Grissom schritt an der Seite von Grace die Straße entlang. Er hatte es sich nicht nehmen lassen sie zum Hotel zu begleiten.
Seinen Augen fielen auf ihr Gesicht. Grace blickte stur geradeaus, so als wäre sie sich ihrer Sache nicht sicher. Grissom musterte sie intensiv. Sie war groß geworden. Ihm war aufgefallen, dass sie das Lächeln ihrer Mutter hatte, mehr als sie es schon damals besessen hatte.
Er fragte sich, ob ihr das bewusst war. „Kannst du dich an deine Mom noch erinnern?", fragte Grissom. Er wollte es unbedingt wissen. Es war ihm wichtig, dass Sara in nicht Vergessenheit gerät.
„Nur an manche Dinge. An die Art, wie sie mir die Haare bürstete, ihre Stimme, wenn sie mir etwas vorsang und ihren Geruch. Sie hatte nie nach Parfum gerochen, sie roch trotzdem so wunderbar, dass ich es nie vergessen werde." Graces Blick blieb stur auf die Straße gerichtet.
Grissom musste lächeln. „Sie hat nie welches getragen, weil es sie bei der Arbeit behindert hätte."
Grace strich sich die Haare aus dem Gesicht. „Ich weiß. Sie sagte immer, als Wissenschaftlerin muss man sich auf seine Sinne konzentrieren können und dass geht nur, wenn diese nicht behindert werden."
Grace lächelte bei dem Gedanken. Grissom stoppte. Grace merkte es erst ein paar Schritte weiter. Sie blieb stehen und drehte sich um.
„Was ist?", fragte sie verwirrt.
Grissom schüttelte den Kopf und ging weiter. „Willst du von dem Moment hören, an dem ich dich das erste Mal gesehen habe?"
Grace nickte. Jeder Fetzen Erinnerung wäre eine Bereicherung auf ihrer Suche. Und dafür war sie schließlich hergekommen.
Grissom betrat den kleinen Raum. Sara lag in einem Bett und hielt ein kleines Bündel in den Armen. Obwohl sie ziemlich fertig aussah, strahlte sie übers ganze Gesicht. Nick saß neben ihr auf dem Bett.
Grissom hielt einen riesigen Teddybären in der Hand und in der anderen hielt er rosa Luftballons.
Er kam an Bett und umarmte Sara, dabei war er ganz vorsichtig, da er das kleine Geschöpf in ihren Armen nicht verletzten wollte. Auch Nick umarmte er und überreichte ihm die Sachen. Dieser packte sie auf das Fußende des Bettes.
„Danke, Grissom.", bedankte er sich.
Grissom lächelte ihn an und nickte. Nick wusste, dass das bitte heißen sollte. „Darf ich sie mal in den Arm nehmen?", fragte er leise.
Sara lächelte und übergab ihn die kleine. Grissom nahm sie gekonnt in den Arm und stellte fest, dass sie wunderschön war. Sie sah aus wie ihre Mutter. „Hallo, Kleines.", flüsterte er.
Im nächsten Augenblick fragte er: „Habt ihr schon einen Namen?"
Sara blickte kurz zu Nick und dann wieder zu Grissom. „Nein."
Grissom nickte und übergab Sara ihre Tochter wieder, dabei sagte er: „Meint ihr nicht, dass es an der Zeit ist ihr einen Namen zu geben? Ich meine, jeder braucht einen Namen."
„Wie wäre es mit Sara?", fragte Nick.
Sara blickte auf ihre Tochter. Sie war so winzig. „Nein, sie ist zu hübsch für eine Sara."
Nick wollte etwas erwidern, aber er ließ es. In diesem Augenblick wollte er keine Diskussion mit Sara auslösen. Er war zu wichtig.
Seine Frau sagte nach einer Weile: „Was ist mit Grace? Sie sieht aus wie eine Grace."
Nick schaute auf sein kleines Mädchen. „Ja, Grace ist perfekt."
