Ja, ja. Ich hab mich laange nicht gemeldet. Asche auf mein Haupt.
Bei mir war Prüfungszeit und meine Beta Wolvesdawn war leider auch nicht in Reichweite (seufz). Hier übrigens mal wieder vielen Dank fürs Korrigieren.
Aber jetzt genug der Ausreden. Die Handlung ist momentan vielleicht etwas zäh (wie ich zu meiner eigenen Schande eingestehen muss), aber ich hab mich mit den verschiedenen Handlungssträngen etwas zu sehr ausgetobt und muss jetzt alles wieder zusammenführen. Sozusagen. Die große Action lässt also noch etwas auf sich warten.

Ich hoffe dass ihr bis dahin noch etwas Durchhaltevermögen beweist und trotzdem bei der Stange bleibt. ;-) Hier auch wieder vielen Dank an die lieben :Leutchen, die mir auf das letzte Kapitel gereviewt haben. So liebe Kommentare bringen mich immer wieder dazu weiter zu schreiben.

Viel Spass beim Lesen
Lg
RavannaVen


Konfrontation

Anamaria seufzte schwer und ließ ihren Blick über die traurige Ansammlung von Hütten wandern, die die Bezeichnung Stadt bei weitem nicht verdiente. Moruga war ein kleines Fischerdorf am südlichsten Ende der Insel, und es hatte seine besten Zeiten wohl schon lange hinter sich gelassen. Alles sah ziemlich heruntergekommen aus, und das war noch eine der milderen Bezeichnungen, die Ana in den Sinn kamen. Jede einzelne dieser Bruchbuden sah so aus, als würde sie in sich zusammen fallen, sobald man auch nur einen Fuß hinein setzte.

Jacks Blick hatte Bände gesprochen als Moruga endlich in Sicht gekommen war. Er hatte kein Wort gesagt, während er die Pearl durch die enge Hafeneinfahrt manövrierte, doch sein verbissener Gesichtsausdruck zeigte jedem, dass er am Liebsten auf der Stelle kehrt gemacht hätte. Ana wusste nicht, was Jack letzten Endes doch dazu bewogen hatte zu bleiben. Jedenfalls waren sie am frühen Nachmittag in diesem Kaff vor Anker gegangen und zwanzig Mann waren seitdem damit beschäftigt, die nähere Umgebung auszukundschaften. Für den Rest der Crew hieß es solange warten, bis klar wurde, welche Möglichkeiten sich ihnen boten. Mit anderen Worten: Tödliche Langeweile.

Die Luft über den ausgetretenen Strassen flirrte in der Hitze. Jeder, der nicht unbedingt etwas zu erledigen hatte, schien sich an ein schattigeres Plätzchen zurückgezogen zu haben, und auch von Gibbs, Marty und den anderen war weit und breit nichts zu sehen. Ana fragte sich in einem Anflug von Ärger, wie lange es wohl dauern konnte, alles Wissenswerte über dieses Dorf herauszufinden. Sie allein hätte wahrscheinlich weniger als zwei Stunden gebraucht. Wenn sie herausfand, dass Gibbs getrödelt hatte, würde sie schon dafür sorgen, dass er es bitter bereute.

„Sie werden auch nicht schneller da sein, wenn du hier herum stehst und Löcher in die Luft starrst, weißt du?" Anamaria musste sich gehörig am Riemen reißen um nicht zusammen zu zucken. Großer Gott, sie hasse es, wenn er sich so an sie heranschlich. „Hallo Jack."

„Es heißt immer noch Captain, Liebes. Genau wie gestern übrigens. Und Vorgestern, und all die anderen Tage davor." Jack begleitete seine Worte mit den für ihn so typischen Handbewegungen, um seine Argumentation zu unterstreichen. Anamaria verdrehte allerdings nur die Augen. Sie machte sich nicht einmal die Mühe, ihren Blick von der trostlosen Szenerie abzuwenden, die sich vor ihnen ausbreitete.

„Was gibt es, Jack?" Der Pirat stieß empört die Luft aus, zog es aber vor nichts zu sagen. Er spürte vielleicht, dass sie nicht unbedingt bester Laune war. Stattdessen verschränkte er die Arme vor der Brust und lehnte sich rücklings gegen das Schanzkleid. „Ich wollte ja nur sagen, dass du dir die Zeit auch auf andere Art und Weise vertreiben könntest." antwortete er in leicht beleidigtem Tonfall.

