Disclaimer: Wie immer, nicht meins.


A/N: So Prüfung überstanden (und vor allem BEstanden). Hat mich ganz schön in Trab gehalten.


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Planänderungen

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Die Sekunde vor dem Schmerz ist fast schlimmer als die Agonie selbst. Das scharfe Zischen der Peitsche durch die Luft, von dem ich nur zu gut weiß was es bringen wird. Ich verdiene es wahrscheinlich, denn ich habe die Beherrschung verloren und mich so unglaublich leichtsinnig meinem Verlangen nach Rache hingegeben. Wenigstens darf ich schreien so laut ich will. Es hilft. Die Wut auf meine eigene Dummheit vermischt mit dem Feuer körperlicher Pein, Anklage und Flehen um Gnade, Bitte um eine zweite Chance alles strömt aus mir heraus und hilft mir mich zu befreien. Meine Hände, umschlossen von unnachgiebigen Fesseln, die mich ruhig halten damit ich nicht zu sehr zapple, verkrampfen sich in dem Versuch einen Halt zu finden, einen Fokus inmitten all der Schmerzen, doch an der glatten Wand vor mir gleiten meine schweißfeuchten Finger einfach ab.

Rein äußerlich bin ich noch einmal davon gekommen nach meinem Angriff auf Ethin, da sowohl Sharya als auch Lenwe für mich gesprochen haben. Die Umstände, Ethins eigenes brutales Vorgehen, mein unglückliches Schicksal alles Dinge die seinen Vater davon überzeugten mich mit einer vergleichsweise milden Strafe zu belegen, die mir selbst fast gar nicht als solche erscheint. Doch bereits während er mich noch verteidigte war mir klar dass mein undurchsichtiger neuer Meister seine Wut über mein unüberlegtes Verhalten nur mühsam zurückhielt. Ein Blick, der wenig länger auf mir verweilte als üblich, die zunehmende Spannung in seinen Schultern, diese Anzeichen und das beunruhigende Gefühl neben einem Vulkan zu hocken der kurz vor dem Ausbruch steht begleiteten mich durch das ganze Gespräch. Ich wagte kaum zu atmen auf dem Weg zu seinen Räumen und erstarrte beinahe vor hilfloser Angst als ich stumm zusah wie er sie von innen versiegelte bis kein Laut mehr nach Außen dringen würde. Einzig die Erfahrung früherer Bestrafung hielt mich zu jenem Zeitpunkt davon ab völlig zusammenzubrechen und die Gewissheit dass dies, wie alles andere, vorüber gehen würde. Nur leider nicht so schnell wie ich es gern gehabt hätte.

Ein weiteres Zischen. Die nächste feurig rote Linie auf meiner Flanke. Mein Gesicht ist mittlerweile nass von Tränen und Rotz, meine Lippen zerbissen. Der Schmerz beeinträchtigt mein Zeitgefühl, aber sicherlich muss diese Qual bald vorbei sein. Wenn nicht, dann werde ich anfangen zu betteln, egal wie wenig ich in diesem Fall Gnade verdiene. Aber vielleicht wird ihn das erfreuen. Ist es sein Ziel? Meister Shenjal wünschte immer dass ich Strafe ohne Winseln entgegennahm. Betteln war mir bei ihm nur zu bestimmten Gelegenheiten von Vorteil, aber Lenwe mag in diesem Punkt anders sein. Es ist einen Versuch wert, beschließe ich in meiner wachsenden Verzweiflung. Alles was mich aus dieser unerträglichen Agonie befreit ist nur zu begrüßen.

„Meister Bitte! Ahhh!"

Dieser Schlag trifft mich überraschend, da meine Stimme alle anderen Laute überdeckt hat.

„Bitte! Es tut mir leid Meister! Ich war töricht und dumm. Bitte vergebt mir!"

