Disclaimer: siehe letztes Kapitel
A/N: So, bis zum nächsten Kapitel kann es wegen Besuch und letzter Prüfung möglicherweise doch wieder länger dauern. Man wird sehen...
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Begegnungen
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Bereits während ich dabei bin meine, nun endlich wieder angenehm sauberen, Haare zu kämmen und neu einzuflechten kann ich eine leichte Sorge nicht mehr ganz unterdrücken. Mein Benehmen vorhin war nicht unbedingt angebracht, auch wenn ich es um keinen Preis rückgängig machen will. Ich beschließe jedoch, dass diese Angelegenheit bis morgen warten kann und mache mich auf den Weg zurück zu meinem Zimmer. Alle Entspannung die mir dieses abendliche Bad eingebracht hat verfliegt jedoch auf der Stelle, als ich dort wieder einmal Ethin vorfinde, der neben der Tür auf dem Boden kauert.
„Hast du keine eigenen Räume?" Will ich giftig von ihm wissen und mache Anstalten sofort wieder hinauszutreten. Egal ob es eigentlich mein Zimmer ist, so lange der blonde Elf sich darin befindet bin ich lieber woanders. Leider reagiert er trotz seiner eigenen Überraschung wie immer unglaublich schnell und schlägt die Tür zu, so dass ich hastig meine Finger zurückziehen muss, wenn ich nicht will dass sie eingequetscht werden.
„Was willst du schon wieder hier?" Fauche ich ihn ungehalten an. Das ich eigentlich den ganzen Tag mit ihm reden wollte ist mir für den Augenblick vorerst entfallen.
„Ssshh! Sei still!" Zischt er und macht hektische Handbewegungen die mich wohl zum Schweigen bringen sollen.
„Was soll das?" Frage ich ihn mürrisch. „Du kannst dich sowieso nicht ewig vor ihr verstecken. Lass mich damit in Ruhe. "
Stumm starre ich auf ihn hinunter, aber er hat es sich offenbar in den Kopf gesetzt mir wie immer Probleme zu machen.
„Du musst mir helfen!" Sagt er in derart verzweifeltem Ton, das ich vor Erstaunen nur meine Augen aufreißen kann und einen automatischen Schritt rückwärts mache.
„Auf keinen Fall!"
Er scheint mich nicht zu hören.
„Rede mit ihr! Sag ihr sie soll gehen."
„Nein!" Fauche ich zurück und unterdrücke den Drang wie ein störrisches Kind mit dem Fuß aufzustampfen. Was wollen die beiden eigentlich von mir? Sie sollen ihre Angelegenheiten alleine regeln.
„Warum nicht?"
Das Gefühl schon zum zweiten Mal heute Abend das gleiche Gespräch zu führen ist zermürbend. Ethin werde ich durch simple anzügliche Aufdringlichkeit aber leider nicht los werden.
„Sie ist deine Verlobte, nicht meine." Beharre ich trotzdem auf meinem Standpunkt, was ihm jedoch augenscheinlich nicht einleuchtet.
„Derjenige den sie einmal geliebt hat ist schon lange ausgelöscht." Knurrt er mich an.
„Ach ja? Und wieso machst du dann bitte so ein Theater?" Frage ich hitzig. Irgendetwas muss noch übrig sein von den Gefühlen die zwischen den beiden einmal bestanden haben. Sonst würde Ethin kaum derart überreagieren. „Sag ihr das und ihr könnt getrennte Wege gehen."
Da jetzt habe ich ihn in die Ecke getrieben! Natürlich hätte ich mir denken können dass das Ethin gegenüber keine sonderlich kluge Taktik ist, aber ein wenig unerwartet kommt es schon als er auf einmal unvermittelt aufspringt und mir ein Messer an die Kehle setzt. Das ist selbst für ihn etwas drastisch.
„Fein dann gehe ich zu ihr," erklärt er gepresst, während ich ihn nur erstarrt anblicke „aber du wirst mitkommen."
„Du willst mich so durch das halbe Haus zwingen?" Zische ich entsetzt, aber Ethin würdigt mich keiner Antwort, sondern dreht mich lediglich geschickt herum, damit er die Klinge, für andere unauffällig, an meiner ungeschützten Seite positionieren kann und schiebt mich in Richtung Tür. Wäre ich besser ausgebildet hätte ich vielleicht in diesem Augenblick einen Versuch machen können mich zu befreien, aber wie immer muss ich mich seiner körperlichen Überlegenheit unterordnen. Ich habe es so satt! Innerlich laut fluchend lasse ich es zu dass er mich vorsichtig durch die Gänge bugsiert und hoffe dabei vergebens darauf, dass Jemand uns entgegenkommen wird, aber wie es scheint sind fast alle bei dem Fest und die wenigen, die hier noch unterwegs sind kann man zu leicht umgehen.
