„Sag mal, musstest du die Taschenlampe erst zusammenbauen?", fragte Nick, als Grace endlich neben ihm im Auto platz nahm.
Grace rollte mit den Augen und schnallte sich an. Ohne auf eine Antwort zu warten, fuhr Nick los. Sie fuhren eine ganze Weile, bis Grace es nicht mehr aushalten konnte. Sie musste ihm einfach fragen, was passiert war, dass er ihrer Mom so einen Brief geschrieben hatte.
„Dad, ich habe den Brief gelesen."
Im ersten Moment realisierte Nick nicht, was seine Tochter gesagt hatte. Als die Bedeutung ihrer Worte in sein Gehirn drang, war er ganz starrt. Zum Glück war die Ampel gerade los, so dass sie anhalten konnten.
Für seine Reaktion hatte Grace Verständnis. Auch, wenn sie es seltsam fand, dass eine gewisse Panik in seine Augen drang.
Als die Ampel wieder grün wurde, musste erst ein Auto hupen, bevor Nick aus seiner Starre erwachte. Das nächste was er tat war, dass er das Auto am Straßenrand parkte und Grace durchdringend ansah.
Seine Kehle war ganz trocken, trotzdem sagte er: „Du weißt, dass das meine Privatsphäre ist." Es war mehr eine Aussage, als eine Frage.
Grace nickte, auch wenn er nicht ganz Recht hatte, da es ja eher die Privatsphäre ihrer Mutter gewesen war.
„Gut, denn das geht dich nichts an. Ich frage dich auch nicht, nach irgendwelchen Briefen, die Josh dir schreibt, geschweige denn ich lese sie."
Grace schluckte hörbar. „Es tut mir Leid, Dad. Ich wollte nur wissen, warum du das Buch nie angefasst hast. Und als ich gesehen habe, wie du heute den Brief wieder zurückgelegt hast, konnte ich nicht widerstehen."
Nick nickte. Er sah sie schweigend an. „Dad, sagst du mir, warum du den geschrieben hast?"
Nick atmete tief durch. Vielleicht war es an der Zeit, dass Grace ein wenig über die Beziehung zwischen ihm und ihrer Mutter erfahren sollte.
Er sagte: „Deine Mom hatte eine ziemlich lange Zeit Probleme. Persönliche Probleme. Sie wurde mit der ganzen Situation nicht fertig. Zu dem Zeitpunkt bedeutete sie mir schon mehr als eine Freundin, also beschloss ich ihr zu sagen, was ich für sie will."
Grace blickte ihn mit großen Augen an. Sie würde endlich etwas erfahren. Nick fuhr fort: „Als ich dann vor ihr stand, lief es aber ganz anders."
„Hey, Sara. Hast du einen Moment Zeit.", fragte Nick etwas aufgeregt, als er sie erblickte.
Er wünschte sich, dass sie ja sagen würde, aber trotzdem hatte er Angst davor. „Ja, sicher.", erwiderte Sara.
Nick lächelte verlegen. Er berührte sie am Arm und führte sie in den Umkleideraum im CSI Gebäude.
„Ich wollte dir etwas sagen.", stammelte er etwas unbeholfen.
Sara blickte ihn mit großen erwartungsvollen Augen an. Ihr fiel auf, dass er etwas nervös war.
„Was ich dir sagen wollte ist, dass…", und dann war ein Augenblick eingetroffen, den Nick niemals erwartet hatte. Ihm fehlten die Worte… nein, ihm fehlten nicht die Worte, er hatte schlicht und einfach Angst.
„Ja, Nick, was wolltest du mir sagen?", fragte Sara. Sie kannte es gar nicht von Nick, dass er sich so verhielt.
In Nicks kopf rotierte es. Er überlegte sich schnell etwas. „Ich wollte dir nur sagen, dass du den Fall genial gelöst hast."
Sara sah ihn überrascht an. Damit hatte sie am Wenigsten gerechnet, Und es war irgendwie nicht das, was sie erwartet hatte.
„Danke.", antwortete sie verunsichert.
