Kapitel 10 — Die Suche beginnt!

Als Kelly über ´das Mädchen in Grün´ zu brüllen begann, wusste Lily, dass sie die Große Halle verlassen musste.

Junge, Junge!

Leise, ohne dass jemand es mitbekam, glitt Lily aus der Großen Halle und in die Eingangshalle, wo sie sich gegen die kalte Wand lehnte und einen langen, zittrigen Atemzug nahm.

Gott, wie sie jetzt bereute mit dem verdammten James Potter getanzt zu haben.

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Glücklicherweise war heute kein Unterricht, da die Professoren wussten, dass keiner ihrer Schüler nach einem vier Stunden Ball fähig sein würde, aufzupassen. Deshalb wanderten die Schüler ziellos durchs Schloss oder über das Gelände.

Lily dagegen saß im Gryffindorgemeinschaftsraum, als Erika und Tessa hereingestürmt kamen.

„LILY!", schrien sie.

Erschrocken ließ Lily das Buch, das sie gerade gelesen hatte, fallen und sah auf. „Mein Gott.", keuchte sie. „Ihr habt mich erschreckt!"

„Sorry.", sagte Erika fröhlich.

Lily sah sie argwöhnisch an. Irgendwas stimmte nicht. Wieso war Erika so fröhlich? Sogar Tessa war über etwas glücklich!

„Okay.", sagte Lily schließlich, „Was geht hier vor? Ihr beiden seid viel zu fröhlich und streitet euch auf einmal nicht mehr." Und murmelte dann leiser, „Nicht dass ich mich beschweren würde."

Normalerweise hätte Tessa Lilys Kommentar mitgekriegt und ihr eine sarkastische Antwort an den Kopf geworfen, aber heute sagte sie nichts.

„Nun?" Lily verschränkte die Arme und tappte ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden. „Ich warte."

Erika grinste. „Du hast die große Schlussszene zwischen Barbie Nummer eins und Ken Nummer eins verpasste."

„Wer? Du meinst Kelly Crosby und James Potter?"

„So kann man es auch sagen, aber ja."

„Was ist passiert?"

Tessa kicherte. „Um das wenigste zu sagen, Kelly hat James angeschrieen."

„Weswegen?", fragte Lily dumm.

„Weil!", schrie Tessa. Sie hätte ihrer Freundin am liebsten einen Schlag auf den Kopf gegeben, weil so dumm war. „James sie abserviert hat!"

Lilys Gesicht verlor an Farbe. Sie hatte das ekelige Gefühl, was der wirkliche Grund war und das es mit dem Fakt zu tun hatte, dass sie gestern auf dem Ball mit James getanzt hatte.

Erika nickte und griff das auf, „Und willst du den Grund wissen WARUM er mit ihr Schluss gemacht hat?"

Lily schüttelte den Kopf.

Erika ihrerseits ignorierte den stillen Protest und erklärte, „Es ist wegen di-"

Lily legte schnell ihre Hand auf Erikas Mund und sah zum Portraitloch, durch welches James Potter, Sirius Black und Remus Lupin gerade den Gemeinschaftsraum betraten.

„Schlafsaal!", sang Tessa als die drei, mit Lilys Hand immer noch auf Erikas Mund, in ihren Schlafsaal eilten.

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„Ich frage mich, warum die drei Mädchen so schnell hier rausgehuscht sind.", bemerkte Sirius nachdenklich.

„Es liegt wahrscheinlich daran, dass sie dein Gesicht gesehen haben.", sagte James.

Sirius verzog sein Gesicht. „Zu deiner Information.", verteidigte er sich, „Mir wurde schon von tausenden Mädchen gesagt, dass ich ein Gesicht, wie von Engeln gestaltet, habe."

„Ja, der Engel aus der Hölle.", kicherte Remus und schloss sich James Spiel an.

Sirius runzelte die Stirn. „Würdest du aufhören dich über mich lustig zu machen?"

Remus schüttelte den Kopf, während James grinste. „Es hat Spaß gemacht, während es andauerte."

„Danke."

„So.", sagte Remus und setzte sich auf eine Armlehne. „Wieso hast du uns gebeten herzukommen? Ich hätte lernen können."

„Wofür?", fragte Sirius verblüfft. „UTZ? Die sind erst in acht Monaten."