Zu gerne möchte ich einen Blitzschlag nach Ethin werfen, aber dazu brauche ich genug Zeit um zuerst etwas von dem Diamantstaub aus dem Beutel in meiner Tasche zu klauben und die kurze Formel zu sprechen. Mit einer Waffe direkt auf meiner ungeschützten Haut fehlt mir genau dieser Moment allerdings schmerzlich. Offenbar wird mir also gar nichts anderes übrig bleiben als mich seinen Wünschen zu beugen. Ich habe zwar keine Ahnung was genau es ist von dem er so unbedingt will dass ich es ihr sage, aber im Augenblick wünsche ich mir nichts mehr als genau das Gegenteil davon zu verkünden und dabei so viel Schaden anzurichten wie nur irgend möglich.
Zum zweiten Mal an diesem Tag werde ich schließlich in einen mir unbekannten Raum befördert. Ihr Raum. Natürlich ist Sharya noch nicht anwesend. Sie kann schon allein aus Gründen der Höflichkeit ein Fest, das ihr zu Ehren veranstaltet wird nicht derartig früh verlassen wie ich es getan habe. Noch während ich überlege ob sich nicht doch noch eine Möglichkeit bieten wird zu entkommen bevor sie eintrifft hat Ethin mich auf das Bett gestoßen und meine Hände geschickt mit einer Vorhangkordel fest an den äußerst massiven Bettpfosten gefesselt. Voller Abneigung richte ich mich wieder auf so weit es geht und starre ich ihn an. Eine Weile erwidert er diesen Blick, bevor ihm ein Gedanke zu kommen scheint.
„Du hasst mich wirklich, nicht wahr?" Eigentlich ist es mehr eine Feststellung als eine Frage, doch ich lasse es mir nicht nehmen zu nicken, wütend wie ich gerade bin. Unbegreiflicherweise sieht es aus als beruhige ihn diese Aussage ein Stück weit, was nun aber genau das entgegengesetzte Gefühl auf meiner Seite auslöst.
„Was genau hast du vor?" Will ich misstrauisch von ihm wissen und wünsche mir dringendst die Hände frei zu haben. Ich kann den Diamantstaub fühlen, wie er dort nutzlos in meiner Tasche steckt und es frustriert mich über alle Maßen dass nicht herankomme. Ein paar Sekunden, ein bisschen Distanz und meine Hände sind alles was ich brauche! Aber Ethin ist natürlich nicht gewillt mir eine Gelegenheit zu bieten um mich zu befreien. Stattdessen tut er sein Bestes um mich effektiv abzulenken und krabbelt hinter mir auf die luxuriös breite Matratze, von wo er dann nah an mich heranrückt und die Arme um mich schlingt, so dass er, bequem an meinen Rücken gelehnt, das Kinn auf meine Schulter betten kann.
„Hast du denn nicht ein einziges Mal etwas anderes im Kopf? Lass mich!" Knirsche ich wütend und versuche jegliche Reaktion zu unterdrücken als er anfängt behutsam über meine Oberschenkel zu streicheln. Die Gänsehaut auf meinem Arm verrät mich jedoch und das leise Lachen an meinem rechten Ohr zeigt, dass Ethin es durchaus auch wahrgenommen hat.
„Das ist alles wofür ich die letzten hundert Jahre gut war." Bemerkt er zynisch, macht aber keine Anstalten sich zu entfernen. „Man gewöhnt sich daran. Und außerdem kannst du dich genauso wenig dagegen wehren wie ich." Murmelt er belustigt und fährt dabei mit seinen Lippen an meiner Ohrmuschel entlang, auf eine Art und Weise die durchaus geeignet ist mich in den Wahnsinn zu treiben wenn er nicht bald damit aufhört.
„Bastard!" Zische ich und beuge mich ruckartig nach vorne um diesem gefährlichen Gefühl zu entkommen. „Willst du dass sie gleich wieder verschwindet? Das wird sie nämlich wenn sie dass hier sieht!"
„Also wirst du mit ihr reden?"
Habe ich das gerade gesagt? Nun ja, in gewisser Weise wahrscheinlich schon. Vielleicht ist es auch besser so. Genau wie Ethin selbst werde auch ich nicht ewig ausweichen können, sollte sie an ihrem Wunsch festhalten. Es ist besser diese Angelegenheit zu klären und den Kopf frei zu haben für die wichtigeren Dinge.
