Disclaimer: Drow, Faerun gehören mir nicht, kein Profit gemacht.
Petalwing: Ja, also manchmal hab ich das Gefühl ich mach sie fast schon zu gutgläubig und naiv. Aber das ist halt mein Glaube an das Gute im Menschen... bzw. Elfen.
Seraja Fox: Schreckliche Klatschtanten sind das in dem Haus! Aber was soll man auch machen, ohne Bildzeitung die alles fürsorglich aufbereitet und in Übergröße abdruckt...
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Aufräumarbeiten
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Der blonde Elf springt auf einmal auf und schleicht geschmeidig auf den völlig überrumpelten Vetesh zu, der, anders als ich, nicht sofort reflexartig einen Schritt rückwärts macht. Er reißt lediglich erschrocken die Augen auf als Ethin unverfroren einen schlanken Finger sein Ohr hinaufgleiten lässt und den erstarrten Lehrling dadurch veranlasst hilflos nach Luft zu schnappen. Eine unglaublich unhöfliche Geste, aber ich bin mir nicht ganz sicher ob Ethin das überhaupt noch voll bewusst ist. Da die Ohren bei Elfen so empfindlich sind, wird es normalerweise unterlassen sich dort ungefragt und auch noch in der in der Öffentlichkeit zu berühren.
„Ethin!" Fauche ich den grinsenden Elfen böse an. „Lass das! Hör auf ihn zu verängstigen."
Daraufhin lässt er zwar von Vetesh ab, der bereits ziemlich verstört aussieht, aber seine nächsten Worte wecken in mir den heftigen Wunsch ihn zu schlagen.
„Weil du es bist Evoe mein kleiner. Aber du musst zugeben, er ist niedlich. Fast so wie du als wir uns das erste mal getroffen haben."
Von dieser Nacht habe ich bis heute Alpträume und die damaligen Vorkommnisse sind nichts worüber ich jemals sprechen möchte. Ich halte mich zwar davon ab mit den Zähnen zu knirschen, aber meine mühsam unterdrückte Wut ist deutlich herauszuhören als ich ihn unfreundlich frage: „Was willst du überhaupt hier?"
Er zuckt gelassen mit den schmalen Schultern.
„Mit Lenwe reden." Erklärt er dann in dieser typisch kryptischen Art, die ich so hasse.
„Er ist nicht da." Antworte ich feindselig und hoffe wider aller Wahrscheinlichkeit, dass er sich dadurch dazu bewegen lassen wird einfach zu gehen. Vetesh scheint es schier die Sprache verschlagen zu haben. Er steht nur noch mit großen Augen da und starrt uns an. Mittlerweile glaube ich weniger denn je, dass Lenwe mit ihm schläft. Im Gegenteil, ich frage mich ob er nicht sogar noch unberührt ist. Für einen kurzen Augenblick zuckt die Frage durch mein Hirn, wie es wohl wäre ihn zu verführen, aber ich sofort rufe ich mich streng zur Ordnung und dränge diese Idee weit hinab in die Tiefen meines Bewusstseins.
„Nun ja. Dann werde ich wohl einfach warten müssen." Befindet Ethin mit zuckersüßem Lächeln und begibt sich wieder zurück in Richtung Stuhl. „Lasst euch von mir nicht ablenken."
Entschlossen ihn nicht weiter zu beachten wende ich mich daraufhin wieder Vetesh zu, der nun langsam wieder zu sich zu finden scheint.
„Was sind deine Aufgaben?" Frage ich ihn möglichst sachlich und bete dass er es mir einfach nachtun wird und Ethin ignoriert.
„Ich ähm," ein kurzer verunsicherter Blick in Richtung Stuhl, bevor er sich zusammenreißt und mir ganz zuwendet. „Für heute hatten wir abgesprochen, dass es wieder an der Zeit ist, nachzuschauen ob Zutaten ergänzt werden müssen."
Ich nicke. Das ist etwas, dass ich auch regelmäßig für meinen Herrn tun musste.
„Ich helfe dir. Wo fangen wir an?"
Vetesh deutet auf zwei geräumige Schränke.
„Da sind die meisten der harmlosen Sachen drin. Um die anderen kümmert sich unser Meister noch selber."
