Grace setzte sich an ihren Laptop und ging auf die Internetseite einer hiesigen Zeitung. Sie hatte sie schon oft für Schulprojekte benutzt. Diesmal ging es aber nicht um ein Projekt, sondern um ihr Leben. Sie brauchte ein paar Minuten, bevor sie den Mut fand den Namen ihrer Mutter einzugeben.
Sara Sidle
Es dauerte eine Weile, bis die Suchergebnisse präsentiert wurden. Es gab fünf Treffer. Die meisten waren über die Arbeit ihrer Mutter. Sie wurde nur als leitende Ermittlerin erwähnt, oder als Zeugin für die Anklage.
Der letzte Artikel aber, hatte eine andere Überschrift als die anderen.
Kriminologin stirbt bei Autounfall
Grace las sich den Artikel durch. Sie bekam Tränen in den Augen. Sie war nicht darauf vorbereitet gewesen.
Plötzlich hörte sie, wie die Tür zu ihrem Zimmer aufging. Eine große, schlanke, blonde Frau betrat ihr Zimmer. Schnell änderte Grace das Bild auf ihrem Bildschirm. Sie wollte nicht, dass die Frau erfuhr, was sie tat.
„Hey, Gracie.", begrüßte sie die Frau.
Grace blickte zu ihr auf. „Hallo, Cath. Was machst du hier?"
Catherine lächelte sie an. „Dein Vater hat mich gebeten nach dir zu gucken."
Grace rollte mit den Augen. Ihr Dad machte sich andauernd sorgen, obwohl sie sehr gut auf sich selbst aufpassen konnte.
„Was machst du gerade?", fragte Catherine neugierig.
In Graces Kopf rotierte es. Sie musste sich schnell etwas ausdenken. „Ich suche Material für ein Chemieprojekt."
Catherine lächelte. Die Kleine war jetzt schon clever genug um auf College zu gehen. Irgendwie fand Catherine es traurig, dass Lindsay sich nie so für die Wissenschaft interessiert hatte.
„Kann ich dir helfen?", fragte Catherine.
Grace schüttelte so heftig mit dem Kopf, dass sie Kopfschmerzen bekam. „Nein, ich bin schon fertig."
Catherine lächelte sie an. „Okay. Hast du Hunger?"
„Hat Dad dir nicht gesagt, dass wir schon gegessen haben?", fragte Grace und stellte ihren Laptop wieder aus. Sie konnte jetzt nicht weitermachen. Sie wollte nicht, dass Catherine es erfährt.
„Nein." Catherine setzte sich auf Graces Bett.
Grace sah sie an. Sie hatte keine Lust mit Catherine zu reden. Sie hatte jetzt Wichtigeres vor. „Musst du nicht arbeiten oder so?", fragte sie deswegen hoffnungsvoll.
Catherine blickte ihr skeptisch in die Augen. „Wieso?"
Grace dachte sich schnell etwas aus. „Ich wollte noch zu Josh. Wir wollten zusammen lernen."
„Zu Josh?", fragte Catherine, „Weiß dein Dad davon?"
Grace rollte mit den Augen. „Ja, er hat nichts dagegen. Ich bin auch gegen neun wieder zu Hause." Anscheinend hatte sich die ganze Welt gegen sie verschworen. Oder zumindest gegen den Teil von ihr, der die Wahrheit über ihre Mutter herausfinden wollte.
Catherine dachte darüber nach. Sogar sie konnte diesen Augen nichts abschlagen. „Okay, aber du bist rechtzeitig zurück und du rufst von Josh aus an, wenn du da bist. Ich habe Anrufererkennung, also versuche nicht mich auszutricksen. Verstanden?"
Grace nickte. Sie hasste es, wenn Catherine sich so aufführte, als wäre sie ihre Mutter. Aber wahrscheinlich machte sie sich wirklich nur sorgen.
Grace stand schnell auf und packte ihre Sachen zusammen. Sie war wie unter Strom. Sie musste unbedingt Grissom finden.
Grace schritt die Straßen entlang. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, dass sie Catherine angelogen hatte. Also ging sie wirklich zu Josh.
