Disclaimer: Drow etc. nicht auf meinem Mist gewachsen.
A/N: Hm ja ich geb zu es hat wieder lang gedauert… aber irgendwie fehlte mir die Inspiration. Uni laugt grad etwas aus und der ewige Heuschnupfen auch ätz.
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Die Wahl haben
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Als die Sonne aufgeht bin ich noch immer zu keiner Entscheidung fähig. Das ich in dieser Angelegenheit nicht einmal die Möglichkeit habe Ethin um Rat zu fragen, quält mich, denn auch wenn ich ihn weder sonderlich mag noch ihm vertraue, ist er trotzdem der Einzige hier der meine Überlegungen überhaupt nachvollziehen könnte. Ich werde das Gefühl nicht los etwas zu übersehen und ein unnötiges Risiko einzugehen indem ich über das Angebot Meister Shenjals auch nur ernsthaft nachdenke. Aber gleichzeitig kann ich der Versuchung kaum widerstehen. Wieder in seiner Nähe zu sein und dass ohne diesen allumfassenden Zwang der Sklaverei. Es wäre eine Situation die alles beinhaltet nach dem ich mich in den letzten Wochen heimlich gesehnt habe. Allerdings ist es gerade die Quelle dieser Sehnsucht, die mich beunruhigt. Auch wenn ich mich gegen die Gefühle selber nicht wehren kann, ist mir durchaus bewusst, dass sie zum größten Teil auf Konditionierung beruhen. Macht dies sie weniger echt, weniger geeignet um mir als Richtungsweiser für meine Handlungen zu dienen? Es sieht jedenfalls nicht so aus, als könnte ich mich in nächster Zeit von ihnen distanzieren.
Im Grunde würde sich rein gar nichts ändern, raunt eine kleine gehässige Stimme in meinem Hinterkopf, ich wäre nach wie vor vom Wohlwollen eines Anderen abhängig und dann ist da noch die Leere, die diese Abhängigkeit verstärkt. Wenn ich nicht gerade in einem Bordell anheuern oder meine gefährliche Schwäche jemand andrem preisgeben will, werde ich notgedrungen darauf vertrauen müssen, dass mein Meister für mich da ist.
So großzügig das Angebot als Lehrling zurückzukehren auch anfangs scheinen mag, die Grundzüge unserer Beziehung würden fast so sein wie zuvor. Und wer kann schon sagen ob er mich wirklich wieder freigeben wird wenn die Zeit gekommen ist? Ich kann diesem Drow nicht trauen, dass weiß ich ganz genau, doch wieso ziehe ich dann die ganze Sache überhaupt in Betracht? Ich sollte einen anderen Weg finden, aber zwischen dem erschreckend besitzergreifenden Lenwe und Meister Shenjals Manipulationen bleibt mir kaum Platz für Alternativen. Wohin ich auch ginge, einer von beiden würde mich sicherlich finden. Und ich weiß welcher von ihnen mir lieber wäre. So unberechenbar er auch sein mag, Meister Shenjal ist mir wesentlich vertrauter und engt mich nicht auf eine Weise ein die mir solche Angst macht.
Der Vormittag gibt mir viel Zeit über diese Dinge weiter nachzugrübeln, denn ich muss einige Stunden im Kräutergarten hinter der Krankenstation damit verbringen Unkraut zu jäten. Ein Teil der Strafe für mein unbedachtes Verhalten Ethin gegenüber. Der Heiler, der mir mit strengem Blick Hacke und Eimer in die Hand drückt ist wahrscheinlich froh um diese unliebsame Aufgabe herumzukommen.
Könnte ich doch meine widersprüchlichen Gefühle genau so schnell und schmerzlos beseitigen wie dieses Unkraut. Ein kräftiger Ruck und es ist vollbracht. Eine solch einfache Lösung ist mir jedoch nicht vergönnt, auch wenn die eintönige Tätigkeit ein wenig dabei hilft meine Gedanken zu ordnen und etwas ruhiger zu werden.
Während des Mittagsmahls ertappe ich mich dabei, wie ich mir Wege überlege Ethin zu täuschen und erschrecke darüber, dass mein verräterisches Unterbewusstsein mir scheinbar alle Entscheidungen in dieser Sache abnimmt. Egal was ich am Ende entscheide, ich sollte mir lieber verdammt sicher sein, dass es dass ist was ich wirklich will. Unsicherheit könnte meinen Tod bedeuten.
