Kapitel 2 — Lily
Niemand würde Lily Evans für einen Cinderella Charakter halten. Sie war gar nicht wie eine Cinderella. Eine wirkliche Cinderella hatte eine teuflische Stiefmutter, zwei scheußliche Stiefschwestern, musste immer putzen und hatte keine Freunde.
Lily, im Gegensatz dazu, hatte zwei liebende Eltern, eine Schwester, die sie nicht leiden konnte (okay, also konnte Petunia die Stiefschwester sein), sie war keine Putzfrau und sie hatte zwei sehr gute Freunde — Tessa und Erika Monterrey.
Lily war noch etwas anderes. Extrem schüchtern. Weil sie so still war, schenkte niemand Lily Aufmerksamkeit.
Lily war so still, dass wenn die Monterrey Zwillinge, Tessa und Erika, jemanden nach ihr fragten, diese sie seltsam ansehen und „Lily wer?" fragen würden.
Wie du siehst, Lily war schüchtern.
Aber Lily war auch (wie eine echte Cinderella) absolut wunderschön.
Ihr dickes rotes Haar fiel glatt bis zu ihrer Taille. Ihre blasse Haut betonte ihre erstaunlichen mandelförmigen smaragdgrünen Augen, die in Tessas und Erikas Meinung ihr hervorstechendestes Merkmal waren. Allerdings fühlte sich Lily, als wäre sie das ganze Jahre ein menschlicher Weihnachtbaum.
Unsere Geschichte beginnt in Hogwarts, an einem kalten Tag, Mitte Oktober, direkt nach Unterrichtschluss...
„Habt ihr verstanden was Slughorn gesagt hat?", fragte Tessa Monterrey ihren beiden besten Freundinnen, Lily Evans und ihre Zwillingsschwester Erika.
„Nein ich habe gehofft dass du es weißt.", antwortete Erika achselzuckend.
„Ihr beiden habt nicht verstanden, was Professor Slughorn gesagt hat?", fragte Lily augenrollend. „Es war einfach."
Die Monterrey Zwillinge rollen mit den Augen. „Gut, offensichtlich für die klügste Siebtklässlerin in Gryffindor.", sagte Erika und schlang ihre Tasche über ihre Schulter. „Aber für Normalsterbliche wie Tessa und mich war es absolut unverständlich."
„Golplatt's Laws.", sagte Tessa naserümpfend. „Sie sind so-"
„Einfach.", fiel Lily ihr ins Wort.
Erika schlug Lily leicht mit ihrer Tasche. „Sei still!"
„Sieh mal.", murmelte Tessa. „Die Barbies und Kens kommen."
Die drei Mädchen gingen zur Seite bis sie nah genug an der Wand standen, dass sie James Potter, Sirius Black und Remus Lupin mit ihren vielen Verehrern vorbeilassen konnten.
Die 'Barbies' waren die Freundinnen der Marauder. Die drei, die an den Maraudern klammerten und sehr arrogant und plastisch aussahen, waren James´ Freundin Kelly Crosby, Sirius´ Freundin Morgan Jennings und Remus´ Freundin Marissa Everhard.
Sobald die Barbies und Kens an ihnen vorbei gegangen waren, gingen Tessa, Erika und Lily wieder zurück in die Mitte des Gangs.
„Ich schwöre zu Gott.", sagte Tessa während sie der blonden Kelly Crosby einen Todesblick zusandte. „Wie kann jemand so dummes so ekelhaft perfekt sein?"
„Gene.", sagte Erika. „Make-up und plastische Chirurgie."
Lily schüttelte über ihre beiden besten Freundinnen den Kopf. „Müsst ihr das immer sagen, wenn sie vorbei kommen?"
„Ach komm schon Lils!", rief Tessa. „Sie sind so lästig! Besonders Kelly Crosby."
„Ja und Morgan und Marissa sind Engel.", sagte Erika sarkastisch.