Remus sah Sirius fest an. „Du musst immer vorbereitet sein."

„Hey!", schrie James. „Hey!"

Sirius sah James belustigt an. „Heu ist für Pferde."

„Padfoot.", fragte Remus. „Weißt du überhaupt was ein ´Pferd´ ist?"

„Nope."

„LEUTE!", brüllte James. „Bitte – seid still."

„Schön."

„Menno."

Die zwei Marauder setzten sich auf ein Sofa und warteten darauf, dass James zu sprechen begann.

„Nun?", fragte Sirius. „Weswegen hast du uns gerufen? Es muss etwas wichtiges sein, andernfalls hättest du mich nicht weggezogen, weggezogen von meinem Pfannkuchenhaufen, Toast, Müsli, Porridge-"

„Wir haben den Punkt verstanden, Padfoot."

„Jedenfalls." James sah seine Freunde fest an. „Der Grund warum ich euch hierher gebeten habe ist, weil ich eure Hilfe brauche."

„Wobei?"

„Ich brauche euch, um mir bei meiner Suche nach Miss Cinderella zu helfen."

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„Gibt es einen Grund, warum du mich mit deiner Hand auf meinem Mund hier hochgezogen hast?", verlangte Erika zu wissen, während Tessa die Schlafsaaltür schloss.

„Weil-", erklärte Lily. „Du sagen wolltest, dass ich der Grund bin, weshalb James mit Kelly Schluss gemacht hat."

„Aber du BIST der Grund.", beharrte Erika.

„Nun, offensichtlich.", bemerkte Tessa, die immer noch an der Tür stand.

„Spiel dich nicht so klug auf, Tess. Ich habe gesehen, wie Mitchell Braden dich beim Frühstück angestarrt hat."

Das brachte Tessa schnell zum Schweigen.

Lily konnte nicht anders als zu lächeln. „Hat er das wirklich?"

Erika nickte mit leuchtenden bernsteinfarbenen Augen. „Hat er! Es war soooo süß! Er hat sie mit einem träumerischen Gesichtsausdruck angestarrt und-"

„Schwester!", bellte Tessa. „Halt die Klappe!"

„Was du auch sagst – Mrs. Braden."

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„Was meinst du mit ´sie finden´?", fragte Remus.

„Ähm, naja, sieh mal.", sagte James lahm, „Ich – ähm – weiß nicht wer sie ist."

„Ahh.", rief Sirius. „Du hast mit dem Mädchen die ganze Nacht getanzt und hast vor deiner Ex-Freundin UND der ganzen Schule deine Liebe für sie verkündet, aber du weißt nicht ihren Namen?"

„Nein, er kennt ihren Namen, Padfoot.", sagte Remus.

Sirius und James starrten Remus an, als wäre er durchgedreht. „Tue ich?", fragte James.

„Ja, sie ist ´Miss Cinderella´. Oder?"

Sirius lachte.

James blickte finster. „Das ist nicht lustig, ihr beiden. Ich will sie wirklich finden."

„Okay, okay.", sagte Remus immer noch grinsend. „Du kannst einen Kerl nicht dafür tadeln, dass er ein bisschen Humor reinbringen wollte."

„Moony, du hast keinen Humor."

„Sirius.", warnte James.

Aber Sirius konnte man nicht stoppen. „Ich meine-", fuhr er leicht kichernd fort, „Der einzige Humor, den er hat, ist Buch Humor und wir alle wissen, dass das die schrecklichste Art von-"

Silencio."

Keine weiteren Geräusche kamen aus Sirius´ Mund.

„Danke, James.", sagte Remus dankbar. „Ich habe schon überlegt, wann die Batterien wohl zu Ende gehen würden."

Sirius bildete mit seinen Lippen ein paar Wörter, die sogar Minerva McGonagall einen Ohnmachtsanfall bescheren würden.

„Jetzt fahr fort, Prongs.", sagte Remus.

„Danke. Jedenfalls hatte ich gehofft, dass wir in der ganzen Schule Zettel aufhängen könnten."

„Okay, zuallererst. Diese 'Miss Cinderella' könnten hunderte von Mädchen sein. Was macht dieses Mädchen so einzigartig?"

„Diese Maske." James zeigte ihm die verkleinerte Maske.