„Nur wenn du endlich deine Finger bei dir behältst."
Mit einem Seufzer als hätte ich von ihm verlangt seinen Arm abzuhacken löst er sich von mir und lässt sich nach hinten in die Kissen fallen.
„Wenn du unbedingt willst." Grummelt er missmutig und beginnt augenscheinlich damit es sich bequem zu machen, ohne mich dabei jedoch aus den Augen zu lassen. Unzufrieden muss ich erkennen, dass sich mir wohl keine Möglichkeit bieten wird freizukommen. Nachdem ich dies endlich akzeptiert habe, beschließe ich auf eine bessere Gelegenheit zu warten und es ihm vorerst gleichzutun, so weit wie es die Fesseln um meine Handgelenke erlauben und strecke mich aus um eine angenehmere Stellung einzunehmen. Möglichst ohne dabei Körperkontakt hervorzurufen und in bitteres Schweigen gehüllt.
Einem unwissenden Betrachter müssen wir ein sehr eigentümliches Bild bieten, dekadent drapiert, zwischen weichen Kissen und Decken, wie die Einladung schlechthin, doch die Anspannung ist trotz der verführerischen Hülle nach wie vor da. Unter der Oberfläche brodelt sie weiter, nur darauf wartend zu Ausbruch zu kommen.
Als sich schließlich die Tür öffnet geschieht kurioserweise erst einmal gar nicht viel. Einer der Begleiter Lady Sharyas kommt herein, macht einen Schritt in Richtung eines, penibel aufgeräumten, Schreibtisches, bevor er überrascht stehen bleibt und uns entgeistert anstarrt. Ohne ein Wort zu sagen dreht er sich dann herum und verschwindet hastig wieder, als wäre er niemals hier gewesen.
Ein Satz wie „Willst du es dir nicht doch noch einmal anders überlegen" liegt mir auf der Zunge, doch ich lasse die Worte unausgesprochen. Es ist ohnehin zu spät. Ob ich will oder nicht, gleich wird sie kommen und anfangen Fragen zu stellen. Wahrscheinlich wird sowieso alles in einem schrecklichen Desaster enden. Wieso also all die Aufregung? Ich beschließe, dass es mir egal sein kann, was bei diesem Treffen herauskommt, solange meine Position in diesem Haushalt dadurch nicht gefährdet ist, was nicht der Fall sein dürfte, da Ethin mich unter Waffengewalt hergezwungen hat und ich daher kaum für irgendwelche Vorkommnisse verantwortlich gemacht werden kann. Zufrieden mit diesem Entschluss lehne ich mich wieder zurück um die unausweichliche Ankunft der rothaarigen Elfin zu erwarten.
„Manchmal bist du Meister Shenjal wirklich erstaunlich ähnlich."
„Wie bitte!" Frage ich sofort nach. Auf diese Art Äußerung war ich grade nicht unbedingt vorbereitet. Ethin zuckt mit den Schultern, trägt dabei aber einen leicht säuerlichen Gesichtsausdruck zur Schau.
„Er hat die gleiche sorglose Einstellung was Konflikte betrifft."
Ach, es passt ihm also nicht, dass ich nicht wie ein Nervenbündel erzittere aus lauter Furcht vor dem Kommenden? Seine Aussage veranlasst mich zu einem zynischen Lächeln.
„Ich glaube kaum dass die Gründe hinter unserer Einstellung dieselben sind." Bemerke ich spitz. Ethin zuckt bloß mit den schmalen Schultern.
„Glaub doch was du willst." Brummelt er mürrisch. Ihm scheint dies alles ausnahmsweise einmal mehr aufs Gemüt zu schlagen als mir. Kein Wunder eigentlich. Bei mir selbst stellt sich allerdings, jetzt wo ich es akzeptiert habe der Begegnung nicht mehr ausweichen zu können, eine gewisse Neugierde ein. Was mag diese seltsame Person nur vorhaben? Wahrscheinlich tue ich ihr Unrecht wenn ich sie so bezeichne, aber für mich ist jeder der sich freiwillig der Gefahr aussetzt die Ethin heißt, ein wenig seltsam.
„Dein Bruder hat Schuldgefühle."
Ich habe beschlossen vorerst über meinen Ärger bezüglich seiner brachialen Methoden hinwegzusehen und die Situation zu nutzen. Wer weiß was heute noch alles geschehen wird und wie lange es dauert bis ich wieder eine Gelegenheit bekomme mit Ethin zu sprechen. Er schaut mich mit dunkler Miene an.
„Noch nicht genug. Aber das wird sich ändern wenn er erst mal derjenige ist, der es diesem Perversen Nacht für Nacht recht machen muss."
