunigt und nach einem leichten Zucken der schmalen Finger auch die grünen Augen beginnen sich langsam zu öffnen. Einige Sekunden schaut er lediglich stumm und mit bemerkenswert unbewegter Miene um sich, bevor er sich schließlich, mit dieser unglaublich schnellen Beweglichkeit, die ich fürchten und hassen gelernt habe aufsetzt und mir mit der flachen Hand hart ins Gesicht schlägt. Aus alter Gewohnheit bewege ich mich kein Stück, obwohl ich den Schlag kommen sehe, sondern schließe nur kurz die Augen und nehme es hin.

„Verräter!" Faucht er und dieses eine Wort trieft geradezu vor Abneigung. Erst das erschrockene Keuchen des jüngeren der beiden Heiler macht mir klar, dass ich mich hier in einer Situation befinde, in der ich keineswegs alle seine Angriffe hinnehmen muss. Ohne zwischen dieser Realisation und meiner Handlung wirklich eine bewusste Entscheidung zu treffen schlage ich zurück. Erst als meine eigenen Finger schmerzhaft mit Ethins Wange kollidieren wird mir klar was ich getan habe. Ein wenig überrascht starren wir uns daraufhin an, bevor er plötzlich anfängt zu grinsen.

„Shenjal wird dich in Streifen schneiden sobald er dich in die Finger bekommt." Erklärt er ansatzlos und grinst, scheinbar völlig unbeeindruckt von der gegenwärtigen Situation.

„Sowohl Shenjal als auch Geryn haben wahrscheinlich sehr viel wichtigere Probleme als sich um entführte Sklaven zu kümmern nachdem sie den Angriff verpatzt haben." Gebe ich kühl zurück und bezeichne dabei sehr bewusst keinen der beiden mit ihrem Titel als Herr und Meister, auch wenn es mich einiges an innerer Überwindung kostet. Je eher ich anfange mich an diese neue Situation zu gewöhnen desto besser. Die leicht pikierten Blicke der Anwesenden angesichts unseres gewalttätigen Verhaltens ignoriere ich so gut es geht. Es muss schon ein recht seltsamer Anblick für sie sein, wie wir miteinander umgehen, aber ich denke kaum dass Ethin eine andere Handlungsweise verstehen würde. Nicht nachdem über ein Jahrhundert lang seine gesamte Existenz darauf ausgerichtet war.

Erst jetzt blickt er sich so weit um, dass er auch Lenwe wahrnehmen kann. Für einen Sekundenbruchteil scheint er zu erstarren und ich kann deutlich die Panik in seinem Blick erkennen, doch schnell hat er sich wieder unter Kontrolle und ignoriert den großgewachsenen Elfen einfach. Ich glaube er hat wohl entschieden, dass er mit so vielen anwesenden Zeugen fürs erste keinen direkten Angriff zu befürchten hat. Ich kann jedoch genau sehen wie es hinter seiner Stirn arbeitet. Er sucht bereits nach einem Ausweg.

„Ich will einen Heiltrank." Wendet er sich brüsk an die beiden Heiler, die zu meiner Überraschung auch augenblicklich das Gewünschte aus irgendeiner Tasche produzieren können. Noch während Ethin hastig den Inhalt des schlanken Fläschchens hinunterstürzt wird auf einmal die Tür aufgestoßen und Elavelynral stürmt herein.

„Du bist erwacht!" Ruft er begeistert und durchquert mit drei großen Schritten den Raum, bevor er Ethin fest in die Arme schließt. „Es tut mir so leid das ich nicht früher gekommen bin! Aber wenn ich gewusst hätte..." Er schluchzt kurz auf, überkommen von seinen Emotionen und redet dann weiter, unzusammenhängende Bruchstücke von Entschuldigungen und Beteuerungen dass nun alles wieder gut wird. Direkt nebeneinander betrachtet kann man deutlich die äußerlichen Unterschiede sehen, die ihre gegensätzlichen Schicksale den Zwillingen aufgeprägt haben. Der bis zur Zerbrechlichkeit ausgehungerte, schlanke Ethin dessen leicht steife Haltung und unbewegtes Mienenspiel keinerlei Rückschluss darauf zulassen was gerade in ihm vorgehen mag und der weitaus muskulösere, durchtrainierte Elavelynral, dessen überwältigte Freude und Erleichterung mehr als offensichtlich ist.

