Disclaimer: Wieder gehört nichts aus dem "Herrn der Ringe" mir, sondern alles J.R.R. Tolkien
Aber ich glaub es ja nicht! Es liest doch tatsächlich jemand diese Story... Ich war ja regelrecht fassungslos, als ich die Reviews gelesen habe! An dieser Stelle auch noch einmal vielen, vielen Dank an Melethil, Amarie, Rhabarber und Nilli, die sich die Zeit genommen haben, um mir was Kleines zu schreiben.
Ihr macht mich damit wirklich unwahrscheinlich dolle glücklich, denn das motiviert einen ungemein! Macht ruhig weiter so ;o)
Und hier kommt das 2. Kapitel...
Anmerkung: es ist ein bisschen lang geworden...
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Die nächsten Tage vergingen sehr schnell. Amila kümmerte sich hauptsächlich um die Versorgung der verletzten Elben. Die Häuser der Heilung waren in den letzten drei Tagen zu ihrem zweiten Zuhause geworden und sie war froh, dass sich fast alle Elben auf dem Weg der Besserung befanden und sie schon einige in den Palast umziehen lassen konnte.
Dennoch gab es einen aus dem Gefolge des Düsterwaldprinzen, der ihr ein wenig Sorge bereitete. Der Krieger hatte einen sehr komplizierten Wadenbruch erlitten, als er über eine Orkleiche gefallen war.
Seine Kameraden machten sich zwar deshalb jederzeit über ihn lustig, doch waren seine Schmerzen erheblich und ihm selbst war eher weniger zum Lachen zumute.
An diesem Morgen führte sie ihr erster Weg deshalb auch zu ihm.
Es war noch recht früh, die Sonne war gerade erst im Osten aufgegangen und tauchte den Himmel in ein zartes Rosa.
Der Elb lag in einem der hinteren Häuser. Leise klopfte Amila an die Tür bevor sie eintrat. Wie jeden Morgen, den sie nach ihm geschaut hatte, war Borondir auch heute schon wach.
„Guten Morgen", sagte er leise und lächelte.
Amila nickte ihm freundlich zu. Borondir war für einen Elben recht klein, nur etwa so groß wie ein erwachsener Mensch. Er gehörte zu Legolas' engsten Vertrauten, weshalb der Prinz ihn oft am Krankenbett zu besuchen pflegte, obwohl Amila ihn in den letzten Tagen nie zu Gesicht bekommen hatte. Sie wusste nur immer, dass er da gewesen war, wenn die jungen Heilerinnern mit einem verträumten Gesichtsausdruck durch die Häuser liefen. Es war wahrlich auffällig, wie viel Aufmerksamkeit der Düsterwaldprinz auf sich zog.
„Wie geht es Euch heute?", fragte Amila und ließ sich auf der Bettkante nieder.
„Ganz gut, nur die Schmerzen wollen nicht aufhören.", entgegnete der Elb matt, „Das Bein pulsiert auch nachts, ich schlafe so gut wie nicht."
Besorgt sah ihn Amila an. Wahrlich kein gutes Zeichen, denn für gewöhnlich heilten Wunden bei Elben schneller als bei Menschen, doch hier war es anscheinend ein besonders komplizierter Bruch.
„Ich werde Euch heute Abend ein starkes Schlafmittel verabreichen. Ich kann Euch versichern, dass ihr die nächste Nacht schlafen werdet. Doch nun lasst mich noch einmal nach der Wunde sehen."
Borondir schlug gehorsam die Bettdecke auf und hob sein Bein ein wenig an, damit sie einen besseren Zugriff hatte. Trotzdem Amila sehr vorsichtig vorging, sah sie die Qualen, die ihm das schmerzende Bein verursachte, deutlich in seinem Gesicht.
„Tut mir Leid."
Ihre Stimme zeugte von ehrlichem Bedauern, doch Borondir mühte sich zu einem schwachen Lächeln und tat eine abwertende Handbewegung.