Mit ihrem Rucksack über der Schulter wartete sie, dass jemand die Tür öffnete. Joshs Mutter empfing sie. Für sie war es keine Überraschung, dass Grace abends vor ihrer Tür stand, sie war es schon gewohnt.
„Komm doch rein, Grace. Josh ist in seinem Zimmer.", begrüßte sie freundlich Grace.
Grace trat ein. „Danke, Mrs. Benson."
Grace beeilte sich in Joshs Zimmer zu kommen. Sie musste unbedingt mit ihm reden, sonst würde sie noch platzen.
Sie öffnete die Tür, ohne zu klopfen. Josh saß auf seinem Bett und las ein Buch, dessen Titel Grace aus dieser Entfernung nicht sehen konnte.
„Hey, ist was nicht in Ordnung?", fragte Josh, als er merkte, dass Grace in seinem Zimmer stand.
„Nein, alles wie immer.", gab Grace lahm zurück. Sie hatte noch nicht genügend Mut um ihn die Wahrheit zu sagen.
Josh blickte sie an. Er wusste, dass sie log. Das war nämlich eines der wenigen Dinge, die sie nicht konnte. Er legte sein Buch zur Seite und rückte dichter an Grace, die sich mittlerweile auf seine Bett gesetzt hatte.
„Was ist los, Gracie?", fragte er sanft.
Grace sagte eine ganze Weile nichts, dann aber erzählte sie endlich: „Ich habe meinen Dad heute gefragt, ob er mir von Mom erzählt."
Josh sagte kein Wort. Graces Mutter war ein sehr heikles Thema und er wollte Grace nicht verletzen.
Grace fuhr fort: „Sein Handy hat geklingelt und er ist gegangen. Es war so wichtig für mich und er ist einfach gegangen. Wie konnte er gehen?"
Als Josh ihr einen Arm um die Schultern legte und sich näher an sich zog, fing sie an zu weinen. Er versuchte sie zu beruhigen, indem er immer wieder leise in ihr Ohr flüsterte: „Ist schon okay, er wird dir die Wahrheit sagen… irgendwann."
Grace beruhigte sich wieder. Sie wischte sich die Tränen aus den Augen atmete tief durch und sagte: „Ich habe einen Namen, von jemanden, der mir vielleicht etwas über sie sagen kann. Ich werde die Wahrheit selbst herausfinden. Wirst du mir helfen?"
Josh überlegte. Es gab so viele Gründe, warum er ihr nicht helfen sollte. Ihr Vater hatte bestimmt einen Grund, warum er nicht über ihre Mutter sprach. Genau wie die anderen von Graces Familie… die aus dem Labor.
Aber als er in Graces gerötetes und tränen überströmtes Gesicht blickte, war klar, was er machen würde.
„Ich helfe dir.", sagte er.
Grace fiel ihm um den Hals und ließ ein Lachen heraus. „Danke, danke, danke."
„Schon gut, Gracie, noch haben wir ihn ja nicht gefunden.", versuchte Josh ihre Begeisterung etwas zu zügeln, damit sie später nicht enttäuscht werden würde.
„Okay… ähm, ich habe den Namen. Das Zeitungsarchive habe ich schon durchgeguckt und habe nichts Richtiges gefunden.", Grace war ganz aufgeregt, als sie Josh alles berichtete.
„Was kann ich für dich tun?"
Grace überlegte einen Moment. „Du könntest dich vielleicht irgendwo einloggen, wo man herausfinden kann, wo ehemalige Laborarbeiter jetzt sind." Grace wusste nicht genau, was Gil Grissom war, aber da er auf dem Bild vom Labor war und nicht aussah wie ein Polizist, nahm sie an, dass er wohl Laborarbeiter gewesen war.
Josh blickte sie an. „Hast du es schon mal im Telefonbuch versucht?", fragte er mit hochgezogenen Augenbrauen.
Grace sah ihn überrascht an. Darauf war sie noch nicht gekommen. Um diese Tatsache zu verschweigen, sagte sie: „Das ist nicht so cool."
Josh schüttelte lachend den Kopf. Dann wendete er sich an seinen Computer und startete ihn.
„Also, wie lautet der Name?"
Grace setzte sich neben ihn. „Grissom. Gil Grissom."
Joshs Finger flogen nur so über die Tastatur.
