Grace wurde durch einen Sonnenstrahl geweckt, der in ihr Zimmer schien. Als sie die Augen öffnete und sich erhob, erschrak sie. Warrick saß auf einem Sessel neben ihrem Bett.

„Was machst du hier?", stieß sie hervor.

Warrick faltete seine Hände und blickte sie ganz ruhig an. „Dasselbe könnte ich dich fragen."

„Das ist keine Antwort auf meine Frage.", stellte Grace fest.

Warrick nickte, dann fragte er: „Was willst du von Gil Grissom?"

Die Frage überraschte Grace. Sie stand auf und ging Richtung Badezimmer. „Das geht dich gar nichts an. Woher wusstest du eigentlich, wo ich bin?"

„Ich habe gehört, wie Grissom an sein Handy gegangen ist. Dann bin ich hierher gefahren und habe alles Hotels abgesucht. Das hier ist das sechste."

Grace sah ihn erstaunt an. Daran hatte sie nicht gedacht. „Wie bist du in mein Zimmer gekommen?"

„Ich habe an der Rezeption gefragt. Die haben mir einen Schlüssel gegeben.", erklärte Warrick.

Grace regte sich auf. „Geben die einfach jemand den Schlüssel?"

„Ich habe gesagt, ich wäre dein Vater.", fügte Warrick hinzu.

Grace starrte ihn an. „Du bist schwarz."

Warrick sah verletzt aus. Das war eine Tatsache, die Grace noch nie zur Sprache gebracht hatte. „Na und, seit wann ist das ein Problem?"

Grace schüttelte den Kopf. „So meinte ich das nicht. Es ist nur sehr unwahrscheinlich, dass du mein Vater bist, wenn ich weiß bin. Anscheinend ist der Hotelbesitzer nicht gerade sehr clever."

Warrick musste lachen. „Daran habe ich gar nicht gedacht. Vielleicht hat er vergessen, wie du aussiehst."

„Ja, vielleicht.", erwiderte Grace lächelnd. Im nächsten Augenblick wurde ihr Gesicht wieder todernst. „Woher wusstest du, dass ich in Henderson bin?"

Sie wusste die Antwort schon, doch sie konnte nicht so recht glauben, dass Warrick ihr das all die Jahre verschwiegen hatte.

Warrick räusperte. „Ich wusste, dass Grissom hier an der Uni unterrichtet. Wir haben oft telefoniert. Er wollte wissen, wie es dir geht." Er schämte sich dafür. Sie hätte verdient die Wahrheit zu wissen.

Das erstaunte Grace und machte sie gleichzeitig wütend, doch sie ließ sich nichts anmerken.

Warrick sah ihre Überraschung, aber hielt sich zurück. Sein Blick fiel auf die Uhr an der Wand. „Grace, packt deine Sachen zusammen. Wir sollten zurück nach Vegas fahren."

Grace schüttelte den Kopf. „Ich kann nicht. Ich treffe mich gleich mit Grissom."

„Das geht nicht, Gracie.", sagte Warrick und blickte sie an. Sie war enttäuscht und ihre Augen waren die eines traurigen Kindes.

Warrick konnte nicht anders, er musste etwas tun, damit sie ihn nicht mehr so anblickte. Er hasste diesen Blick. Sara hatte auch immer so geguckt, wenn sie etwas wollte. Er hasste den Blick, weil er zu ihm nie nein sagen konnte.

„Okay, Süße. Du darfst dich mit Grissom treffen. Du verabschiedest dich von ihm und danach fahren wir nach Hause.", schlug Warrick vor.

Grace strahlte ihn an. Doch dann fuhr Warrick fort und ihr Lächeln verblasste. „Allerdings nur unter einer Bedingung."

Grace guckte ihn gespannt an. Natürlich musste es einen Haken geben.

„Du musst Nick alles erzählen.", beendete Warrick sein Ultimatum.

Grace starrte ihn an. Sie wusste nicht, ob sie das konnte, doch sie sagte trotzdem: „Okay."


Grissom war ein wenig nervös, als er auf Grace wartete. Er wusste nicht warum und er wollte sich damit auch nicht befassen. Plötzlich kam ihm der Gedanke, wie dumm er nur war, dass er sich mit Saras Tochter erneut traf.