„So furchtbar ist es auch wieder nicht.", meinte er, doch als ihn Amila einen skeptischen Blick zuwarf fügte er noch hinzu: „Jedenfalls habe ich schon viel Schlimmeres durchgemacht. Da bringt einen dieser Bruch nicht um."
Amila schmunzelte. Er versuchte vor ihr den tapferen Krieger zu mimen, doch gelang ihm das nur bedingt, denn seine Augen und seine zuckenden Mundwinkel erzählten ihr etwas anderes. Nur mühsam konnte der Elb die Schmerzen unterdrücken und er musste sich immer wieder auf die Lippe beißen, um nicht laut aufzuschreien.
„Ich weiß, dass es Euch fast die Tränen in die Augen treibt.", bemerkte sie trocken, während sie vorsichtig damit begann den Verband abzuwickeln.
„Ihr hättet ja wenigstens ansatzweise meinen Worten Glauben schenken können.", brummte er, „Glaubt mir, die jüngeren Heilerinnen statten mir bestimmt jede Stunde einen Besuch ab und lassen sich von mir Geschichten erzählen."
Amila schmunzelte, anscheinend fand er seine momentane Situation in diesem Krankenbett doch nicht so schlimm.
„Aber man merkt eben gleich, dass Ihr kein Mensch seid", fuhr Borondir fort, „Ihr lasst Euch nicht beeindrucken."
„Wahrscheinlich, weil ich schon zu viele ‚großartige' Geschichten gehört habe, sodass ich ihnen nur bedingt Glauben schenke.", entgegnete Amila.
„Das kommt daher, dass Ihr hier in Minas Tirith lebt. Ich kann mir vorstellen, dass man bei den Erzählungen der Menschen oft und ziemlich stark übertreibt."
„Oh", meinte die Elbe beiläufig, während sie den letzten Rest des Verbandes vom Bein ablöste, „Die Elben stehen den Menschen in nichts nach, da könnt Ihr mir glauben." Und nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu „Euer Bein sieht schon recht schön aus. Aber es gefällt mir gar nicht, dass Eure Haut an der Wade so bläulich ist."
„Bläulich?"
„Ja, aber ich denke, das wir das mit einer Salbe aus Mallornblüten wieder hinbekommen. Wahrscheinlich befinden sich mehrere starke Blutergüsse unter der Haut."
„Wie lange habe ich noch Bettruhe?"
„Ich schätze noch eine knappe Woche, dann..."
„Eine Woche?", unterbrach Borondir sie, „So lange? Ich bin hier in Minas Tirith und liege nur im Bett herum!"
„Ihr werdet wohl nicht drum herum kommen.", meinte Amila, doch verschmitzt fügte sie noch hinzu: „Aber das wird Euch doch bei Euren Fähigkeiten im Geschichtenerzählen nicht so schwer fallen."
Borondir seufzte.
„Ihr besitzt einen trockenen Humor, Mylady."
„Vielen Dank."
Langsam begann sie einen neuen Verband um sein Bein zu wickeln. Trotzdem sie sehr vorsichtig vorging, verzerrte Borondir oft im Schmerz das Gesicht.
Um sich von seinen Qualen abzulenken, fing er wieder an zu reden.
„Wieso seid Ihr eigentlich hier in Minas Tirith? Stammt Ihr aus Lórien?", und nach einem kurzen Zögern sagte er noch: „Eurer Schönheit nach zu urteilen würde ich sagen, dass Ihr aus der Ahnenreihe der Herrin des Goldenen Waldes selbst stammt."
Amila lachte. „Ihr habt bestimmt schon viele Herzen gebrochen, nicht wahr?"
Borondir seufzte theatralisch auf. „Aber das Eurige wird es wohl nicht sein."
Amila lachte erneut.
„Aber um Eure Frage zu beantworten: Ich stamme weder von Lady Galadriel ab, noch bin ich in Lórien aufgewachsen. Ich durfte in Lord Elronds Heim groß werden, in Bruchtal."
„Und warum seid Ihr jetzt hier in der Hauptstadt Gondors?"
