Für meinen Freund, der meinem Terry Pratchett-Wahn immer noch standhält,
für Greebo und Tiffany Aching, den besten Scheibenwelt- Freunden der Welt,
und für Lord Dragona, den ehrlichsten und nettesten Kritiker.
Kapitel 1 Der Auftrag
Lith ritt aus ihrem nachtschwarzen Pferd gemächlichen Schrittes den Ankh entlang. Sowohl Zaumzeug als auch die Reiterin waren komplett in schwarz gehalten, so das in den dunklen Zonen zwischen den einzelnen Straßenlaternen nur gelegentlich das Weiße in den Augen des Pferdes aufflackerte. Lith selbst trug einen schwarzen Kapuzenmantel und hatte das Cape tief in die Stirn gezogen.
Niemand, der an ihr vorüberging (was in diesem Teil der Stadt eh nur Betrunkene waren oder Leute, die ihren eigenen Geschäften nachgingen) hätte vermutet, dass unter ihrem Mantel drei kleine, schlanke Dolche und ein sorgsam in Leinen gewickeltes Schwert trug.
Sie hatte eine lange Reise vor sich. Wie an so vielen Abenden hatte sie auch an diesem in ihrer Stammkneipe „Zum geflickten Eimer" gesessen und ihr schwer erstandenes Geld (sie musste doch dafür glatt zehn Reisende mit erhobenem Dolch bitten, ihr freundlicherweise zu folgen und ihr ihre Wertsachen zu überlassen damit sie sicher gehen konnten, dass ihnen auf ihrer weiteren Reise garantiert KEINE Gelegenheitsdiebe mehr auflauern würden) für Zwergenbier ausgegeben, als ein hochgewachsener, knochiger Mann mit einer Augenklappe den Schankraum betrat. In dem ungemütlichen, vom Rauch verhangenen Raum saßen größtenteils Zwerge und Menschen, die allesamt dem gleichen Kaliber angehörten. Die zerknirschten Gesichter richteten sich auf den Fremden, der so gar nicht in das Bild der anderen Anwesenden passen wollte. Er blickte in die Runde, und keiner der Diebe, Zigeuner und Berufsmörder vermochte seinem Blick standzuhalten, der eine große Ruhe und ein besitzergreifendes Selbstbewusstsein ausstrahlte. Eben dieser Blick blieb auf Lith haften, die als Einzige mit dem Rücken zu dem Fremden saß und sich nicht zu ihm herumgedreht hatte. Sie interessierten Fremde nicht. Sie hielt sich an ihre Auftraggeber, führte hier und da einen Diebstahl durch und kassierte dafür gutes Geld.
Doch sie spürte den kalten, durchdringenden Blick in ihrem Rücken und umschloss ihren Bierkrug fester. Draußen hörte sie ihr Pferd leise wiehern, das ebenfalls die Bedrohung spürte. „Bleib ruhig, mein kleiner Nachtmahr", flüstere Lith und drehte sich dann abrupt um.
Sie blickte dem Fremden direkt in sein Auge und grinste gebieterisch. „Was wünscht Ihr, Herr?", sprach sie ihn an. Einige der Zwerge, mit denen sie schon ein paar Diebstähle gemeinsam begangen hatte, sahen sie einen Moment lang skeptisch an, widmeten sich dann aber wieder ihren Bierkrügen. Wenn Lith diesen Kerl so direkt ansprach, musste sie schon etwas mit ihm zu schaffen haben, dachten sie sich wohl.
Hierzu muss man sagen, dass die Mitglieder der Verbrecherbanden und Diebesgilden ein freundschaftliches Verhältnis zueinander hegten (sofern sie derselben Gilde angehörten). Mit freundschaftlichem Verhältnis ist hierbei gemeint, dass sie darauf verzichteten, sich gegenseitig umzubringen und gelegentlich zusammen arbeiteten. Ab und zu kommt es zwar zu Streitigkeiten und da passierte es dann schon mal, dass ein Malheur passierte und eine Leiche weggeschafft werden musste, aber in den Kreisen der Gilden wird das durchaus als normal angesehen.
