Disclaimer: Welt gehört nicht mir, Drow auch nicht. Nur die unbekannten Charaktere. Blabla.


A/N: An diesem Kapitel hatte ich echt zu knabbern. Die ganzen anstrengenden Dialoge... ich hoffe es ist am Ende nicht langweilig geworden. Habe auch mal wieder die Arbeit vernachlässigt. Wenn ich dafür doch auch so viel Begeisterung aufbringen könnte.


Petalwing: Neeeiiin, die Sestraini sind gar nicht so. Eigentlich sind die ganz nett...obwohl ihre Einstellung zu Menschen...na ja reden wir nicht drüber.

Seraja Fox: Also am Anfang dachte ich auch nicht dass es jemals so viel werden würde. Irgendwann ist man einfach so im Fluss...


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Abmachungen

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„Tisraen?" Frage ich vorsichtig und zu meiner Überraschung reagiert er fast sofort, schaut mich überrascht aus geröteten Augen an und murmelt mit belegter Stimme: „Wieso bist du denn noch hier?"

Eine Äußerung die nicht ganz meinen Erwartungen entspricht, die aber gleich darauf klarer wird, denn er fährt fort: „Wieso gehst du nicht? Ich bin es doch gar nicht wert. Nicht nachdem was ich getan und zugelassen habe."

Sein Blick verliert ein wenig an Fokus als seine Aufmerksamkeit abschweift und er voller Bitterkeit und Verachtung mehr zu sich selbst als zu mir spricht, während sich seine Finger unbewusst so sehr ineinander verkrallen, dass seine Knöchel ganz weiß erscheinen. „So voller ehrenhafter Absichten bin ich losgezogen und habe mich in diesen Plan gestürzt, aber alles was ich erreicht habe war ihm noch mehr Schmerzen zu bereiten. Dabei wollte..."

Ein krampfhaftes Schluchzen unterbricht ihn und er schlingt hilflos beide Arme um sich.

„Und wofür?" Flüstert er dann, als hätte er Angst die Frage laut zu stellen und die ganze Tragweite der Situation zu konfrontieren. Wie es scheint ist ihm inzwischen aufegangen wie wenig Hoffnung auf ein glückliches Familienleben besteht, mit jemandem der so kalt und bösartig ist wie Ethin.

„Es war alles umsonst!" Stöhnt er verzweifelt und birgt das Gesicht zwischen den angezogenen Knien. „Alles was ich ertragen musste." Stöhnt er dumpf. „Alle Schmerzen und Erniedrigungen. Lynral wird mich hassen wenn er herausfindet wie schwach ich wirklich bin, wie ich ihn hintergangen habe!"

„Du hast nicht...", beginne ich, aber er hört mich allem Anschein nach gar nicht, ist völlig verstrickt in die Vergangenheit und stößt einen schrecklich gequälten Laut aus der irgendwo zwischen Winseln und Stöhnen liegt.

„Aber keiner liebt dich Ssinjin." Sagt er auf einmal in einem übertriebenen, spöttischen Singsang und lacht leise, in einem Ton der mir einen eisigen Schauer der Angst über den Rücken treibt. Das er jetzt anfängt sich langsam vor und zurück zu wiegen und meine Anwesenheit kaum noch wahrzunehmen scheint, beunruhigt mich nur noch mehr. „Keiner liebt dich... Schwächling...", murmelt er unzusammenhängend. „Keiner wird kommen...keinen kümmert es wenn du schreist...niemand kann dich hören...schrei für mich Ssinjin..."

„Tisraen!"

Nichts. Keine Reaktion. Verdammt, was soll ich denn jetzt machen?

„Tisraen!"

Vor mich hinfluchend und Meister Essal in die tiefsten Tiefen der neun Höllen verwünschend, packe ich ihn an den Schultern und fange an ihn mit einer Hand zu schütteln, doch er reagiert selbst darauf kaum noch und murmelt nur weiter diese beängstigenden Satzfetzen vor sich hin, Augen weit in die Ferne gerichtet, den Geist in der grausamen Vergangenheit gefangen. Schließlich weiß ich mir einfach nicht mehr anders zu helfen und verpasse ihm eine kräftige Ohrfeige.

Das reißt ihn zumindest vorerst aus diesem unheimlichen Zustand. Er starrt mich an, die blauen Augen weit aufgerissen und es dauert einige Sekunden bevor er mich erkennt.

„Nochmal!" Verlangt er dann zu meinem Schrecken heiser. Ein Wunsch gegen den sich alles in mir augenblicklich sträubt. Meine instinktive Antwort besteht deshalb auch aus einem heftigen Kopfschütteln.

