Disclaimer: Alles aus dem "Herrn der Ringe" gehört J.R.R.Tolkien. Geld wird mit der Story nicht verdient.

Amarie - Dankeschön für das Lob ;o) Ich freu mich da immer riesig drüber. Und ich hoffe, dass dir dieses Kapitel gefällt. Ich hab es ziemlich oft umgeschrieben, aber die beiden bewegen sich nun doch mehr aufeinander zu. Aber ich will ja eigentlich nichts verraten :o)

A/N: Ich fange langsam an mich unter die Romantiker zu begeben...

°°°°°

Kapitel 8

Einige Gespräche

Der nächste Morgen erstrahlte im schönsten Sonnenschein, der Himmel war wolkenlos und eine angenehme Wärme lag über dem kleinen Dorf. Der Wind blies sanft aus dem Süden und brachte eine leicht salzige Luft vom Meer mit.

Amila stand, mit Elanor auf dem Arm, mitten auf dem kleinen Dorfplatz. Fast sämtliche Dorfbewohner hatten sich in der Dorfmitte versammelt und bildeten einen Kreis um zwei Personen, die sich mit einem Schwert und einem Stock gegenüberstanden.

Amila befand sich zusammen mit Gimli unter den Zuschauern, die immer wieder in bewundernde Ausrufe oder in lautes Gelächter ausbrachen.

Die Menschen konnten ihren Blick nicht von dem Elb mit seinen anmutigen Bewegungen lösen. Obwohl er selbst nur einen Stock schwang, führte er diesen mit einer unheimlichen Eleganz, die eine absolute kämpferische Perfektion verkörperte und seine Hiebe kamen kräftig und zielgerichtet. Vor allem die Damen bedachten jenen Elb mit geradezu verzückten Blicken. Dagegen sah die dünne Gestalt des jungen Mannes, dem der Elb gerade vom Boden aufhalf, einfach armselig aus, zumal er keinerlei Chance gegen den Vertreter des Schönen Volkes zu haben schien. Er konnte kaum dessen Schläge parieren, obwohl ihm der Elb diese immer mit „links" oder „rechts" ankündigte.

Amila seufzte. Es sah wirklich armselig aus, was der junge Mann hier ablieferte. Denn obwohl er sich bemühte und der Elb seine Hiebe wirklich sehr langsam ausführte, hatte der Junge sichtlich mit seiner Koordination zu kämpfen. Vor allem hielt er ja ein Schwert in den Händen, während der Elb sich nur mit einem Stock zur Wehr setzte. Dennoch war es ein sehr ungleicher Kampf.

Amila erinnerte sich an gestern Abend…

°

„Ich will doch nur, dass du mir eine Frage beantwortest, Tonda!", versuchte es Amila erneut.

„Und ich hab dir doch schon gesagt, dass ich das nicht tun werde! Ich bin kein kleines Kind mehr, Amila!"

„Aber du verhältst dich wie eins!" Die Elbe hatte Mühe ihre Stimme unter Kontrolle zu halten. Es war einfach zum Verzweifeln mit dem Jungen.

„Es bringt uns auch nicht weiter, wenn ihr euch gegenseitig anschreit.", mischte sich nun Gimli mit ins Gespräch. Auch er saß mit Legolas am Tisch in der Gaststube. Gimli hatte sich eine Pfeife angezündet und lauschte interessiert dem Gespräch zwischen Amila und Tonda. Legolas und sie waren erst vor ein paar Minuten heruntergekommen und die Elbe hatte seitdem versucht Tondas Beweggründe für die Flucht herauszufinden. Doch er war einfach stur, eine Eigenschaft die auch Amila besaß und beide sich wahrscheinlich deshalb gegenseitig im Wege standen, um auf eine gemeinsame Basis zu kommen.

„Vielleicht würde es auch dir helfen, wenn du einfach erzählen würdest, was dich aus Minas Trith getrieben hat.", meinte Legolas vorsichtig, „Vielleicht können wir dann eine Lösung für alles finden?"

Tonda schnaubte. „Da gibt es keine Lösung."

„Tonda, bitte!"

Er schaute Amila düster an und eine Zeit lang herrschte Schweigen am Tisch.

„Ich habe einfach alles satt gehabt.", sagte Tonda leise.

„Was heißt ‚alles'?", fragte ihn Amila ruhig.

„Na, das ganze Leben im Waisenhaus, dieser ganze Betrieb und Mora mit ihrer blöden Art einen dauernd zu bemuttern!" Tonda wurde immer lauter. „Es ist wirklich furchtbar, ihr könnt euch das alle ja gar nicht vorstellen wie es ist, ständig von jemandem überwacht zu werden. Jedem Schritt, den man allein macht, folgt eine Moralpredigt, dass man doch hätte vorher Bescheid geben sollen oder das das einfach nur unsinnig war, was man gemacht hat. Ich kann überhaupt gar nichts selbst entscheiden."

Er holte Luft. Keiner am Tisch unterbrach ihn. In Tonda hatte sich wohl alles schon seit geraumer Zeit angestaut und jetzt war der Zeitpunkt gekommen, wo alles aus ihm heraus brach.

„Wenn ich mit anderen in meinem Alter etwas zu tun habe, dann komm ich mir immer vollkommen dämlich vor. Sie erzählen von ihrer Arbeit und was sie doch alles Schönes unternehmen und wie viel Spaß doch alle haben. Und was mache ich? Ich arbeite ein paar Stunden am Tag in einer Gerberei, wo sie einen auch nur abfällig behandeln, weil man ja keine Eltern mehr hat und dann verbringe ich jeden Abend im Haus." Tonda begann sich richtig in Rage zu reden. „Ich will etwas Eigenes machen, eigene Entscheidungen treffen was gut oder was schlecht ist und mir nicht von jedem alles abnehmen lassen. Es nimmt einen überhaupt keiner für voll!"

Amila nutzte seine Pause zum Luftholen, um auch einmal zu Wort zu kommen.

„Aber warum hast du Elanor mitgenommen?"

„Hätte ich etwa meine Schwester ganz allein zurücklassen sollen? Ich bin das einzige Stück Familie, was ihr noch geblieben ist!"

„Aber sie ist krank!", entgegnete Amila hartnäckig.

„Was hätte ich denn tun sollen? Ich hätte es keinen Tag länger mehr aushalten können!"