Die Befriedigung, die ihm diese Vorstellung bringt ist nicht zu übersehen, aber das war nicht das was ich eigentlich meinte.
„Das mag ja sein," erkläre ich ungeduldig „aber darum geht es gerade gar nicht."
„Du planst etwas."
„Natürlich. Sonst hätte ich wohl kaum davon angefangen oder?"
Neugierde blitzt in den grünen Augen und für einen Augenblick ist er sogar von der bevorstehenden Ankunft Lady Sharyas abgelenkt.
„Erzähl."
Ich nicke.
„Wie gesagt, er hat Schuldgefühle wegen Tisraen," beginne ich. „Was wäre nun wenn er sich in den Kopf setzte verantwortlich zu sein für dessen Dummheit und zu glauben begänne er müsste dieses Unrecht wieder gutmachen indem er sich in eine ähnliche Situation begibt?"
Ethins ganze Haltung strahlt ungebrochenes Interesse aus. Nachdenklich legt er einen schlanken Finger an die Lippen.
„Du glaubst wirklich wir könnten ihn überzeugen freiwillig zu Meister Geryn zu gehen?"
Ich zucke mit den Schultern.
„Es wäre schwierig und wir würden eine gewisse Zeit brauchen ihn so weit zu bringen, aber generell... ja das denke ich. Besonders wenn wir beide unabhängig voneinander auf ihn einwirken."
Ethin schaut mich forschend an.
„Wie es scheint hast du mehr gelernt als ich dachte," bemerkt er und beginnt leise zu kichern, ein unheimliches Geräusch, dass langsam in anschwellendes Gelächter übergeht.
„Allein die Vorstellung... großartig!" Japst er dazwischen, wird dann jedoch aus heiterem Himmel wieder ernst. „Natürlich wäre es vorteilhaft wenn Tisraen stirbt." Bemerkt er nüchtern, auf einmal wieder ganz geschäftlich. Pragmatisch wie er ist, hat er natürlich sofort den Aspekt zur Sprache gebracht, um den ich mir zwar auch bereits Gedanken gemacht hatte, dem ich jedoch nur ungern direkt ins Auge blicke.
„Ich glaube nicht das er noch lange durchhalten wird." Murmle ich ein wenig unbehaglich. „Die ständige Einsamkeit zerstört ihn von ganz allein."
„Wahrscheinlich tut sie das," stimmt er mir zu. „Während wir daran arbeiten sollten wir herausfinden wo die beiden Meister sich aufhalten. Am besten..."
Er bricht abrupt ab, als sich die Tür wieder öffnet. Beide fahren wir hoch und wenden augenblicklich alle Aufmerksamkeit in Richtung Eingang. Diesmal ist es wirklich Sharya, begleitet von gleich drei äußerst misstrauisch dreinblickenden Kriegern. Derjenige den sie mir nachgeschickt hat ist jedoch nicht darunter. Sollten wir geschmeichelt sein, dass sie uns offenbar für so gefährlich halten? Der Anblick scheint mir beinahe lächerlich, besonders da ich immer noch gefesselt bin und nur schwerlich fähig irgendetwas zu tun, dass ihr schaden könnte. Trotzdem, der Anblick dieser Augen die meinen so ähnlich sind, beunruhigt mich. Besonders da sie momentan weit aufgerissen und mit einer schrecklichen Verletzlichkeit direkt auf Ethin gerichtet sind, der seinerseits Anstalten macht sich hinter meinem Rücken zu verstecken.
„Ethinayren!" Ihr Flüstern, so leise es auch in Wirklichkeit sein mag, erfüllt auf sonderbare Weise den ganzen Raum. „Was haben sie dir nur angetan!"
Angesichts ihres offenkundigen Schmerzes und der allgemeinen Dramatik bin ich hin und her gerissen dazwischen entnervt die Augen zu verdrehen oder in hysterisches Gelächter auszubrechen. Keins von beidem wäre sonderlich angebracht in dieser Situation und so beiße ich mir hart auf die Lippe um alle Reaktion zu unterdrücken. Diese winzige Bewegung lenkt nun ihre Aufmerksamkeit auf mich.
„Und ihr... ich dachte ihr wolltet nicht...," verwirrt bricht sie ab und ihr Blick wandert zu der Kordel, die sich noch immer um meine Handgelenke schlingt.
„Wollte ich auch nicht." Entgegne ich trocken und bin froh zu hören, dass meine Stimme mehr oder weniger gelassen klingt. Das letzte was ich will, ist dass diese Situation jetzt schon eskaliert.