Ein weiteres Zischen und das Klatschen von Leder auf nackte Haut ist alles was folgt. Schluchzend sinke ich nach einem schmerzlichen Aufschrei in mich zusammen, so vereinnahmt von dem Feuer das meinen Rücken verschlingt, dass es völlig überraschend kommt als Lenwe auf einmal mit festem Griff in meinem Haar meinen Kopf zurückbiegt und mir damit eine weitere Welle beinahe unerträglichen Schmerzes beschert als er so ruckartig meine Stellung ändert.

Nachdem ich endlich die Tränen so weit aus den Augen geblinzelt habe dass ich ihn als mehr als nur einen undeutlichen Schemen wahrnehme fällt mir das eigentümliche Leuchten in seinen Augen auf, die mich gerade prüfend mustern. Gepaart mit dem zufriedenen Lächeln jagt es mir kalte Schauer der Angst über den ganzen Körper. Ich habe bei den Drow genug gesehen um einen Sadisten zu erkennen wenn er vor mir steht. Der Gedanke er könnte einmal wirklich die Beherrschung verlieren und die eisige aber kontrollierte Wut durchbrechen die er bis jetzt gezeigt hat, ist zu furchterregend um sich länger damit zu beschäftigen.

„Es ist schon eine Weile her seit ich das letzte Mal jemanden auf diese Weise diszipliniert habe," erklärt Lenwe ruhig. „Ich hatte beinahe vergessen wie befriedigend es sein kann."

Ich weiß es besser als jetzt ohne Aufforderung zu sprechen, kann aber ein Stöhnen nicht unterdrücken.

„Eigentlich hast du eine schnelle Heilung gar nicht verdient nach deiner beispiellosen Zurschaustellung solch unbedachter Unbeherrschtheit," erklärt er mit mehr als nur einer Spur Irritation in der Stimme „aber da die Situation es nun einmal gebietet schätze dich glücklich so leicht davonzukommen. Jemand wie du braucht Disziplin."

„Danke Herr." Presse ich hervor und beschließe mich niemals wieder derart gehen zu lassen, so lange ich auch nur einen Hauch von Kontrolle über meine eigenen Handlungen habe. Dieses seltsame Doppelleben das ich hier führe zermürbt mich und es fällt mir zunehmend schwer immer wieder zwischen den beiden Rollen als unterwürfiger Sklave und als freies Mitglied der Gemeinschaft hin und her zu wechseln. Die Anforderungen, die ich damit zu erfüllen habe sind einfach zu gegensätzlich als dass ich dabei irgendeine Chance auf geistigen Frieden fände.

Nachdem meine Wunden geheilt und die Fesseln gelöst sind schickt Lenwe mich fort, mit einem kalten: „Und jetzt geh mir aus den Augen." Ein Befehl dem ich nur zu gerne gehorche, froh dass er sich auf dieses Vorgehen beschränkt und nicht etwa bohrende Fragen gestellt hat, auf die ich vielleicht keine zufriedenstellenden Antworten geben könnte. Die wenigen Stunden die von dieser Nacht noch verbleiben, verbringe ich zusammengerollt in einer dunklen Ecke meines Zimmers und versuche zu schlafen. Es wird Zeit etwas zu unternehmen, dass hat mir dieses Ereignis nachdrücklich klar gemacht. Egal was ich tue, ich kann auf diese Weise nicht weiterleben.

Diese zweigeteilte Gerechtigkeit, die mir hier zuteil wird, werde ich jedoch erst viel später wirklich infrage stellen, denn noch bin ich viel zu sehr im Denkschema eines Sklaven gefangen um mich ernsthaft gegen solche Behandlung aufzulehnen. Im Moment mag ich zwar unzufrieden sein mit der Situation, aber das es grundsätzlich falsch sein könnte mich jemandem wie Lenwe derart auszuliefern und solche gewalttätige Willkür einfach hinzunehmen ist für mich jetzt noch gar nicht ganz fassbar, so unangenehm ich es auch finden mag, an mehr als reine Flucht und Rückzug vermag ich noch nicht zu denken.