Amila seufzte. In dieser Richtung brauchte sie wohl nicht mehr weiter stochern.

„Was würdest du denn gerne machen wollen?", fragte sie ihn stattdessen, um das Gespräch auf seine weitere Zukunft zu lenken.

Tonda erwiderte erst einmal nichts. Ihre Frage hatte ihn ein wenig aus dem Konzept gebracht. Er hatte nicht erwartet, dass sie so reagieren würde, sondern dachte sie würde ihn, wie Mora es tun würde, zurechtweisen und ihm aufzählen wie gut er es doch im Waisenhaus hatte. Doch sie tat es nicht.

„Ich…", begann er zögerlich, „Ich will bei diesem Turnier teilnehmen. Nicht unbedingt um zu gewinnen, sondern sie treffen dort die Auswahl für die nächsten Auszubildenden für die gondorianische Armee und die königliche Leibgarde…"

„Tonda!" Amila musste ihn unterbrechen. „Du willst Krieger werden? Weißt du, was das heißt?"

„Mein Vater ist im Ringkrieg gestorben, du kannst mir glauben, dass ich das weiß!", entgegnete er erbost.

„So hat sie es nicht gemeint.", schaltete sich nun Legolas in das Gespräch mit ein.

„Nein, wie denn dann?", fragte Tonda gereizt.

„Ich bin mir sicher, dass Lady Amila eher die enorme Verantwortung und die Grausamkeiten, die dich unweigerlich erwarten, gemeint hat."

Amila sah erstaunt zu Legolas. Es überraschte sie, dass er für sie Partei ergriff.

„Wenn du diesen Weg wählst, musst du dir deiner Sache wirklich ganz sicher sein", fuhr Legolas fort, „Wenn du diese Laufbahn einmal einschlägst gibt es keinen Weg mehr zurück und du wirst für den Rest deines Lebens ein Krieger bleiben. Du wirst das Leid, welches du siehst und du selbst auch anderen Menschen zwangsläufig antun musst, nie vergessen, solange du lebst. Es wird dich immer begleiten."

Gimli, der das Gespräch bisher eher teilnahmslos mit einer Pfeife im Mund verfolgt hatte, nickte.

„Legolas hat Recht. Ich glaube da stehen wir dir sogar als lebendes Beispiel zur Verfügung. Aber sag, hast du Erfahrung im Umgang mit Waffen?"

Tonda blickte auf den Tisch. Zögerlich schüttelte er seinen Kopf. Nein, Erfahrung konnte man seine heimlichen Übungsversuche mit einem Stock auf dem Hinterhof wohl nicht nennen.

„Das dachte ich mir.", sagte Gimli. „Und du willst in vier Tagen, beim Fest, wirklich in die Auswahl für die gondorianische Armee kommen? Nun, da hast du ja noch ziemlich viel vor dir."

„Tonda, bist du dir ganz sicher, dass du diesen Weg einschlagen willst?", fragte Amila vorsichtig. Sie wollte ihn nicht schon wieder reizen.

Der Junge nickte schwach.

„Aber es ist unmöglich.", gestand er sich selbst mit einem Seufzer ein. „Ich habe ja noch nie ein richtiges Schwert in der Hand gehalten."

„Nun, dann müssen wir daran wohl schnellstmöglich etwas ändern." Alle drei sahen Gimli erstaunt an.

„Also, ich wüsste da jemanden, der ein ausgezeichneter Lehrer für dich wäre.", fuhr er an Tonda gerichtet fort, „Und ich bin eigentlich ziemlich zuversichtlich, dass dieser dich in den vier Tagen, die dir noch bis zum Turnier bleiben, so weit hinkriegen wird, dass du zumindest erst einmal in die engere Auswahl für die Aufnahme in die Armee kommst. Mit ein bisschen Einsatz deinerseits schaffst du es dann bestimmt sogar ein richtig guter Krieger zu werden."

„Und wer soll dieser ‚Wunderlehrer' sein?", fragte Amila.

Gimli grinste.

„Er sitzt neben Euch."

Legolas sah seinen Freund mit großen Augen an, doch ehe er etwas sagen konnte, hatte Gimli schon das Wort ergriffen.

„Ach komm, Legolas! Du bist wirklich der beste Kämpfer weit und breit und ich bin mir ganz sicher, dass du dem Jungen in der kurzen Zeit die wichtigsten Kenntnisse vermitteln kannst."

„Gimli, es sind nur vier Tage!", warf Legolas ein. „Warum probierst du es eigentlich nicht selbst? Warum ich? Ich bin mit Sicherheit kein guter Lehrer, ich habe noch nie jemanden ausgebildet."

„Na dann wird es aber Zeit!" Gimlis Grinsen wurde noch eine Spur breiter. „Ich kann das nicht machen. Nichts gegen dich Tonda, aber ich bin einfach zu ungeduldig, wenn es um das Kämpfen geht und deshalb wäre ich wohl kein guter Lehrer. Die Ungeduldigkeit ist ein Laster der Zwerge, nehme ich an."

Legolas seufzte und sah zu Tonda. Er konnte förmlich die Aufregung des jungen Mannes vor ihm spüren. An ihm hing jetzt förmlich seine gesamte Zukunft. Dieser Gedanke gefiel Legolas überhaupt nicht. Er war mit Sicherheit ein miserabler Lehrer und so sehr geduldig war auch er nicht.

„Wir können es ja versuchen.", sagte er schließlich und er sah Tonda zum ersten Mal lächeln.

°

Die Menge um Amila herum brach in lautes Gelächter aus und riss sie so aus ihren Gedanken an den gestrigen Abend.

Tonda war eben wieder hingefallen und das Traurige daran war, dass er jedes Mal über seine eigenen Füße stolperte.

„Du musst dich besser konzentrieren!", wies ihn Legolas zurecht und zog ihn erneut aus dem Staub.

„Das ist bei den ganzen Leuten hier nicht unbedingt einfach.", sagte Tonda zähneknirschend.

„Daran wirst du dich wohl oder übel gewöhnen müssen.", entgegnete ihm Legolas achselzuckend. „Bist du bereit weiter zu machen?"

Tonda nickte und stellte sich wieder in Position.

Legolas holte erneut aus. „Links", rief er und Tonda fing den Hieb mit dem Schwert ab. „Gut!" „Oben", war die nächste Anweisung und auch diesmal schaffte es Tonda den Hieb zu parieren.

„Rechts."