„Möchtet ihr euch nicht setzen?" Frage ich im selben Augenblick da sie ein wenig hilflos wissen will: „Was hat das hier zu bedeuten Ethin?"
Unsere Blicke treffen sich, beide gleichermaßen unsicher wie man sich nun verhalten sollte. Hinter mir kann ich spüren wie der Angesprochene beginnt vor Anspannung zu beben. Nach so langer Zeit des Gehorchens und Duckens bin ich es nicht gewohnt Dinge in meine eigene Hand zu nehmen und warte in alter Passivität automatisch darauf was sie nun tun wird. Es dauert nicht lange, dann begibt sie sich mit traurigem Blick zu einem Stuhl, ein gutes Stück vom Bett entfernt und ich kann sehen wie ihre Hände zittern, auch wenn sie sonst noch einen recht gefassten Eindruck macht.
„Also gut," sagt sie. „Ich sitze."
Einige Zeit herrscht Stille, lediglich unterbrochen von dem Geräusch der Schritte, das die Krieger verursachen als sie sich stumm um den Stuhl herum gruppieren. Ethin stößt mir seinen Ellenbogen in die Rippen.
„Was?" Knurre ich ihn gereizt an. „Du wirst mir schon sagen müssen was du willst. Ich kann keine Gedanken lesen."
Mit einem wortlosen Zischen reißt er auf einmal meinen Kopf an den Haaren nach hinten. Aus den Augenwinkeln kann ich gerade noch wahrnehmen wie der Rest der Anwesenden zusammenzuckt. Vielleicht weiß er selbst nicht genau was er eigentlich will.
„Alles!" Sagt er gepresst, aber sehr leise. „Erzahl es ihr. Alles."
Meint er wirklich dass was ich vermute? Aber wieso? Wieso sollte er verlangen dass ich ihn derart belaste! Ich will nicht darüber reden und damit alles noch einmal durchleben, aber gleichzeitig ist mir auch noch das Messer in Erinnerung, das Ethin noch irgendwo haben muss. In dieser Verfassung traue ich ihm durchaus zu es zu benutzen. Das lässt mir nur eine Wahl. Ich muss zumindest so tun als würde ich mich fügen, bis ich einen Weg finde meine Hände zu befreien.
„Schickt eure Männer weg."
Diese Forderung von mir ruft unterdrückten Protest hervor, doch auf einen nachdrücklichen Wink ihrer Lady hin verlassen die drei schließlich doch noch den Raum, mit Mienen äußersten Misstrauens, die andeuten, dass sie bei dem kleinsten dubiosen Geräusch mit gezogenem Schwert zurück stürmen werden. Und kaum fällt die Tür hinter dem Letzten zu, lässt Ethin auch endlich meine Haare los, ohne jedoch seine Hand von meiner Schulter zu entfernen. Angespannte Bernsteinaugen blicken mir in banger Erwartung entgegen.
„Schließt die Tür ab."
Kommentarlos, aber mit zunehmend unsicherem Blick erfüllt Sharya auch diese Forderung.
„Ihr werdet nicht mögen was ich euch über Ethin erzählen kann." Warne ich sie vor.
„Das akzeptiere ich."
So weit so gut. Sie muss es wissen, dass kann ich allein an der aufmerksamen Spannung sehen, die ihren ganzen Körper erfasst zu haben scheint. Es mag sie zerstören, aber sie kann genauso wenig davon ablassen wie vom Atmen.
„Schwört mir das nichts davon diesen Raum verlassen wird!"
Sie erbleicht sichtlich, antwortet aber mit nach wie vor fester Stimme.
„Ich schwöre bei meiner Ehre, dass alles was ihr berichtet unter uns bleiben wird."
Ob sie diesen Schwur später bereuen wird? Andererseits, vielleicht unterschätze ich sie auch und es steckt mehr Stärke hinter dieser zarten Fassade als man auf den ersten Blick glauben mag.
„Also gut," an dieser Stelle muss ich nun selbst erst einmal tief durchatmen. Ich hatte niemals vor über die Dinge zu sprechen die jetzt enthüllt werden sollen und tat bisher mein Bestes alle Erinnerung an diese grausame Erniedrigung zu verdrängen, aber vielleicht ist es an der Zeit dass ich meine vorherigen Einsichten umsetze und beginne diese rohe Kraft der Emotionen für etwas anderes als Selbstquälerei zu nutzen. Mir ist bewusst wie gefährlich dies für mich sein kann, Wut und Scham liegen in dieser Angelegenheit zu nah beieinander als dass ich sie klar trennen könnte. Nur allzu schnell könnte ich mich in der Defensive befinden. Keine angenehme Position gegenüber Ethin. Ich konzentriere mich trotzdem auf meinen Zorn und den Hass auf ihn und schiebe dieses Gefühl bewusst in den Vordergrund. Ich denke ja gar nicht daran mich so einfach von ihm einspannen zu lassen!