Lith erfreute sich innerhalb ihrer Gilde jedoch größter Beliebtheit. Nicht etwa wegen ihrer Höflichkeit und Großzügigkeit, sondern eher wegen ihrem Ruf, jedem die Kehle durchzuschneiden, der es wagte, sie über den Tisch zu ziehen. Mit ihr zusammen einen Coup zu begehen war meistens sehr gefährlich, aber die Beute lohnte sich.
Der Fremde bewegte sich langsam, jedoch ohne eine Miene zu verziehen, auf Lith zu und setzte sich neben sie. Er sprach kein Wort, nickte dem Wirt zu, der ihn misstrauisch beäugte, ihm jedoch einen Bierkrug füllte und vor ihm hinstellte.
Nach einer Weile drehte der Fremde den Kopf und starrte Lith direkt von der Seite an. „Ihr wisst, wer ich bin, nicht wahr, Herrin?" Lith sah ihn nicht an, zuckte jedoch innerlich zusammen. „Ja, natürlich weiß ich das, Herr . Ich erwartete Euch schon vor geraumer Zeit. Mit welchem Auftrag kommt Ihr dieses Mal?"
Der Einäugige grinste und schob Lith kurzerhand einen Zettel zu. „Wollt Ihr Eure Nachtmähre nicht langsam mal gegen ein echtes Pferd eintauschen? Ihr müsst doch von Alpträumen geplagt sein", sagte er dann im Plauderton, während Lith ungläubig auf den Zettel starrte.
„Nein", flüsterte sie. „Man gewöhnt sich daran. DuschwarzesUngetüm bleibt bei mir und wird mir auch in diesem wahrlich unmöglichem Vorhaben zur Seite stehen."
„Wie Ihr meint. Ihr nehmt den Auftrag an." Dies war keineswegs eine Frage, sondern eine Feststellung gewesen. Er wusste, dass sie keine Wahl hatte. Wie auch? Sie stand tief in der Schuld ihres Auftraggebers, auch wenn keiner der in dem schmuddeligen Schankraum anwesenden Zwerge oder Menschen jemals auch nur einen Gedanken daran verschwendet hätte, dass sie, Lith, in irgendjemandes Schuld stehen konnte.
Der Fremde stand auf, warf ein paar alte, schmutzige Münzen für sein Zwergenbier auf den Tresen, drehte sich um und bedeutete Lith mit einem Wink, ihm zu folgen. Er verließ die Schenke, während Lith noch einen Moment inne hielt. Sie wollte auf keinen Fall den Eindruck erwecken, sie folge dem Mann auf seine Aufforderung hin. Nach drei Minuten zahlte auch sie ihr Bier und starrte seufzend auf das verbliebene Geld in ihrer Hand und schwor sich einmal mehr, in Zukunft weniger zu trinken.
Kurz darauf hatte sie mit dem Fremden in dem schmutzigen, schon seit Urzeiten nicht mehr gefegten Innenhof des geflickten Eimers gestanden und letzte Informationen ausgetauscht. Er sagte ihr, der Auftrag unterliege strengster Geheimhaltung, und das Gepäck sei unter keinen Umständen aus den Augen zu lassen. Dann verschwand er in der Dunkelheit mit einem leichten Humpeln, und schon wenige Augenblicke später saß Lith auf DuschwarzesUngetüm und ritt den Ankh entlang Richtung Stadttor.
Diese Aufgabe ist unmöglich, dachte sie bei sich, den kalten Stahl des Schwertes und der Dolche trotz der schweren Leinen an ihren Rippen spürend. Niemand schleicht sich unbemerkt in die unsichtbare Universität um den größten Zauberspruch aller Zeiten zu stehlen.