Die nächsten acht Tage verbringe ich so zurückgezogen und unauffällig wie es nur irgend möglich ist. Die einzigen Personen mit denen ich überhaupt rede sind der misstrauische Bibliothekar, ein sichtlich verschüchterter Vetesh und Lenwe selbst, der jedoch so kalt und abweisend ist, dass ich den Verdacht hege, sein Benehmen müsse eine weitere Strafe sein. Da er anders als Meister Shenjal keinen Zugang zu meinen Gedanken hat fällt ihm glücklicherweise nicht auf dass er mir mit dieser Zurückweisung eher hilft als mich zu strafen, denn ich brauche diese Zeit alleine sehr dringend um endlich ein wenig Stabilität in meinen Geist zu zwingen.

Ethin ist zwar schon bald wieder aus der Krankenstation heraus, hält sich jedoch endlich fern von mir solange er mich nicht braucht um seine Bedürfnisse zu befriedigen, auch wenn ich ihn ab und zu von weitem mit seinem Bruder zusammen sehe. Ich hoffe nur, dass er eifrig daran arbeitet unseren Plan in die Tat umzusetzen, denn es ist auf Dauer sehr riskant Lenwe zu hintergehen indem ich ihm und zugegeben auch mir selbst weiterhin helfe gegen die Leere vorzugehen. Wenigstens bedeutet dieser Umstand auch, dass er sich immer äußerst zurückhaltend zeigt wenn es zum Sex kommt, um keine verräterischen Spuren zu hinterlassen. Die wenigen Male die ich ihn sehe scheint er unzufrieden und rastlos, lässt aber keinen Grund für seine schlechte Laune verlauten. Vielleicht geht es ihm ähnlich wie mir und er vermisst seinen Meister doch, auch wenn er eher sterben würde als es zuzugeben.

Lady Sharya ist hartnäckig genug noch einige Male das Gespräch mit Ethin zu suchen, doch so weit ich weiß enden alle diese Versuche damit dass er sie eisig abweist und sie daraufhin immer weiter in Trauer und Verzweiflung abgleitet, bis schließlich der Vater der beiden ungleichen Zwillinge sie bittet zu gehen um sowohl sich selbst als auch seiner Familie weiteres Leiden zu ersparen. Wahrscheinlich lässt sie sich nur darauf ein, weil sie zu diesem Zeitpunkt bereits selbst am Ende ihrer Kraft angekommen ist und einfach nicht mehr weiß wie sie sich diesem scharfzüngigen, abweisenden Wesen das einmal ihr Verlobter war überhaupt jemals wieder annähren soll.

Ich selbst tue indes mein Bestes um eine Möglichkeit zu finden nach den beiden Drowmeistern zu suchen, aber da ich es im Verborgenen tun muss sind meine Handlungsfreiräume recht eingeschränkt und es dauert fast eine weitere Woche bis ich auch nur verstehe, wie unglaublich komplex die Verteidigung der Sestrainie gegen magische Spionage ist. Ein Umstand der mich annehmen lässt, dass ich nur unentdeckt bleiben werde wenn ich meine eigene Suche außerhalb dieser empfindlichen Schilde betreibe, denn ansonsten hätte ich binnen Sekunden einen äußerst misstrauischen Lenwe auf dem Hals. Ich habe zwar nach einer Weile einen Weg gefunden, der es uns erlauben wird, uns unentdeckt vom Gelände zu schleichen, aber auch so wird es einer sorgfältigen Planung bedürfen.