„Bitte!" Drängt er und krabbelt auf mich zu, eine Bewegung die mich ebenso schnell rückwärts kriechen lässt. „Bitte hilf mir!" Fleht Tisraen kläglich, was mich aber in keinster Weise dazu veranlasst meine Meinung zu ändern. „Bitte! Mach dass er weggeht!"

„Lass mich in Ruhe." Zische ich als er meinen Fuß zu fassen bekommt und sich prompt daran festkrallt. Ich versuche erschrocken mit dem anderen nach ihm zu treten. Und dann muss ich wieder einmal feststellen, wie lächerlich wenig ich doch einem ausgebildeten Kämpfer entgegenzusetzen habe, denn noch während ich den Mund öffne um wenigstens zu versuchen einen Abwehrzauber zustande zu bringen, hat er es bereits fertiggebracht meinen einzelnen gesunden Arm unter mir wegzuschieben, mich dabei halb herumzudrehen, so dass er unter mir eingeklemmt ist und mir mit seiner freien Hand den Mund zuzuhalten.Eine solche Atacke habe ich von ihm nicht erwartet! Dabei hat mein Meister mir mehr als einmal eingebläut immer auf einen Angriff gefasst sein. Das habe ich jetzt von meiner Sorglosigkeit, halte ich mir wütend vor.

„Hilf mir, hilf mir, bitte hilf mir...", wiederholt Tisraen die ganze Zeit verwzeifelt, während er sich immer heftiger an mir festkrallt. Ich versuche, langsam ebenfalls verzweifelt, mich loszuwinden, erreiche damit aber nur, dass sich stechende Schmerzen in meinem Oberarm ausbreiten, die mir wieder die Tränen in die Augen treiben. Die Hand über meinem Mund reduziert mein Stöhnen zu einem dumpfen „Hmpf!", dass ihn nicht einmal zu erreichen scheint.

„Mach dass er aufhört!" Wimmert Tisraen hinter mir. Starke Beine legen sich um meine Hüften und in meinem resultierenden Entsetzen beiße ich ihm kräftig in die Finger, da alle anderen Optionen jetzt bereits erschöpft sind. Ich schmecke Blut, aber für ein paar wenige Sekunden lockert sich der Griff so weit, dass ich ihn anschreien kann.

Vrine'winith!" (stop) Schreie ich so laut und kommandierend wie ich es nur irgend fertigbringe in einer solchen Lage. Ohne großen Erfolg. Im Gegenteil, was passiert, ist dass der Elf hinter mir wild aufheult, fest in meine Haare greift und meinen Kopf so brutal auf den Boden schlägt, dass mir für einige Zeit schwarz vor Augen wird.

Verschwommen und sehr entfernt nehme ich durch die plötzliche, seltsame Dunkelheit in meinem Bewusstsein wahr, wie er unsanft den Verband um meinen Arm entfernt und ihn dann dazu benutzt meine Handgelenke hinter meinem Rücken zu fesseln. Das Gefühl ist seltsam distanziert, als ob dies alles jemand anderem passiert. Ich höre zwar wie er dabei fortwährend redet, kann aber den Gräuschen keinen Sinn mehr abgewinnen. Einen Augenblick verliere ich völlig die Orientierung und frage ich mich konfus wieso mein Herr auf einmal so seltsam klingt, dann fällt mir wieder ein, dass er gar nicht in diesem Raum ist. Aber was tue ich dann hier? Werde ich bestraft? Wer schiebt gerade seine Hände unter mein Hemd? Kühle Fliesen schmiegen sich an meine Wange. Ein Kontrapunkt zu dem langsam stärker werdenden Schmerz in meinem Kopf und der aufsteigenden Übelkeit.

Es interessiert mich nicht, beschließe ich trotzig. Wer immer es ist der da so rau an mir herumhantiert kann kaum erwarten, dass ich in diesem verworrenen Zustand noch etwas sinnvolles zustande bringe und reagiere. Ich kneife beide Augen fest zusammen um gegen das Schwindelgefühl in meinem Kopf anzukämpfen, ignoriere die zunehmend harscheren Berührungen und die Schmerzen in Arm und Kopf so gut es geht und konzentriere mich darauf die unangenehme Übelkeit unter Kontrolle zu halten, eine Aufgabe die nicht unbedingt leichter wird als sich plötzlich jemand mit seinem ganzen Gewicht auf mich fallen lässt.

Mein Verstand fühlt sich an als wäre er in Watte gepackt und dieser Zustand macht es mir schwer mich koordiniert zu bewegen und von dem lästigen Gewicht zu befreien. Glücklicherweise wird der schwere Körper schon bald entfernt und ich werde erstaunlich behutsam herumgedreht, bis ich auf dem Rücken liege. Verschwommen kann ich ein Gesicht erkennen, umrahmt von blondem Haar. Das ist aber auch alles was ich noch mitbekomme, bevor die Übelkeit schließlich doch Überhand nimmt und ich mich heftig übergeben muss. Die Person sagt etwas dass ich wieder nicht verstehen kann, weil die Worte zu verzerrt klingen und hält mir etwas an die Lippen. Automatisch schlucke ich die säuerliche Flüssigkeit die daraufhin über meine Zunge rinnt und fast sofort beginnt sich meine Sicht zu klären. .