„Mädels", sagte Lily warnend. „Seid nicht so gemein. Immerhin könnten sie auch sehr nett sein."
„Oh ja sicher.", sagte Tessa und tat es mit einem Handwedeln ab. „An dem Tag wo die Barbies nett werden bekommt Snape endlich eine Freundin."
„Die hat er bereits, weißt du.", sagte Lily ernst. „Ein Mädchen aus Slytherin."
Tessa und Erika kicherten. Lily ignorierte ihre Freunde „Ist jemand hungrig?", fragte sie dann.
Die Monterrey Zwillinge sahen einander verwirrt an.
„Wieso hat sie das Thema gewechselt?", fragte Erika.
„Ich weiß nicht.", murmelte Tessa.
Die Zwillinge beeilten sich um ihre beste Freundin einzuholen.
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„Iss nicht so schnell, Tessa."
„Ich esse so schnell wie ich will, Erika."
„Die Leute werden denken, dass du ein Schwein bist."
„Das interessiert mich wirklich nicht."
Lily stöhnte und verbarg ihren Kopf in ihren Armen. Mussten die beiden sich immer zanken? Das war das einzige, was Lily daran hasste, dass ihre Freunde Geschwister waren — sie hatten immer ihre Geschwisterrivalität.
Allerdings hätte man nie geraten, dass Tessa und Erika wirklich Zwillinge waren, denn Tessa hatte sich mit vierzehn ihre Haare rabenschwarz gefärbt und plante nicht, sie wieder zu ändern. Sie mochte ihre Haare schwarz, statt wie ihre überaus artige, nie fluchende, Schwester Erika hellbraun.
„Würdest du aufhören, dich wie Mum zu benehmen?", verlangte Tessa. „Es beginnt mich wirklich zu ärgern!"
„Gut, sorry!", fauchte Erika. „Ich sage dir nur-"
„Ähm, Mädels, bitte.", sagte Lily. „SEID STILL."
Tessa und Erika hatten den gleichen Gesichtsausdruck. „Wieso?"
„Weil-", zischte Lily. „Ich es wirklich hasse, wenn ihr beiden euch täglich streitet!"
Die anderen zwei Mädchen verfielen in steinernes Schweigen.
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Nach dem Mittagessen gingen die drei Mädchen zu Zauberkunst, wo sie sich sofort an ihre Aufgabe machten, Met in Wein zu verwandeln.
Für Lily war es ziemlich einfach und sie war in drei Minuten fertig, doch für Tessa und Erika war es schwierig.
„Argh.", jammerte Erika und strich sich ein paar Strähnen ihrer wuscheligen Haare aus dem Gesicht. „Ich schaffe das einfach nicht."
„Es ist nicht so schwer.", behauptete Lily. „Hier, ich zeige es dir."
Lily hob ihren Zauberstab und schwenkte ihn über der Tasse und sofort wurde das Met zu Wein.
Erfreulicherweise ging der winzige Professor Flitwick gerade vorbei. „Exzellent.", quietschte er. „Fabelhafte Ausübung, Miss Evans! Für diese Leistung bekommen sie zehn Punkte für Gryffindor."
Lily strahlte stolz und zugleich schüchtern. Alle wussten, dass Flitwick sie über alle anderen favoritisierte.
„Jetzt-", sagte Flitwick, sich Erika und Tessa zuwendend. „Miss Monterrey - nein, die Schwarzhaarige - bitte demonstrieren sie, wie man dies hier in Wein verwandelt."
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Im hinteren Teil des Raumes saßen die beliebten Jungen und Mädchen.
„Sieh sie dir an-", spottete Kelly Crosby. Sie schüttelte ihr Gesicht, so dass ein paar Strähnen ihres perfekten blonden Haares in ihr perfektes Gesicht fielen. „Die perfekte Evans macht immer alles richtig."
„Ich stimme dir ja soo zu Kell.", sagte Marissa Everhard mitfühlend. „Sie ist, wie, SO eine Allwissende."