„Und was wäre das? Arbeiten zum Beispiel?" Da war ein drohender Unterton in der Stimme der Piratin, der Jack eigentlich hätte warnen müssen, doch entweder hörte er ihn einfach nicht, oder der Pirat zog es vor, die Tatsache zu ignorieren. Jedenfalls formte sich ein breites anzügliches Grinsen auf seinem Gesicht. „Nun ja, ich hatte eigentlich an etwas Unterhaltsameres gedacht. Wir könnten uns ja an einen etwas diskreteren Ort zurückziehen und…"

Eine saftige Ohrfeige hinderte ihn daran seinen Satz zu vollenden. „Hey, die habe ich nicht verdient!" Jack starrt sie mit einem Gesichtsausdruck an, der dem eines getretenen Hundebabys sehr nahe kam. Aber der giftige Blick, mit dem ihn die Piratin ihrerseits fixierte sagte etwas ganz anderes. „Jack, tu' dir selbst nen Gefallen und unterlass solche Andeutungen."

„Weiber. Ihr wisst ja auch nicht was ihr wollt, eh?"

„Verdammt noch Mal, lass das!" Anamaria sah aus, als würde sie den Piratencaptain am Liebsten erwürgen. Jack Sparrow hatte das einzigartige Talent, die junge Frau mit nur einem einzigen Satz, ja manchmal sogar nur einem einzigen Wort restlos auf die Palma zu bringen.

„Ich weiß gar nicht was du hast." fuhr Jack in einem Tonfall fort, der Anamaria einen nicht mal unangenehmen Schauer über den Rücken jagte. „Neulich sah das noch ganz anders aus."

„Der Kuss neulich Nacht, das war eine Ausnahme. Und das wird sich auch nicht wiederholen." Ana packte alle Überzeugungskraft die sie aufbringen konnte in diesen einen Satz. Es war allerdings nicht besonders viel. ‚Verdammt noch mal, Jack.' Es war ihr ein Rätsel, wie dieser Mann es immer wieder schaffte hinter die Mauer zu kommen, die sie um sich herum aufgebaut hatte.

„Wird sich nicht wiederholen?" Jack zog eine Augenbraue in die Höhe. „Bist du dir da ganz sicher?"

„Ja! Also gewöhn dich besser dran!" antwortete Ana abschließend bevor sie sich wieder dem Fischerdorf zuwandte. Es war immer noch nichts zu sehen. Verdammter Mist aber auch.

Jack hatte sich neben ihr mit beiden Unterarmen auf das Schanzkleid gestützt und betrachtete ebenfalls die traurige Ansammlung baufälliger Hütten, die den Küstenstreifen säumte. „Ziemlich trübe Aussichten, wenn du mich fragst." meinte er schließlich mit leiser Stimme. Ana seufzte. Es war immer wieder erstaunlich, wie schnell Jack von einer Stimmung in die Andere wechseln konnte. Sie wusste, dass Jack nicht auf das Fischerdorf anspielte. Es war ihr schon in den Sinn gekommen, dass es vielleicht ein Fehler gewesen war hier vor Anker zu gehen. Andererseits mussten sie sich mit den Möglichkeiten arrangieren, die sich ihnen boten. Auch wenn es im Moment nicht besonders rosig aussah.

„Hier gibt es nicht viel zu holen, das stimmt." entgegnete sie schließlich, „aber ich denke das kriegen wir hin." In ihrer Stimme lag vielleicht etwas mehr Zuversicht als sie wirklich verspürte, aber darin schien sie mittlerweile Übung zu bekommen. Jack hingegen blieb uncharakteristisch still. Ana warf ihrem Captain einen kurzen Seitenblick zu und es überraschte sie, so etwas wie Sorge von seinen Gesichtszügen ablesen zu können. Wenn sie gerade noch so etwas wie Ärger auf diesen Mann verspürt hatte, verschwand diese Emotion spätestens jetzt.

Aus einem Impuls heraus legte sie ihm ihre Hand auf den Unterarm. Genau an die Stelle, von der sie wusste, dass dort der Buchstabe P in seine Haut eingebrannt war. Ein Zeichen, dass den Piraten für den Rest seines Lebens als Verbrecher und Landesverräter branntmarken würde. Jack hatte ihr nie erzählt, wie genau es dazu gekommen war. Ana war sich allerdings auch nicht so sicher, ob sie diese spezielle Geschichte auch wirklich hören wollte. Es war allgemein bekannt, dass die East Indies nicht besonders zimperlich mit ihren Gefangenen umgingen.

Sie konnte spüren wie Jacks Muskeln unter ihrer Hand zuckten, doch der Pirat machte keine Anstalten sich ihrer Berührung zu entziehen. Das war ungewöhnlich. Normalerweise schätzte er es nicht besonders von anderen berührt zu werden. Im Moment wollte sie ihm aber nur zeigen, dass sie für ihn da war, falls er sie brauchen sollte.