„Die Königin, Lady Arwen, bat mich nach ihrer Hochzeit sie hierher zu begleiten. Diesen Wunsch konnte ich ihr natürlich nicht abschlagen, weshalb ich jetzt bereits seit vier Jahren hier lebe."
„Ihr kennt den König und seine Frau also sehr gut?"
„Arwen und ich sind uns sehr ähnlich, da wir zusammen aufgewachsen sind und ich sie schon seit ich denken kann kenne. Und ich konnte mir keinen besseren Ehemann für sie wünschen, als Aragorn."
Borondir nickte.
„Der König war gestern hier. Es war das erste Mal, dass ich mit ihm gesprochen habe und ich war wirklich erstaunt von ihm. Man merkt, dass er lange Zeit bei den Elben gelebt hat."
„Vor allem..."
Amila wollte etwas entgegnen, doch in diesem Augenblick wurde die Tür aufgestoßen und der Düsterwaldprinz trat ein.
Amila erhob sich von der Bettkante und zog empört die Augenbrauen in die Höhe.
„Legolas!" Borondir zeigte sich erfreut über den unerwarteten Besuch, doch Amila überhörte dies und stemmte wütend ihre Arme in die Seite.
„Vielleicht ist ein Prinz ja zu Höherem geboren", brauste sie wütend auf, „aber er sollte doch wenigstens gelernt haben, an eine Tür anzuklopfen und nicht einfach einzutreten. Euer Freund ist krank und braucht Ruhe, da ist es nicht sehr förderlich für seine Gesundheit, mit der Tür ins Haus zu fallen. Wenn es Euch also nichts ausmacht, verehrte Majestät, schließen Sie bitte wieder die Tür und warten draußen!"
Legolas sah sie vollkommen verblüfft an. Er war so in Gedanken versunken gewesen, dass er das Anklopfen vollkommen vergessen hatte. Dennoch startete er keinerlei Versuch sich zu rechtfertigen, sondern drehte sich einfach um und schloss die Tür wieder hinter sich.
Diese scharfe Stimme ließ wahrlich keinerlei Widerspruch zu, obwohl er schon etwas erstaunt über die Heftigkeit der Worte war. Die Frau hatte ihn erkannt, daran bestand kein Zweifel, doch es war sehr ungewohnt von jemandem zurecht gewiesen zu werden, wenn man doch sonst immer im Mittelpunkt aller stand. Nicht das es Legolas gefallen hätte, stets und ständig von allen ehrfürchtig angestarrt zu werden, vor allem von den weiblichen Lebewesen, doch hatte er sich im Laufe der Jahre wahrscheinlich einfach zu sehr daran gewöhnt.
Währendessen Legolas vor der Tür wartend seinen Gedanken nachhing, war es nun an Borondir Amila mit großen Augen anzublicken.
Er sah nicht verärgert aus, dass sie seinen Besuch vor die Tür gesetzt hatte, viel mehr zuckten seine Mundwinkel sehr stark und er musste sich zusammenreißen um nicht laut zu lachen.
„Was ist?", fragte Amila, als sie bemerkte, dass er sie beobachtete. Sie war wieder dazu übergegangen den neuen Verband weiter um das Bein des Elben zu wickeln und schien dem Zusammentreffen mit Legolas keine größere Beachtung zu schenken.
„Geht Ihr immer so mit Prinzen um?", fragte Borondir.
„Es spielt doch keine Rolle, wer er ist. Fakt ist, dass er durch die Tür in ein Krankenzimmer stürmt und hier in den Häusern bei jedem Besuch ein ziemlich großes Aufsehen erregt, wodurch sich die Verheilung der Verletzungen bei manchen Patienten nicht unbedingt erhöht."
„Er erregt großes Aufsehen?" Borondirs Neugier war geweckt.
„Ihr müsstet die jungen Mädchen sehen. Alle laufen sie immer verträumt in die falsche Richtung, weil ein gewisser Prinz Euch gerade einen Besuch abgestattet hat."
Der Elb lachte schallend, konnte er sich doch lebhaft ein Bild von den jungen Damen machen.
„Ist das wirklich so schlimm?"
