Endlich Leben

Hauptcharakter: Sirius Black
Zeit: zu 1995


Bummbumm.

Bummbumm.

Bummbumm.

Mein Atem geht ein wenig heftiger als früher, daran merkt man's. Und mein Herz schlägt schneller. Irgendwie heftiger. Es ist nicht unangenehm, ganz und gar nicht. Um ehrlich zu sein, ist es eines der schönsten Gefühle, die ich kenne.

Das Blut pocht in meinen Ohren. Und mein Herz arbeitet. Es ist ungewohnt zu bemerken, dass es wirklich schlägt. Doch das tut es eindeutig. Es pumpt und pumpt und pumpt sämtliches Zeug durch meine Venen, mit kraftvollen, beständigen Stößen. In meine Finger, die sich um den glatten Zauberstab geschlossen haben, in meine Wangen, die sich warm und erregt anfühlen, in meine angespannten Muskeln und in meinen Kopf, in dem messerscharfe, zitternde Klarheit herrscht.

Würde mich jetzt einer fragen, was ich jetzt im Moment fühle, würde wohl nicht viel dabei herauskommen. Vielleicht würde ich einfach einen Schritt auf ihn zutreten, ihm die Hand auf sein Herz legen und sanft darauf klopfend flüstern: Bummbumm. Bummbumm. Bummbumm.

Ich bin nicht aufgeregt, selbst wenn der hohe Gewölberaum beinahe unter den gewaltigen Energieströme vibriert, die wir durch die Luft schicken. Ich kann sie fühlen, die Energie, sie prickelt angenehm überall auf meinem Körper. Ich hatte fast vergessen, wie das ist. Es ist ein bisschen wie nach Hause kommen und in den Hund gehen gleichzeitig. Vertraut auf jeden Fall.

Aus dem Augenwinkel nehme ich ab und zu andere dunkle Gestalten wahr, einen flatternden Umhangzipfel, fremde Lichtblitze, die durch die Gegend schießen und anscheinend ihr Ziel verfehlt haben. Rufe und die typische Hektik der magischen Gewalt liegen in der Luft und versetzen mich in eine bisher ungekannte Euphorie.

Ich bin zurück, frohlocke ich in Gedanken. Endlich ist Sirius Black wieder zurück.

Aber ich muss mich auf Anderes konzentrieren. Bellatrix steht mir mit zerzausten Haaren gegenüber und ist gerade dabei, mich alle zu machen. Das hätte sie zumindest gerne. Mund und Zauberstab speien scharfe Flüche aus. Ich pariere beides relativ geschickt. Langsam findet mein Körper in die alten Bewegungen zurück, weicht dort leichtfüßig einem Lichtblitz aus, vergilt hier Gleiches mit Besserem.

Ich kann nicht sagen, wie sehr ich das genieße. Bei Salazar, denke ich, fast wie in alten Zeiten. Und um so vieles besser als Grimmauld Place.

Innerlich zerspringe ich fast vor Freude. Endlich lebe ich wieder.

Bummbumm.

Ich bin nicht der einzige hier, der lange nicht mehr gekämpft hat. Bellatrix' gerötete Wangen sprechen für sich. Sie kommt mir auch ein wenig eingerostet vor. Aber gut, aus Erfahrung kann ich sagen, dass man in Askaban einfach zu wenig Gelegenheit zum Training hat. Ich bin der letzte, der sich darüber lustig machen sollte. Und dennoch – es hat sich kaum etwas geändert. Ihre blitzenden Augen funkeln mich noch ebenso spöttisch und wütend an wie damals zu Schulzeiten, wo wir uns weiß Gott häufig genug gegenüber standen. Und ihre Stabführung – absolut korrekt, um nicht zu sagen, perfekt. Doch ein wenig der früheren Schnelle und Wendigkeit ist ihr scheinbar trotzdem abhanden gekommen in den Mauern der Grauen Festung. Aber wir kämpfen wie entflammt für unser Ziel. Wie immer. Für den Sieg.

Bummbumm.