Wieder war das plumpsende Geräusch zu hören, als der Junge sich erneut in den Staub fallen ließ und die Menge wieder zu Lachsalven anhob.

„Warum fällt Tonda so oft in den Dreck?", fragte eine Kinderstimme an Amilas Ohr. Die Elbe wandte sich seufzend an Elanor: „Er muss den Umgang mit dem Schwert erst noch lernen, da muss dein Bruder noch lange üben, damit er nicht mehr so oft hinfällt."

Amila hatte sich von Tonda breitschlagen lassen noch einen Tag länger in Loda zuzubringen, um schon einmal die ersten Übungsstunden zu absolvieren. Sie hatte das erst heute Morgen entschieden, denn sie wollte sehen, wie es Elanor heute ging. Der Zustand der Kleinen hatte sich nicht verschlechtert, aber auch nicht wesentlich verbessert. Das Fieber war durch Amilas Kräuter ein wenig gesunken, doch fühlte sie sich noch immer sehr schlapp und sah ziemlich müde und von den gesamten Ereignissen des gestrigen Tages sehr mitgenommen aus.

Amila richtete ihr Augenmerk wieder auf den Kampf vor sich. Legolas entpuppte sich wirklich als ein sehr guter Lehrer. Er war streng, aber dennoch sehr geduldig mit seinem Schüler. Seine Zurechtweisungen waren zwar immer sehr direkt, aber niemals verletzend, was Amila sehr zu schätzen wusste. Es gab in Minas Tirith viele Lehrer der Schwert- und Kampfeskunst, doch waren viele mürrisch und gaben sich nicht halb so viel Mühe wie Legolas hier mit Tonda. Ein Lehrer in der Stadt hätte es vermutlich auch schon längst aufgegeben dem Jungen irgendetwas beizubringen, denn bisher konnte selbst ein ungeübtes Auge erkennen, dass Tonda keine großen Fortschritte gemacht hatte.

„Ach Junge, pass doch auf!", brummte Gimli neben Amila in seinen Bart.

Die Elbe seufzte auf.

„Er hat noch keine Fortschritte gemacht, richtig?", fragte sie Gimli.

„Nun ja…", antwortete dieser gedehnt, „Man sollte von den ersten Übungen nicht zu viel erwarten. Es hätte ja auch sein können, dass der Junge sich als Naturtalent entpuppt, aber…"

„…dem ist wohl eher nicht so.", beendete Amila seinen Satz.

Gimli nickte. „Aber wie gesagt, es ist erst der Anfang und ich bin mir sicher, dass er sich steigern wird."

Gerade als Amila zu einer Antwort anheben wollte, brach lautes Gekicher zu ihrer Linken aus, und lenkte sie somit von ihrem Gespräch mit Gimli ab. Ein ganzer Haufen junger Mädchen stand an der Seite und alle hatten ihren Blick starr auf Legolas gerichtet. Jedes Mal, wenn er seinen Stock elegant durch die Luft schwang, brachen sie ihn Gekicher aus und tuschelten eifrig miteinander. Jede seiner Bewegungen wurde verfolgt und sie schmachteten ihn mit ihren Blicken geradezu an.

Amila verleierte innerlich die Augen. Das gefiel Legolas sicherlich, so von den Damen angehimmelt zu werden, während er hier seine kämpferischen Fähigkeiten zur Schau stellen konnte.

Einen Wimpernschlag später sah Amila ihre Vermutung auch schon bestätigt: Legolas wandte seinen Kopf zu der Gruppe der Mädchen, als er Tonda wieder auf die Beine half, und lächelte die jungen Frauen an.

Gekreisch brach aus.

Amila wandte sich ab. Sie spürte einen kleinen Stich im Herzen. „Eifersucht?", fragte sie sich selbst. Nein, wohl eher Resignation. Resignation, weil sie Legolas am gestrigen Tag auch anders kennen gelernt hatte, als einen hilfsbereiten, verlässlichen und durchaus auch amüsanten Elben. Sie hatte an die Besserung seines Verhaltens geglaubt, doch jetzt präsentierte er sich wieder als das arrogante Prinzchen, der allen Frauen den Kopf verdrehen konnte, wenn er nur wollte.

Aber gut, sollten sie doch ihren Spaß miteinander haben. Sie musste sich das ja nicht antun.

Sie gab Gimli ein Zeichen, dass sie mit Elanor einen kleinen Spaziergang unternehmen würde und löste sich aus der Menschenmasse.

°°°°°

Gerade beendeten die beiden Elben, Tonda und Gimli ihr Abendmahl. Amila hatte Elanor schon hingelegt, damit sie morgen früh, wenn sie nach Minas Tirith aufbrechen würden, ausgeruht war. Amila wollte keine weitere Verzögerung in Kauf nehmen und so schnell wie möglich wieder in die Stadt reiten.

Tonda räusperte sich und sah Legolas an,

„Könnten wir… ich meine, wenn es Euch nicht zu viele Umstände bereitet… wäre es möglich, dass wir noch ein bisschen üben?", fragte er unsicher.

Bevor Legolas antwortete hatte schon Gimli das Wort ergriffen.

„Weißt du was, ich kann mit dir auch trainieren. Da kann ich dir ein bisschen den Umgang mit einer Axt beibringen und wir können deine Schnelligkeit mal ein bisschen erhöhen."

Tonda nickte begeistert.

„Das wäre toll!"

„Ach, auf einmal Gimli?", fragte Legolas seinen Freund augenzwinkernd. „Sagtest du gestern Abend nicht etwas von der großen Ungeduldigkeit der Zwerge und die damit verbundene Unmöglichkeit Tonda etwas beizubringen?"

„Nun, es ist immer gut mit einer Axt umzugehen.", grinste Gimli, „Dann wünsche ich euch beiden noch einen angenehmen Abend.", sagte Gimli zwinkernd zu Legolas und Amila. Natürlich war dem Zwerg Amilas Verhalten von heute morgen nicht entgangen. Er wusste, warum sie so plötzlich die Flucht ergriffen hatte und interpretierte nun seinen Teil in ihr Verhalten hinein.

„Gimli, sei vorsichtig und mute ihm nicht zuviel zu!", rief Amila den beiden noch hinterher, ehe sie die Gaststube verließen.