Als ich mich schließlich, wie befohlen, in Lenwes Räumen einfinde, scheint zunächst alles wie immer abzulaufen. Mit anderen Worten: Er stellt mir kühl eine Aufgabe und ich mache mich still daran sie zu bewältigen, während er sich mit anderen Dingen beschäftigt. Vetesh ist nicht zugegen, aber dieser Umstand ist nicht so ungewöhnlich, da ich in meinen Studien ohnehin ein wenig weiter fortgeschritten bin als er und mich somit anderen Themen widmen muss. Heute ist mein Auftrag zwar ein wenig ungewöhnlich, aber ich schätze, die Forderung jede auch nur denkbare Anwendungsmöglichkeit für Schrumpfungszauber aufzulisten ist eher als Anregung für mein kreatives Denken gedacht als dass ich damit wirklich etwas Praktisches erreichen soll.
Nach etwa zwei Stunden fallen mir schließlich langsam keine vernünftigen Vorschläge mehr ein und ich beginne auf der Suche nach Inspiration meinen Blick im Zimmer umherschweifen zu lassen, während ich abwesend mit dem obersten Ende der Schreibfeder über meine Lippen fahre. Was gibt es noch das…?
Die Veränderung der Atmosphäre ist subtil, aber deutlich zu bemerken und sobald ich zu dem Regal herüberschaue neben dem Lenwe gerade steht, weiß ich auch weshalb dem so ist. Die Farbe seiner Augen mag schwer zu definieren sein, aber die Intensität mit der er mich anstarrt lässt mich unwillkürlich in hektisches Nachdenken ausbrechen. Habe ich etwas falsch gemacht? Ist er hinter Ethins und mein Geheimnis gekommen? Bei dieser Möglichkeit wird mir heiß und kalt vor Sorge, doch seine Miene lässt keine näheren Schlüsse zu. Unsicher lege ich die Feder zur Seite und senke den Blick ein wenig. Der knappe Wink seiner Hand bedeutet mir näher zu kommen, was ich mit wachsender Besorgnis tue. Nach all diesen Tagen in denen er mich weder angerührt, noch mehr beachtet hat als unbedingt nötig, ist dieses Benehmen beunruhigend. Nach kurzer Überlegung entscheide ich mich, meinen Instinkten zu folgen und diese Instinkte sagen mir, dass in diesem Augenblick nicht Lenwe als mein Lehrer sondern als Herr und Meister vor mir steht. Ich falle etwa zwei Schritt vor ihm anmutig auf die Knie.
Ob es ihm wohl gefallen würde zu wissen wie viel Angst ich gerade empfinde, frage ich mich mit einer eigentümlichen Mischung aus Furcht und Widerwillen, während ich versuche genau dass zu verbergen. Doch seine Kontrolle über mich ist nicht annährend so überwältigend wie die Meister Shenjals, den ich niemals wagen würde zu hintergehen. Ein kleiner Funken der Befriedigung an dem ich mich festhalten kann. Egal was er mit mir vorhat, diese Genugtuung kann er mir nicht nehmen.
„Du warst still in letzter Zeit," beginnt Lenwe leise, um dann in herablassendem Ton fort zu fahren: „Ich hoffe du hast die Zeit genutzt um über deinen Platz nachzudenken."
Mein Platz? Welchen von beiden meint er? In meiner momentanen Verwirrung brauche ich ein klein wenig zu lange um zu reagieren und bevor ich es schaffe eine angemessen unterwürfige Antwort zu geben zwingt mich sein unangenehm harter Griff an meinem Kinn dazu aufzuschauen.
„Du wirst nie mehr sein als ein nützliches Bettspielzeug und je eher du dich damit abfindest desto besser. Das nächste Mal, dass du dein Position derart missachtest und jemanden höhergestelltes angreifst wird noch sehr viel unangenehmere Konsequenzen nach sich ziehen", erklärt er nüchtern.
Ethin höhergestellt! Diese Sicht der Dinge widerstrebt mir zutiefst und alles in mir wehrt sich gegen die Aussicht auf eine lebenslange Verdammnis zur inoffiziellen Unfreiheit. Ich weiß nicht was es ist, dass mich verrät denn ich versuche allen aufsteigenden Trotz nach Kräften zu verstecken, aber er muss dennoch etwas gesehen haben, dass meine wahren Gefühle zu dieser Aussage enthüllt, denn der forschende Blick wandelt sich auf einmal zu einem schmaläugigen Ausdruck des Missfallens.