Er lachte noch mehr, als er Amila statt ihm eine Antwort zu geben nur mit den Augen rollen sah.
„Aber ich glaube es tut ihm gut.", sagte Borondir nach einer Weile, als er sich wieder halbwegs unter Kontrolle hatte.
„Was? Das ihn alle anstarren?", fragte die Elbe bissig.
„Nein, wie Ihr ihn vor die Tür gesetzt habt."
„Ihm sagt ja wahrscheinlich sonst keiner was.", meinte die Elbe, doch Borondir widersprach. „Ihr dürft nicht glauben Legolas wäre ein überheblicher Prinz und stolz auf seine Situation."
Amila schnaubte ungläubig.
„Nein wirklich, wenn es eine Möglichkeit geben würde, seinen Titel abzugeben, dann würde er es ohne zu zögern tun und irgendwo als Einsiedler leben, um den ganzen euphorischen Eroberungsversuchen der Damenwelt zu entgehen."
Jetzt war es an Amila zu lachen.
„Verzeiht, aber das glaube ich Euch beim besten Willen nicht."
Borondir seufzte tief. „Ja, das habe ich befürchtet."
Die Sonne hatte nun ihren höchsten Punkt erreicht und es herrschte eine fast schon unerträgliche Hitze in der Stadt. Für einen Tag mitten im Frühling war dies eher ungewöhnlich. Hinzu kam, dass es seit mehreren Tagen nicht mehr ausreichend geregnet hatte, sodass sich teilweise lange Menschenschlangen vor den Brunnen bildeten.
Zu dieser Mittagshitze lief Amila mit einem großen Korb durch die Gassen. Zwar machte ihr die Hitze ebenso zu schaffen, wie den übrigen Bewohnern von Minas Tirith, doch hatte sie Pflichten, die sie erfüllen musste.
Sie war auf dem Weg zu einem Waisenhaus, in dem sie schon seit Beginn ihres Umzuges in die Hauptstadt Gondors half.
In dem Haus lebten hauptsächlich Kinder, deren Eltern bei den Ringkriegen ums Leben gekommen waren und die jetzt dort ihr neues Zuhause gefunden hatten, bis sie alt genug wären um eigenständig zu leben.
Amila kümmerte sich rührend um die Kleinen und unterstützte so die Leiterin, eine liebenswerte, pummelige Frau, die ohne ihre Hilfe die Kinder wohl kaum unter Kontrolle hätte halten können. Dennoch gab es, verbunden durch ihr gemeinsames Schicksal, seit Beginn einen großen Zusammenhalt unter den dreißig Kindern, die wie Geschwister miteinander umgingen und sich so gemeinsam durch ihr Leben schlugen.
Das große Haus mit einem kleinen Kräutergarten im Hinterhof hatte man extra für die Kinder umgebaut, da der junge König sehr von der Idee eines Waisenhauses angetan gewesen war.
Amila betrat das Haus durch die weit geöffnete Tür, aus der laute Stimmen hinaus auf die Straße schallten.
Neugierig ging die Elbe in die Küche, um dort Mora Lunedín, die Leiterin und einen jungen Mann anzutreffen, die offenbar seit einer Weile, nach ihren Gesichtsausdrücken zu urteilen, heftig miteinander diskutiert hatten.
In Moras Stimme schwang Entsetzen mit, als sie sagte: „Das kannst du nicht machen, Tonda!"
Der Angesprochene, ein etwa zwanzigjähriger junger Mann funkelte sie wütend an.
„Sag mir nicht, was ich kann und was nicht!", brauste er auf, „Das ist mein Leben und ich mache damit was ich für richtig halte!"
„Aber das ist einfach wahnwitzig! Wie soll das funktionieren?" Mora rang hilflos mit den Händen. Beide hatten Amila noch nicht bemerkt, die das Geschehen aus sicherer Entfernung heraus verfolgte.
„Lass das nur meine Sorge sein! Du brauchst dich nicht ständig in mein Leben einzumischen, du bist nicht meine Mutter!" Den letzten Satz hatte Tonda ihr förmlich ins Gesicht geschrieen, ehe er auf dem Absatz kehrt machte und wütend aus der Küche stürmte, ohne Amila zu bemerken, die immer noch am Türrahmen lehnte..