Eigentlich hatte er sich damals fest vorgenommen die Vergangenheit ruhen zu lassen. Es war besser für alle. Doch als er in Graces Augen blickte, war ihm das egal.

„Hey, Grissom.", begrüßte Grace ihn, als sie aus ihrem Zimmer trat.

Grissom lächelte sie an. „Hallo."

Grace ging auf ihn zu und Grissom konnte den traurigen Blick in ihren Augen erkennen. „Grissom, ich muss mich verabschieden.", murmelte sie leise.

„Warrick bringt dich nach Hause oder?", fragte Grissom.

Grace blickte ihn überrascht an. „Ja, woher weiß du das?"

„Hey, alle deine erwachsenden Verwandten und Freunde sind CSIs und ich habe sie ausgebildet. Ich wusste, dass sie dich finden würden.", antwortete Grissom und musste zu seiner Schande gestehen, dass er ziemlich eingebildet klingte.

Grace nickte leicht, war aber immer noch skeptisch. „Aber warum Warrick?"

Grissom lächelte sie an. „Dein Vater wäre schon längst in der Uni aufgetaucht, mit Cath habe ich gestern Abend telefoniert und Greg ist in Washington zu einer Konferenz, also bleibt nur noch Warrick über."

Grace hätte sich das denken können. Warum telefonierte eigentlich jeder mit Grissom und niemand sagte ihr etwas davon? Sie war ein wenig sauer, doch sie wollte sich jetzt nicht damit beschäftigen.

„Er ist drinnen und packt meine Sachen zusammen.", erzählte Grace Grissom.

Grissom nickte. Er wollte Warrick gerne sehen, aber im Moment gab es wichtigeres. „Gracie, bevor du gehst, solltest du noch etwas wissen."

Grace blickte ihn aufmerksam an. Als Grissom fort fuhr, fing sie leicht an zu zittern: „Ich habe deine Mom geliebt. Sie war die Frau, mit der ich mir meine Zukunft vorstellen konnte. Und sie hat mich auch geliebt, am Anfang jedenfalls." In seiner Stimme lag eine Woge Traurigkeit.

„Aber ich habe es vermasselt. Sie war bereit gewesen mir alles zu geben, was sie mir geben konnte. Sogar ihr Herz, aber ich habe es vermasselt. Ich war zu feige mit ihr auszugehen, als sie mich gefragt hatte und ich habe sie mehrere Male abblitzen lassen."

„Soll das heißen, dass mein Dad nur zweite Wahl war?", unterbrach Grace ihn schockiert.

„Nein, Gracie, ganz bestimmt nicht. Sara hat deinen Vater mehr geliebt, als sie mich jemals geliebt hat." Es fiel Grissom schwer die Wahrheit zu sagen, doch sie hatte es verdient.

Grace konnte ihm nicht so recht glauben, also fügte er noch hinzu: „Es hat ziemlich lange gedauert, bis ich mir das eingestehen konnte. Deine Eltern waren schon zwei Jahre zusammen, als es mir endlich bewusst wurde."

Hey, ist alles in Ordnung mit dir?", fragte Nick leise, als er Sara in seinem Labor erblickte. Sie saß schon Stunden vor einem Haufen von Bildern mit Blutspritzern, die sie versuchte in die richtige Reihenfolge zu bringen. Manchmal hasste sie diesen Job.

Sara blickte auf und Nick sah ihre vom langen starren schon roten Augen. „Ja, mir geht es gut."

Ich habe dir etwas zu essen mitgebracht. Du hast bestimmt, noch nichts gegessen oder?" Nick setzte sich auf den Boden direkt neben ihr und reichte ihr das Essen.

Sara schüttelte den Kopf und nahm die Tüte mit dem chinesischen Essen dankbar an.

Kommst du voran?", fragte Nick und blickte ihr ins Gesicht. Er konnte an den Ringen unter ihren Augen erkennen, dass sie seit Tagen nicht geschlafen hatte.