Lenwe. Das ist der erste zusammenhängende Gedanke der kurz darauf in meinem Gehirn entsteht, begleitet von einer guten Portion Wut, über seine sorglose Handlungsweise. Der blonde Berater schaut mir forschend in die Augen. Sobald ich jedoch den Mund öffne um ihm zu sagen, dass er reichlich spät eingetroffen ist, überrascht er mich, indem er mich auf einmal fest an sich zieht.

„Shh", murmelt er und streicht beruhigend über meinen Rücken, „wir kamen noch rechtzeitig. Alles ist wird wieder gut."

„GUT!"

Erst bei dem Klang dieser weiteren, ärgerlichen Stimme wird mir klar, dass sich ausser uns noch Jemand im Raum befindet. Meine Beschwerde wird wohl noch ein wenig warten müssen.

„Also ich hoffe ihr vergebt mir wenn ich es ein wenig wagemutig finde eine solche Behauptung aufzustellen, nachdem wir feststellen mussten, dass einer meiner zuverlässigsten Generäle offenbar während seiner unerlaubten Abwesenheit zum Vergewaltiger geworden ist!" Faucht der Unbekannte frustriert. Mein vorsichtiger Versuch mich umzudrehen, um zu sehen wer da spricht, wird durch ein sofortiges, festeres zupacken der beiden Arme um mich beantwortet. Immer noch wütend ziehe ich es für kurze Zeit in Erwägung mich ernsthafter gegen Lenwe zu wehren, entscheide aber dann, dass es den Aufwand nicht wert ist und beschließe mich doch vorerst zu fügen. Schließlich könnte er noch immer versuchen mich sonst wieder loszuwerden. So weit ich weiß hat noch niemand von seinen Absichten mich als Lehrling aufzunehmen Kenntnis und so lange wie dem so ist, ist meine Abhängigkeit von seinem Wohlwollen leider noch vollkommen. Wenn er also will, dass ich gerade wie das unschuldige, zutiefst verletzte Opfer wirke werde ich wohl mein gesamtes schauspielerisches Können einsetzen um diesem Bild zu entsprechen.

Sobald ich nachgebe lockert er auch schon seinen Griff, in der Gwissheit, dass ich zumindest in groben Zügen begriffen habe worum es ihm geht. Das habe ich. Und auch wenn es mir nicht gefällt werde ich wohl mein Bestes tun um seinem Plan so gut wie möglich zu folgen. Immerhin bemerke ich amüsiert wie er kurz einen leicht angewiderten Blick nach unten auf mein Erbrochenes wirft, dass sich nun schön gleichmäßig auf unser beider Kleidung verteilt hat und einen äußerst unangenehmen Geruch verströmt.

Ich beiße mir also kräftig auf die Zunge, konzentriere mich auf den Schmerz und strenge mich dann an unter heftigem Schluchzen in möglichst überzeugende Tränen auszubrechen, während ich mich an ihn klammere wie an einen Rettungsanker. Wie es scheint tragen meine Bemühungen Früchte, denn als Lenwe verkündet dass er mich so schnell wie möglich in die Räume der Heiler bringen will, um sicherzugehen, dass alles in Ordnung ist, kommt von seinem Begleiter nur besorgt klingende Zustimmung. Ich muss ein überraschtes Quieken unterdrücken als Lenwe mich daraufhin hochhebt und einfach zur Tür hinaus trägt. Eine solche Behandlung ist mir seit vielen Jahren nicht mehr widerfahren. Jedenfalls nicht solange ich noch in einem Zustand war, in dem ich mich irgendwie selbst fortbewegen konnte.

„Ich kann laufen Meister." Erkläre ich leise sobald wir ausser Hörweite des Raumes gelangt sind. Lenwe bedenkt mich mit einem weiteren prüfenden Blick.

„Du hattest wahrscheinlich eine Gehirnerschütterung." Erklärt er ruhig. „Ich würde lieber sichergehen, dass wirklich alles in Ordnung ist bevor du dich überanstrengst und sonst doch noch auf halbem Wege einfach das Bewusstsein verlierst."