Ich mache einen Schritt zur Seite, um formvollendet einem Petrificus Totalus auszuweichen, der irgendwo hinter mir in den Steinboden einschlägt und einen kleinen rauchenden Krater hinterlässt. Sie muss was dran gedreht haben, denke ich leicht amüsiert und grinse sie mit hochgezogener Augenbraue an, ein harmloser Petrificus hat vor zwanzig Jahren noch keinen massiven Stein gesprengt.

„Komm schon, du kannst es doch besser!", lache ich und sehe direkt in das Dunkel ihrer Augen.

Bummbumm.

Bummbumm.

Ihr Körper ist angespannt, doch ihre Augen scheinen ein Ruhepol in dem ganzen Tumult zu sein. Ich kämpfe gegen den Drang an, mich hineinfallen zu lassen und bemerke nur am Rande, wie ihre Lippen Worte formen. Erst als der zuckende silberne Energiestrahl aus ihrer Stabspitze und in meinen Körper fährt und mich nach hinten wirft, weiß ich, was sie getan hat.

Bummbumm. Bummbumm. Bummbumm. Bummbumm.

Meine Augen weiten sich, als die Energie mich durchdringt. Ich falle und kann mich nicht dagegen wehren.

Bummbumm. Bummbumm. Bummbumm. Bummbumm.

Und falle.

Und falle.

Es tut nicht weh.

Bummbumm. Bummbumm. Bummbumm.

Ich weiß, dass es Blödsinn ist, Angst zu haben. Ich falle ja nur. Mein Körper wird auf dem Boden aufschlagen, ein ganz normaler physikalischer Vorgang - Gravitation, jedes Muggelkind weiß das. Dann werde ich mich aufrappeln und Bella Rache spüren lassen.

Aber ich will trotzdem schreien. Irgendetwas, ihren Namen, Remus' Namen, der irgendwo hinter meiner Zunge lauert, doch ich finde keinen davon, kann sie nicht ergreifen, meine Zunge rutscht von ihnen ab wie von einem glitschigen Stück Seife.

Bummbumm. Bummbumm.

Als wir klein waren, haben wir einmal im Arbeitszimmer meines Onkels duellieren gespielt. Ich kann ihre dunklen Haare sehen, die sie zu einem dicken Zopf geflochten hatte, aus dem sich einige Strähnen lösten. Sie hat nie so wie Narzissa gekreischt, wenn ich mit dramatischer Gestik mit meinem Ast aus dem Garten auf sie gedeutet habe, sie hat mich nur angesehen, ist seelenruhig auf mich zugekommen und hat mich im Vorbeigehen in den Bauch geboxt. „Komm schon", hat sie dann gesagt, „du kannst es doch besser!"

Die selben Augen starren mich jetzt glänzend und groß an, ihr Gesicht ist seltsam verzerrt.

Bummbumm.

Die Welt um mich herum verliert ohne Eile ihre Schärfe, die Klarheit sickert aus meinem Kopf. Ich höre irgendwo weit weg Stimmen, die meinen Namen rufen. Sie verschwimmen langsam in der anschwellenden Dunkelheit. Ich will ihnen sagen, dass alles in Ordnung ist, dass ich gleich wieder aufstehen werde, doch ich kann nicht.

Gedanken tropfen in meinem vernebelten Hirn von einer Seite zur anderen wie zähflüssiger Sirup. Leise nehme ich noch wahr, wie jemand schreit. Irgendetwas, das wichtig ist. Ich will wissen, was los ist, aber ich verstehe es nicht, es ist zu leise. Und dann ist auch das verschwunden.

Das silberne Licht des Fluchs, von dem ich weiß, dass es mich noch immer mit zunehmend sanfteren Wellen durchflutet, kommt an die Oberfläche, zerstört die zähe, sirupartige Masse um mich herum und vermengt sich mit dicken, goldenen Strömen. Sie fließen vor meinen Augenlidern dahin und erfüllen mich vollkommen. Mein ganzes Sein ist mit einem Mal dick und reif und golden. Ich fühle mich zufrieden, weil ich weiß, dass ich bald angekommen bin. Zögernd weicht die Anspannung aus meinem Körper. Und dann falle ich nicht mehr.

Bummbumm.

Bummbumm.

Bummbumm.

Stille.