Wie ich eines Nachts allerdings entdecken muss ist alle Vorbereitung von meiner Seite letztlich völlig unnötig gewesen. Als ich plötzlich, mit dem unangenehmen Gefühl beobachtet zu werden, erwache, herrscht vor meinem Fenster noch tiefschwarze Dunkelheit. Einige Sekunden bin ich verwirrt und schaue zunächst in Richtung Tür mit dem Verdacht Ethin hätte sich hereingeschlichen, aber die leise, leicht hallende Stimme, die nun von hinter mir auf dem Bett ertönt, klärt den Grund für meine vagen Gefühle augenblicklich auf.

„Wie beruhigend zu sehen, dass du zumindest in dieser Hinsicht noch nicht deine hart erworbenen Manieren vergessen hast Häschen."

Es hört sich an als ob er mindestens zehn Meter entfernt stünde, doch trotzdem ist der unerwartete Klang gerade dieser Stimme für mich fast wie eine körperliche Berührung.

„Meister!" quietsche ich unterdrückt und bin auf den Knien ehe ich überhaupt einen weiteren bewussten Gedanken gefasst habe. Er kann nicht hier sein! Das ist praktisch unmöglich. Jedenfalls ist es das was ich annahm. Wahrscheinlich hätte ich es besser wissen sollen. Ich denke man kann mit einiger Sicherheit sagen, dass ich große Ähnlichkeit mit einem verschreckten Reh besitze, so wie ich dort inmitten meines kleinen Haufens von Decken hocke und mit großäugiger Panik die durchscheinende Geistergestalt Meister Shenjals anstarre, der eine Handbreit über der Matratze schwebt und sich köstlich zu amüsieren scheint.

Er hat mir genug beigebracht dass ich um die Limitationen seiner gegenwärtigen Erscheinung weiß, auch wenn es einige lange Momente des entsetzten Erstaunens braucht bis ich mich wieder so weit in der Gewalt habe, dass ich überhaupt zu logischen Schlussfolgerungen fähig bin.

„Ich hatte einen Plan um euch zu suchen Meister." Platzt es beinahe vorwurfsvoll aus mir hervor und ich möchte augenblicklich meine Hände vor den Mund schlagen. Zu sprechen, ohne Erlaubnis oder Aufforderung! Ich muss verrückt geworden sein. Auch wenn es äußerst frustrierend ist meine ganze vorsichtige Arbeit und Planung so mir nichts dir nichts über den Haufen geworfen zu sehen.

„Wirklich Häschen?" Zu meiner großen Erleichterung scheint er eher amüsiert als erzürnt über mein impulsives Verhalten. „Ich bin gerührt."

Trotz des sarkastischen Untertons erröte ich bei dieser Aussage.

„Entschuldigt Herr."

Es ist erschreckend einfach wieder in die vertrauten Verhaltensmuster zurückzufallen. Ich muss nicht einmal darüber nachdenken, denn es kommt alles von selbst. Unreflektierter Gehorsam. Ohne Wenn und Aber. Doch genau das wollte ich vor kurzem noch für immer hinter mir lassen. Oder nicht? Mir wird auf einmal mit verstörender Klarheit bewusst dass dies ein Moment der Entscheidung ist, der großen Einfluss auf mein ganzes weiteres Schicksal haben wird und ich schaue unvermittelt auf. Direkt in zwei forschende rote Augen. Ein Anblick der mir Schauer über den Rücken jagt von denen ich zu meinem Leidwesen nicht ganz entscheiden kann ob sie mir nun angenehm sind oder nicht.

„Dieser Lenwe," sagt mein Meister „behandelt er dich gut?"

Woher er von Lenwe weiß frage ich mich gar nicht erst. Die ehrliche Neugierde von seiner Seite überrascht mich allerdings ein wenig. Es ist nicht unbedingt die Norm dass er mich nach meinem Befinden fragt. Andererseits musste er durch das Halsband früher auch gar nicht fragen. Tief verinnerlichte Gewohnheit lässt mich trotz real fehlender Kontrolle mit der vollen, unbeschönigten Wahrheit antworten.