„Wie ihr wünscht." Entgegne ich ergeben, schließe die Augen, lasse mich tragen und versuche zu entscheiden ob ich wütend darüber sein soll, dass er mich scheinbar für so schwächlich hält oder ob ich die ganze Angelegenheit eher amüsant finde. Eigentlich ist es mir egal, wird mir kurz darauf klar. Ich bin einfach schon zu müde um mich lange darüber aufzuregen. Überraschend entspannt lasse ich mich durch die Gänge schaukeln. Lenwes stetige, warme Präsenz ist, trotz des ebenfalls stetigen, unangenehmen Geruchs meines Erbrochenen in diesem Moment auf jeden Fall angenehmer als Tisraens unerwartetes Drängen. Seine Probleme müssen schwerwiegender sein als ich zunächst angenommen hatte, denn sogar Ethin hat sich, bei all seiner Verrücktheit, um einiges besser unter Kontrolle.

Erst jetzt fällt mir auf, dass sich meine Armwunde bereits weitestgehend geschlossen hat und kaum noch schmerzt. Einen Augenblick verwirrt mich dass, doch dann erinnere ich mich wieder an die Flüssigkeit, die Lenwe mir gegeben hat. Es muss ein Heiltrank gewesen sein. Das mir dies erst jetzt bewusst wird, zeigt mehr als deutlich wie sehr ich immer noch unter den Folgen von Tisraens plötzlicher Attacke leide. Meine Gedanken müssen in größerer Unordnung sein als ich ursprünglich angenommen hatte. Eine Erkenntniss die eine gewisse Besorgnis bei mir hervorruft, denn sie macht mich verletzlich. Etwas dass ich unter allen Umständen zu vermeiden gelernt habe.

Stumm lasse ich die entsetzte Reaktion des Heilers und die folgende Behandlung und die gründliche Säuberung über mich ergehen. Die besorgten Blicke die er mir fortwährend zuwirft ignoriere ich dabei geflissentlich, genau wie den Trank zur Beruhigung den er mir schließlich aufdrängen will. Meinen Kopf noch mehr zu vernebeln kann ich mir jetzt nicht leisten. Ich muss mich ausruhen und in Ruhe nachdenken um mir schnellstens ein Bild davon zu machen was Lenwe beabsichtigt. Erst als der Berater einwilligt mir das Gebräu selbst einzuflößen, nachdem er mich sicher im Bett abgeliefert hat, lässt der lästige Heiler mich endlich gehen. Seine offensichtliche Betroffenheit erscheint mir restlos übertrieben, nachdem ich normalerweise nach solchen Vorkommnissen lediglich einen Heiltrank eingeflöst bekomme und dann nicht weiter beachtet oder schlafen geschickt werde, aber um nicht unangenehm aufzufallen schweige ich auch darüber. Vielleicht denkt er ich stehe unter Schock und könnte nicht auf mich selbst achtgeben wenn man mich allein lässt, aber dieser Meinung bin ich keineswegs. Dieser Vorfall ist nicht so ungewöhnlich in meinem Leben als dass er mich in einen solchen Zustand versetzen würde. Allein dieser Gedanke macht mir schmerzhaft bewusst wie sehr sich meine Welt von dieser unterscheidet. Mit zusammengepressten Lippen versuche ich das unangenehme Gefühl des deplatziert seins zu verdrängen. Es gelingt mir jedoch nur unvollkommen.

Wenigstens darf ich auf dem Weg zu meinem Gemach wieder selber laufen, auch wenn es mir nicht gefällt dass ich wieder einmal von Lenwe abhängig bin, der mir den Weg zeigen muss. Den ganzen Weg über schweigt er mit undurchdringlicher Miene, was mich vermuten lässt, dass auch die hieisgen Mauern Ohren haben können, ein Umstand der so alltäglich war in Dab'aschach, dass ich mich schon lange daran gewöhnt habe diskret zu sein ausserhalb der schützenden Mauern des Quartiers meines Herrn. In den Minuten die wir benötigen, bis wir an meiner Tür angelangt sind, habe ich mehr als genug Zeit um darüber zu grübeln ob er sexuelle Gefälligkeiten verlangen wird wenn wir dort sind. Von meinem früheren Meister hätte ich das durchaus erwartet, aber hier und jetzt bin ich mir unsicher was auf mich zukommen mag. Einerseits scheint dieser Elf sehr viel skrupelloser als alle anderen hier, aber zur selben Zeit frage ich mich wie viel von seiner mitfühlenden Seite geheuchelt ist, die ihn bei aller emotionalen Kälte dennoch deutlich von den Drow abhebt. Er ist so gegensätzlich in seinen Halbwahrheiten und Charakterzügen, dass ich nicht vohersehen kann wie er in solch einer Situation reagieren wird.

Meine Fragen haben ein Ende nachdem er mir, nachdem wir eingetreten sind lediglich den Beruhigungstrank in die Hand drückt und mich abwartend ansieht. Ehrlich gesagt scheint er das recht oft zu tun, mich beobachten und abwarten wie ich reagiere. Ob ich für ihn ebenso schwer zu durchschauen bin wie umgekehrt? Eine interessante These.