Aus Ethins zunehmend angespannter Körperhaltung und Tisraens leichtem Zusammenzucken neben mir, schließe ich, dass mein Lieblingsfeind ebenfalls verletzt ist. Mit einer durch harte Jahre der ständigen Bestrafung erworbenen Beherrschung schafft er allerdings dies kaum zu zeigen, was mir eine Art widerwilligen Respekt abnötigt, während ich gleichzeitig eine leise Verachtung fühle angesichts Elavelynrals emotionalem Verhalten. Rational gesehen weiß ich natürlich, dass es in dieser Situation durchaus angemessen ist so zu reagieren, aber der ständige Einfluss der Drow, die solche Zurschaustellungen der Verletzlichkeit tunlichst vermeiden, ist bei mir nicht ohne Wirkung geblieben und trotz eines vagen Schuldgefühls schaffe ich es einfach nicht meine Gefühle in andere Bahnen zu lenken.

Ärgerlich wegen meiner zwiespältigen Empfindungen wende ich mich ab. Am liebsten würde ich jetzt diesen Raum verlassen und mich in einer stillen Ecke verkriechen, denn ich merke deutlich wie mir langsam alles zu viel wird. Diese plötzliche und komplette Umstellung überfordert mich einfach. Gerade als ich meine es keine Sekunde länger hier auszuhalten, kommen weitere Personen durch die Tür gelaufen. Ein Elf, der seinem Aussehen nach mit den Zwillingen verwandt ist, geht an der Spitze und steuert auch sofort zielstrebig auf die beiden Brüder zu, der Ausdruck auf seinem Gesicht schwankt dabei zwischen Unglauben, Hoffnung und Erleichterung.

„Ethinayren! Bist du es wirklich?" Stößt er schließlich ein wenig fassungslos hervor.

„Vater." Gibt Ethin mit mehr als nur einem Anflug von kühlem Sarkasmus zurück und starrt ihn über die Schulter seines Bruders hinweg unverwandt an. Noch immer ist es schwer zu sagen was er wirklich fühlen mag, doch diese eher frostige Begrüßung scheint zumindest Elavelynral ein wenig aus seiner kleinen Welt der Schuldgefühle und Entschuldigungen zu reißen. Immer mehr Leute strömen nun in den zunehmend kleiner wirkenden Raum, was meine Unruhe nur noch verstärkt. Vielleicht bemerkt man mich ja nicht wenn ich versuche mich in der allgemeinen Aufregung fortzuschleichen. Mit lange geübter Unauffälligkeit schlängle ich mich durch die Anwesenden, bis ich endlich an der Treppe anlange und aus der erdrückenden Enge des überfüllten Raumes heraus bin. Schnell husche ich die Treppe hinab und halte kurz inne als ich unten stehe und überlege wohin ich mich nun wenden soll. Unwillig hier allzu lange zu verharren laufe ich dann aufs gerate Wohl die linke Seite des Gangs hinunter. Wenn mich mein, normalerweise gut ausgeprägter, Orientierungssinn nicht täuscht muss in dieser Richtung der Garten liegen. Vielleicht werde ich dort ein wenig Ruhe haben.

Kaum jemand schenkt mir viel Aufmerksamkeit als ich durch die Flure wandere. Alle scheinen wie elektrisiert von der Nachricht, dass der lang verschollene Zwilling nun zurückgekehrt ist und sind dadurch zu abgelenkt um auf einen einsamen Elfen zu achten der hier ein wenig unsicher herumirrt.

Zu meinem großen Glück gelange ich bald wirklich zu einer weiteren Türe, die mich wieder zurück auf den Hof führt, wo wir erst vor kurzem aus unserem Tor stolperten. Dieser Eingang liegt wie erhofft näher am Garten, so dass ich nicht weit gehen muss bevor ich unauffällig zwischen ein paar Büschen verschwinden kann. Langsam beginnt mein Arm, der nun in einer Schlinge ruht, wieder zu pochen und ich verspüre den starken Wunsch mich irgendwo niederzulassen. Ein Moosfleck unter einer ausladenden Trauerweide erscheint wie geschaffen um dort zu verweilen.

Ich lasse mich langsam zu Boden sinken, meinen Rücken an den breiten Stamm gelehnt und nehme die angenehme Ruhe in mich auf. Endlich kann ich wieder ein wenig Grün genießen! So lange bin ich eingesperrt gewesen in den steinernen Gebäuden der Magierschule und dann in der engen, überfüllten Stadt der Menschen. Dieser blühende Garten erscheint meinem ausgehungerten Geist dagegen wie ein kleines Paradies und ich beschließe jeden Augenblick zu genießen der mir hier bleibt. Das Gefühl der pulsierenden Lebendigkeit um mich herum ist berauschend nachdem ich es so lange entbehren musste und ich kann praktisch fühlen wie sich etwas in mir entspannt dessen Existenz ich bereits fast verdrängt hatte.