„Binde mich los."
Er lacht. Ein leichter Anflug von Hysterie liegt in dem Geräusch als es sich klirrend im Raum ausbreitet. Sharya rutscht unbehaglich auf ihrem Stuhl herum, ruft sich aber schnell wieder zur Ordnung und umklammert die Lehnen mit blutleeren Fingern. Steif und gezwungen still wie aus Marmor sitzt sie dort und ich bin sicher sie würde am liebsten aufspringen und die Worte aus uns beiden heraus schütteln.
„Noch nicht. Rede."
„Mach mich erst los." Beharre ich stur, mit so viel Gelassenheit wie nur irgend möglich. Jetzt auch nur das kleinste bisschen Angst oder Unsicherheit zu zeigen wäre sehr schlecht für mich.
„Telanth ol!" (sag es) Drängt Ethin hinter mir und verfällt vor lauter Anspannung ins Drow.
„Nau!" (nein) Antworte ich ohne es wirklich zu merken auf gleiche Weise, woraufhin er mich plötzlich an sich presst, beide Arme fest um meine Taille geschlungen und vor der Brust verkreuzt.
„Telanth ol!" Zischt er mir noch einmal drohend ins Ohr.
„Sonst was?" Zische ich gepresst zurück, meine Stimme nicht ganz so ruhig und beherrscht wie ich es gerne hätte. Doch er kommt nicht einmal dazu eine Antwort zu geben, denn Sharya ist offenbar am Ende ihrer Geduld angelangt, springt plötzlich auf und durchtrennt mit einem einzigen geschickten Hieb eines scharfen Dolches die Kordel um meine Handgelenke.
Und ich dachte es wäre hauptsächlich eine Sitte der Drow Waffen verborgen am Körper zu tragen. Einen Augenblick später sitzt sie bereits wieder in dieser gezwungen ruhigen Haltung auf dem Stuhl. Nur die Reste meiner Fesseln bezeugen dass sie sich überhaupt bewegt hat.
Nun sind meine Hände zwar frei, doch dafür graben sich Ethins Finger wie Krallen in meine Schultern. Es sieht aus als wolle er mich mit aller Gewalt hier festhalten. Seine Nähe lässt mich verhalten mit den Zähnen knirschen. Fehlt nur noch, dass er mir auch noch in den Nacken beißt. Aber ich denke für's Erste ist mein Spielraum leider ausgereizt. In der Hoffnung ihn vielleicht zu beruhigen und den unangenehm festen Griff ein wenig zu lockern drücke ich mich ein wenig näher an ihn und lasse eine Hand über seinen Oberschenkel gleiten. Ein leichtes Zittern durchläuft den schmalen Körper hinter mir und ich habe den Eindruck als sei er kurz davor die Beherrschung zu verlieren. Zeit mit meiner netten kleinen Erzählung zu beginnen. Vielleicht schaffe ich es ja in der Zwischenzeit doch noch unauffällig eine Hand in meine Tasche zu bekommen.
„Wie ihr vielleicht bemerkt habt kann Ethin manchmal recht unangenehme Gesellschaft sein."
Mein beißender Ton tut nichts um die Atmosphäre zu entspannen, aber dass soll er auch gar nicht. Er ist ein Bastard! Halte ich mir innerlich vor und versuche mich weiter an meinem Zorn festzuklammern. Ich hoffe sie wird ihn hassen wenn wir hier fertig sind. Abgrundtief, so wie er es verdient hat. Dieser Gedanke gibt mir die Kraft die ich brauche um kalt lächelnd fortzufahren.
„Kurz gesagt, er ist völlig wahnsinnig, ein sadistisches Arschloch, Vergewaltiger und ein Mörder. Wünscht ihr Details zu hören oder soll ich euch das lieber ersparen."
Auch wenn sie nicht alles davon überrascht haben kann, wird die rothaarige Elfin auf dem Stuhl kreideweiß bei meinen Worten. Natürlich war es nicht sehr rücksichtsvoll ihr dies alles so einfach ins Gesicht zu sagen, aber wie soll man eine solche Information überhaupt mit Rücksicht weitergeben?
„Vergewaltigt?" Würgt sie ganz offensichtlich entsetzt hervor, mit einer Stimme brüchig wie Glas. „Wen...?"