„Ich danke euch Meister, aber ich benötige das nicht." Erkläre ich ruhig und bin erleichtert, dass er das Fläschchen nimmt als ich es ihm entgegenstrecke.

„Es war nicht das erste mal dass dir so etwas widerfahren ist." Stellt er fest.

„Ich war der persönliche Sklave eines hochrangigen Drowmagiers." Antworte ich mit einem bitteren Halblächeln, um dann zynisch hinzuzufügen: „Was glaubt ihr was einem da widerfährt?"

Gleich darauf schrecke ich entsetzt zusammen angesichts meiner eigenen Respektlosigkeit.

„Verzeiht Meister." Entschuldige ich mich hastig, die Schultern bereits leicht hochgezogen in Erwartung von Strafe.

Zu meiner großen Erleichterung und Überraschung seufzt er lediglich leise. Noch vor einer Woche hätte ich mich nach einer solchen Unverschämtheit augenblicklich schreiend auf dem Boden wiedergefunden. Lenwe ist anders. Nicht mein Meister. Ich hasse mich für die Sehnsucht die dieser Gedanke in mir auslöst, aber ich könnte sie ebenso wenig unterdrücken wie ich die Sonne vom Himmel holen könnte. Ich fürchte und brauche ihn, so widersprüchlich dies klingen mag. Ich kann nur hoffen, dass sich meine Gefühle irgendwann ändern werden und die Bindung an ihn mit der Zeit schwächer wird.

„Wie alt bist du?" Fragt der Berater der Sestrainie mich auf einmal unvermittelt.

„Wie alt denkt ihr das ich bin?" Frage ich vorsichtig zurück, unsicher was er mit diesem plötzlichen Themenwechsel bezweckt, aber diesmal komme ich nicht so leicht davon.

„Glaub nicht ich lasse dir alles durchgehen." Warnt er mich eisig. „Antworte."

„Fünfundzwanzig Meister." Gebe ich einsilbig zurück und starre unterwürfig zu Boden.

„Kaum mehr als ein Kind. Und trotzdem hast du bereits Dinge überlebt, die einen unserer besten Generäle offensichtlich an den Rand des Wahnsinns gebracht haben."

„Unsere Meister wollten unterschiedliche Dinge Herr." Gebe ich automatisch zu bedenken, denn dies ist etwas über dass ich bereits früher nachgedacht habe.

„Erkläre." Verlangt Lenwe neugierig.

„Mein Herr wünschte mich zu seinem Vorteil zu benutzen indem er mir Magie beibrachte. Dazu war es nötig mir ein gewisses Maß an eigenem Willen und geistiger Klarheit zu lassen, damit die Macht in meinem Händen nicht zu einer Gefahr für ihn und andere wurde. Tisraens Herr hingegen wollte ihn lediglich brechen und musste auf solche Dinge keinerlei Rücksicht nehmen."

„Und Ethin? Ist er ebenso instabil?"

Langsam schüttle ich den Kopf. Dieser Umstand ist schwieriger zu erklären.

„In gewisser Weise ist er der stabilste von uns dreien." Fange ich zögerlich an. „Es ist vielleicht ein wenig wie den Geist mit einem Puzzle zu vergleichen. Tisraen wurde völlig zerbrochen, seine Teile verändert und umgeformt ohne danach wieder zusammengesetzt zu werden. Bei Ethin ist das schon lange passiert er wurde verändert und auf neue Weise zusammengesetzt. Ich selbst...", ich zögere. „Ich selbst wurde eher behutsam Stück für Stück umgeformt, so dass einzelne Schritte abgeschlossen wurden bevor ein neuer begann."

Verzagt verstumme ich. Ich habe zwar nicht das Gefühl alles verständlich erklärt zu haben, doch Lenwe scheint damit für's erste zufrieden zu sein.

„Wieso glaubst du ist dein Herr das Risiko eingegangen dich auszubilden Laylien?" Will der blonde Elf interessiert wissen. Es scheint als hätte er sich bereits ebenfalls ein paar Gedanken gemacht. Diese Frage bringt mich jedoch zu einer anderen. Wieso hat er selbst angeboten mich auszubilden? Eine Theorie kommt mir in den Kopf und ich beschließe spontan sie zu testen.

„Er ist neugierig Herr. Genau wie ihr."

Ich fühle mich zwar nicht völlig wohl dabei nach seiner letzten Rüge einfach dreist eine solche Behauptung aufzustellen, doch es ist der effektivste Weg um herauszufinden ob ich recht habe und ich hatte ohnehin beschlossen mich ihm gegenüber besser zu behaupten. Dass das schwer werden wird war mir vorher klar. Hätte ich erst lange überlegt, hätte ich wahrscheinlich gar nicht gewagt es überhaupt auszusprechen, aber nun ist es zu spät die Worte noch zurückzuholen.