„Er verwirrt mich Herr. Wenn wir alleine sind behandelt er mich wie seinen Sklaven, aber für andere hier bin ich das nicht. Ich meine, ich habe nichts dagegen wenn er mit mir schläft, aber ich weiß nicht mehr wann ich etwas entscheiden kann und wann nicht. Er scheint anzunehmen dass mir klar ist wie ich mich zu welchem Zeitpunkt zu verhalten habe und dass ich ohne Frage gehorchen werde, aber es ist alles so unsicher und ich will selbst …"

Ich breche ab als mir klar wird wie seltsam und verworren sich meine Aussagen anhören wenn ich sie laut ausspreche.

„Du willst also selbst entscheiden." Beendet Meister Shenjal trocken meinen Satz. Erschrocken starre ich ihn an als ich bemerke wie aufmüpfig ich klinge. Doch wenn ich ehrlich bin es ist genau das was ich gerade gedacht habe.

„Ja…nein…ich meine schon, aber …nicht immer Herr." Versuche ich ihm stockend mein seltsames Empfinden klar zu machen, dass ich kaum vor mir selbst klar definieren kann. Es fällt mir trotz der Distanz von mehr als zwei Wochen schwer dieses Gespräch zu führen ohne mich für meine Ansichten sofort zu entschuldigen oder permanent zusammenzuzucken, aber wenn ich nicht die letzte Chance auf Veränderung verschenken will muss ich irgendetwas tun um meine Position zu verbessern. Wenigstens muss ich es versuchen, um zumindest mir selbst zu beweisen, dass ich nicht wirklich so schwach und abhängig bin dass ich niemals von ihm loskommen könnte.

„Was wünscht ihr dass ich tue Herr?" frage ich um das Thema zu wechseln und zumindest eine Verhandlungsbasis zu haben. Schließlich wäre er kaum hier wenn er nicht etwas Konkretes vorhätte. Natürlich bleibt immer noch die Frage was ich eigentlich selbst will. Jetzt da er unverhofft wieder so trügerisch nah scheint fühle ich diese lästige Sehnsucht nur noch stärker als zuvor. Allen Widerstand aufgeben, mich anschmiegen und hingeben dürfen ohne verantwortlich zu sein, dies alles ist verlockend. Aber wie könnte ich mich freiwillig wieder so völlig ausliefern und damit aller Kontrolle über mein Leben entsagen wenn ich ganz genau weiß wie wenig ich ihm vertraue und wie grausam er sein kann? Alles in mir sträubt sich dagegen das bisschen Macht über mein Schicksal aufzugeben dass ich im Moment habe, selbst während ich nichts mehr wünsche als seine Berührung und dieser fundamentale Widerspruch meiner Gefühle macht mich fast wahnsinnig.

„Die Frage ist ja wohl eher: Was muss ich dir bieten damit du tust was ich will?" Er grinst in Reaktion auf meine entsetzte Grimasse, die ich erst nach einer Sekunde wieder unter Kontrolle bekomme.

„Ich kenne dich viel zu gut um nicht zu wissen was dir jetzt durch den Kopf geht Häschen."

Natürlich. Ich erröte augenblicklich und senke den Blick. Es überrascht mich sehr, dass er die Situation nicht nutzt um einen Versuch zu machen mich einzuschüchtern und so zu bekommen was er braucht sondern mir stattdessen großzügig die Gelegenheit zur Verhandlung auf einem Silbertablett serviert.

„Ich vermisse euch Meister," sage ich leise, aus dem absurden Bedürfnis heraus mich rechtfertigen zu müssen und schaffe es nicht mehr meinen Blick vom Boden zu lösen, so sehr ich es auch versuche „aber logisch betrachtet wäre es wahrscheinlich nicht zu meinem Vorteil euch zu helfen und mich selbst zur Sklaverei zu verdammen."