Mora seufzte lang und breit, ehe sie letztendlich Amila wahr nahm.
„Amila, schön das du da bist!", versuchte sie erheitert zu klingen, doch es klang nicht sehr fröhlich.
„Was ist denn mit unserem Tonda passiert?", fragte Amila verwundert, während sie ihren Korb auf den großen Eichentisch in der Mitte der Küche stellte, „So wütend war er ja lange nicht mehr. Hat es wieder einen Streit zwischen ihm und Marrow gegeben?"
„Ach", Mora klang verzweifelt, „Wenn es doch bloß wieder einer dieser harmlosen Streits gewesen wäre, aber der Junge hat sich einen furchtbaren Vorsatz genommen: Er will bei dem anstehenden Turnier gegen einen Elben kämpfen!"
Mora ließ sich müde auf einen Küchenstuhl sinken, während Amila sie mit hochgezogenen Augenbrauen ansah.
„Tonda will was machen? Auf dem Turnier beim anstehenden Fest zu Ehren vom Prinzen? Vom Prinzen, der noch nicht einmal geboren ist und man nicht weiß, ob es vielleicht doch eine Prinzessin wird?"
Mora nickte nur stumm, während Amila ungläubig ihren Kopf schüttelte.
„Seit wann plant Tonda so lange im Voraus?", merkte die Elbe trocken an.
„Aber Amila, darum geht es doch nicht. Er will es mit einem Elben, einem waschechten Elben aufnehmen und er hat sich in den Kopf gesetzt unter allen Umständen zu gewinnen!"
Amila sah ihrer Freundin fest in die Augen. „Aber du weißt doch, dass er es niemals schafft gegen einen Elben zu gewinnen! Das weißt du so gut wie ich. Er hat ja noch nicht einmal mich im Bogenschießen übertroffen."
„Aber das ist es ja gerade!" Mora hob verzweifelt die Hände in die Höhe. „Er will beweisen, dass er nicht irgendein Schwächling ist, sondern ein richtiger Mann und kein kleiner Junge, der es im Kampf nicht weit bringt."
Nun schüttelte auch Amila ihren Kopf. Sie kannte Tonda sehr gut. Er gehörte mit zu den Älteren in der Gruppe und er hatte noch eine kleine Schwester, Elanor, um die er sich rührend sorgte. Beide Geschwister waren Amila besonders ans Herz gewachsen. Der hitzige Tonda und seine siebenjährige Schwester waren unter den anderen sehr beliebt und hatten beide Eltern kurz hintereinander verloren.
„Was ist das eigentlich für ein Turnier?", fragte die Elbe, die noch nichts näheres über ein solches erfahren hatte.
„Eigentlich soll es bloß für Menschen und nicht für die Elben sein. Ich meine, wer zweifelt schon an den Kampffähigkeiten der Elben?", Mora lächelte matt, „Sie wollen den besten Schützen und den fähigsten Nahkämpfer küren. Die Gewinner werden in die königliche Garde mit aufgenommen. Der König hat die Regeln heute Morgen verkünden lassen."
„Aber man weiß doch noch gar nicht, wann das Fest stattfinden wird.", merkte Amila an.
„Amila, du musst doch mit am besten über die Schwangerschaft der Königin informiert sein und wie du letzte Woche gesagt hast, befindet sie sich ein bis zwei Wochen vor der Geburt."
„Aber du vergisst immer noch, dass zu dem Turnier keine Elben zugelassen werden, wie du selbst gesagt hast.", versuchte Amila sie zu beruhigen, „Und wer von den Elben lässt sich zu so etwas hinreißen? Ich kann mir keinen denken, der nicht sofort bemerkt, dass Tonda ihm nicht gewachsen ist."
Mora nickte, doch war sie immer noch besorgt. „Ich hoffe du behältst Recht. Doch wie ich Tonda kenne, wird er alles versuchen um sein Ziel zu erreichen. Ich bete zu den Göttern, dass er sich noch umstimmen lässt."