Ich lasse meine Finger sanft über die glatte Rinde gleiten und spüre die Stärke, die diesem Baum innewohnt, nehme sie in mich auf wie ein Verdurstender einen Becher Wasser. Für einen kurzen Augenblick bin ich einfach glücklich. Keine Gedanken an die Zukunft oder die Vergangenheit trüben meinen Geist. Doch dieser friedliche Moment geht viel zu schnell vorbei und unaufhaltsam drängen sich wieder Überlegungen in meinen Kopf. Was wird Ethin wohl tun, jetzt wo er wieder hier ist? Ich denke kaum, dass er den Groll gegen seine Familie und Lenwe einfach vergessen wird, aber dazu sich in dieser Situation offen gegen sie zu stellen ist er wahrscheinlich auch zu pragmatisch.

Was werde ich tun? Das Tisraens Misstrauen nun geweckt ist bereitet mir Sorgen. Habe ich das Richtige getan als ich diesen inoffiziellen Handel mit Lenwe abschloss? Der Gedanke in dieser neuen Umgebung wieder völlig von vorne anfangen zu müssen, mir wieder einmal von neuem über meinen Platz klar werden zu müssen bereitet mir Kopfschmerzen. Ich fühle mich entwurzelt und obwohl mir klar ist, dass diese Entwicklung eine Chance für mich bedeutet erschöpft mich allein die Aussicht auf die nächste Zeit, in der ich mich wieder einmal mit neuen Regeln auseinandersetzen müssen werde, die ich noch nicht vollständig kenne. Grübelnd sitze ich dort unter dem Baum und versuche ein wenig Ordnung in meine aufgewühlten Gefühle zu bringen. Dank der friedlichen Atmosphäre hier gelingt es mir sogar teilweise.

„Ah da seid ihr ja!" Drängt sich auf einmal eine freundliche Stimme in meine Gedanken. „Meister Lenwe schickt mich. Ich soll euch einen Raum zuweisen in dem ihr die nächste Zeit über wohnen könnt."

Es ist ein junger Elf im Gewand der Diener. Zumindest nehme ich dass an, nachdem ich diese Art von Gewandung bereits häufiger gesehen habe auf meinem Weg durch das Haus. Diener mit schlichten, dunkelgrünen Tuniken, wie sie hektisch durch die Flure eilten und völlig aus dem Häuschen schienen wegen der aufregenden Neuigkeiten.

„Vielen Dank." Murmle ich undeutlich und erhebe mich mit einem innerlichen Seufzen. Wie es scheint ist meine Ruhepause nun vorbei.

„Ich werde sehen ob ich euch nicht ein paar angemessene Gewänder für das Fest heute Abend auftreiben kann."

„Das ist sehr freundlich von euch." Entgegne ich mit einem zustimmenden Nicken, denn er scheint auf eine Antwort zu warten. Meine immer noch blutverschmierte Erscheinung ist wohl wirklich nicht unbedingt präsentabel zu nennen.

„Ein Bad sollte auch schon bereit stehen." Bemerkt er dann und wendet sich zum gehen, auf eine Art und Weise die deutlich den Zeitdruck vermittelt unter dem seit kurzem alle zu stehen scheinen. Ich frage mich sowieso, wie sie in wenigen Stunden ein Fest auf die Beine stellen wollen, aber das ist zum Glück nicht mein Problem. Die Aussicht auf warmes Wasser heitert mich aber nun doch ein wenig auf. Ein Bad ist genau dass was ich jetzt brauche um mich ein wenig zu entspannen und vielleicht noch ein wenig Ruhe bevor ich mich wieder den neugierigen Blicken der Menge stellen muss. Etwas eifriger nach dieser angenehmen Ankündigung folge ich dem jungen Diener zurück ins Haus und durch gewundene Flure, einige Treppen herauf und wieder hinunter, bevor wir vor einer eher schlichten Türe zum stehen kommen. Ich kann mich gerade noch rechtzeitig zurückhalten um ihn öffnen zu lassen. Nur ein unvermitteltes Zucken meines unverletzten Arms verrät meine sonst automatische Reaktion auf eine solche Situation, bevor ich mich beherrsche. Diese Umkehrung der Positionen vermittelt mir ein sehr unbehagliches Gefühl, als würde ich vorgeben etwas zu sein was ich nicht bin.