„Natürlich kriegen wir das hin." antwortete Jack reichlich verspätet, dafür aber mit dem für ihn so typischen Grinsen im Gesicht. „Sonst wäre ich schließlich nicht Captain Jack Sparrow. Klar soweit?"

Anamaria grinste unwillkürlich zurück. „Glasklar, Captain."

„Sehr gut." Der Pirat richtete sich auf und warf Moruga noch einen letzten skeptischen Blick zu. „Anamaria?"

„Ja?"

„Wenn Gibbs hier ist, schick' ihn bitte sofort zu mir."

„Natürlich Jack."

Er nickte ihr zu. „Danke." Und damit verschwand er unter Deck ohne sich noch einmal umzusehen.

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Knapp zwei Stunden später stand Joshamee Gibbs in der Kapitänskajüte der Black Pearl und erstattete Bericht. „Ich weiß nicht was ich noch sagen soll, Captain. Wir haben unsere Nasen in jedes verdammte Rattenloch gesteckt das wir finden konnten." Der alte Seemann zuckte mit den Schultern. „Ich bezweifle, dass wir in der Gegend genug Lebensmittel zusammenkratzen könnten um ein Abendessen für die Crew zu organisieren. Geschweige denn genug Holz und Ersatzteile um die Pearl wieder flott machen zu können. Hier gibt es einfach nichts."

„Nichts?"

„Gar nichts, Capt'n"

Sparrow seufzte schwer. „Na großartig. Das hat uns gerade noch gefehlt."

„Und was ist, wenn wir es weiter südlich versuchen? Venezuela ist auch Spanisch und von hier aus ist es nicht mehr weit. Mit einem Schiff wie der Pearl können wir das ganz sicher schaffen." Es herrschte einige Minuten Stille in dem Raum, in denen Jack ernsthaft über den Vorschlag seines ersten Maates nachzudenken schien, doch dann schüttelte er den Kopf. „Dein Vertrauen in die Pearl ehrt dich. Aber die Lady ist in keinem guten Zustand und ich will einfach nicht riskieren womöglich der Royal Navy in die Arme zu laufen."

Der Pirat ließ sich unzeremoniell in seinen Stuhl fallen und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Wieder herrschte brütende Stille, nur gelegentlich unterbrochen von dem leisen Rascheln von Kleidung. Gibbs verlagerte sein Gewicht unbehaglich von einem Bein auf andere, während er abwartend seinen Captain beobachtete. Der jüngere Mann bewegte geistesabwesend eine schwarze Kugel zwischen seinen schlanken Fingern während er nachdachte. Er konnte sich nicht erinnern, dass Jack jemals wirklich still gesessen hätte. Der Mann war immer auf irgendeine Art und Weise in Bewegung, allerdings ohne dabei nervös zu wirken. Ganz im Gegenteil: Jack Sparrow strahlte ein Selbstbewusstsein aus, als läge ihm die ganze Welt zu Füßen. Nun ja, auf gewisse Weise traf dies vielleicht sogar zu. Es gab Tage, an denen zweifelte Joshamee ernsthaft daran, dass irgendjemand diesem Mann überhaupt Schranken auferlegen konnte.

Ein triumphierendes Grinsen begann sich über Jacks Gesicht auszubreiten. „Wir könnten es über den Landweg versuchen." schlug er wild gestikulierend vor. Der erste Maat der Pearl zuckte überrascht zusammen. „Über den Landweg?" Gibbs stützte sich mit beiden Armen schwer auf Jacks Schreibtisch. „Mit Verlaub Captain. Aber das ist verrückt."

Sparrow stand abrupt von seinem Stuhl auf und wedelte mit seiner rechten Hand eindeutig abwehrend vor dem Gesicht des älteren Mannes herum. „Und genau deswegen wird es auch funktionieren, mein Freund." Umständlich angelte Jack nach einer der Karten, die überraschend ordentlich in einem Ständer an der Wand verstaut waren und entrollte sie auf der Schreibtischplatte, wobei er die Enden des Papiers mit diversen Gegenständen beschwerte. Gibbs beugte sich interessiert vor. Die Karte zeigte einen Detailausschnitt der süd-östlichen Karibischen Inseln.