In diesem Augenblick kam ein kleines Mädchen in die Küche gerannt, lief schnurstracks auf die Elbe zu und warf sich Amila um den Hals.
„Hey, nicht so stürmisch, Elanor!", versuchte diese sich zu wehren, doch war sie schon in einer festen Umarmung des Kindes gefangen. Das Mädchen besaß lange, blonde Locken, die ihr ein engelsgleiches Aussehen verliehen. Trotz ihrer erst sieben Jahre, besaßen ihre Augen eine ungeheure Tiefe, die ein Mensch normalerweise nicht zu haben pflegte. Auch der Name des Mädchens fand sich eher nicht unter denen der Menschen, weshalb die Kleine, zum Missmut Amilas, oftmals von Spielen ausgeschlossen und von anderen gehänselt wurde. Nicht von den anderen Waisenkindern, sondern von den Kindern aus der Stadt.
„Ich dachte schon, du hast uns ganz vergessen." Elanors Stimmt klang sehr vorwurfsvoll.
„Ich hatte doch so viel im Schloss zu tun, meine Kleine.", versuchte Amila es ihr zu erklären, während sie ihr sanft über den blonden Schopf strich.
„Ich hab es dir doch auch erzählt, Elanor.", warf Mora ein, die immer noch ein wenig abwesend auf ihrem Stuhl saß.
„Aber ich will die Geschichte noch einmal von Amila hören!"
Die Elbe lächelte. Für Tondas Schwester war es das Größte Geschichten erzählt zu bekommen, doch seit der Ankunft der Elben war Amila sie nicht mehr besuchen gewesen. Mora hatte dem Kind wahrscheinlich alles erzählt, was sie wusste, doch hielten sich in der ganzen Stadt hartnäckige Gerüchte von einer neuen dunklen Verschwörung und Biestern, schlimmer noch als Orks, die die Elben angeblich angegriffen hatten.
So begann die Elbe zu erzählen, was sie wusste und Elanor hing ihr an den Lippen, ebenso wie Mora. Es wurde eine lange Geschichte, zumal sie mehrere Male von vorne beginnen musste, da immer mehr Kinder in die Küche kamen und den Anfang auf keinen Fall verpassen wollten.
Als Amila geendet hatte, blickten sie zwölf große Kinderaugen an und Mora, die ebenso aufmerksam dem Bericht gelauscht hatte, fragte: „Sind die Späher, die der König ausgeschickt hat schon wieder zurück?"
Amila musste verneinen. Aragorn hatte zwar sofort nach dem Eintreffen der Elben einen kleinen Trupp entsendet, doch hatten sie noch nichts von ihnen gehört, was ein weiterer Grund zur Beunruhigung war.
„Aber der König wartet jede Stunde auf ihre Rückkehr."
„Stimmt es, dass es nicht Orks sondern Uruk-Hais waren, die die Gruppe überfallen haben?", wollte ein etwa dreizehnjähriger Junge wissen.
„Ich habe keine Ahnung.", musste Amila zugeben, „Aber ich gehe davon aus, dass es sich nur um eine kleine Gruppe Orks gehandelt hat, die von den Elben überrascht wurden und deshalb zu den Waffen gegriffen haben."
„Und der Düsterwaldprinz war wirklich gar nicht verletzt?" , fragten nun ein kleines Mädchen und ein Junge fast gleichzeitig.
Amila bestätigte dies mit einem Nicken. Sie war immer wieder erstaunt darüber, wie viel Faszination die Elben auf die Kinder ausübten. Über die Tatsache, dass Gimli Gloinssohn verarztet werden musste waren sie nicht annähernd so erschüttert, wie über die Verwundungen von Legolas' Hauptmann und gutem Freund Borondir, der immer noch in den Häusern der Heilung lag und den sie heute Morgen besucht hatte. Auch diesen Krankenbesuch hatte sie in allen Einzelheiten schildern müssen und Mora war entsetzt gewesen über die Art, wie sie den Düsterwaldprinzen aus dem Zimmer geworfen hatte.