Das Zimmer ist relativ klein, doch trotzdem komfortabel ausgestattet, hell und offensichtlich mit einiger Eile hergerichtet worden, wie der leicht abgestandene Geruch verrät, der zeigt, dass schon längere Zeit niemand mehr in diesem Raum gewohnt hat. Die Einrichtung ist einfach, aber praktisch und gleichzeitig geschmackvoll. Sogar eine Vase mit frischen Blumen hat jemand neben dem Spiegel auf einem schmalen Frisiertisch platziert.

„Das Bad ist dort hindurch." Erklärt der Diener und deutet auf einen blass-roten Vorhang, der einen Durchgang zu meiner linken verdeckt. „Solltet ihr noch etwas benötigen zieht einfach an der Kordel und jemand wird sich um eure Bedürfnisse kümmern. Rechtzeitig zum Fest werde ich wiederkommen um euch zu den Feierlichkeiten zu eskortieren."

„Vielen Dank."

Damit verlässt er mich, nach einer knappen Verbeugung und einem letzten, flüchtigen Lächeln, um sich eilig wieder seinen anderen Pflichten zu widmen. Dann bin ich allein. Nachdem ich einmal tief durchgeatmet habe, entscheide ich zuerst nach dem Bad zu sehen und ziehe neugierig den schweren Vorhang zur Seite. Ein hölzerner Zuber, gefüllt mit heißem, dampfendem Wasser steht vor mir. Ein Anblick der mich mit freudiger Erwartung erfüllt. Sogar ein Schälchen mit einem Klumpen goldgelber, duftender Seife ist am Rand des Zubers angebracht. So gut es mit dem verletzten Arm geht entledige ich mich meiner Kleider und lege sie auf einen bereitgestellten Stuhl, über dessen Lehne ein frisches, weißes Handtuch hängt.

Mit einem leisen, genießerischen Seufzer lasse ich mich ins Wasser gleiten und lehne mich zurück. Das leichte Brennen, der Abschürfungen an meinen Gelenken ignoriere ich und hänge lediglich den verletzten Arm über den Rand um nicht auch noch diese Verbände zu durchfeuchten. Vielleicht lässt man mich später eine Salbe herstellen, deren Rezept ich auswendig weiß, nachdem ich sie unzählige Male für meinen Meister machen musste. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass sie sehr wirksam ist wenn es um oberflächliche Verwundungen geht.

Unwillkürlich muss ich zurückdenken an das letzte Bad mit meinem Herrn, dass um einiges luxuriöser ausgestattet war und unter etwas weniger verwirrenden Umständen stattfand. Bei dem Gedanken an ihn meine ich fast seine Hände zu spüren, die über meinen Bauch gleiten und dort besitzergreifend die Konturen meiner Muskeln nachfahren, bevor sie weiter wandern und mir eine Gänsehaut bescheren indem sie die weiche Innenseite meiner Schenkel erkunden. Gefangen in der Erinnerung bemerke ich kaum wie meine eigene Hand eben diese Bewegungen ausführt und sich schließlich mit traumwandlerischer Sicherheit über meinen Körper bewegt, zu all den empfindlichen Punkten, deren Existenz mein Meister mir zeigte. Erst als schließlich ein leises Stöhnen über meine Lippen kommt kehrt mein Geist abrupt wieder zurück in die Gegenwart. Erschrocken halte ich inne, denn üblicherweise ist es mir nicht erlaubt diese Dinge zu tun ohne vorher dazu aufgefordert worden zu sein.

Hinter mir stößt jemand scharf seinen Atem aus und ich fahre herum. Lenwe steht dort im Durchgang und starrt mich gebannt an.

„Verzeiht." Stoße ich hastig hervor. „Ich wusste nicht dass..."

Ein langer, schlanker Finger auf meinen Lippen bringt mich zum Schweigen.

„Wieso machst du nicht einfach dort weiter wo du gerade aufgehört hast." Raunt er leise und lässt sich beiläufig auf dem Rand des Zubers nieder. „Ich denke dann wird es mir sehr viel leichter fallen dir zu verzeihen."