Nach diesem Satz, den ich praktisch Silbe für Silbe über meine Lippen zwingen musste, kann ich nur atemlos abwarten. Früher hätte eine solche Aussage sofortige und überwältigende Vergeltung nach sich gezogen, aber jetzt ist die Situation eine andere. Oder nicht? Die Unsicherheit nagt an mir und quält mich, bis er auf einmal lacht.

„In der Tat. Daher habe ich diese Angelegenheit gründlich überdacht und mich entschieden dir einen anderen Vorschlag zu machen Häschen."

Vor Erleichterung wird mir beinahe schlecht, auch wenn er realistisch gesehen gar keine Möglichkeit hat mich hier und jetzt irgendwie zu bestrafen ist die Kontrolle die er noch immer über meine Reaktionen hat etwas dass mich zutiefst verunsichert und ängstigt. Wie schafft er es nur mich jedes Mal wieder so völlig zu verwirren? Selbst nach fast einem ganzen Jahr das ich mit ihm verbracht habe kann ich oft immer noch kaum vorhersagen wie er reagieren wird.

„Ich gebe zu, zunächst hatte ich lediglich die Absicht dich zurück zu holen und sonst alles beim Alten zu belassen. Da ich in meiner gegenwärtigen Situation aber mehr Vorteile darin sehe ein relativ unabhängiges Individuum an meiner Seite zu haben als einen Sklaven durchzufüttern biete ich dir an freiwillig zurückzukommen. Als mein Lehrling."

Er hält einen Augenblick inne um meine Reaktion abzuschätzen, die zum größten Teil darin besteht ihn mit offenem Mund anzustarren so überrumpelt bin ich. Nach der ersten Überraschung folgt jedoch das Misstrauen auf dem Fuße. Wieso würde er seine Versprechen halten sobald er hat was er will? Ich hege keinesfalls die Illusion ein weiteres Mal entkommen zu können sollte er die alten Verhältnisse zwischen uns wieder herstellen wollen.

„Du bist nicht überzeugt." Stellt er fest und obwohl ich dabei nervös schlucken muss schüttle ich stumm den Kopf.

„Gut. Wärest du darauf eingegangen wie ein gutgläubiger Dummkopf hätte ich es mir vielleicht noch einmal anders überlegt."

Und da ist er, der Beweis wie ungewiss meine Zukunft wirklich ist. Ich weiß ganz genau was er jetzt von mir hören will. Die Lektionen die er mir gab hatten einen ähnlichen Charakter wie dieses Frage- Antwort- Spiel, nur dass es diesmal bitterer Ernst ist und mein weiteres Schicksal auf dem Spiel steht.

„Wieso würdet ihr mir eine so große Freiheit zugestehen wenn ihr mich ebenso gut wieder zum rechtlosen Sklaven machen könntet?"

Er könnte es wirklich, denn auch wenn ich bereits begonnen habe wieder ein wenig unabhängiger zu werden, mache ich mir keine Illusionen darüber wie einfach es gerade für diesen Magier wäre mich wieder vollkommen zu brechen. Eine einfache Geste von ihm reicht um mich in Angst und Schrecken zu versetzen und dieser gerissene Drow ist sich dessen auch voll bewusst. Wieso sollte er einen solchen Vorteil aufgeben?

„Dir ist die notwendige Änderung in meinen Lebensumständen nach unserem Versagen in der Menschenstadt wahrscheinlich bewusst," beginnt er und ich nicke. Natürlich ist mir klar, dass ein solcher Fehltritt in der Akademie kaum gnädig aufgenommen worden sein kann. „Damit einher geht in diesem Fall auch die Notwendigkeit neue Verbündete zu suchen. Natürlich kannst du zum gegenwärtigen Zeitpunkt kaum viel ausrichten," erklärt er unerwartet ernsthaft „aber mit dem richtigen Training könntest du irgendwann zu einem gefährlichen Gegner werden."

„Und ich würde euch etwas schulden."