„Ich verstehe", sagt Lenwe langsam, in unheilvollem Ton, der mich automatisch zurückzucken lässt. Oh nein, oh neinohneinverdammt denke ich nur noch hektisch, dann hat er mich bereits an der Schulter gepackt, mit einem Griff so fest, dass ich mit Sicherheit blaue Flecken davontragen werde und zerrt mich zum Schreibtisch. „Es scheint als müssten wir diese spezielle Lektion ein wenig auffrischen."
Schmerzvolle Erfahrung hält mich davon ab mich zu widersetzen als er meinen Kopf hinunter drückt auf das dunkle, kühle Holz, auch wenn die Anspannung mich fast keuchen lässt vor Furcht. Entspann dich, halte ich mir vor. Entspann dich, dann wird es nicht so schlimm. Aber es fällt mir schwer. Es ist mir immer schwer gefallen, auch wenn es nicht das erste Mal ist dass ich mich in einer solchen Situation befinde. Mit der Erniedrigung die es mit sich bringt so auf meinen Platz verwiesen zu werden konnte ich mich nie wirklich abfinden, auch wenn ich nicht weiß was ich anderes tun soll als es resigniert hinzunehmen.
„Siehst du", raunt er während er über mir steht und meine Handgelenke niederdrückt, „einmal Hure immer Hure. Jeder der nur ein bisschen Stolz besäße hätte sich jetzt mit Händen und Füßen gewehrt."
Um dann überwältigt zu werden und sich später auch noch einer zusätzlichen Strafe gegenüber zu sehen. Ich verberge mein Gesicht zwischen meinem Armen um meinen plötzlich aufwallenden Hass zu verbergen und hoffe er wird die Geste als Scham deuten. Seltsamerweise habe ich es gerade Ethin zu verdanken, dass ich mich in diesem Augenblick keineswegs beschämt fühle. Er hat mich in den erniedrigendsten Situationen überhaupt erlebt und ich weiß, dass er mich nicht für schwach hält. Lenwes Urteil berührt mich in diesem Moment überraschend wenig. Ich mag verängstigt sein und angespannt in Erwartung von Schmerz, aber nicht beschämt. Wenn ich im letzten Jahr eins gelernt habe, dann ist es der Fakt, dass zu viel Stolz manchmal sehr hinderlich sein kann.
Das heißt nicht dass es mir leicht fällt still zu halten als er mit ein paar hastigen Worten die Tür verschließt und sich rücksichtslos seinen Weg durch die einzelnen Schichten meiner Kleidung bahnt. Kühle Finger, die beinahe methodisch, mit voller Absicht, schmerzhaft fest zupacken lassen mich das Gesicht verziehen und unkontrolliert zusammenzucken, aber da er mich immer noch mit einer Hand festhält und mir ohnehin körperlich überlegen ist, habe ich kaum Hoffnung dies abzuwenden.
„Meister bitte nicht… nicht so… es tut mir leid… ich tue was immer ihr wollt!"
Die Worte fließen von meinen Lippen halb geboren aus Angst, halb aus der vagen Hoffnung dass es ihn erfreuen wird mich betteln zu hören und er dadurch schneller zum Ende kommt, nun da er so fest entschlossen scheint mir zu beweisen dass alle meine Hoffnungen bezüglich eines besseren Lebens umsonst waren.
Ich höre wie er eine Schublade öffnet und gleich darauf wird ein dickes, weiches Tuch in meinen Mund geschoben.
„Wir wollen doch nicht dass du das ganze Haus zusammen schreist nicht wahr." Bemerkt er beinahe freundlich und veranlasst mich damit zu einem leisen, verzweifelten Stöhnen, als ob ich nicht sowieso keinerlei Rücksichtnahme von ihm erwartet hätte, aber dies bestätigt meine Befürchtungen. Entspann dich, denk an etwas Anderes… aber das ist schwer wenn Lenwe derart brutal vorgeht. Die Schmerzen treiben mir bunte Lichter vor die Augen. Wie ich ihn dafür hasse!