„Das kannst du doch nicht machen!", sagte sie eine Weile später noch einmal, als die Kinder zum Spielen auf den Hof gegangen waren und sich die beiden Frauen nun allein in der Küche unterhielten.
„Warum denn nicht? Er ist förmlich mit der Tür ins Haus gefallen und alle sind sowieso immer völlig aufgeregt, nachdem er seinem Freund einen Besuch abgestattet hat."
„Man kann es den Mädchen doch aber wohl kaum verübeln. Wie man hört, kann er sich über sein Aussehen wahrhaftig nicht beklagen."
Amila schnaubte, während sie nun endlich dazu kam, den Korb mit ihren Einkäufen auszupacken und Mora mit bei der Zubereitung des Abendessens zu helfen.
„Ich kann mir schon lebhaft den Charakter zu seinem Äußeren vorstellen. Nur um dir mal ein paar Eigenschaften zu nennen, die mit Sicherheit auf ihn zutreffen: arrogant, egoistisch, befehlerisch, selbstverliebt, empfindlich – im Großen und Ganzen ein selbstgefälliges Weichei von einem Prinzen, der glaubt die Welt läge ihm zu Füßen."
„Ach Amila", Mora schüttelte amüsiert ihren Kopf, „So eine genaue Analyse seiner Person wollte ich gar nicht wissen..." Doch ein wenig ernster fügte sie hinzu: „Mein Gott Kind, du kennst ihn doch gar nicht! Wie kannst du dir denn so sicher sein? Vielleicht ist er ganz anders? Möglicherweise ist er der Mann deiner Träume!"
Amila sah sie skeptisch an.
„Was soll das denn heißen? Hast du jetzt auch vor mich zu verkuppeln? Hast du dich vielleicht sogar mit dem König verbündet?"
Mora errötete leicht und wandte sich wieder ihren zu schälenden Kartoffeln zu.
„Ich glaub es ja nicht! Du sprichst mit Aragorn über mich und..."
„Nicht mit dem König!", unterbrach sie Mora rasch, „Ich würde doch nie mit dem König über so etwas sprechen, Amila!"
„Aber mit der Königin, nicht wahr?", fragte diese und die geröteten Wangen ihrer Freundin gaben ihr ausreichend Antwort.
Ja, sie hätte auch gleich darauf kommen können. Mora verstand sich mit Arwen fast ebenso gut wie sie, denn ihre Freundin hatte einige Zeit als Begleiterin der Königin mit im Schloss gelebt. Dort hatte sie auch Amila kennen gelernt, doch da sie nun in der Stadt lebte, wussten nur wenige um die ehrwürdige ehemalige Anstellung von Mora im Schloss.
„Arwen findet auch, dass du endlich einen Mann an deiner Seite haben solltest. Amila, auf Dauer bist du doch hier nicht glücklich!"
„Ich bin glücklich!", widersprach die Elbe heftig, „Ich habe hier die Kinder, um die ich mich liebend gerne kümmere, habe zwei großartige Freundinnen und ich kann meine Fähigkeiten in der Heilkunst noch weiter ausbauen. Ich brauche keinen Mann! Ich habe hier alles..."
„So kannst du doch auf Dauer nicht glücklich sein! Du wolltest doch schon immer eine eigene Familie. Du kannst doch nicht dein ganzes Leben so verbringen wie bisher!"
Amila seufzte.
„Warum versteht ihr nicht, dass ich hier zufrieden bin? Ich möchte im Moment niemanden an meiner Seite haben. Und außerdem, wer sollte es denn sein? Es tut mir Leid, wenn ich das so offen sage, aber die Männer hier in der Stadt entsprechen nicht unbedingt meinen Vorstellungen." Amila fröstelte beim Gedanken an die rauen Männer der Stadt. „Wie könnte ich mit einem von ihnen zusammenleben, für den es das schönste ist, nach der Abend in eine Schänke zu gehen und sich einen anzutrinken?"