„Etwa fünfzehn bis zwanzig Meilen von unserer jetzigen Position liegt eine größere Stadt. Tabaquite." Jack grinste enthusiastisch und deutete mit einem schmutzigen Finger auf die Karte. „Ich denke, dass wir von dort aus das Meiste besorgen können. Wenn wir es schaffen ein paar Pferde zu organisieren und uns noch heute Abend auf den Weg machen, könnten wir es bis morgen früh schaffen." Die Hände des Piraten bewegten sich ganz automatisch über die Karte während er sprach, doch sein Blick war fest auf den anderen Mann gerichtet.

Gibbs schien allerdings weniger überzeugt. Skeptisch betrachtete er erst die Karte und dann seinen Captain. Der Vorschlag überraschte ihn. Er hatte Jack bis jetzt nur ein einziges Mal auf einem Pferd gesehen, und das war, um es höflich auszudrücken, eine weniger glückliche Begegnung gewesen. Jack war drauf und dran gewesen den armen Gaul zu erschießen. „Ich weiß nich' Capt'n. Für mich klingt das nach keiner guten Idee. Außerdem wird uns hier wohl kaum jemand freiwillig seine Pferde überlassen. Geschweige denn…"

„Ach, jetzt hör' schon auf. Seh' doch nicht alles gleich so negativ." Jack verpasste seinem ersten Maat einen freundschaftlichen Schlag auf die Schulter. „Außerdem glaube ich nicht, dass es etwas gibt, das du nicht organisieren kannst." Ein geschmeicheltes Lächeln formte sich auf dem Gesicht des ehemaligen Navy-Mannes. „Jupp. Da ist was Wahres dran."

„Sehr gut" Jack gab das Lächeln zurück. „Dann schnapp dir jetzt ein paar Männer und mach' dich noch mal auf den Weg." Auch ohne dass Jack seinen Befehlston anschlug wusste Gibbs, dass das keine Bitte gewesen war.

„Aye Capt'n." Der ältere Mann grüßte nachlässig, bevor er sich umdrehte und zur Tür ging. „Ach, und Gibbs." Der erste Maat der Pearl hielt inne und drehte sich noch einmal um. Eine Hand bereits an der Türklinke. „Nimm doch diesmal Anamaria mit."

Gibbs Gesichtszüge verdüsterten sich sichtlich. In seinen Augen glich die dunkelhäutige Frau einer Raubkatze mit ausgefahrenen Krallen, die nur darauf wartete ihm in den Arsch zu beißen. Und auch wenn Jack das Spiel mit dem Feuer ganz offensichtlich genoss, ging er selbst dieser Frau aus dem Weg, wo immer er es konnte. Gibbs zögerte einen Moment, doch dem Gesichtsausdruck des Captains nach zu schließen war dieser nicht zum Diskutieren aufgelegt. Er seufzte geschlagen. Gibbs konnte sich ohnehin nicht daran erinnern jemals ein Wortgefecht gegen Jack Sparrow gewonnen zu haben. Der Mann redete einen buchstäblich in Grund und Boden.

„Aye Capt'n." murmelte er schließlich wenig begeistert, bevor er endgültig den Raum verließ.

Jack lehnte sich in seinem Stuhl zurück und legte schwungvoll die Füße auf das polierte Holz der Schreibtischplatte. Ein zufriedener Ausdruck breitete sich auf seinem Gesicht aus. Er bewegte unbewusst die schwarze Kugel zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand und beobachtete die Lichtreflexe, die auf der glatt polierten Oberfläche tanzten.

Das versprach interessant zu werden.

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„Segel in Sicht, Sir! Bugwärts voraus!" Die Stimme aus dem Krähennest schallte klar und deutlich über das Deck der Fiery Cross. Captain Morehouse setzte ein Fernglas vor sein linkes Auge und richtete seine Aufmerksamkeit in die angegebene Richtung. Er hoffte inständig, dass diese Begegnung keinen Ärger bedeutete, bewegten sie sich doch momentan gefährlich nahe an spanischem Territorium.

„Lässt sich sagen, mit wem wir es zu tun haben?" Morehouse wandte sich direkt an den Man im Ausguck, was ihm einen pikierten Blick seines ersten Offiziers eintrug. In der Royal Navy war es nicht gern gesehen, wenn man die Befehlskette nicht einhielt. Befehle oder Anfragen des Captains hatten laut Protokoll immer über die Offiziere des Schiffs zu laufen. Es schickte sich einfach nicht, direkt mit den Männern vor dem Mast zu kommunizieren. Wie auch immer, er war dafür bekannt, dass er einfache Wege bevorzugte.