Mit Schlägen als Bestrafung kann ich umgehen, aber dieses Vorgehen, das nur dazu dient mich vorsätzlich zu erniedrigen, weckt in mir ein irrationales Gefühl des betrogen werdens. Auch wenn ich wahrscheinlich kaum etwas anderes hätte erwarten sollen. Jetzt bricht schließlich doch die Scham über mich herein und der alte Chor meiner inneren Stimmen beginnt mit dem üblichen spottenden Hohngesang auf meine Schwäche. Es ist beinahe wie in der Zeit als ich erst wenige Tage bei den Drow war, ein Zustand den ich eigentlich gedacht hatte hinter mir gelassen zu haben. Offenbar ist dem nicht so.
Endlich, nach einer Zeit die mir wie eine Ewigkeit scheint, ist es vorbei. Wütend auf mich selbst, dass ich mich so habe überrumpeln lassen und behindert von den Schmerzen in meinem Hintern, bleibe ich einige Zeit kraftlos auf dem Schreibtisch liegen. Eine Berührung an meiner Schulter lässt mich heftig zusammenzucken, aber diesmal streichelt er mich nur sanft und entfernt den Lappen aus meinem Mund. Ich wünsche mir er würde einfach verschwinden und mich alleine lassen mit den kümmerlichen Resten meines Stolzes, aber es sieht aus als wäre diese Lektion noch nicht ganz an ihrem Ende angelangt.
„Hast du nun verstanden Evoe?"
Der freundliche Ton diese Frage passt so gar nicht zu seinem vorherigen Handeln, aber ich weiß was ich zu antworten habe, auch wenn die Worte wie Asche sind in meinem Mund.
„Ja Herr ich verstehe. Danke das ihr mich daran erinnert Herr."
„Es ist zu deinem Besten", murmelt er wie zu sich selbst und fährt dabei abwesend mit dem Streicheln fort, "Du brauchst jemanden der dich anleitet. Es liegt nun mal so in deiner Natur."
Es liegt in deiner Natur. Diese Worte hallen in meinem Kopf nach und lassen mich erschauern. Vielleicht tut es das wirklich, denke ich hoffnungslos. Schließlich habe ich kaum viel Widerstand geleistet. Weder gegenüber Meister Shenjal, noch bei ihm. Vielleicht verdiene ich ja alles was mir zugestoßen ist und tauge nur dazu als hübsches Ornament zu dienen und von Zeit zu Zeit die Beine breit zumachen.
Zu meinem Leidwesen lässt Lenwe mich nun nicht gehen, sondern drückt mir ein Buch in die Hand und befiehlt mir zu lesen. Die Schmerzen sind offenbar Teil dieser Belehrung, denn er verliert kein einziges Wort über Heilung oder auch nur eine Salbe. Unglücklich wische ich die letzten Reste der Tränen von meinen Wangen, versuche jegliche Gefühle zu unterdrücken und widme mich mit äußerst halbherziger Konzentration dem Arcanum vides, dessen Autor augenscheinlich eine sehr zwiespältige Beziehung zur heutigen Grammatik hatte. Die verworrenen Sätze und mir unbekannten Wortschöpfungen sind meinem beeinträchtigten Verständnis nicht gerade zuträglich und als ich schließlich endlich gehen darf bin ich mehr als froh dieses Werk beiseite zu legen. Ich fühle mich innerlich völlig verknotet und aus dem Gleichgewicht von der Anstrengung, die es bedurfte um die Schmerzen zu unterdrücken und nicht zu zeigen wie sehr diese Demonstration mir zugesetzt hat. Wenn mich jetzt jemand anspricht bin ich mir keineswegs sicher dass ich nicht einfach in Tränen ausbrechen und Betreffenden anschreien werde.
Auf ein Abendessen verzichte ich, denn ich habe das Gefühl unmöglich all diesen Leuten gegenübertreten zu können nachdem mir mein wahres Wesen so unbarmherzig vor Augen geführt wurde. Es ist als könnten sie gar nicht anders als es ebenfalls wahrzunehmen wenn ich ihnen die Chance dazu gebe, als wären die Worte Schwächling und Hure in großen Buchstaben auf meine Stirn tätowiert. Ich weiß nicht genau wieso ich derart zusammenbreche, denn Meister Shenjal hat früher ähnliche Dinge getan, die ich jedoch mit sehr viel mehr Gleichmut hingenommen habe, aber damals hatte ich auch keinerlei Hoffnung darauf der Situation jemals zu entkommen. Diesmal war das anders und ich schätze diese Hoffnung hat mich angreifbar gemacht. Ich dachte es könnte besser werden und habe dabei vergessen, dass ich kein besseres Leben verdiene.