Ich nicke und steuere auf den rechten Schrank zu, von dem aus ich Ethin unauffällig im Auge behalten kann.
„Wie lange bist du schon sein Schüler?" Frage ich Vetesh um ihn ein wenig abzulenken und einzuschätzen wie sehr sich unser Wissensstand wohl unterscheiden mag.
„Drei Monate. Wie lange hast du gelernt bevor... äh." Er bricht verunsichert ab als er realisiert, dass dies vielleicht eine Frage ist die ich nicht beantworten möchte.
„Gar nicht." Antworte ich jedoch zu meiner eigenen Überraschung. „Mein Herr hat mich unterrichtet."
Ich muss zugeben, dass mich der geschockte Ausdruck, der daraufhin auf seinem Gesicht erscheint, insgeheim amüsiert. Gleich darauf wird mir klar, dass ich wieder in die alte Gewohnheit zurückgefallen bin Meister Shenjal als meinen Herrn zu bezeichnen und jegliche Belustigung verfliegt. Wenn ich es nicht einmal schaffe mich in dieser Hinsicht von ihm zu lösen, dann steht es mit dem Rest wohl auch nicht gerade zum Besten. Mit einem Seufzen wische ich die Gedanken beiseite. Konzentrier dich lieber auf deine Aufgabe, sage ich mir streng und öffne den Schrank.
Während ich aufmerksam die sauber beschrifteten Gläser und Tüten betrachte und ihren Inhalt überprüfe kann ich Ethins Blick im Nacken spüren. Ich weigere mich jedoch zur Seite zu schauen um zu sehen was er tut. Sollte er mir zu nahe kommen, werde ich das auch so rechtzeitig bemerken. Auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass er es riskieren wird, nachdem ich bereits diesen anderen unseligen Pakt mit ihm geschlossen habe. Ich frage mich, ob er Berührung in ähnlichen Zeitabständen braucht wie ich oder ob ich mich etwa auf tägliche Besuche einstellen muss. Ein unangenehmer Gedanke. Besonders, da meine eigenen Bedürfnisse nach der letzten Nacht eigentlich bereits für die nächsten paar Tage ausreichend gedeckt sind.
Der Geruch von getrocknetem Rosmarien steigt mir in die Nase als ich einen Tiegel öffne, in dem sich eine grüne Paste befindet. Mit dem Geruch kommt auch die Erinnerung. Das gekerbte Holz der Arbeitsplatte, das sich an meine Wange schmiegt, als mein Meister mich mit sanftem Druck vorbeugt, bis mein Oberkörper inmitten der halb geschnittenen Kräuter liegt, mit denen Ich gerade noch beschäftigt war. Ohne dazu aufgefordert werden zu müssen schiebe ich sofort meine Beine ein Stück weiter auseinander. Ich weiß schließlich was er will. Beinahe automatisch finden meine Hände Halt an der Tischkante über meinem Kopf, während bereits seine warme Zunge an meinem Ohr entlang gleitet und ich mir auf die Lippe beiße um still zu bleiben. Kühle Hände, die sich langsam unter den Saum meiner Tunika schieben und mich erschauern lassen...
An dieser Stelle reißt mich ein leises Lachen aus meinen Erinnerungen.
„Du denkst an ihn." Behauptet Ethin selbstgefällig von seinem Aussichtspunkt auf dem Stuhl. Zu dumm nur, dass er absolut Recht hat. Schnell stelle ich den Tiegel mit dem verhängnisvollen Inhalt wieder zurück an seinen Platz bevor ich ihn dem grünäugigen Elf noch an den Kopf werfe. Verbissen presse ich die Lippen aufeinander und fahre damit fort ihn zu ignorieren. Das Vetesh es mir nicht gleichtut ist wirklich bedauernswert.
„An wen?" Fragt er verwirrt und dreht sich um.
„Meinen Herrn." Erkläre ich knapp, bevor Ethin eine ausführlichere Antwort geben kann, halte meinen Blick dabei jedoch strickt auf den Schrank und seinen Inhalt gerichtet.
„Ja," grinst Ethin gehässig „Daran wie er dich quer über den Schreibtisch gevögelt hat."
Noch bevor er ausgeredet hat wirble ich zu ihm herum, die Hände zu Fäusten geballt.