Entgegen meinen Erwartungen reagiert Lenwe jedoch überhaupt nicht ungehalten. Im Gegenteil. Er lacht. Erstaunt schaue ich nun doch auf, in belustigt blitzende Augen.

„Schlaf jetzt." Sagt er bestimmt, aber gelassen und fährt noch einmal genießerisch mit gespreizten Fingern durch meine frisch gewaschenen Haare und über meinen Nacken. „Ich habe Kaesvain bereits von meinen Plänen informiert. Sobald ich Zeit dazu finde werden wir anfangen deinen Wissensstand auszuloten um herauszufinden womit wir uns in Zukunft beschäftigen werden."

Bevor ich mich von dem Effekt dieser Worte erholt habe ist er auch schon weg. Aus der Tür entschwunden mit einem letzten undurchsichtigen Grinsen.

Eine ganze Weile stehe ich lediglich da und starre auf die geschlossene Tür ohne sie und den Rest des Zimmers wirklich wahrzunehmen. Ich habe immer noch nicht die geringste Ahnung ob ich Lenwe nun mag, ob ich ihm auch nur ansatzweise traue oder nicht. Zumindest hat er scheinbar sein erstes Versprechen wahr gemacht. Als mit dieser Erkenntnis langsam die Anspannung des Abends ein wenig nachlässt merke ich wieder wie erschöpft ich bin. Auf einmal wünsche ich mir nichts mehr als einfach nur zu schlafen und diese ganze verworrene Realität für eine kurze Weile hinter mir zu lassen.

Entschlossen wende ich mich dem Bett zu, kann mich jedoch trotz der überwältigenden Müdigkeit nicht überwinden einfach unter die weichen Decken zu kriechen. Allein die Vorstellung alleine in einem Bett zu liegen ist mir inzwischen völlig fremd und alles in mir sträubt sich gegen diese Handlung, die mein Unterbewusstsein automatisch als falsch und ungehorsam abstempelt. Unschlüssig kaue ich auf meiner Unterlippe und entscheide schließlich dass ich heute bereits genug unangenehme Dinge getan habe. Wo ich schlafe wird kaum jemanden interessieren, warum also gegen meine Instinkte gehen. Ein wenig ruhiger ziehe ich die angenehm flauschige Decke von der breiten Matratze und rolle mich damit auf dem Boden zusammen. Auch hier gibt es einen relativ dicken Teppich und das Gefühl einer verhältnissmäßig vertrauten Situation lässt es zu, dass ich mich genug entspanne um endlich einzuschlafen und ein wenig dringend benötigte Ruhe zu bekommen.

Leider währt diese Erholungsphase nicht übermäßig lange. Ich weiß zwar nicht wie lange ich geschlafen habe, doch nach der bleiernen Müdigkeit in meinem Kopf und meinen Gliedern zu urteilen kann es nicht sehr lange gewesen sein. Das unangenehme Gefühl angestarrt zu werden lässt es jedoch nicht zu dass ich noch länger ruhig hier liege. Abrupt setze ich mich auf und muss mir augenblicklich auf die Lippe beißen um nicht vor Schreck aufzuschreien. Ethin hockt dort regungslos an der Wand, nur drei Schritte entfernt von meinen Füßen. Seine Augen schimmern unheimlich im schwachen Mondlicht und geben ihm eine leicht unwirkliche Erscheinung, die mich fast daran zweifeln lässt, ob er wirklich hier ist oder nur ein unheimliches Trugbild meines überreizten Geistes. Angespannt beobachte ich ihn während mir das Herz bis zum Hals schlägt, doch er macht keine Anstalten sich zu bewegen oder mich anzugreifen.

„Wie lange sitzt du schon da?" Frage ich schließlich leise, nachdem mir dieses stumme Anstarren langsam unerträglich wird. Was macht er hier?

„Lange genug." Entgegnet er kryptisch, scheint aber nicht willens sich näher zu erklären. Ich nehme an er meint damit „lange genug um dich problemlos überwältigen zu können", würde er das wollen. Das bringt mich jedoch nicht sehr viel weiter, vor allem weil es das letzte ist was ich jetzt von ihm erwartet hätte. Ich hatte eher damit gerechnet, dass er mich bei der nächsten Gelegenheit rücksichtslos anspringt.

„Warum bist du hier?" Versuche ich ihn vorsichtig zum Reden zu bringen, während ich mich gleichzeitig bemühe meine Glieder unauffällig aus den Falten der Decke zu winden, damit sie meine Bewegungsfreiheit nicht zu sehr einschränkt sollte ich ihm plötzlich ausweichen müssen.

„Sie werden uns suchen."