Mit dem starken Wunsch alles um mich herum einfach auszublenden verkrieche ich mich unter meiner Decke und lasse zu das die Tränen an die Oberfläche dringen. Der Gedanke mich ins Bett zu legen kommt mir gar nicht erst.
Das leise Geräusch der Tür schreckt mich irgendwann hoch aus meinem Sumpf des Selbstmitleids und ich blicke hastig auf, nur um Ethin hereinschleichen zu sehen. Ist es denn schon wieder so weit, frage ich mich und versuche halbherzig die bleischwere Erschöpfung zu bekämpfen die sich bei dem Gedanken in mir ausbreitet?
„Geh weg!" Raunze ich den anderen Elfen böse an, noch bevor er die Chance hat etwas zu sagen. Er hält inne, augenscheinlich verunsichert von meinem aufgelösten Zustand und offenbart eine überraschende Nervosität indem er zu Boden schaut und meinen Blick meidet.
„Evoe…" ,er tritt unruhig von einem Fuß auf den anderen, sein Tonfall beinahe bittend, aber nicht ganz.
„Nein! Verschwinde!" fauche ich. „Ich will nicht. Hau ab!"
Mit einem tiefen Atemzug schafft er es seine Beherrschung zu behalten und kauert sich nun in sicherer Distanz neben der Tür zusammen. Offenbar hatte mein unbeherrschter Angriff auch gewisse Vorteile, denn er ist diesmal sichtlich vorsichtiger als sonst in meiner Gegenwart.
„Wieso…?"
„Geh endlich!" unterbreche ich ihn giftig, woraufhin er leider nichts tut außer mich eine Weile nachdenklich anzustarren.
„Lenwe?" Fragt er schließlich leise, mit sichtlicher Besorgnis. Ich zucke ärgerlich mit den Schultern.
„Er weiß es nicht", murre ich schließlich, um dann bitter fort zu fahren: „Aber das hat ihn nicht davon abgehalten mir nachdrücklich zu zeigen wo seiner Meinung nach mein Platz ist."
„Bastard."
Der Hass, der bei dieser Aussage über die Gesichtszüge des grünäugigen Elfen flackert überrascht mich ein wenig, auch wenn sich unsere Gefühle ausnahmsweise gleichen. Ich hätte nicht erwartet dass dies bei ihm so starke Emotionen weckt. Vor allem wo er selbst keinerlei Hemmungen hatte mich genau derselben Behandlung auszusetzen.
„Mag sein", stimme ich jedoch zu, „aber ein gefährlicher Bastard, der es garantiert bemerken wird wenn sich mein Zustand ohne sein Zutun verändert. Also denk nicht mal daran deinen Willen auf die übliche rücksichtsvolle Weise durchzusetzen."
„Aber ich muss…"
„Interessiert mich nicht. Such dir jemand anderes!" verlange ich ungeduldig und fange an so unauffällig wie möglich meine Position zu verändern damit ich schnell außer Reichweite springen kann sollte er mich doch plötzlich angreifen. Mein Vorschlag scheint Ethin nicht einzuleuchten und ich kann beobachten wie er nun sichtlich unruhiger wird. Dann scheint er allerdings zu einem unerwarteten Sinneswandel zu gelangen, wird sehr still und etwas dass verdächtig nach Resignation aussieht legt sich über seine Züge. Misstrauisch angesichts von einer scheinbar so schnellen Kapitulation beobachte ich ihn lediglich angespannt und warte ab.
„Du weißt genau dass ich niemanden sonst fragen kann." Bemerkt er tonlos und atmet wieder tief durch. Was immer er mir jetzt sagen will muss ihn große Überwindung kosten. „Also gut…"
Ich könnte schwören dass er gerade mit den Zähnen geknirscht hat.
„Du kannst… mich haben."
Für jemanden der ein Jahrhundert als Bettsklave verbracht hat ist das eine überraschend schüchterne Art und Weise sich anzubieten und einen Augenblick zweifle ich ehrlich an meinem Gehör. Aber der Blick den er mir zuwirft drückt sein Widerstreben mehr als deutlich aus und überzeugt mich davon dass es ihm tatsächlich ernst ist.