„Wenn du nicht auf der Stelle die Klappe hältst, dann sorge ich dafür dass du hier verschwindest!" Presse ich zornig hervor.
„Ach ja? Und wie?"
Das hinterhältige Funkeln in seinen Augen sollte mich eigentlich warnen, doch in diesem Moment bin ich schlicht zu wütend um es zu beachten.
„Shas."
Flammen wirbeln in meiner Hand auf, aber während Vetesh ein erschrockenes Quietschen entfährt, lässt Ethin sich nicht einmal zu einem überraschten Blinzeln herab.
„Du würdest den Sohn des Hausherren angreifen?" Fragt er mit restlos gespieltem Entsetzen. „Nach allem was mein Vater für dich getan hat? Nachdem er dich hier aufgenommen hat, in seinem eigenen Heim?"
Dafür würde ich ihn am liebsten wirklich umbringen. Wie schafft er es bloß immer in einer Position zu sein, die es ihm erlaubt mich ungestraft zu behelligen, mit allem was ihm gerade einfällt? Diesmal wirklich zähneknirschend lasse ich die Flammen verschwinden. Mit seinen eigenen Taten kann ich hier schlecht argumentieren, vor allem nicht, nachdem er dabei war als ich einen Mord begangen habe und somit genug gegen mich in der Hand hat um problemlos kontern zu können. Und er weiß das ganz genau. Nur die harte Schule der Selbstbeherrschung, durch die mein Herr mich gezwungen hat, bewahrt mich davor den ersten Gegenstand nach ihm zu werfen, der mir in die Finger kommt.
Abrupt wende ich mich wieder dem Schrank zu. Das zufriedene Grinsen auf seinem Gesicht brauche ich nicht zu sehen. Ich weiß auch so dass es da ist. Wieder einmal. Hat er denn nichts anderes zu tun als mich zur Weißglut zu treiben? Es kostet mich einiges an Konzentration das Zittern meiner Hand zu unterdrücken als ich nach dem nächsten Beutelchen mit Kräutern greife. Kurze Zeit später beginnt auch Vetesh wieder seiner eigentlichen Tätigkeit nachzugehen und die nächste halbe Stunde vergeht in angespanntem Schweigen, unterbrochen nur von dem gelegentlichen Klirren gläserner Behältnisse.
Als sich schließlich die Tür öffnet fahren wir alle augenblicklich herum. Sogar Ethin sieht, trotz seiner dekadenten Position auf dem Stuhl, auf einmal um einiges aufmerksamer und angespannter aus.
Lenwe bleibt eine Sekunde lang im Türrahmen stehen und nimmt die Situation in sich auf, während eine Augenbraue unaufhaltsam nach oben wandert. Aus dem Augenwinkel kann ich erkennen wie sich auf Vetesh's Gesicht unübersehbare Erleichterung breit macht und ein wenig tut es mir dabei leid, dass ich vorhin so aus der Haut gefahren bin. Ich hoffe er hat nicht auf einmal Angst vor mir. Ein ungewöhnlicher Gedanke für mich, der eigentlich eher an die gegenteilige Position gewöhnt ist. Ich weiß noch nicht genau wie ich mit so einer fremden Situation umgehen soll. In vorsichtiger Ausdruckslosigkeit verharre ich vor meinem Schrank.
„Ich nehme an du bist wegen Sharya hier." Spricht mein Meister schließlich Ethin an, nachdem er behutsam die Tür hinter sich geschlossen hat. Wer ist Sharya?
„Bin ich."
Der seltsame Ausdruck der bei dieser Antwort über Ethins Gesicht huscht lässt mich auf einmal mit höchster Aufmerksamkeit lauschen. Was ich gerade gesehen habe sah beinahe wie Unsicherheit aus, etwas das ich kaum je bei diesem Elfen erwartet hätte. Eine Gelegenheit die sich nutzen lässt? Jede Schwäche die Ethin preisgibt wäre für mich von Vorteil. Aber zu meiner großen Enttäuschung werden sowohl Vetesh als auch ich nach draußen geschickt, mit dem lapidaren Hinweis wir könnten etwas essen gehen und dann zurückkommen.