Diesmal verstehe ich nur zu gut was er damit sagen will. Und und zu meinem Leidewesen muss ich zugeben, dass er recht hat. Bis zu diesem Augenblick waren alle meine Bemühungen darauf gerichtet im hier und jetzt zurechtzukommen ohne zu sehr aufzufallen. Den Fakt, dass unsere Meister Nachforschungen anstellen werden habe ich dabei stets verdrängt mit dem Argument, dass es ohnehin noch eine ganze Weile dauern kann, bis sie Zeit finden sich mit solchen Trivialitäten zu beschäftigen. Die Frage ist nur, wollen wir dass sie uns finden? Im Moment bin ich mir darüber fast ebensowenig im klaren wie über meine Einstellung zu Lenwe und der Widerspruch meiner Gefühle ist so verworren, dass ich wohl auch noch eine ganze Weile brauchen werde um wenigstens einen Anschein von Ordnung und Logik hinein zu bekommen. Ethin hat jedoch offensichtlich seinen Standpunkt bereits gefunden.

„Ich würde eher sterben als zuzulassen, dass dieser... das er je wieder Hand an mich legt!" Zischt er leise, aber mit unverholenem Hass. Gegen meinen Willen bin ich fast beeindruckt, dass er sich so klar und deutlich von seinem Meister distanzieren kann, selbst wenn er es nicht fertigbringt ihn zu beschimpfen. Aber wenn ich die Persönlichkeitsunterschiede zwischen unseren Meistern bedenke ist es vielleicht sogar verständlich. Geryn hätte Spaß an hasserfüllter Unterwerfung dessen bin ich mir sicher. Wieso also diese interessante Eigenschaft unterdrücken bei einem Sklaven der sich ohnehin nicht wehren kann?

„Du willst meine Hilfe." Wird mir auf einmal klar. Er nickt und ich kann deulich erkennen wie wenig ihm seine Position behagt.

„Ich würde es vorziehen am Leben zu bleiben." Gebe ich zu bedenken. Ethin zuckt mit den schmalen Schultern.

„Bei dir ist das einfacher." Murmelt er dumpf. „Shenjal wird sich wahrscheinlich anderen Dingen zuwenden, wenn er merkt, dass sich der Aufwand nicht lohnt dich wieder in die Finger zu bekommen. Aber mein... Meister Geryn wird mich bis in die Neun Höllen verfolgen wenn ich es nicht schaffe ihn zu töten oder für angemessenen Ersatz zu sorgen."

Diese Idee überascht mich nun doch.

„Ersatz? Für dich?"

„Genau."

„Selbst wenn er sich darauf einlässt, ich glaube kaum dass sich hier so jemand finden wird." Sage ich mit einem plötzlichen Anflug von dunklem Humor. Erstaunlicherweise grinst Ethin daraufhin.

„Doch." Behauptet er ernsthaft. „Es gibt eine Person die mir in fast jeder Hinsicht entspricht."

Eine Weile kann ich ihn daraufhin nur fassungslos anstarren. Meint er wirklich dass was ich vermute?

„Das kann nicht dein Ernst sein." Flüstere ich schließlich schockiert. „Du würdest ihm deinen eigenen Bruder ausliefern?"

Nicht dass ich übermäßige Sympathie für Elavelynral hegen würde nachdem er sich so ungefragt in mein Leben gedrängt hat, aber so ein Schritt ist meiner Ansicht nach doch etwas drastisch.

„Es ist das einizge was ihn zufriedenstellen wird. Es ist sogar besser als mich einfach nur zurückzubekommen. Unterhaltsamer. Lynral ist noch verletzlich." Erklärt Ethin mit einer Sicherheit, die keinerlei Zweifel zulässt. Nach all den Jahrzehnten die er mit dem Drowmeister verbracht hat, glaube ich ihm sogar. Er muss ihn besser kennen als jeder andere. Mit Ausnahme von Meister Shenjal vielleicht, aber auf dessen Hilfe können wir im Moment ja wohl kaum hoffen.

„Und wieso glaubst du dass ich dir helfen werde?"

Das hässliche Grinsen, das auf meine Frage folgt lässt mich böses ahnen.

„Na ganz einfach." Schnurrt er und fängt an auf mich zuzukrabbeln, eine Bewegung die ich augenblicklich in entgegengesetzter Richtung ausführe. „Wenn du mir nicht hilfst wirst du auch bald wieder ein hübsches Halsband tragen. Alleine haben wir keine Chance, aber wenn wir zusammen arbeiten können wir sie uns vom Hals halten."

Als ich erkennen muss, dass er höchstwahrscheinlich recht hat halte ich inne in meiner rückwärts gerichteten Flucht.