Meine erste Reaktion ist Abwehr. Wieso sollte ich denn bitte freiwillig tun wozu ich mich sonst überwinden muss und dazu sogar noch eine aktive Rolle übernehmen? Ich öffne gerade meinen Mund um ihm zu sagen was ich von dieser Idee halte, da stoppt mich ein unerwarteter Gedanke. Ethin der sich freiwillig in eine Position der Schwäche begibt und so verzweifelt scheint, dass er mir eine solche Gelegenheit bietet? Ist dies nicht gerade dass was ich mir schon oft herbeigesehnt habe? Eine Möglichkeit ihm etwas zurück zu zahlen von den Schmerzen und Erniedrigungen die ich von ihm erleiden musste.
Seine Grimasse zeigt mir, dass er meinem letzten Gedankengang sehr wohl folgen konnte und es überrascht mich, dass er nicht versucht etwas zu sagen um meine Reaktion abzumildern, denn dass bösartige Grinsen, welches sich nun auf meinen Lippen ausbreitet, hätte mich wahrscheinlich sogar selbst das Fürchten gelehrt könnte ich es jetzt sehen.
Ich bin nicht ganz sicher wer von uns beiden überraschter ist als ich unvermittelt aushole und ihm mit dem Handrücken mitten ins Gesicht schlage. Atemlos starre ich ihn an, warte auf eine Reaktion, aber alles was er tut ist ausdruckslos zu Boden zu starren. Er ist nicht einmal ausgewichen, sondern hat es einfach hingenommen. Mir wird auf einmal ein wenig schwindelig und ich weiß nicht mehr recht was ich eigentlich als nächstes tun soll. Nicht der passiv akzeptierende Part zu sein ist eine völlig ungewohnte Erfahrung für mich und nichts, was wirklich in meiner Natur liegt.
Um meine plötzliche Unsicherheit zu überspielen fange ich an mich zu entkleiden, eine Handlung die einen leisen Seufzer der Erleichterung bei Ethin hervorruft, als sei er sich bis jetzt nicht sicher gewesen ob ich auch wirklich darauf eingehen würde. Vielleicht ist diese Ungewissheit auch der Grund weshalb er wirklich alles tut was möglich ist um es mir einfach zu machen, auch wenn ich diese absurd unterwürfige Version seiner Selbst geradezu unheimlich finde. Das hält mich allerdings nicht davon ab ihm einige Dinge zurückzuzahlen und einige lange, blutige Kratzer auf seinem Rücken zu hinterlassen. Nach einer Weile werden meine anfänglichen Rachegefühle jedoch immer mehr durch Unsicherheit und Verwirrung ersetzt.
Wutentbrannt, schnell und heftig zu reagieren und einen Blitz auf ihn zu schleudern ist eine Sache, aber dies hier ist auf eine tiefgehende Weise verstörend für mich, da ich sehr gut weiß wie ich an seiner Stelle fühlen würde und dieses Wissen scheinbar nicht einfach zur Seite schieben kann, auch wenn ich es zu Beginn noch versuche. Wie soll ich bitte so mit ihm schlafen? Ich wäre zweifellos fähig ihm vieles anzutun, ihn schreien zu lassen vor Schmerz, aber das hier kann ich einfach nicht über mich bringen. Mit einem Seufzer gebe ich schließlich auf und lehne mich zurück.
„So funktioniert das nicht."
„Was?"
Gerade noch lag er vor mir auf dem Bauch, den Kopf zwischen den schlanken Armen vergraben. Ein Bild der beherrschten Harmlosigkeit, aber von einem Augenblick zum anderen schnellt Ethin herum und starrt mich an, mit beginnender Verzweiflung klar in seinem Blick.
„Was verlangst du denn noch?" will er wissen und wendet sich abrupt wieder ab. „Ich kann nicht warten Evoe." Flüstert er gepresst, Hoffnungslosigkeit in der Stimme und überrascht mich wieder einmal indem er einfach in sich zusammensinkt und das wahre Ausmaß seiner Gefühle preisgibt. „Es ist so schwer hier zu sein und du bist der Einzige der es verstehen kann." Mittlerweile kann ich sogar spüren wie er leicht zu zittern begonnen hat. „In diesem Zustand kann ich kaum noch klar denken. Ich würde sogar Lenwe, den ich so sehr hasse dass es wehtut, um Hilfe anflehen. Bitte lass nicht zu dass ich das tue!"