Nun saß sie mit Legolas allein am Tisch. Erst jetzt, beim Abendbrot war sie ihm zum ersten Mal seit heute Morgen wieder begegnet. Sie hatte mit Elanor den Tag in der umliegenden Umgebung verbracht, dennoch immer darauf Acht gegeben, dass sie sich nicht zu weit vom Dorf entfernte. Was es mit diesen herumstreunenden Orks auf sich hatte, war auch noch mehr als ungewiss und deshalb galt es besonders vorsichtig zu sein.

Schweigen breitete sich am Tisch aus. Dummerweise saßen sie sich auch noch direkt gegenüber, was Amila jetzt erst richtig bewusst wurde. Das entspannte die ganze Situation nicht wirklich.

„Wie macht er sich?"; fragte sie und riss damit Legolas aus seinen Gedanken.

„Wer?"

„Na, Tonda."

„Ach so… hm…" Er räusperte sich. „Für den Anfang war es schon ganz gut. Er traut sich nur noch zu wenig selbst zu, das ist sein größtes Problem. Aber ich bin mir sicher, dass er sich ganz gut schlagen wird."

„Aber er wird es nicht bis zum Turnier schaffen, richtig?", fragte ihn Amila.

„Er gibt sich große Mühe und ich versuche ihm das Wichtigste beizubringen. Ihr dürft ihn wirklich nicht unterschätzen, Mylady, aber am Ende wird es wohl an ihm hängen, ob er es schafft oder nicht."

Amila nickte.

„Danke, dass Ihr ihn unterrichtet."

„Da gibt es nichts zu danken.", erwiderte er bestimmt.

„Doch, das…", setzte Amila an, doch sie wurde durch ein lautes Räuspern unterbrochen.

Beide sahen überrascht auf. Eine junge Frau stand mit geröteten Wangen vor ihnen und hielt ein Blatt Papier in den Händen.

„Guten Abend, gnädige Dame.", sagte Legolas höflich, auch wenn er sehr überrascht war. Amila starrte sie an. Etwas was sie gar nicht leiden konnte war mitten im Satz unterbrochen zu werden.

Die Frau räusperte sich erneut und begann etwas von ihrem Zettel abzulesen.

„O Prinz Legolas", fing sie an, „ein Elb so mutig und stark wie ein Stier, ein Krieger durch und durch und ein wahrer Held. Ihr seid durch fremde Lande gezogen, von denen sich unsereins nur einen Besuch im Traum erhofft. Wie gern hätte auch ich Rohan, Bruchtal oder gar den Goldenen Wald gesehen!" Sie holte tief Luft, ehe sie fortfuhr: „Ihr habt den Ringkrieg mit ausgefochten und Orks dahingeschlachtet, einen nach dem anderen. O Ihr seid so stark Prinz Legolas…"

Amila sah die Frau ungläubig an. Was sollte das Ganze? Sie sah zu Legolas, der der Frau aufmerksam zuhörte. Sie konnte seinen Gesichtsausdruck nicht deuten, mit dem er sie ansah, doch Ablehnung oder Empören konnte sie darin ganz gewiss nicht finden. Wahrscheinlich fand er an der Aufzählung seiner ganzen „guten Taten" auch noch Gefallen…

„… und seht Euch an! Die Züge eben und rein, blass die Haut und hübsch das Gesicht…"

Die Frau hatte inzwischen ihre Stimme soweit angehoben, dass auch mehrere Personen an den Nachbartischen auf die ungewöhnliche Situation aufmerksam wurden.

„… o mein Prinz, Ihr seid so edel und so tapfer! Immer tut Ihr den Menschen Gutes, nie seid Ihr ärgerlich oder rachsüchtig…"

Langsam begann es Amila zu viel zu werden. Das war ja wirklich langsam nicht mehr schön, vor allem hatten jetzt einige Leute angefangen leise zu kichern.

„… so hört mich denn an: Ich möchte Euch Freude bereiten, einmal die ganzen guten Taten Euch zurückgeben. Lasst mich Euch verwöhnen und…"

„Mylady!"

Amila sah auf. Legolas war aufgestanden und hob beschwichtigend die Hände, um die Frau zum Schweigen zu bringen. Irritiert sah diese von ihrem Blatt auf.

„Gleich wie Euer Angebot auch aussehen mag, ich kann es nicht annehmen und deshalb ist es besser Euch hier schon zu unterbrechen, um Euch irgendwelche Peinlichkeiten zu ersparen…"

„Aber mein Prinz!", fiel ihm die Frau ins Wort, „Ihr könnt mir doch nicht meinen sehnlichsten Wunsch abschlagen. Einen Wunsch, den ich schon immer in mir habe, seit ich lebe! Ich will…"

„Bitte! Mylady!" In Legolas' Hirn arbeitete es. Wie konnte er sich aus dieser dummen Situation befreien? Ihm fiel nur eine Möglichkeit ein, aber konnte er das wagen? Es würde ihn definitiv einen Kopf kürzer machen, dessen war er sich ganz sicher.

„Aber warum denn, mein Prinz?" Und mit diesen Worten warf sie sich Legolas an den Hals. Einige Leute begannen zu lachen. Am liebsten hätte Legolas das auch getan, aber die ganze Sache war ihm schon zu peinlich um noch darüber lachen zu können. So etwas war ihm ja noch nie passiert.

Amila betrachtete die vor ihr ablaufende Szene mit Sprachlosigkeit. Mit so etwas hätte sie nun doch nicht gerechnet. Die Frau bot sich Legolas ja regelrecht an.

Dieser versuchte sich jetzt vorsichtig aus der Umklammerung zu lösen und schob die Frau ein wenig von sich.

„Wie heißt Ihr denn gnädiges Fräulein?", fragte er sie freundlich und ihre Gesichtszüge entspannten sich sichtlich. Anscheinend war sie der festen Annahme Legolas durch Verhalten nun doch überzeugt zu haben.

„Luotha, mein Prinz.", erwiderte sie glücklich.

Amila knirschte mit den Zähnen. Ihr gehauchtes „mein Prinz" konnte sie sich sonst wohin stecken. Es war einfach eine Frechheit, wie diese Frau sich hier aufführte. Als wäre sie Legolas' Mätresse höchstpersönlich!

„Ich werde Euch glücklich machen, mein Prinz!", schob sie noch schnell hinterher, ehe Legolas etwas erwidern konnte.