„Ich sollte Sara heißen?", fragte Grace schockiert.
Grissom nickte. „Ja, aber deine Mutter wollte das nicht."
Grace blickte Grissom ins Gesicht. „Gut, denn das würde meinem Dad heute wehtun."
Als Grissom den traurigen Blick ihm Gesicht dieses Kindes sah, brach sein Herz. Die Kleine hatte viel zu viel mitgemacht. Das war nicht fair.
„Oh, verdammt.", stieß Grace hervor.
Grissom blickte sie besorgt an. „Was ist los?"
Grace fummelte in ihrer Tasche und zog ihr Handy heraus. „Ich habe vergessen Dad zu sagen, dass er die Fische füttern soll."
„Nick weiß das bestimmt.", beruhigte Grissom sie.
Doch Grace schüttelte vehement den Kopf. „Nein, ich stellte das Futter immer woanders hin, er findet es bestimmt nicht."
Sie tippte schnell die Nummer in ihr Telefon ein und wartete, dass ihr Vater sich meldete. Doch er ging nicht ran.
„Verdammt."
Grissom runzelte die Stirn. „Ruf ihn doch später noch einmal an.", schlug er vor.
„Nein, ich rufe lieber Warrick an.", sagte Grace und wählte dabei seine Nummer.
Diesmal ging jemand ans Telefon. „Brown.", meldete sich die vertraute Stimme.
„Ich bin's, Süßer.", meldete sich Grace. Grissom war ein wenig schockiert, als er die Begrüßung hörte.
„Gracie, ist alles in Ordnung?", fragte Warrick besorgt.
„Ja, ich wollte dich nur um einen Gefallen bitten.", antwortete Grace und hörte Warrick erleichtert aufatmen.
„Schieß los.", forderte er Grace auf.
„Ich habe vergessen Dad zu sagen, dass er Pinky und Brain füttern muss. Und er geht nicht an sein Handy, kannst du ihm sagen, dass das Futter in der obersten Schublade von meiner Kommode liegt?"
„Ja, aber warum sagst du es ihm nicht. Wo bist du?", fragte Warrick verwirrt.
„Ich bin bei Josh, wir zelten.", antwortete Grace und kreuzte ihre Finger übereinander. Sie wollte ihn nicht anlügen.
In diesem Augenblick klingelte Grissoms Handy. Er ging schnell ran: „Grissom."
Warrick runzelte die Stirn. Er hoffte, dass er sich verhört hatte. Er fragte Grace: „Kann ich mal mit Josh sprechen?"
Grace war überrascht. Das hatte sie nicht erwartet. „Josh ist gerade etwas zu Essen holen. Kann ich ihm etwas ausrichten?"
Warrick antwortete: „Nein, ist schon gut." Jetzt wusste er, dass Grace gelogen hatte. Er wusste genau, wo sie war.
„Also, sagst du Dad bescheid?", fragte Grace erneut.
„Ja, ich sag's ihm."
Grace atmete erleichtert auf. „Danke. Bis dann."
„Pass auf dich auf, Süße. Okay?"
Grace rollte mit den Augen. „Ja, versprochen."
„Gut. Bis dann.", antwortete Warrick und legte auf. Das nächste was er tat war, dass er sich in seinen Wagen setzte und in Richtung Henderson fuhr.
Grace steckte ihr Telefon wieder ein und wartete bis auch Grissom sein Gespräch beendet hatte. „Alles in Ordnung?", fragte sie.
Grissom nickte. „Ich bringe dich jetzt zum Hotel. Es wird langsam schon spät."
„Ja, können wir uns morgen wieder sehen?", fragte Grace hoffnungsvoll.
Grissom überlegte, ob das richtig war, sagte aber dann: „Ja, ich hole dich morgen früh wieder vom Hotel ab."
Grace nickte und umarmte ihn. Sie spürte, dass er diese Geste nicht gewohnt war. Es dauerte eine Zeit, bis er die Umarmung erwiderte.