Er klammert sich plötzlich an mir fest. Vielleicht sucht er so wenigstens einen Teil der Nähe die er so dringend braucht um nicht dem Wahnsinn zu verfallen.
„Aber um Sharya loszuwerden gehst du schon zu ihm ja?" will ich ärgerlich wissen, wehre mich aber vorerst nicht gegen seinen Griff. Wahrscheinlich ist es besser ihn so klar wie möglich zu halten wenn dies auch nur entfernte Ähnlichkeit mit einer logischen Diskussion haben soll und Nähe hilft dabei nun einmal, dass weiß ich aus eigener Erfahrung. Ethin schüttelt den Kopf, entspannt sich aber ein wenig als ich keine Anstalten mache mich sofort von ihm zu lösen.
„Ich versuchte ihm zu befehlen sie wegzuschicken", murmelt er mit bitterer Selbstironie und fügt hinzu: „Er hat mich ausgelacht. Offenbar habe ich einiges verlernt während des letzten Jahrhunderts."
„Was du nicht sagst", brumme ich sarkastisch und schüttle den Kopf angesichts dieser Vorstellung. Ich bin so müde, alles tut mir weh und eigentlich will ich nichts anderes als endlich meine Ruhe haben, aber ich schätze diese Angelegenheit wird sich kaum von selbst erledigen. Vielleicht wäre es ja sogar besser für ihn wenn er zu Meister Geryn zurückkäme, so wenig wie er sich in dieser neuen alten Umgebung zurechtfindet. Eine weitere Entscheidung die ich bald treffen muss. Doch diese Überlegungen müssen wohl warten bis wir das nächstliegende Problem gelöst haben.
„Könntest du zu Tisraen gelangen ohne dass es jemand bemerkt?" frage ich vorsichtig, denn dass ist die einzige Möglichkeit die mir so schnell einfallen will, auch wenn ich mich keinesfalls wohl dabei fühle es vorzuschlagen.
„Vielleicht…"
Angestrengtes Nachdenken ersetzt die Grimasse der Hoffnungslosigkeit als Ethin sich mit verzweifelter Entschlossenheit dieser neuen Möglichkeit widmet. Er mag geistig oft recht instabil sein, aber das bedeutet nicht, dass er nicht effizient und berechnend sein kann wenn er sich dazu entschließt.
„Wenn du ein Stockwerk höher aufpassen kannst, könnte ich wahrscheinlich durch das Fenster hereinklettern. Die Geräusche sind sowieso gedämpft durch die Magie und die Wachen werden nicht viel hören."
In einem Haus wie diesem könnten wir damit sogar durchkommen. Wer erwartet hier schon Übergriffe von Innen? Und vielleicht kann ich dann auch endlich meine Ruhe haben und ein bisschen ausruhen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich es morgen brauchen werde.
„Hast du ein Seil?" frage ich deshalb lediglich. Ethin nickt.
„Gib mir ein paar Minuten und triff mich dann in der Nische hinter der Treppe."
So schnell dass ich kaum folgen kann ist er wieder in seine Kleider geschlüpft und lautlos aus der Tür geglitten. Tisraen wird dieser Plan wahrscheinlich den Rest geben, denke ich unbehaglich und wünsche mir ich würde nicht daran teilhaben. So unbehaglich, dass ich dafür einen weiteren Zwischenfall mit Lenwe riskieren würde ist mir das Ganze dann allerdings auch wieder nicht. Ich werde mit der Schuld leben müssen, genau wie mit all den anderen Dingen die mir bereits auf der Seele lasten. Ein schlechtes Gewissen. Es ist unangenehm, aber, wie ich mir sage, besser als selbst zu leiden, vor allem für Jemanden der so oder so bald sterben wird.
Nichtsdestotrotz bin ich nervös als ich mich so unauffällig wie möglich durch das Haus schleiche. Wachen stehen zwar nur draußen und vor Tisraens Zimmer, aber jemandem zu begegnen, der nur zufällig meinen Weg kreuzt könnte schon völlig reichen um mich in Schwierigkeiten zu bringen. Ein wenig beruhigt es mich zwar, dass ich für alle Fälle einen Schlafzauber vorbereitet habe, aber gegen alle Eventualitäten wird mir dieser einfache Spruch auch nicht helfen, zumal seine Reichweite ziemlich begrenzt ist.