‚Daran besteht kein Zweifel', dachte er sich im Stillen. Laut aber sagte er: „Nun Luotha, ich muss Euch leider sagen, dass Ihr Euch einen sehr ungünstigen Zeitpunkt ausgesucht habt." Er lächelte sie freundlich an. Er musste jetzt einfach alles auf eine Karte setzen, auch wenn er sich damit wohl alles verscherzen würde.

„Ich verstehe Euch nicht ganz, mein Prinz.", entgegnete Luotha und sah Legolas irritiert an.

Der Elb holte tief Luft. „Ich bin schon verheiratet, Mylady Luotha…" Weiter kam er nicht, denn die Frau brach in Gekreisch aus und auch Amila schenkte Legolas einen überraschten Blick. Er war verheiratet? Wieso hatte ihr das niemand erzählt?

„… und meine Frau sitzt mir gegenüber.", schloss Legolas.

Luothas Kreischen wurde lauter und sie starrte Amila an, deren Überraschung jetzt in vollkommene Sprachlosigkeit umgeschlagen war. Das war doch nicht sein Ernst! Er verkaufte sie hier tatsächlich als seine Ehefrau!

Viele Leute johlten, denn nun war es offensichtlich, dass Luotha eine Abfuhr erhalten hatte.

„Ich glaube, meine Frau hätte starke Einwände gegen Euer Vorhaben, Lady Luotha. Bitte nehmt es nicht persönlich. Wenn Ihr uns dann entschuldigt, Mylady?"

Mit diesen Worten ging Legolas zu Amila, nahm sie bei der Hand und zog sie in Richtung Tür. Er konnte sich das Donnerwetter von ihr schon lebhaft ausmalen, was ihn gleich erwarten würde. Oh mann, wie dumm war er denn sie hier als seine Frau vorzustellen! Er schalt sich in Gedanken selbst für seine Blödheit, denn Amila würde ganz bestimmt alles andere als erfreut reagieren. Es erstaunte ihn sowieso, dass sie noch nicht angefangen hatte ihn anzubrüllen. Noch schlug sie sich ja ganz gut und ließ sich ohne Murren hinter ihm her durch die Abenddämmerung ziehen.

Legolas verlangsamte seine Schritte erst, als sie schon ein gutes Stück zwischen sich und das Wirtshaus gebracht hatten und er sich sicher fühlte, dass diese hysterische Frau ihnen nicht folgen würde. Amilas Hand hatte er noch nicht losgelassen, als er stehen blieb und sich zu ihr umwandte.

„Danke.", sagte er und sah sie an.

Amila sah ihn erstaunt an.

„Wofür?", fragte sie.

„Dass Ihr mir geholfen habt, aus diesem Wirtshaus zu fliehen. Ich sah wirklich keine andere Möglichkeit aus dieser dummen Situation herauszukommen, verzeiht."

Die Elbe nickte nur. Sie wusste selber nicht wie sie sich verhalten sollte. Einerseits fand sie Legolas' Verhalten ihr gegenüber einfach nur dreist, denn das hätte er sich eigentlich wirklich nicht herausnehmen dürfen, sie einfach so als Ausweg vorzuschieben. Aber andererseits fand sie seinen verzweifelten Fluchtversuch schon fast niedlich, aber bei dem Gedanken schreckte sie selber zusammen. Sie fand es ‚niedlich'? Fand sie damit ihn etwa auch ‚niedlich'? Nein, dass konnte ja wohl nicht sein! Da musste sie doch gleich mal wieder die Fronten klären, dass der Kerl auch ja nicht auf andere Gedanken kommen würde! Womöglich dachte er noch, dass ihr das gefallen hatte oder sich geschmeichelt fühlte, dass er sich sie als seine „Ehefrau" ausgesucht hatte.

„Aber ich glaube, jetzt können wir die ‚Ehe' wieder auflösen und Ihr könntet meine Hand wieder loslassen.", sagte Amila ruhig und sah ihn dabei direkt an.

„Natürlich.", murmelte Legolas verlegen und ließ ihre Hand los.

‚Das wäre dann auch geklärt', dachte sich Amila zufrieden.

„Wie wäre es mit einem kleinen Spaziergang?", fragte Legolas um sie noch abzulenken. Noch war er ja von bösartigen Schimpforgien verschont geblieben. Aber wer wusste schon, wie lange der friedliche Schein noch andauern würde?

Amila seufzte.

„Zum Wirtshaus können wir wohl erst einmal nicht zurück. Zumindest nicht, bevor sich dort die Wogen geglättet haben. Also ist Euer Vorschlag mal gar keine so schlechte Idee."

Somit setzten sich beide in Bewegung und steuerten auf den dunklen Waldrand zu. Die Dämmerung wurde allmählich von der Nacht abgelöst, die sich langsam über das Dorf ausbreitete. Den Elben machte die Dunkelheit aber nichts aus, denn sie sahen fast genauso gut wie am Tag.

„Passiert Euch so was eigentlich öfter?", fragte Amila.

„Wie eben im Wirtshaus?", entgegnete Legolas.

„Genau."

„Nein, eher nicht.", antwortete Legolas. „Glücklicherweise, denn das ist ziemlich lästig."

„Aber heute Morgen haben Euch die jungen Damen doch auch gefallen, oder etwa nicht?", fragte Amila mit einer Spur Arroganz in der Stimme.

Legolas sah sie überrascht an. Das Gekicher der Mädchen war also auch ihr aufgefallen? Aber wieso fragte sie ihn jetzt danach? War es ihr unangenehm gewesen?

„Man lernt damit umzugehen.", antwortete er ausweichend.

„Indem Ihr sie anlächelt und ihnen somit Aufmerksamkeit schenkt, die sie in dem Moment doch eigentlich gar nicht verdient haben?"

„Warum wollt Ihr das eigentlich wissen, Mylady?"

Mit dieser Gegenfrage hatte Amila nicht gerechnet.

„Aus reiner Neugierde nehme ich an?", sagte Legolas und die Elbe nickte.

„Dann hättet Ihr aber vorhin auch einen eleganteren Ausweg finden können, Herr Prinz. In Anbetracht Eurer Fähigkeiten war das doch ein eher unfeiner Abgang im Wirtshaus, nicht wahr?", flötete Amila.

„In Anbetracht welcher Fähigkeiten?", fragte Legolas mit hochgezogenen Augenbrauen.

„Einer Dame schöne Augen zu machen."