Hunger habe ich noch keinen und in die große Halle zieht es mich auch nicht unbedingt zurück, auch wenn Vetesh alle Anstalten macht genau dorthin zu wollen. Soll ich ihn wirklich begleiten? Missmutig überlege ich, ob ich es schaffen könnte Lenwe dazu zu bringen mir später von dem Gespräch zu erzählen. Vielleicht, wenn ich es geschickt anstelle... Aber zuerst sollte ich wahrscheinlich meinen Mitlehrling ein wenig beruhigen. Er wirft mir bereits leicht ängstliche Seitenblicke zu, was mir klar macht, dass ich wieder einmal vor mich hinschweige. Ich bin es nicht mehr gewöhnt eine belanglose Unterhaltung zu führen. Mein Herr verlangte meistens von mir zu Schweigen und ihn nicht mir unwichtigen Nebensächlichkeiten zu belästigen. Zusammen mit dem unbewegten Gesichtsausdruck wirkt das fortgesetzte Schweigen jedoch möglicherweise etwas befremdlich auf Vetesh.
Aber was soll ich denn sagen? Ein wenig hilflos durchforste ich meinen Kopf nach möglichen Themen, komme aber zu keinem brauchbaren Ergebnis.
„Es tut mir leid wenn ich dich vorhin erschreckt habe." Erkläre ich schließlich zusammenhanglos und scheine ihn damit nur noch mehr zu verunsichern, denn er bleibt abrupt stehen, errötet auf der Stelle und schüttelt hektisch den Kopf.
„Nein, nein...," er stockt, beißt sich auf die Lippe, „es ist nur..."
Ja? Was? Ich warte ab was er sagen wird, obwohl ich mir im Grunde bereits denken kann was es ist, dass ihn so aus der Fassung bringt.
„Ich war nicht darauf vorbereitet, dass du so äh... heftig reagieren würdest. Du schienst so... ich weiß nicht...so zerbrechlich. Harmlos." Murmelt er und schaut kurz weg als schäme er sich für diese Fehleinschätzung.
„Es tut mir leid," wiederhole ich und lüge dann: „Ich hätte ihn nicht wirklich angegriffen, glaub mir."
Dabei blicke ich fest in vertrauensvolle, braune Augen und warte insgeheim darauf mich für diesen Betrug schuldig zu fühlen. Nichts geschieht. Auch nicht als er nickt, mit einem vorsichtigen Lächeln.
„Natürlich. Mach dir keine Sorgen Laylien. Es tut mir auch leid. Dies muss alles noch schwierig und neu für dich sein."
Überrascht und erleichtert, dass er mir so schnell vergibt lächle ich zurück und wir setzen unseren Weg fort. Ich kann mich nicht ganz entscheiden, ob ich hin um diese Unschuld beneide oder ob sie mich eher irritiert. Auf eine distanzierte Art und Weise finde ich sie aber überraschend faszinierend. Jemand dessen Gefühle und Gedanken so gradlinig und deutlich zu lesen sind ist mir schon eine ganze Weile nicht mehr begegnet und ich muss mich bewusst davon abhalten ihn zu beobachten, als wäre er ein interessantes Experiment.
„Warum wohl Ethin mit unserem Meister über Lady Sharya sprechen wollte." Durchbricht Vetesh auf einmal nachdenklich unser neuerliches Schweigen. Aber ich kann daraufhin lediglich mit den Schultern zucken.
„Wer ist sie denn?"
Diese Gelegenheit kann ich mir nicht entgehen lassen. Hätte ich vorher geahnt, dass er etwas darüber weiß, hätte ich gleich gefragt.
„Sie war seine Verlobte, aber soweit ich weiß wurde die Bindung gelöst nachdem man ihn für tot hielt." Nun zuckt er ebenfalls mit den Schultern. „Das alles ist noch vor meiner Geburt geschehen. Deshalb kenne ich nur vage Geschichten. Angeblich soll sie aber auf dem Weg hierher sein."
Also hat Ethin eine Verlobte. Dieses Konzept erscheint mir derartig absurd, dass ich für einen Augenblick völlig sprachlos bin. Auf einer intellektuellen Ebene ist mir natürlich klar, dass er einmal eine völlig andere Persönlichkeit war und nicht der gefühlskalte Bastard den ich heute kenne, aber es ist unglaublich schwer für mich das wirklich nachzuvollziehen. Trotz der stetig wachsenden Menge an Hinweisen, die mir hier präsentiert werden.