„Ich habe nie jemanden so stillen gesehen.", sagte Morgan Jennings, während sie ihre titianfarbenen Haare zu einem hohen Pferdeschwanz band. „Sie redet nie und sie macht IMMER ihre Hausaufgaben. Hat das Mädchen überhaupt ein soziales Leben?"
„Aber man muss zugeben-", sagte Marissa die Rothaarige kritisch betrachtend, „Sie ist schön." Kelly sah Marissa scharf an. „Ich meine-", sprach das Mädchen nervös weiter, „…in einer ´Ich würde dich niemals zwei Mal ansehen' Weise."
Morgans Augen weiteten sich entsetzt. „Was ist wenn unsere Freunde hinter der Allwissenden und diesen Zwillingen her sind?"
Marissa riss ihre großen braunen Augen auf. „OhmeinGott!"
„Relax.", garantierte Kelly ihren dämlichen Freundinnen. „Relax. Jamie, Sirius und Remus würden es nicht wagen hinter solchen Mädchen herzulaufen. Wer ist immerhin bekannter? Wir oder sie?"
„Wir.", riefen Marissa und Morgan augenblicklich.
„Exakt.", sagte Kelly nickend. „Aber, nur um sicher zu gehen-" Sie wandte sich ihrem schlafendem Freund James zu. „Jamie.", gurrte Kelly. „Jamie."
James öffnete ein übermüdetes haselnussbraunes Auge. „Was?", fragte er müde.
„Was denkst du über die Allwissende dort drüben?"
James guckte verwirrt. „Wer?"
„Lily Evans.", warf Marissa hilfreich ein.
James sah sogar noch verwirrter aus. „Wer ist Lily Evans?"
Kelly lächelte insgeheim. Gut, gut. Er hatte keine Ahnung.
„Sie.", antwortete Morgan und zeigte mit ihrem manikürten Finger auf die Rothaarige.
„Oh.", sagte James als die Erkenntnis ihn traf, „Sie. Ja. Sie ist klug."
„Danke, dass du das offensichtliche noch einmal bestätigt hast.", erwiderte Kelly augenrollend. „Was denkst du von ihr?"
„Vom Aussehen her?", fragte James. „Wenn sie nicht so still wäre, dann, ja, sie ist ziemlich heiß."
„Hmph.", sagte Kelly stirnrunzelnd.
„Kann ich jetzt weiterschlafen? Dieses Fach langweilt mich so sehr wie Binns es getan hat."
Kellys Stirnrunzeln wurde zu einem süßen Lächeln. „Natürlich kannst du das, Jamie.", sagte sie in all ihrer zuckrigen Süße.
Sobald James wieder eingeschlafen war, legte Kelly ihre eisblauen Augen zurück auf Lilys Hinterkopf.
Schön. Pfh! Ich bin sehr viel heißer als sie und das werde ich auch immer sein.
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„Ich denke ich habs — oh SHIT!"
„TESSA!"
„Wow, Erika, flüssiges Met steht dir großartig."
Lily stöhnte und stützte ihren Kopf auf den Arm. Das gestaltete sich zu einem wirklich schlechten Morgen für Lily.
Aber das war nur der Anfang von ein paar schrecklichen Morgen, die Lily noch erleben würde.
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Harry starrte ungläubig auf das erste Kapitel. Seine arme Mum! Er fühlte eine starke Welle Abneigung gegenüber Kelly Crosby in sich hochsteigen. Er hatte das unschöne Gefühl, dass sie Lily etwas Schreckliches antun würde.
„Nett.", sagte Ginny. „Zumindest haben wir eine klare Vision von Lily."
„Ist das das Ende des Buches?", fragte Harry dumm.
Ginny klatschte ihn auf dem Kopf. „Nein, du Trottel! Wir haben immer noch Kapitel zwei!"
„Wie heißt Kapitel zwei?", fragte Harry.
Ginny sah runter auf Seite elf. „James.", sagte sie.