Kann ich mir eine solche Verpflichtung leisten, frage ich mich unwillkürlich?

„In der Tat Häschen." Er grinst unverhohlen selbstzufrieden. „Du musst zugeben, dass ein fähiger Verbündeter mir momentan mehr nützen würde als ein Sklave der völlig von mir abhängig ist. So nett dieser Umstand auch gerade klingt wie ich gestehen muss. Natürlich könnte ich dich verkaufen, aber davon hätte ich auf lange Sicht nicht so viel."

Der Blick, welcher die letzten Worte begleitet beschert mir ein plötzliches Kribbeln, das mich unruhig herumrutschen lässt, bevor ich mich streng wieder zur Ordnung rufe. Jetzt ist nicht der Augenblick sich solchen Gefühlen hinzugeben, so verlockend es auch sein mag.

Ich glaube nur wenige haben diese Art geistiger Flexibilität, die es einem erlaubt derart anpassungsfähig zu sein wenn es darum geht persönliche Macht aufzugeben. Ich denke zum Beispiel kaum dass Meister Geryn überhaupt erst auf die Idee gekommen wäre mir ein solches Angebot zu machen, aber ich muss vor mir selbst zugeben, dass ich trotz aller berechtigten Bedenken nur zu gerne darauf eingehen würde. Und gerade diese spontane Bereitschaft macht mir Angst. Ich brauche mehr Distanz, um mir alles noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen ohne dass mein eigener, tief verwurzelter Wunsch nach Berührung und Lob mir ständig im Weg ist.

„Und was genau wünscht ihr das ich tue?" Frage ich ein weiteres Mal, während ich verzweifelt versuche ein wenig Ordnung in mein aufgewühltes Inneres zu bringen ohne dass meine verräterischen Emotionen zu offensichtlich an die Oberfläche drängen.

„Oh das ist nicht besonders schwierig." Erklärt er wegwerfend. „Du musst lediglich diesem Lenwe klarmachen wie viel er zu verlieren hat wenn er zu angestrengt nach euch suchen sollte. Ich denke seine Vergangenheit in Skull Port ist nicht gerade etwas dass er publik machen will. Danach müsst ihr euch nur noch außerhalb der Schilde begeben damit unser Portal nicht zu offensichtlich ist."

Nach UNS suchen? Ich glaube da hat er meine Überzeugungskraft doch ein wenig überschätzt. Ethin dazu zu bringen sich freiwillig auch nur in die Nähe seines Meisters zu begeben ist etwas, von dem ich nicht denke dass ich es fertig bringen werde. Andererseits… wenn er gar nicht weiß was geschehen wird könnte ich ihn wahrscheinlich doch irgendwie hinters Licht führen. Dass wir innerhalb der Schilde nichts ausrichten können habe ich ihm schließlich bereits mitgeteilt. Aber will ich überhaupt so weit gehen, das Angebot meines Meisters annehmen und die Sicherheit die sich mir hier bietet wieder aufgeben? Ich hatte zwar bereits beschlossen dieses Haus zu verlassen, aber mit einer solch drastischen Entwicklung hatte ich dabei nicht unbedingt gerechnet. Und Ethin derart zu verraten, selbst nach allem was zwischen uns vorgefallen ist…ich würde ihm durchaus zutrauen mich bei der ersten Gelegenheit umzubringen täte ich das.

„Ich brauche Zeit Meister."

Für eine Forderung klingt es unglaublich kläglich und dennoch; ein kurzes Nicken und eine nachlässige Geste später bin ich wieder allein im Raum. In meinem Kopf herrscht ein heilloses Durcheinander, das mich wahrscheinlich noch bis zum frühen Morgen wach halten wird. Bestimmt werde ich in weniger als zehn Minuten unerträgliche Kopfschmerzen haben, von dem Versuch all diesen verwirrenden neuen Möglichkeiten einen Sinn abzugewinnen.