„Ähh, ist deine Cinderella eine Ratte oder so?", fragte Remus, nahm die winzige Maske und untersuchte sie.

„Natürlich nicht!", rief James entgeistert. „Sie ist bloß verkleinert. Hier, das ist die richtige Größe." Er zog seinen Zauberstab und ließ die Maske wieder auf die richtige Größe wachsen.

„Das ist besser.", sagte Remus, als er sie von nahem untersuchte.

Nach ein paar Minuten sorgsamer Suche nach einem Namen oder so etwas, sagte Remus, „Wir haben ein Problem, James."

„Was?"

„Diese Maske könnte vielen Mädchen passen. Wie können wir feststellen, dass sie zu einem bestimmten Mädchen gehört?"

„Es wird klappen.", sagte James überzeugt. „Ich weiß es einfach."

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Zwanzig Minuten später entschied Lily sich aufs Gelände zu gehen und das Frühlingsartige Wetter zu genießen. Auch wenn es der 1. November war, waren es draußen mindestens fünfunddreißig Grad und Lily wollte so einen wunderschönen Tag wie den diesen nicht vergeuden.

Als sie die Treppe runter schlich, sah sie James Potter, Remus Lupin und Sirius Black immer noch im Gemeinschaftsraum sitzen. James erklärte etwas und schrieb dann was auf.

Mit vor Angst rasendem Herzen versuchte Lily die Stufen so leise wie möglich runter zu gehen, aber unglücklicherweise wurde sie durch eine knarrende Stufe verraten.

James sah auf, während seine zwei besten Freunde über die Schulter blickten um zu sehen wer das Geräusch gemacht hatte.

„Hi Lily.", sagte James. „Wie geht es dir?"

„Mir… ähm… geht es gut.", stotterte Lily und wurde rot.

„Wo gehst du hin?"

„Raus.", sagte Lily und versuchte sich zu beruhigen. „Es ist so ein schöner Tag draußen."

Lily bemerkte, wie Sirius etwas aufschrieb und den Zettel dann hoch hielt.

Wir sollten dich begleiten.

„Was ist mit ihm los?", fragte Lily James.

„Wir haben ihm mit einem Silencio Zauber belegt.", sagte James als wäre das etwas ganz normales.

Lily schaffte ein schwaches Lächeln. Sie bemerkte plötzlich wie heiß es im Gemeinschaftraum war.

„Tja, ich denke, wir sehen uns." Lily ging aufs Portraitloch zu. „Bye James, bye Remus, bye Sirius."

„Bis später."

Lily verschwand.

Remus sah amüsiert aus. „Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, dass sie etwas verbirgt."

Er sah zu Sirius, der etwas auf sein Pergament schrieb. „Denk nicht mal daran, Sirius."

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Kelly Crosby war weit über gedemütigt hinaus.

Dieser Morgen war echt beschissen gelaufen.

Sie konnte nicht glauben, dass da passiert war. James Potter - ihr Jamie – hatte mit ihr Schluss gemacht!

Wieso hatte er das getan?

Um ein dummes Mädchen zu finden, dass er auf dem Halloween Ball getroffen hatte!

Also so zahlte er ihr das zurück? Zwei Jahre hatte sie ihn geliebt und war schicksalhaft gewesen, und das alles schmiss er weg für ein Mädchen, dass er seit drei Stunden kannte.

Und um es noch schlimmer zu machen, sie hatte keinen Freund und ihre dusselige Freundin Marissa Everhard hatte immer noch einen!

Nein, das war inakzeptabel.

„Das ist echt beschissen, mit James.", zwitscherte Marissa als sie zum fünften Mal zum Spiegel über der Kommode ging um ihre Haare zu verbessern. Sie legte noch etwas Eyeliner auf ihre großen braunen Augen und betrachtete ihr Aussehen.

„Das mit Morgans Freund ist auch beschissen.", sagte Marissa und ging zu ihrem Schrank um in ihr Nachmittag Outfit zu wechseln. „Aber glücklicherweise werden Remy und ich für immer zusammen sein."

Okay, das wars.

Kelly sah auf, ihr blauen waren wieder kalt wie Eis. „Marissa?"

„Ja?" Marissa spähte von der Kommode, wo sie gerade ein Tank Top anzog, zu ihr hinüber.

„Mach mit Remus Schluss."

Marissa keuchte. „Wieso?"