Nein, ich kann den Tathergang einfach nicht nachvollziehen. Alles ist so durcheinander." Sie war schon richtig verzweifelt. Sie drückte leicht ihre Augen und packte erstmal die Tüte aus. Als sie die Boxen öffnete, lächelte sie Nick an.

Meine Lieblingssorte.", sagte sie einfach.

Nick lächelte zurück. „Ich weiß."

Sara reichte ihm die andere Box und eine Gabel. Daraufhin machten sie sich auch schon daran das Essen zu vernichten.

Nach ein paar Happen stellte Nick sein Essen neben sich und sagte: „Ich helfe dir, sonst sehe ich dich ja gar nicht mehr zu Hause."

Sara gab ihm diesen typischen Blick, der sagte, ich kann alles alleine, wenn ich will. Doch sie war Nick dankbar.

Musst du nicht das Haus dieser toten Anwältin noch untersuchen?", fragte Sara, obwohl sie die Antwort schon wusste.

Nick lächelte sie an und erwiderte: „Warrick schafft das auch mal zwei Minuten ohne mich. Er wird das schon verstehen, ich meine, er will ja auch nicht, dass die Frau die er liebt, auf Grund von Schlafentzug das Zeitliche segnet."

Sara rollte mit den Augen, sah ihn aber im nächsten Moment wieder ernst an. „Danke."

Hey, ich würde alles für dich tun, das weißt du doch oder?"

Sara beantwortete seine Fragen, indem sie ihm schnell einen Kuss gab. Als Nick sich an die Arbeit machte, blickte Sara ihm für einen Augenblick an.

Grissom Stand vor der Tür. Eigentlich wollte er Sara einen Ordner mit noch mehr Bildern geben, doch er konnte sich nicht mehr überwinden den Raum zu betreten. Nachdem er das eben mitbekommen hatte, wusste er nicht, ob er es jemals wieder konnte. Er drehte sich um und ging in die andere Richtung, soweit es überhaupt ging.

„Gracie, mir wurde bewusst, dass deine Mom mich nie im Leben so angeblickt hätte. In dem Moment wusste ich, dass ich nie wieder einen Chance bekommen würde.", Grissom unterdrückte mit Erfolg seinen Tränen, konnte diese aber nicht aus seiner Stimme fernhalten.

Hinter Grace öffnete sich eine Tür und Warrick kam zum Vorschein. „Grace, wir müssen bald los. Hey, Gil."

Grissom schüttelte seinen Kopf und lächelte seinen Freund an. Er hatte sich kaum verändert, seit er ihn das letzte Mal gesehen hatte. „Warrick, wie geht es dir?", fragte er.

Warrick kam zu Grissom und umarmte ihn. „Gut, es ist schön dich wieder zu sehen."

„Ihr müsst los oder?", fragte Grissom. Er wollte noch nicht, dass sie gehen.

Warrick nickte. „Grace muss Nick eine Menge erzählen." Er wusste, dass Grissom das bewusst war. Er hätte Warrick nämlich schon längst angerufen, wenn Grace mit Nicks Einverständnis hergekommen wäre. Es hätte ihn nämlich gewundert.

Grissom wendete sich wieder an Grace. „Das hier ist meine Nummer. Ruf mich jederzeit an. Ich will nämlich mal aus deinem Mund hören, wie es dir geht."

Grace nahm die Nummer an und verstaute sie sicher in ihrer Hosentasche. „Ich werde dich anrufen. Versprochen.", sagte Grace und umarmte Grissom ein letztes Mal.

Diesmal erwiderte er ihre Umarmung. „Danke, dass du mir das alles erzählt hast.", flüsterte Grace ihm ins Ohr.

Grissom nickte nur und ließ sie schweren Herzens wieder los.

„Gil, ich werde mich bei dir melden.", sagte Warrick eher er und Grace ins Auto stiegen und Richtung Las Vegas fuhren. Es fiel Grace viel schwerer, als sie gedacht hatte.

Doch es war eine gute Idee gewesen. Sie dachte während der Fahrt über die letzten Tage nach und wechselte kaum ein Wort mit Warrick. So musste sie nämlich nicht an das bevorstehende Gespräch mit ihrem Vater denken.