Ob er noch Gefühle für sie hegt? Warum sonst sollte er gerade zu Lenwe gehen, dem er, milde gesagt, äußerst misstrauisch gegenübersteht, der aber wahrscheinlich am ehesten Verständnis hätte wenn es darum ginge sie fernzuhalten. Das fehlende Wissen nagt an mir und ich wüsste nur zu gern was hinter diesem seltsamen Besuch steckt, muss mich aber wohl oder übel damit zufrieden geben, dass ich so bald nichts genaueres herausfinden werde.
Ich ergebe mich schließlich in mein Schicksal und finde mich damit ab eine weitere Mahlzeit in der großen Halle einzunehmen. Es ist zwar nicht unbedingt angenehm, weil ich immer noch das Gefühl habe von allen Seiten neugierig angestarrt zu werden, doch nachdem ich stur meine ausdruckslose Miene beibehalte und es peinlichst vermeide den Blicken anderer zu begegnen, verringert sich irgendwann das aufdringliche Interesse.
Als wir schließlich wieder zurückkehren, ist Ethin bereits weg. Ein Umstand der mich erleichtert. Wer weiß, was er sonst noch so alles von sich gegeben hätte. Er scheint außer meinem Herrn bisher der Einzige zu sein, dem es regelmäßig gelingt mich derart aus der Fassung zu bringen.
Der Rest des Nachmittags verfliegt beinahe, während ich endlich wieder das tun kann, was mir seitdem ich es entdeckt habe, immer am besten gefallen hat. Ich muss zwar auch weiterhin darauf achten was ich in Veteshs Gegenwart sage und tue, aber im Moment ist es auszuhalten. Die Energie, die bei der Demonstration des Frostzaubers durch meine Fingerspitzen kribbelt, bringt auch ein Stück weit mein Inneres wieder ins Gleichgewicht, gibt mir das Gefühl zurück trotz allem noch die Kontrolle über etwas in meinem Leben zu haben. Selbst wenn es nur körperlose Energie ist, die sich meinem Willen beugt. Die Magie ist etwas vertrautes, dass mir auch jetzt einen verlässlichen Anker in meinem turbulenten Leben gibt und mich zwingt ein wenig Ruhe und Konzentration in meinen aufgewühlten Geist einzulassen.
„Beeindruckend." Murmelt mein Meister als er das Glas mit Wasser begutachtet, welches ich unter dem großäugigen Blick Veteshs soeben gefroren und mit glitzernden Eiskristallen überzogen habe.
„Könntest du mit diesem Spruch auch eine größere Sphäre erzeugen?" Erkundigt Lenwe sich neugierig, aber da muss ich verneinen.
„Mit zusätzlichen Komponenten und einer leichten Abwandlung der Worte wäre dass wahrscheinlich möglich, aber so weit war ich noch nicht. Meister Shenjal wollte zunächst meine Fähigkeit zur Konzentration festigen." Erkläre ich mit einem Kopfschütteln und bin froh, dass er nicht danach fragt wie diese Festigung vor sich gegangen ist. Wahrscheinlich kann er es sich zumindest im Ansatz denken, aber vor Vetesh möchte ich das nicht unbedingt ausbreiten.
Ich kann ein leichtes, erwartungsvolles Kribbeln nicht zurückhalten, als unser Meister ihn gegen Abend schließlich fortschickt, mit der Aufgabe sich am nächsten Tag mit der Theorie hinter dem Frostzauber zu beschäftigen. Etwas dass er offensichtlich nur zu gern tun wird, dem eifrigen Glanz seiner Augen nach zu urteilen. Diese kurze Demonstration muss ihn beeindruckt haben.