Legolas war überrascht. Anscheinend hielt sie ihn wirklich für einen überheblichen Tunichtgut, der zu viel Umgang mit Hofdamen hatte. Anfänglich hatte er dieses Bild ja auch verkörpert, das gab er zu, doch die letzten Tage hätten diese Ansicht doch eigentlich ändern müssen.

„Findet Ihr denn, dass ich einer Dame schöne Augen machen kann?", führte er wieder eine Gegenfrage an.

O, warum musste er ihr dauernd das Wort im Munde herumdrehen?

Legolas lächelte, als sie erst einmal nichts erwiderte. Er mochte es, sie für einen kurzen Moment außer Gefecht zu setzen. Man konnte sie leicht ärgern und das gefiel ihm.

„Wenn der Herr Prinz will, dann kann er doch alles, oder irre ich mich da?", fragte sie ihn dann aber kokett.

Legolas lachte.

„O Mylady, was habt Ihr nur für ein Bild von mir?"

Amila sah ihn spöttisch an. Was sollte diese Frage? Er war nun einmal ein arrogantes und verwöhntes Prinzensöhnchen, daran bestand gar kein Zweifel.

Sie hatten nun den Waldrand erreicht und fanden einen kleinen ausgetretenen Pfad, der in die Dunkelheit hineinführte und dem sie nun folgten.

„Lasst mich versuchen Euch etwas zu erklären.", begann Legolas.

„O, ich bin gespannt.", sagte Amila sarkastisch. O ja, sie war gerade wieder in bester Laune ihm irgendetwas an den Kopf zu werfen. Warum brachte er sie aber auch so oft auf die Palme? Der Kerl war einfach unmöglich!

„Stellt Euch vor Ihr wachst in einem Schloss auf. Kein riesig großes, aber immerhin stattlich. Da Ihr dort und in der Umgebung Eure gesamte Kindheit verbringt, wird es vertraut und für Euch ist es der schönste Ort auf Erden und der größte Abendteuerspielplatz noch dazu."

„Wart Ihr schon einmal in Düsterwald?", unterbrach er sich selbst mit dieser Frage.

Amila musste verneinen.

„Düsterwald wird seinem Namen nicht gerecht, dass müsst Ihr wissen. Für mich ist es der schönste Ort in ganz Mittelerde. Wenn Ihr einmal dorthin reist, dann tretet Eure Reise im Herbst an. Der Herbst ist mit Abstand die schönste Jahreszeit in Eryn Lasgalen, wenn Ihr die Bäume seht, wie sie sich im Wind neigen und ihre farbenprächtigen Blätter sachte auf den Boden fallen lassen. Wenn Ihr die Sonne seht, die hinter dem Horizont untergeht und die Baumkronen in ein wunderbar goldenes Licht taucht und sich somit das Farbenspiel in seiner ganzen Pracht erst richtig entfaltet…"

Amila sah ihn erstaunt an. Sie hatte ihn noch nie so leidenschaftlich und mit so viel Wärme erzählen hören.

„…und dann die Seen. Wisst Ihr, was Düsterwald für schöne Seen hat?"

Amila schüttelte ihren Kopf und Legolas begann sich in seinen Beschreibungen regelrecht zu verlieren.

Amila lauschte ihm interessiert. Er sprach leise, aber man hörte die Kraft, die hinter seinen Worten steckte und die sich in einem melodiösen Klangteppich vor ihr auszubreiten schien. Seine Stimme besaß eine sehr beruhigende Wirkung auf sie und sie vergaß förmlich, dass sie ihm vor wenigen Minuten noch den Hals umdrehen wollte. Er erzählte so voller Hingabe von Düsterwald, dass Amila regelrecht begann sich nach den unendlich scheinenden Wäldern zu sehnen.

„…und habt Ihr schon einmal von Eryn Lasgalens goldenen Höhlen gehört?"

Wieder musste Amila ihren Kopf schütteln. Aber sie war ehrlich gespannt, was Legolas ihr wohl gleich erzählen würde.

„Nun, dann will ich Euch eigentlich nichts verraten.", Legolas schmunzelte, als er Amilas enttäuschten Blick sah. „Die Höhlen muss man gesehen haben, um sie sich richtig vorstellen zu können."

Die Elbe nickte zwar verständnisvoll, doch sah er, dass sie eine Erklärung von ihm erwartet hatte. Anscheinend hatte er sie doch von Düsterwalds Schönheit ein wenig überzeugen können. Seinen Verdacht fand er durch ihre nächsten Worte bestätigt.

„Gern würde ich sie mir einmal ansehen.", gab sie leise zu, „Es scheint wirklich schön zu sein."

Legolas lächelte. „Ja, das ist es."

Und als sie nichts erwiderte wagte er zu fragen: „Und Ihr? Ihr seid in Bruchtal aufgewachsen?"

Gleich darauf bereute er seine Frage auch schon wieder, denn er bemerkte, wie sie sich neben ihm versteifte und ihre Schritte langsamer wurden.

Amila war zwar erschrocken von seiner Frage, doch zwang sie sich selbst zur Ruhe. ‚Er will ja nichts weiter von meiner Vergangenheit wissen, sondern nur über Bruchtal', redete sie sich selbst ein.

„Ja, bin ich. Zusammen mit Arwen.", antwortete sie ihm knapp.

Legolas atmete innerlich auf. Sie schien ihm doch nicht böse zu sein, wegen seiner Frage.

„Hat Euch das Aragorn erzählt?", fragte sie ihn und Legolas bestätigte dies mit einem Nicken.

„Er kann nie etwas für sich behalten!"

Legolas lächelte. „Das stimmt, da ist er manchmal schlimmer als Gimli."

„Wohl war. Aber…" Ihre Stimme wurde leiser. „Was hat er Euch noch erzählt?"

„Nichts weiter.", sagte Legolas ein wenig zu hastig. Sie sah ihn fragend von der Seite an.

„Nichts weiter?", stocherte sie. Er wurde nervös. Auf keinen Fall wollte er den Abend in einem Streit enden lassen, denn bisher war der Spaziergang doch schöner geworden, als er vorher angenommen hatte.

Legolas atmete tief ein und entlockte Amila damit ein kleines Lächeln. Er gab sich wirklich die allergrößte Mühe nett zu ihr zu sein und sie musste sich eingestehen, dass sie es genoss. Nein, sie würde ihn nicht wieder zurechtweisen, egal, was er jetzt auch sagen würde.