Der pure Ekel und die Abscheu vor einer solchen Tat sind ihr ins Gesicht geschrieben. Ich nehme an es ist eines der schlimmsten Schicksale die sie sich vorstellen kann. Besonders gepaart mit dem Bild von Ethin, der seinen Klammergriff um meinen Oberkörper, in dem ich mich innerlich winde, immer noch nicht merklich gelockert hat. Dieser Umstand hält mich auch davon ab mit den Schultern zu zucken. Wenn er mich nur endlich loslassen würde! Meine Frustration über diese Lage entlädt sich in Richtung der schwächsten Position und ich fauche Sharya aggressiv an: „Möchtet ihr das wirklich wissen? Wir wollen doch nicht, dass eure sensible Befindlichkeit Schaden nimmt."
Ethin wird bezahlen dafür, dass er mich in diese Situation gebracht hat! Er soll seine verdammten Angelegenheiten selber regeln. Bastard!
„Wer war es?"
Ihre Stimme hält inzwischen das Versprechen von Tränen. Ein Umstand der mich nur noch mehr reizt. Am liebsten möchte ich um mich schlagen.
„Wer sagt dass es nur einer war?" spanne ich sie mit einer gewissen boshaften Befriedigung weiter auf die Folter. Ein gequältes Geräusch entschlüpft ihr. Die Anspannung muss beinahe unerträglich sein für sie. Wie sehr ich dies wohl in die Länge ziehen könnte? Schmale Finger graben sich nachdrücklich tiefer in meine Schultern. Nicht mehr lange also.
„Tisraen kennt ihr vielleicht sogar persönlich."
Ein leiser Entsetzenslaut ertönt aus Sharyas Richtung und ich schaue noch rechtzeitig auf um zu sehen wie sie eine ungesunde grünliche Färbung annimmt und sich neben den Stuhl erbricht. Erstaunlich wie unberührt meine Stimme immer noch klingt, trotz der wild durcheinander wirbelnden Emotionen in meinem Inneren. Seltsamerweise hilft mir der Anblick der aufgelösten Elfin aber mich selbst wieder ein wenig zu beruhigen. Es ist fast als leide sie für mich mit und nehme mir etwas von den erdrückenden Gefühlen ab, die so unerträglich auf mich einstürzen. Eine Weile sitzt sie dort, leicht keuchend, den Kopf in den eigenen Händen geborgen, dann schaut sie wieder auf, eine verzweifelte Gewissheit in den Zügen.
„Das war noch nicht alles nicht wahr?"
Sie flüstert mehr als dass sie spricht, doch bei der momentanen Stille macht es kaum einen Unterschied. Ich schüttle leicht den Kopf und einer plötzlichen Eingebung folgend wende ich mich mit meinen nächsten Worten an Ethin, schaffe es sogar hinter mich zu greifen und eine Hand in seinem Haar zu vergraben. Da wir bereits so eng beieinander sitzen ist es nicht mehr schwer mich in seinem Griff so weit herumzuwinden, dass meine Lippen seine Wange streifen wenn ich spreche.
„Hast du an sie gedacht als du mir das erste mal in die Augen schautest?" Schnurre ich samtig und werde dafür mit einem leisen Zischen seinerseits belohnt, was mich nur dazu bringt diese Taktik weiter zu verfolgen und mich aufreizend an ihn zu schmiegen. „Hast du dir vorgestellt das sie es wäre die sich unter dir windet und schreit?"
Ein nur halb unterdrücktes Stöhnen entkommt dem blonden Elfen hinter mir und ich kann spüren wie sich sein Zittern langsam verstärkt, während unsere Zuschauerin uns mit unmissverständlichem Abscheu mustert. Ich frage mich wie lange sie dieses bizarre Schauspiel aushalten wird.
„Was denkst du während du mich festhältst und zubeißt? Fragst du dich ob mein Blut so gut schmeckt wie ihres?"
Der provozierende Ton gepaart mit der körperlichen Nähe scheinen Ethin schließlich zu überwältigen. Ein Jahrhundert der härtesten Konditionierung das ich nun zu meinem Vorteil nutzen kann. Auch wenn ich mit einem schmerzerfüllten Zischen meine Zähne zusammenbeißen muss als er die seinen nun wirklich in meinem Nacken versenkt. Zu meinem Glück ist das alles was es braucht um Sharya den letzten Rest ihrer Fassung zu rauben.
„Nein! Aufhören! Lass ihn sofort los!" Schreit sie und das nackte Entsetzen macht ihre Stimme schrill.