Still warte ich bis die Tür hinter dem letzten Zipfel der blauen Robe ins Schloss fällt, dann erlaube ich es mir elegant auf die Knie zu sinken. Es fühlt sich so vertraut an in dieser Haltung zu verharren, ein Drang den ich bereits den ganzen Tag immer wieder unterdrücken musste. Die Erleichterung, die mich auf einmal durchströmt, bestürzt mich vage, doch ich verdränge diese Beunruhigung, bevor das Gefühl überhand nehmen kann. So sehr ich mich heute beherrscht habe und trotz meines Entschlusses zur größeren Selbstbehauptung meinem jetzigen Meister gegenüber, kann ich in diesem Augenblick einfach nicht mehr anders als mich an dieses kleine Stück gewohnten Verhaltens zu klammern. Nach allem was hier auf mich eingestürzt ist, sind meine Kräfte zu sehr in Anspruch genommen um noch weiter die Fassade der Unabhängigkeit aufrecht zu erhalten.
Als ich ihn das erste mal traf hätte ich es nicht erwartet, vielleicht noch nicht einmal am heutigen Morgen, aber im Moment bin ich froh über Lenwes Anwesenheit, dass Wissen und Verstehen das er aus irgendeinem Grund über mich besitzt. Wenigstens hier muss ich nicht vorgeben stark zu sein, muss für den Augenblick hoffentlich keine Entscheidungen treffen oder fürchten ihn durch mein Verhalten zu verwirren. Diese irrationale Sehnsucht nach meinem Herrn durchzuckt mich wieder, doch ich schaffe es auch dies zu verdrängen als Lenwe bedächtig an mich heran tritt und mir sachte über den gesenkten Kopf streichelt.
„Es ist schwer für dich." Stellt er neutral fest. Wieso versteht er, was alle anderen hier nicht begreifen?
„Ja Herr. Schwerer als ich angenommen hatte." Gebe ich zu und versuche größtenteils erfolgreich das leichte Zittern der emotionalen Erschöpfung in meiner Stimme zu unterdrücken.
„In Anbetracht der Umstände hast du dich hervorragend geschlagen Evoe."
Überrascht angesichts seines plötzlichen Gebrauchs meines Drow namens schaue ich auf, um einem leisen, unergründlichen Lächeln zu begegnen.
„Es erschien mir angemessen." Ist die einzige Erklärung die er gibt, bevor er mich mit einer knappen Geste auffordert ihm zu folgen.
Es überrascht mich nicht sonderlich zu entdecken, dass es in diesem Räumen einen versteckten außerdimensionalen Durchgang gibt, der zu einem kleinen Zimmer führt. Als ich Lenwe durch das schmale Tor folge merke ich nur wenig von der magischen Kraft und Schwingung dieser Einrichtung, was entweder bedeutet, dass wir nicht sehr weit entfernt sind oder dass es ein Spruch ist mit dem ich noch nicht vertraut bin. Ich bin zwar geneigt letzteres anzunehmen, wage aber nicht danach zu fragen.
Sollte ich jetzt Tisraen erwähnen? Es mag sehr wohl sein, dass ich später keine Gelegenheit mehr bekommen werde. Die Reaktion meines Meisters könnte mir durchaus auch etwas über seine Einstellung zu der ganzen Sache verraten...
„Herr?" Stoße ich hervor, sobald mich der täuschend wässrig und feucht erscheinende Durchgang aus seinem Griff entlässt. Eine gehobene Augenbraue begleitet die folgende auffordernde Handbewegung. Ich sollte schnell zur Sache kommen, ohne lange Vorreden.
„Ich glaube nicht, dass Tisraen es überstehen wird eingesperrt zu werden Herr."
„Mitgefühl Evoe?" Fragt Lenwe mit einem gewissen abfälligen Amüsement in der Stimme. Also ist ihm die Gefahr scheinbar durchaus bewusst gewesen. „Jeder der dumm genug ist sich absichtlich in Sklaverei zu begeben verdient nichts anderes. Merk dir das." Erklärt er dann mit eisigem Nachdruck, wobei mich die unerwartete Heftigkeit seiner Worte ein wenig aus der Fassung bringt. Es scheint als spielten hier auch gewisse persönliche Gefühle mit, die ich nicht ergründen kann ohne mehr über seine Vergangenheit zu wissen. Hält er mich am Ende auch für dumm, nachdem ich mich ihm so unterworfen habe, mehr oder weniger freiwillig? Für einen schrecklichen Augenblick bereue ich es meiner heutigen Erschöpfung nachgegeben zu haben. Zu viel von mir preisgegeben zu haben, doch es scheint als hätte er dieses plötzliche Erschrecken ebenfalls wahrgenommen, denn er beruhigt mich, plötzlich wieder sanft.