Grace blickte ihren Vater an. „Deswegen hast du den Brief geschrieben?"
„Ja, ich hatte nicht genug Mumm um ihr das zu sagen.", erklärte Nick.
Grace zog die Stirn kraus und fragte: „Wie seit ihr dann zusammen gekommen?"
Nick lächelte sie an. „Willst du das wirklich hören?"
Grace nickte eifrig. Natürlich, das war das, was sie am Meisten wollte. Also fing Nick an zu erzählen.
„Nick, wenn du nicht dafür sorgst, dass ich nicht erfiere, dann zwinge ich dich auf ein Celine Dion Konzert zu gehen." Sara zitterte am ganzen Körper. Sie hätte Nick niemals zustimmen sollen, dass sie zu Fuß zum Metallica Konzert gehen.
Nick lachte ein wenig, als Sara ihm drohte. Es regnete in Strömen. Langsam bereute er es auch, dass er vorgeschlagen hatte, zu Fuß zu gehen. Er hatte Regen nicht erwartet.
Seine Kleidung war völlig durchnässt. Und er spürte, wie Sara immer heftiger anfing zu zittern.
Plötzlich kam ihm eine Idee. „Komm mit, ich weiß, wie ich dich warm kriege.", sagte Nick und ergriff Saras Hand.
Er zog sie schnell vor ein Geschäft. Im Schaufenster konnte Sara Frauenkleidung erblicken. Diese sah ziemlich hübsch und vor allem teuer aus. Nick blieb stehen und kramte in seiner Jackentasche.
„Nicky, was wollen wir hier? Es regnet, ich erfriere und du willst dir Schaufenster eines geschlossenen Geschäftes angucken? Haben ich schon erwähnt, dass ich erfriere?", fragte Sara zitternd.
„Habe ein wenig Geduld.", forderte er Sara auf. Im nächsten Augenblick hatte er das gefunden, was er gesucht hatte.
Er zog einen Schlüssel aus der Tasche und öffnete die Tür des Geschäftes. „Darf ich bitten?"
Sara blickte ihn erstaunt an. „Du hast den Schlüssel?", fragte sie erstaunt.
Nick nickte. „Das Geschäft gehört einem Freund von mir. Er hat mir einen Schlüssel gegeben, falls ich mal in der Gegend bin."
„Und, wie viele Frauen hast du schon hierher gebracht?", fragte Sara, als sie den Laden betrat.
„Mit dir, eine.", erwiderte Nick.
Sara musste grinsen. Nick schloss die Tür hinter sich und schloss wieder zu. „Was wollen wir hier machen?", fragte Sara, als sie sich umsah.
„Na ja, dir ist doch kalt. Also suche dir etwas anderes zum Anziehen.", erklärte Nick.
Sara guckte sich um. Als Nick sie beobachtete, fühlte sie sich sicher. Nach einer Weile fing auch Nick an sich etwas Neues zum Anziehen zu suchen.
„Ihr seid in einen Laden eingebrochen und habt euch erstmal etwas Neues zum Anziehen ausgesucht?", fragte Grace erstaunt.
„Wir sind nicht eingebrochen, ich hatte einen Schlüssel.", stellte Nick fest.
Grace nickte. „Was passierte dann?"
Nick und Sara saßen sich auf dem Boden gegenüber, sie hatten es sich auf ein paar Kissen gemütlich gemacht.
Es klopfte an der Tür und Nick stand auf. Die Pizza, die sie vor ein paar Minuten bestellt hatte, war da. Nick öffnete die Tür und holte sein Geld.
Als er wieder an der Tür war, sah er, wie der Pizzabote Sara anstarrte. Sara war nicht gerade beeindruckt davon, trotzdem machte die Art, wie er Sara ansah, Nick krank.
Wieso machte es ihm plötzlich so viel aus? Als er dem Pizzaboten das Geld gab, verschwand dieser danach, doch vorher warf er noch einen Blick auf Sara.
Nick stand noch eine Weile an der Tür und musterte Sara. Sie hatte eine Federboa um den Hals und einen riesigen Hut. Ihre Haare waren noch nass und tropften auf ihr Sommerkleid. Nick fand es so untypisch für Sara, aber es gefiel ihm.