„Er hat nur am Rande erwähnt, dass Eure Eltern nach Valinor gesegelt sind, als Ihr noch ganz klein wart und Lord Elrond Euch großgezogen hat." Seine Stimme war zum Ende hin immer leiser geworden, dennoch verstand sie ihn sehr gut. Wenn das alles war, dann hatte sich Aragorn ja mal regelrecht zusammenreißen können.

„Ja das stimmt.", entgegnete sie ihm und sie war selbst erstaunt, wie fest ihre Stimme dabei klang. Eigentlich sprach sie mit niemandem darüber.

„Elrond wurde für mich zu einem zweiten Vater. Er ist wirklich ein sehr liebevoller Mensch und ein großartiger Heiler."

Legolas war regelrecht erleichtert, dass sie so normal darüber redete, auch wenn sie fast nur flüsterte, was sie sicherlich noch nicht einmal selbst bemerkte.

Sie erzählte ihm von Arwen, dass sie wie eine Schwester für sie geworden war, dabei wohlweislich den Fakt übergehend, dass sie selbst eine Schwester gehabt hatte. Das wusste niemand. Sie war sich nicht einmal sicher, ob Elrond es wusste. Aber das war auch nicht so wichtig, denn sie sah sie sowieso nicht als Schwester an. Ihren Bruder ließ sie aus ihren Erzählungen genauso heraus. Das Thema konnte sie nicht ansprechen, auch wenn sie es gewollt hätte. Für sie saß der Schmerz einfach viel zu tief. Vermutlich würde sie nie jemandem das Schicksal ihres Bruders anvertrauen können, denn es kam einer kompletten Offenbarung ihrer Seele gleich.

Lieber stützte sie sich in ihrer Erzählung auf Elladan und Elrohir, die sie auch irgendwie als Brüder ansah und mit ihnen und Arwen zusammen so unheimlich viel erlebt hatte.

Legolas lauschte ihr gespannt. Er war überrascht, dass sie doch so viel über sich erzählte, weil er neulich erst so eine harsche Abfuhr von ihr erhalten hatte. Jetzt war sie ganz anders. Und das faszinierte ihn. Er sah das Leuchten in ihren Augen, als sie von der Zeit berichtete, in der die beiden Zwillinge Elronds ihr den Umgang mit dem Schwert beigebracht hatten. Er musste sogar lachen, als sie ihm ihre ersten jämmerlichen Versuche beschrieb die Hiebe von Elladan abzuwehren und entlockte ihr somit auch ein kleines Lächeln. Innerlich stellte er ein wenig wehmütig fest, dass das ein eher seltener Zufall war, dass sie einmal lachte. Doch immer wenn sie es tat wurde sie für Legolas noch eine Spur schöner.

O ja, sie sah verdammt hübsch aus, musste sich Legolas eingestehen, doch war dies nicht nur ihr Äußeres, welches für ihn Schönheit ausdrückte, sondern beeindruckten ihn vor allem ihre dunklen Augen, in die er vorhin für einen kurzen Moment gesehen hatte. Er hatte sich gefühlt, als zögen sie ihn regelrecht hinab und irgendwo hatte er ein Leuchten gesehen, ein Leuchten, welches ihn magisch angezogen hatte. Wahrscheinlich war es mit dem Sternenhimmel vergleichbar, der sich jetzt in seiner ganzen Pracht über ihnen erstreckte und der volle Mond leuchtete ihnen den Weg.

Plötzlich, grausam abrupt aus seinen Gedanken gerissen, blieb Legolas stehen und auch Amila stockte mitten im Satz. Zum zweiten Mal heute war es ihr nicht vergönnt ihren Satz zuende zu sprechen.

Beide lauschten in die Nacht hinein. Gleichzeitig hatten sie ein lautes Knacken zu ihrer Linken vernommen. Es war weit weg gewesen, doch trotzdem sehr laut. Da war es wieder! Und jetzt konnte Amila deutlich schwere Schritte hören, die sich geradewegs auf sie zu zu bewegen schienen.

Plötzlich spürte sie einen Arm um ihre Hüfte, der sie hinter den nächsten dickeren Baumstand zerrte. Sie wollte sich wehren, doch Legolas legte ihr sanft einen Finger auf den Mund und bedeutete ihr ruhig zu sein, während er sie eng an sich drückte.

Innerlich fluchte er, dass er keine Waffen mitgenommen hatte, denn was sich ihnen hier näherte konnten nur Orks sein und nach dem Getrappel zu urteilen waren es nicht wenige.

Amila fluchte auch, aber weniger wegen den Orks, sondern wegen ihrer Lage. Legolas hielt sie so fest, dass sie sich kaum bewegen konnte. Wie konnte er es nur wagen sie so anzufassen? Schließlich hätte sie sich auch allein hinter einen Baum stellen können und müsste nicht diesen engen Körperkontakt aushalten. Empört wollte sie sich aus seiner Umarmung winden, doch er flüsterte: „Haltet still! Ich will nicht unbedingt Bekanntschaft mit den Orks machen, so freundlich sie uns auch gesonnen sein mögen." Ihre Antwort ging in einem „Hmpf" unter, als er nun seine ganze Hand sachte auf ihren Mund legte.

Amila musste sich in ihr Schicksal fügen, denn auch sie wusste, dass beide vollkommen unbewaffnet waren und daher ein Zusammentreffen mit den Orks nicht unbedingt von Vorteil wäre. Also entspannte sie sich ein wenig. Was blieb ihr auch anderes übrig?

Unweigerlich atmete sie seinen Geruch ein und musste zu allem Übel auch noch feststellen, dass dieses selbstgefällige Prinzchen auch noch unverschämt gut roch. Ein feiner Duft von Wald und Wind umgab ihn, doch Amila rief sich selbst zur Ordnung. Was tat sie hier? Auch wenn er gut roch, ein arroganter Schnösel war er allemal. Und außerdem befand sie sich hier gleich inmitten von einem Haufen Orks.

Wie um ihren letzten Gedanken zu bestätigen wurde die Stille von tiefen Stimmen durchbrochen und Legolas musste erschrocken feststellen, dass sie nur ein paar Meter von ihnen entfernt waren. Aus einem Reflex heraus zog er Amila noch näher an sich. Doch, hatte er vorher schon den süßlichen Geruch ihrer Haare wahrgenommen? In dem Moment wo er unweigerlich seine Nase in ihre dunklen Locken stecken musste, vergaß er vollkommen, in welcher gefährlichen Situation sie sich gerade befanden und wurde erst durch eine raue Stimme aus seinen Gedanken gerissen.