„Deine Situation ist eine andere. Mach dir keine Vorwürfe."
Mit einem sanften, aber bestimmten Griff an der Schulter dirigiert er mich in Richtung des breiten Bettes aus angenehm goldbraunem Holz, welches unübersehbar den Raum beherrscht, in dem es zwar einen Kamin, aber ansonsten nicht einmal Fenster gibt. Viel anderes passt ohnehin nicht hinein. Ob er sich überhaupt noch in unserer Realität befindet? Ich kann es nicht sagen. Schon allein die seltsame, indirekte Beleuchtung stellt mich vor ein Rätsel, da ich ihre Quelle nicht ergründen kann. Ich beschließe jedoch mir über solche Dinge jetzt nicht den Kopf zu zerbrechen und trete ans Bett heran. Die Laken, auf die ich mich gleich darauf sinken lasse, riechen angenehm frisch, mit einer schwach blumigen Note und ich weiß, dass ihr helles Grün einen atemberaubenden Kontrast zu meinen langen schwarzen Haaren und der milchig hellen Haut bietet.
„Tisraens Persönlichkeit ist für ein Dasein als Sklave niemals geschaffen gewesen, deshalb erträgt er es wohl nicht in diesem Zustand zu existieren. Eine Tatsache, derer sich sowohl er als auch Lynral hätten bewusst sein sollen als sie diesen absurden Plan ausheckten."
Meine Hüfte wird links und rechts eng von zwei warmen Beinen umschlossen als er sich nun über mich kniet und der Stoff seiner Robe spannt über meinen Oberschenkeln. Ein Blick so intensiv als wolle er alle meiner Geheimnisse ergründen indem er mich nur anschaut. Der Schauer, der daraufhin mein Rückrat hinabläuft ist dabei keineswegs unangenehm. Genau wie das Luchslächeln, dass ich hervorrufe als ich mir unwillkürlich auf die Lippe beiße.
„Aber du...," sagt er leise und beugt sich näher. Wie beiläufig spüre ich Hände die meine Handgelenke über meinem Kopf zusammenführen und locker festhalten. Ein vertrautes Gefühl, begleitet von einem ebenso vertrauten Kribbeln knapp über meinem Steißbein. „Du bist anders Evoe."
„Ja Herr."
Meine Stimme hat bereits diesen leicht atemlosen Klang, der sehr deutlich verrät wie es um meine Empfindungen in dieser Sache bestellt ist. Ob er mir erlauben wird den fest geflochtenen Zopf an seinem Hinterkopf zu lösen? Der Gedanke daran wie sich diese Haare anfühlen würden während sie über meinen Körper gleiten ist verlockend genug um zumindest den Versuch zu wagen.
Der folgende Kuss lenkt mich jedoch zunächst recht effektiv von diesen Überlegungen ab und für eine Weile bin ich völlig im reinen Fühlen gefangen, unbeschwert von Überlegungen und Abwägungen.
Lenwe ist zwar ein wenig sanfter als Meister Shenjal, aber dennoch genau so bestimmend und fordernd. Zufrieden mich unterzuordnen folge ich den stummen Zeichen die er gibt und entlasse die Kontrolle in seine fähigen Hände, bereit mich seinem Willen zu beugen. Nach dem heutigen Tag ist es entspannend meine Reaktionen nicht mehr zensieren zu müssen und hauptsächlich zu reagieren, in einer Art, die ich gewohnt bin und die mir hier und jetzt nicht einmal unangenehm ist.
Zum ersten Mal seit Elavelynral mich entführt hat bin ich mir meines Handelns wieder absolut sicher, denn so viel Selbstkontrolle dass er in einer solchen Situation völlig ungerührt bliebe hat selbst mein neuer Meister nicht und an seinen Reaktionen kann ich bereits erkennen, dass ihm unsere gegenwärtige Tätigkeit in keinster Weise missfällt. In diesem Augenblick breitet sich fast so etwas wie vorsichtige Zufriedenheit in mir aus.