Einen Moment lang durchflutet mich Erleichterung darüber nicht bestraft worden zu sein, doch gleich darauf wird mir klar, dass Lenwe so etwas wahrscheinlich auch kaum riskieren könnte. Der Blick aus diesen unbestimmbaren Augen scheint sich jedoch unter meine Haut zu fressen und bringt meine Gedanken in Unordnung, bis ich den Versuch einer sinnvollen Argumentation einfach aufgebe und beschließe seiner Aufforderung folge zu leisten. Dies ist etwas woran ich gewöhnt bin, etwas dass ich kann. Die Gewissheit zu wissen was zu tun ist gibt mir eine vorrübergehende Sicherheit, an der ich mich so lange es geht festhalten will. Doch natürlich kann ich es nicht ewig ausdehnen und öffne schließlich die Augen, die ich bei meinem unterdrückt herausgewimmerten Höhepunkt geschlossen hatte, wieder um, noch leicht keuchend, unsicher zu ihm aufzuschauen.

Die Erregung, die ihm ins Gesicht geschrieben steht, sagt mir, dass ich meine Sache gut gemacht habe. Er schaut mich ein wenig abwartend an, was ich nicht recht interpretieren kann. Mein Meister hätte wahrscheinlich verlangt dass ich ihn nun befriedige, aber er hat auch üblicherweise seine Wünsche in dieser Hinsicht meist klar zum Ausdruck gebracht, wohingegen Lenwe bis auf diesen neugierigen Blick keine eindeutigen Wünsche äußert sondern mich auch weiterhin lediglich ruhig ansieht. Gleichzeitig kann ich jedoch ganz genau erkennen wie sehr ihn mein Anblick angesprochen hat, weshalb ich mir ein wenig dumm vorkomme so untätig hier zu sitzen.

Vorsichtig richte ich mich auf, bis wir uns ein wenig versetzt gegenüber sitzen. Er schräg auf dem Rand des Zubers, ich so dass sein rechtes Knie nur einen Fingerbreit von meinen Rippen entfernt ist. Meine gesunde Hand, die ich bedächtig auf sein Bein lege, ruft ein amüsiertes Funkeln in seinen Augen hervor, die nun doch eher ins grüne zu tendieren scheinen. Den Mangel an Protest werte ich vorerst als Zustimmung und lasse meine Hand langsam etwas höher wandern, bis ich an die Verschlüsse seiner Robe gelange, die sich wie von selbst unter meinen geübten Fingern öffnen. Da es dieselben sind die mein Herr bevorzugte, muss ich nicht einmal mehr hinschauen und kann dadurch seine Reaktionen besser im Auge behalten. Geweitete Pupillen, leicht beschleunigter Atem, offenbar gefällt ihm was ich tue. Auch das leise Zischen, das er ausstößt als ich mich schließlich vorbeuge und meine Zunge einsetze ist ermutigend. Eine Hand in meinem Haar. Fest aber nicht schmerzhaft. Die andere benötigt er inzwischen um sich abzustützen, ein Umstand der zugegebenermaßen eine gewisse Befriedigung bei mir weckt. Zwar hat er noch immer nichts gesagt und ist auch sonst sehr still, aber wenn ich die Situation bedenke ist das kaum überraschend. Käme jemand draußen vorbei würde er garantiert innehalten und sich erinnern sollte er verräterische Geräusche, wie etwa ein lautes Stöhnen hören.

Es ist anders als mit meinem Herrn, aber doch vertraut und ich spüre wie langsam ein wenig meiner inneren Sicherheit zu mir zurückkehrt. Lenwe mag zwar gefährlich sein, doch zumindest in dieser Hinsicht reagiert er wie jeder andere auch, eine Erkenntnis die mich ein wenig beruhigt und mit etwas mehr Zuversicht in die Zukunft blicken lässt.

Schließlich blicke ich, die letzten Reste seines Samens von meinen Lippen leckend, wieder zu ihm auf, zu beinahe geschlossenen Augen und einem entspannten Halblächeln, das seine Mundwinkel krümmt. Fast tut es mir leid diesen Augenblick unterbrechen zu müssen, aber ich weiß, ich sollte ihm besser so bald wie möglich von Tisraens Warnungen erzählen, um weitere Verwicklungen zu vermeiden.

„Eigentlich hatte ich nur vor nachzusehen ob sich angemessen um dich und Tisraen gekümmert wurde." Erklärt mein neuer Meister nun grinsend, bevor ich etwas sagen kann. „Aber ich muss zugeben, dass diese Entwicklung auch sehr angenehm ist."

Damit ist das Stichwort gegeben.

„Ich muss euch etwas sagen Meister. Es betrifft Tisraen."