„Weil", Kelly musste sich schnell etwas ausdenken, „Es im Moment nicht cool ist einen Freund zu haben."

„Worüber sprichst du?", wollte Marissa wissen. „Du warst diejenige, die immer darüber gestöhnt hat, dass James mit dir Schluss gemacht hat."

Ooh, sie war gut. Zum ersten Mal benahm sich Marissa nicht wie der dumme Idiot, wie sie sich normalerweise verhielt.

Kelly musste sich schnell eine andere Ausrede ausdenken. „Nun-", sie wählte ihre Worte mit Bedacht, „Ich habe gerade in die neuste Ausgabe der Teen Witch geguckt und Matilda hat gerade gesagt, dass Freunde im Moment total 'OUT' sind. Was für ein trotteliges Glück, dass James mit mir Schluss gemacht hat."

Kelly sah wie Marissa nachdenklich ihre Augen verengte und grinste süffisant. Sie konnte fast die Gedanken durch Marissas Gehirn fließen hören. Sollte sie ihren Freund behalten und total out sein? Oder sollte sie dem In und Out Guru Matilda folgen und ihn abservieren?

Endlich machte Marissa ihre Entscheidung.

„Matilda hat das tatsächlich gesagt?"

Kelly nickte. Gott sei Danke hatte sie Erfahrung im Lügen.

„Tja dann, ich will nicht total 'OUT' sein. Ich werde mit Remus Schluss machen."

Trottel.

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„Tief durchatmen, Lily, tief durchatmen."

Lily sagte sich das immer wieder, während sie auf dem Gelände herumwanderte.

Ein warmer Windstoß traf ihr Gesicht und brachte sie zurück in die Realität.

Wenn ich es nicht besser wüsste, dann würde ich denken, dass sie etwas verbirgt."

Sie war nicht schwerhörig oder dumm. Sie hatte gehört, wie Remus exakt diese Worte gesagt hatte und es erschreckte sie zur Hölle.

Sind sie meinem Geheimnis auf die Schliche gekommen? Haben sie die Idee, dass ich Miss Cinderella sein könnte?

Lily betete zum lieben Gott, dass es nicht das war was sie dachten.

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„Nun.", sagte James zu seinen Freunden. „Wissen wir alle was wir zu tun haben?"

Remus nickte, während Sirius den Kopf schüttelte.

„Wieso verstehst das nicht, Sirius?"

Sirius schrieb etwas auf sein Pergament.

Müssen wir die Zettel in der Schule aufhängen? Jetzt?

„Nein Sirius. Ich denke, wir sollten die Zettel gegen Mitternacht aufhängen. Auf diese Weise wird das niemand vorher erfahren."

Meinst du das sarkastisch?

James schüttelte den Kopf. „Ich bin Todseriös."

Ein Grinsen entfaltete sich auf Sirius´ Gesichtszügen als er etwas schrieb.

Nein, ich bin Sirius.

James und Remus stöhnten.

„Sirius-", sagte Remus, „Das war die ersten fünf Male im zweiten Schuljahr witzig. Jetzt ist es einfach schlichtweg nervig."

Ahh, aber das ist doch gerade das witzige daran.

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Während Lily draußen auf dem Gelände über Remus´ Worte in Panik geriet, war Kelly in ihrem Schlafsaal – außer sich vor Wut.

Marissa schmollte, weil sie vor nicht einmal fünf Minuten mit Remus Schluss gemacht hatte und es ihn kein bisschen zu stören schien. Sie dachte, dass Remus sie anbetteln würde, nicht mit ihm Schluss zu machen!

Allerdings interessierte Kelly es nicht wirklich, dass ihre so genannte beste Freundin gerade mit ihrem jetzt Ex-Freund Schluss gemacht hatte. Alles was sie kümmerte war, dass ihr Freund sie vor hunderten von Leuten wegen jemand anderem verlassen hatte.

Kelly verzog ihre Hände zu Fäusten und genoss den Fakt, dass sich ihre frisch manikürten Finger in ihr Fleisch gruben.

Wenn ich herausfinde wer 'Miss Cinderella' ist, dachte sie bösartig, Dann werde ich diesem Mädchen das Leben ganz sicher zur Hölle machen.

Und Kelly würde dieses Versprechen halten.

Garantiert.