„Ich geh nicht mehr weiter! Ich hab die Nase voll, Jyrch!"

„Wir müssen aber weiter!", setzte Jyrch an.

„Wir müssen gar nichts!", schaltete sich nun eine dritte Stimme mit ein. „Wir brauchen auch einmal eine Pause! Wir laufen schon fast seit Tagen ohne irgendeinen Halt zu machen!"

„Gut!", Jyrch gab sich geschlagen.

„Dann lagern wir eben hier."

Amilas Herz schlug schneller. Hieß das, die Orks würden genau vor ihrer Nase ihr Lager aufschlagen? Das konnte doch nicht war sein! Wie sollten sie hier wieder weg kommen? Sie merkte gar nicht, wie sich ihre Hände in Legolas' Arm krallten, der sie noch immer umschlungen hielt.

Die beiden Elben hörten das zustimmende Gemurmel von vielen anderen und man hörte das laute Knacken von Zweigen und Ästen. Anscheinend machten sich die Orks es wirklich gerade vor ihnen bequem. Sie konnten die Kreaturen zwar nicht sehen, aber sie wussten, dass sie nur ein paar Meter entfernt ihr Lager aufschlugen. Ihren faulen Atem konnten sie schon riechen.

„Aber wir bleiben hier nicht so lange. Macht es euch erst gar nicht zu sehr bequem. Morgen treffen wir auf unsere Kameraden und wir müssen pünktlich sein! Ihr wisst, dass der Gebieter es gar nicht gern sieht, wenn wir die Zeiten nicht einhalten!", brüllte Jyrch durch den Lärm beim auspacken ihrer Gerätschaften.

Zum wiederholten Male an diesem Tag brauchte Legolas ganz schnell einen Fluchtplan, doch war dieser hier eindeutig schwieriger zu erstellen, als der im Wirtshaus. Wenn die Orks sie sahen, war es um beide geschehen. Elb oder nicht, gegen eine große Übermacht hatten sie unbewaffnet nicht die leiseste Chance.

Ganz langsam begann er sich rückwärts zu bewegen, dabei Amila mit sich ziehend. Nur zu gern folgte sie seinen Bewegungen, brachten sie sie doch von den Orks weg. Dennoch klopfte ihr Herz bis zum Hals, denn jeden Moment rechnete sie damit von den Widerlingen entdeckt zu werden.

Legolas achtete peinlichst genau darauf ja keinen trockenen Zweig zu zertreten und er atmete ein wenig auf, als er hörte, wie die Orks lauthals anfingen zu singen. Das gab ihm die nötige Geräuschkulisse, um ungehört die Flucht anzutreten.

Nach etwa hundert Metern entließ er Amila aus seiner Umklammerung, nahm sie bei der Hand und begann zu laufen. Auch jetzt noch, im Rennen, bewegten sie sich so leise wie möglich und sie hörten auch keinerlei Anzeichen, dass die Orks ihnen folgen könnten.

Legolas lief vorneweg und Amila folgte ihm. Zum ersten Mal war sie froh, dass Legolas ihre Hand hielt. Das gab ihr ein Gefühl von Sicherheit, denn erst jetzt wurde ihr richtig bewusst, wie knapp sie doch eben davongekommen waren.

Nach einer Ewigkeit, wie es beiden erschien, erreichten sie den Waldrand und hielten in ihrem Laufen inne.

„Alles in Ordnung?", fragte Legolas sie keuchend.

Amila nickte. Sie war ziemlich außer Atmen und eigentlich war sie ganz schön verstört, aber das musste sie ihm ja nicht sagen.

„Ihr zittert aber.", meinte er und ergriff wieder ihre Hand, die er erst vor wenigen Augenblicken losgelassen hatte. Amila sah ihn nicht an. Langsam kam der Schock über das eben erlebte. Wie nah waren sie dem sicheren Tod gewesen! Erst jetzt traf sie diese Erkenntnis mit einem Schlag.

Legolas sah sie besorgt an. Es schien sie doch ganz schön mitgenommen zu haben. Sanft hob er ihr Kinn an und zwang sie damit ihm in die Augen zu sehen. Bekümmert musste er feststellen, dass das Leuchten vollends verschwunden war und stattdessen nur noch tiefe Schwärze in ihren Augen lag. Er konnte Verwirrung und Angst darin erkennen und es machte ihn traurig. Warum war er auch auf die dumme Idee gekommen einen Waldspaziergang zu machen? Er wusste doch, dass Orks hier herumliefen.

Amila wurde durch die Sorge, die sie in seinen Augen lesen konnte nur noch verwirrter. Wieso machte er sich um sie Gedanken? Sie, die ihn immerzu anmeckerte, wenn sich nur die Gelegenheit bot…

„Da seid ihr ja! Ich suche Euch schon seit einer Ewigkeit!"

Die beiden schraken auseinander, als sie Gimlis Stimme vernahmen, der jetzt auf sie zukam. Ein wissendes Grinsen hatte sich auf seine Züge gestohlen, als er seinen Freund und Amila so nah voreinander stehen gesehen hatte.

„Es tut mir ja Leid, dass ich euch störe.", meinte er augenzwinkernd, „Aber Elanor hat nach Euch verlangt, Amila."

„Geht es ihr nicht gut?" Die Elbe hatte sich wieder gefangen und verdrängte Legolas' Blick aus ihren Gedanken.

„Doch, aber sie fühlt sich wohl ein bisschen allein."

Amila nickte. „Ich geh schon voraus. Hab Dank, Gimli."

Mit diesen Worten lief sie in Richtung Wirtshaus ohne sich noch einmal zu den beiden umzudrehen.

Amüsiert knuffte Gimli seinem Freund in die Seite.

„Du magst sie, hab ich Recht?", fragte er verschmitzt.

„Wie kommst du denn darauf?", erwiderte Legolas kopfschüttelnd und machte sich mit einem lachenden Gimli im Schlepptau auch auf den Weg zum Gasthaus.

° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° °° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° °

Und lasst mir doch bitte einen kleinen Kommentar da, ja? Ich weiß doch sonst gar nicht, ob es euch gefallen hat oder nicht...