„Ich habe nicht behauptet, dass du einen Mann aus Minas Tirith nehmen sollst. Doch es gibt einige Elben, die seit Ende des Ringkrieges hier leben und ein Auge auf dich geworfen haben."
Amila schien erstaunt. „Woher willst du das wissen?"
Mora lächelte warm. „Ich sehe sie dir heimlich Blicke hinterher werfen und gestern war einer hier und hat nach dir gefragt."
Amila schüttelte ihren Kopf.
„Ich bin glücklich, Mora, wirklich.", verlieh sie ihren Worten noch einmal Nachdruck.
Die Frau nickte. Es hatte wenig Sinn weiter herumzustochern, zumal sie in der Hinsicht einfach viel zu stur war. Sie hatten schon oft über dieses Thema diskutiert und sie hätte auch nicht wieder damit angefangen, hätte die Königin sie nicht erneut darauf angesprochen.
Eine Weile schwiegen die beiden Frauen, ehe Mora die Stille durchbrach.
„Findet heute Abend nicht das Festessen statt? Zur Begrüßung der Elben?"
Amila ließ erschrocken das Messer, welches sie eben noch zum Kartoffelnschälen verwendet hatte, fallen. „Oh, wie spät ist es, Mora?"
„Ich schätze es sind noch zwei Stunden bis Sonnenuntergang und zum Beginn des Essens."
„Ich dachte es wäre erst morgen! Am liebsten würde ich einfach nicht hingehen."
Mora nickte verständnisvoll. Solche Feierlichkeiten waren für Amila immer das leibhaftig gewordene Grauen. Sie hasste es, zwischen den ganzen fein betuchten Frauen der Reichen zu sein und sich über den neuesten Klatsch zu unterhalten.
„Aber du kannst dich leider nicht immer davor drücken. Du hast schon das letzte Fest ausfallen lassen." Amila nickte bedauernd. „Geh einfach mir zuliebe hin und erzähl mir danach wieder, wie schrecklich sich Sabya aufgeführt hat.", meinte Mora und brachte Amila damit zum Lachen.
„Weißt du noch, als sie sich aufgeregt hat, als man ihr Salz in den Wein gekippt hat?" Mora lachte immer mehr, als Amila weitererzählte. „Doch es hatte sich dann als Abführmittel entpuppt, wodurch sie den restlichen Abend und die nächsten Tage leider nicht an den vielen sinnvollen Gesprächen ihrer Freundinnen teilnehmen konnte."
„Ja, und weißt du noch, was sie getan hat als sie herausbekommen hatte, dass du der Übeltäter warst?", fragte Mora Amila, die sich, als sie sich den Gesichtsausdruck Sabyas wieder in Erinnerung riefen, beide vor Lachen die Tränen aus den Augen wischen mussten.
„Sie wollte dir in der Küche eins mit der Bratpfanne überziehen, aber statt dir kam der Hauptmann der königlichen Garde durch die Tür!"
Beide mussten nach Luft schnappen, als sie das um Entschuldigung heischende Gestammel Sabyas wieder im Kopf hatten.
‚Oh, mein Herr, es tut mir entsetzlich Leid, ich dachte... ich meine... ich wollte... ich... ach herrje...'
„So, und nun beeil dich!", meinte Mora zu Amila gewandt, „Sonst kommst du noch zu spät und den Auftritt Sabyas zu verpassen wäre schließlich eine Katastrophe!"
Das Ende hab ich ziemlich oft umgeschrieben, aber irgendwie ist es immer noch nicht so geworden, wie ich es gerne haben wollte... Die vielen Personen sind glaube auch etwas verwirrend, aber ich verspreche euch, dass in den nächsten Kapiteln nicht mehr so viele neue Charaktere vorkommen werden.. sonst verliert man ja den Überblick und ich hasse Geschichten, in denen man am Ende überhaupt nicht mehr weiß, wer hier wer ist...
Naja, wie auch immer, ich hoffe, dass ich mit dem nächsten Kapitel nicht so lange brauchen werde. Ein kleiner Kommentar von euch würde das Ganze vielleicht sogar ein bisschen beschleunigen ;o)