Ich kann mir trotz des pochenden Schmerzes ein schnelles Lächeln nicht verkneifen, als mein Plan aufgeht und Ethin mich daraufhin mit einem wütenden Knurren abrupt von sich schubst. Jetzt bin ich endlich frei zu tun was ich schon die ganze Zeit tun wollte. Noch während ich mich halb fallend halb nach vorne springend von ihm weg bewege, schließen sich meine Finger um das Beutelchen mit dem Diamantstaub. Ich muss schnell sein um ihm keine Gelegenheit zu geben mir auszuweichen, deshalb ist bereits die Hälfte der Beschwörung herausgestoßen bevor auch nur meine Hand aus der Tasche ist. Alles geht so schnell und am Ende ist es beinahe wie eine einzige Bewegung. Mich herumdrehen, dabei die Hand aus der Tasche reißen, ausholen und die Energie in seine Richtung entlassen.
Beinahe ungläubig beobachte ich wie der Blitz loszuckt und Ethin an der Schulter trifft, so dass er rückwärts vom Bett geschleudert wird. Einen schrecklichen, angsterfüllten Augenblick erwarte ich beinahe, dass er sofort wieder aufspringen und mich attackieren wird, doch das einzige was hinter dem großen Bett hervordringt ist ein gepeinigtes Stöhnen. Ich weiß ganz genau was er jetzt fühlt. Die Krämpfe sind schrecklich und der schwache Geruch von angesengtem Fleisch erinnert mich nur zu gut an die Gelegenheit zu der mein Meister beschloss mich diese Effekte aus erster Hand studieren zu lassen. Die Verbrennungen schmerzten mich noch Tage danach, bis er mich endlich heilte.
Erst jetzt nehme ich den Auffuhr vor der Zimmertür wahr, das heftige Pochen und laute Rufen der Krieger. Ein kleiner unbeteiligter Teil meines Gehirns fragt sich ob sie wohl die Tür aufbrechen werden, wenn ihnen nicht bald jemand öffnet. Für den Augenblick jedoch muss ich alle Beherrschung aufbringen um das hysterische Kichern zu unterdrücken, das unbedingt aus mir hervorbrechen will. Das Ausmaß der Befriedigung welches ich empfinde bei dem Gedanken Ethin Schmerzen zugefügt zu haben, erschreckt mich ein wenig, doch dann denke ich zurück an all die Gelegenheiten bei denen ich unterlegen war, bei denen er mich gequält und sich daran erfreut hat... er hat es verdient! Und ich werde es genießen so lange ich kann.
„Was hast du getan?"
Sharyas Stimme reißt mich aus der leicht abwesenden Stimmung die mich erfasst hatte. Sie ist kreideweiß und ihre Augen sind weit aufgerissen, eine Hand noch immer in die Lehne des Stuhls verkrallt, von dem sie aufgesprungen ist. Ein kaum merkliches Zucken durchläuft sie als ich mich ihr zuwende. Die instinktive Verteidigungshaltung einer Kämpferin. Hält sie mich etwa für so unberechenbar?
„Er wird es überleben."
Ist das Enttäuschung in meiner Stimme? Ich muss hier weg, schießt es mir auf einmal durch den Kopf. Man wird mich anklagen für so einen Angriff! Oder nicht? Aber wo sollte ich hin? Ich habe keinen Platz an den ich fliehen könnte. Dumm! Wieso konnte ich nicht besser über die Folgen meiner Taten nachdenken? Was mache ich jetzt nur? Denk nach! Aber ich fühle mich wie erstarrt, unfähig zu koordiniertem Handeln. Das einzige was mir in diesem Zustand leicht fällt ist tränenreich um Verzeihung zu betteln. Aber ich bezweifle dass ich damit durchkommen werde. Nicht nachdem ich gerade so wunderbar bewiesen habe, dass ich keinesfalls so hilflos bin wie es den Anschein hat.
„Du blutest."
Automatisch wandert meine Hand zu meinem Nacken, an die Stelle wo Ethin vorhin zugebissen hat. Gemessen an dem was er mir bei früheren Gelegenheiten angetan hat ist es nicht besonders schlimm. Die Wunde blutet bereits kaum noch und auch wenn sie unangenehm pocht, wird sie sich bald geschlossen haben. Ich zucke mit den Schultern.
„Hat er wirklich...?"
„Ja." Erwidere ich knapp und so scharf, dass sie es sich hoffentlich zweimal überlegen wird ob sie diese Frage weiter verfolgen möchte. Glücklicherweise tut sie das nicht. Stattdessen wirft sie einen traurigen Blick in Richtung Bett und schließt die Tür wieder auf. Es wirkt wie ein Abschied und vielleicht ist es das auch. War es dies was Ethin wollte, aber nicht über sich brachte?