„Ich kenne die beiden so gut wie sonst niemand. Ihre Gewohnheiten, ihre Fähigkeiten, sogar ihre Art sich zu bewegen." Fährt Ethin schmeichelnd fort und krabbelt näher. Weiße Streifen des Mondlichts gleiten über die goldbraune Haut und lassen den weißen Stoff seines Hemdes kurz aufleuchten. „Mein Wissen und deine Magie geben uns die Möglichkeit ihnen für immer zu entkommen. Besonders jetzt wo sich Lenwe um dich kümmert."

Ich kann das überraschte Weiten meiner Augen nicht verbergen. Mit diesem Satz hat er mich eindeutig überrumpelt.

„Du weißt davon? Woher?"

Ethin zuckt nur mit den Schultern und lacht leise. Inzwischen ist er beinahe über mir. Ich muss mich bald entscheiden. Brauche ich ihn wirklich so sehr, dass ich sogar dies zulassen würde?

„Morgen werden es alle wissen." Raunt er leise. „Was macht schon eine Nacht für einen Unterschied? Über Tisraens unglücklichen, kleinen Ausrutscher weiß wahrscheinlich auch schon das ganze Haus bescheid."

Und wenn ich nicht nachgebe wird Ethin wahrscheinlich der nächste sein, der sich mit solchen Vorwürfen auseinandersetzen muss. Will ich eine solche Verpflichtung wirklich in Kauf nehmen?

„Was wenn ich zu ihm zurück will?" Presse ich hastig hervor, unter Druck gesetzt von der Notwendigkeit einer schnellen Entscheidung, über die ich mir gefühlsmäßig selber noch gar nicht im klaren bin. Als hätte er damit gerechnet entgegnet der grünäugige Elf verführerisch: „Wenn das hier vorbei ist werde ich dich nie wieder anrühren Kleiner. Du musst mich nie wieder sehen."

Stirnrunzelnd schaue ich ihn an und versuche zu ergründen ob er die Wahrheit sagt.

„Ich werde ganz sanft sein." Verspricht er im selben Ton und bringt mich damit, unpassend oder nicht, zum lachen.

„Diese Worte von deinen Lippen sind das letzte was ich jemals zu hören erwartet hätte." Antworte ich trocken nachdem ich mich wieder beruhigt habe, beschließe aber im selben Augenblick es diesmal hinzunehmen, auch wenn es mir nicht ein bißchen gefällt. So sehr mich der Gedanke an seine Berührung mit Widerwillen erfüllt, ich kann es mir vielleicht nicht leisten ihn abzuweisen. Die Unsicherheit quält mich, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass ich seine Hilfe wirklich brauchen werde und ich bin ohnehin schon körperlich und geistig viel zu müde um die nötige Energie aufzubringen ihn jetzt noch wieder loszuwerden und danach die halbe Nacht wach zu liegen, damit er mich nicht im Schlaf überrascht. Mit einem winzigen Schulterzucken der missmutigen Resignation lasse ich mich zurücksinken auf die weiche Decke und hoffe dass Ethin entweder den letzten Satz ernst gemeint oder andernfalls der Heiltrank noch ein wenig seiner Wirkung behalten hat. Offensichtlich überrascht von meinem plötzlichen Nachgeben hält er auf einmal inne und starrt mich misstrauisch durch einen Vorhang aus zerzaustem, blondem Haar an.

„Was!" Murre ich zu ihm hoch. „Ich bin müde, also beeil dich ein bisschen."

Als er immer noch nicht reagiert setze ich giftig hinzu: „Wenn ich es über mich bringe mich Lenwe zur freien Verfügung anzubieten, dann werde ich dich auch irgendwie aushalten."

Es ist mir zwar nicht ganz verständlich wieso, aber daraufhin lächelt er, murmelt: „Immer für eine Überraschung gut was?" und verschwendet keine weitere Zeit mehr. Entgegen meiner Befürchtungen ist er diesmal sogar wirklich einigermaßen rücksichtsvoll. So sehr, dass es für seine Verhältnisse beinahe schon unheimlich ist. Seine Handlungen sind zwar nicht unbedingt zärtlich zu nennen, aber Ethin legt diesmal deutlich Wert darauf mir keine unnötigen Schmerzen zuzufügen. Nicht nur dass, er hat sogar Öl mitgebracht, ein Umstand der mir erst verspätet bewusst wird.

„Hast du dir plötzlich eine neue Persönlichkeit zugelegt?" Kann ich mich nicht beherrschen ihn daraufhin zu fragen, während ich ein unfreiwilliges Stöhnen unterdrücke als mein Körper ganz automatisch auf die gewohnte Stimulation reagiert. Die ganze Situation ist so bizarr und irreal für mich, dass ich ernsthaft überlege ob ich nicht vielleicht immer noch träume.

„Sieh es als Kompromiss Evoe." Murmelt er, einen leichten Anflug von Belustigung in der Stimme.