Sie blickte ihn erwartungsvoll an. „Bekomme ich etwas von der Pizza?"
Nick erwachte aus seiner Erstarrung und reichte Sara die Pizza. „Natürlich."
Sein Herz sank ihm förmlich in die Hose, als Sara ihn anlächelte. „Was ist mit dir? Willst du kein Stück Pizza?", fragte sie.
Nick setzte sich neben sie und antwortete: „Doch, es ist nur…"
Sara blickte ihn lächelnd an. „Was?"
„Mir ist vorher noch nie so richtig aufgefallen, wie wunderschön du bist.", gestand Nick. Es war ihm etwas peinlich diese Worte zu sagen. Sie klangen so kitschig und so untypisch für ihn.
Sara sagte nichts dazu. Nicht, dass sie nicht etwas erwidern wollte, doch sie konnte ihren Körper einfach nicht dazu bringen die Gedanken in ihrem Kopf zu richtigen Worten zu formulieren.
„Was ist dann passiert?", fragte Grace aufgeregt.
Nicks Blick schien in die Leere zu gehen, aber in Wahrheit kramte er in seinen Erinnerungen. Dieser Moment hatte zu den glücklichsten Momenten seines Lebens gehört.
„Dad?", fragte Grace.
Nick schüttelte seinen Kopf leicht. „Das Lieblingslied deiner Mom wurde im Radio gespielt und sie wollte tanzen. Also haben wir getanzt."
Grace überlegte einen Augenblick. „Was geschah dann?"
Nick blickte sie an und musste grinsen. Als er nichts sagte, versuchte sie ihn dazu zu drängen: „Komm schon, Daddy. Ich verrate es auch nicht weiter."
Nick musste lachen. Doch, als er das Gesicht seiner Tochter sah, fuhr er fort.
Sara kam sich vor, als wäre sie in einem Traum. Sie hoffte, dass sie nie wieder aufwachen würde. Die Musik, das Licht und die Atmosphäre war einfach perfekt.
Das, was ihr aber am Besten gefiel war, dass Nick sie in seinen Armen hielt. Sie hätte es nicht für möglich gehalten, dass sie sich mal so Nahe waren, dass sie seinen Herzschlag spüren konnte. Ihr fiel auf, dass seins mit ihrem im Takt schlug.
Nick strich ihr sanft über den Rücken, als er ihren Atem auf seinem Gesicht spürte. Es lag eine elektrische Spannung im Raum, die ihm einen leichten Ruck gab. Jahre später würde er diesen Moment als den bezeichnen, wo er sich in Sara verliebt hat.
Ihm überkam ein Gefühl des Glücks und er beugte sich etwas vor. Seine Lippen waren nur noch Zentimeter von ihren entfernt.
Noch ehe er einen Schritt tun konnte, presste Sara ihre Lippen auf die seinen. Es war sanft und süß. So als wäre sie sich ihrer Sachen ganz sicher, aber wüsste noch nicht, was er davon halten würde.
Ihre Zweifel wurden weggefegt, als Nick ihren Kuss erwiderte.
Nick stoppte mit seiner Erzählung. Grace guckte ihn erwartungsvoll an. Er sollte weitermachen. „Dad, wie geht es weiter."
„Es geht nicht weiter.", antwortete Nick.
Grace sah in mit einen Grinsen an. „Du meinst, jetzt kommt der nicht mehr jugendfreie Teil?"
Nick sah sie ernst an. „Nein, es kommt gar kein Teil. Es geht einfach nicht weiter."
„Was soll das denn heißen?", fragte Grace entsetzt.
Nick lächelte traurig. „Das soll heißen, dass unsere Handys geklingelt haben. Wir mussten zur Arbeit."
„Oh, okay.", erwiderte Grace ein wenig traurig.
Die weitere Fahrt zu Josh verlief in Schweigen, doch das war Grace egal. Sie hatte etwas erfahren, das war die Hauptsache.