„Zwei Linienschiffe! Spanish Navy! Und sie halten direkt auf uns zu!" Jonathan Morehouse seufzte. Das hatte er befürchtet. Die Spanier waren in diesen Gewässern bei weitem nicht mehr so stark vertreten wie noch einige Jahre zuvor und daher war es eigentlich recht unwahrscheinlich auf ein spanisches Kriegsschiff zu stoßen. Geschweige denn gleich auf mehrere.

„Mr. Dalton!" wandte er sich an seinen ersten Offizier, „wärt Ihr so freundlich Commodore Norrington zu bestellen, dass seine Anwesenheit an Deck erwünscht ist?"

Dalton grüßte zackig. „Natürlich Captain." Der junge Offizier wollte sich schon auf den Weg machen, als Morehouse ihn mit einer Geste zurückhielt.

„Mr. Dalton. Kennt Ihr jemanden hier an Bord der Spanisch spricht?"

Der erste Offizier runzelte nachdenklich die Stirn. „Charles Prentis spricht Spanisch, Sir. Er hat mal eine spanische Depesche für uns übersetzt."

Der Captain der Cross nickte, ohne den Blick vom Horizont und den näher kommenden spanischen Schiffen abzuwenden. „Sehr gut. Ich möchte, dass er an Deck ist, wenn wir mit den Spaniern zusammen treffen. Nur für alle Fälle."

Knapp zweieinhalb Stunden später lagen die Cross und die Esperanza eng vertäut nebeneinander, während die Niña in einiger Entfernung kreuzte. Dieses Manöver war eine klare Demonstration von Überlegenheit, und eine Beleidigung gegenüber den Britischen Offizieren. Man befand sich schließlich nicht im Krieg.

Noch nicht.

Norrington stand mit auf dem Rücken verschränkten Armen neben Captain Morehouse und beobachtete stirnrunzelnd die Vorbereitungen der spanischen Delegation auf das Deck der Cross überzuwechseln. Die Handgriffe der Mannschaft waren schnell und präzise. Es waren zweifellos erfahrene Männer, die dieses Manöver schon dutzende Male durchgeführt hatten. Es dauerte keine zehn Minuten, und die Spanier standen auf dem Deck des britischen Linienschiffs, misstrauisch beäugt von der Besatzung desselben.

Der Captain der Esperanza, ein kleiner drahtiger Mann mit einem gewaltigen Schnauzbart, trat ihnen ohne Zögern entgegen. „Hola, Commodore, Capitan." begrüßte er die beiden Offiziere, nachdem er einen kurzen Blick auf ihre Uniformen geworfen hatte. Norrington runzelte überrascht die Stirn. Der Mann kannte sich aus; zweifellos.

„Ich bin Capitan Cornado." fuhr der Spanier in schlechtem, schwer akzentuiertem Englisch fort. „Ich bitte die Erlaubnis an Bord kommen zu dürfen."

Diesmal war es an Morehouse ob der verspäteten Frage die Stirn zu runzeln. Doch der Offizier ließ sich sonst nichts weiter anmerken, sondern nickte seinem Gegenüber nur knapp zu. „Erlaubnis erteilt Captain Cornado." antwortete er in einem Tonfall, aus dem sein Unwillen deutlich herauszuhören war. Es folgten die üblichen Höflichkeitsfloskeln, doch Morehouse lenkte das Gespräch als bald als Möglich wieder auf das eigentliche Thema: „Was verschafft uns denn die Ehre?"

Der Spanier blickte kurz von einem zum anderen, während er wohl versuchte, sich über die Bedeutung von Morehouse Worten klar zu werden. Schließlich nickte er und wandte sich dann an Norrington, der in seinen Augen als höchstrangiger Offizier eindeutig die Befehlsgewalt haben musste: „Ich will Euch dafür aufmerksam machen, dass Ihr nah seid, in spanisches Territorium vorzudringen. Könnt Ihr einen Grund hierfür nennen?"

Norrington bedachte Cornado mit einem nachdenklichen Blick, während er versuchte, sich die richtigen Worte zurechtzulegen. So dreist sich die Spanier auch verhalten hatten, er war darauf angewiesen, dass dieser Mensch ihnen die Einfahrt in spanische Gewässer gestattete. Tat er das nicht, würde sich Sparrow höchstwahrscheinlich wieder aus dem Staub machen und Wochen intensiver Arbeit wären umsonst gewesen. Doch auch wenn er diesen Piraten unbedingt fassen wollte, es wäre vermessen, direkt unter der Nase von zwei Kriegsschiffen in spanische Gewässer eindringen zu wollen und damit endgültig einen Krieg zu riskieren.

Cornado räusperte sich ungeduldig. Am Liebsten hätte James Norrington die Augen verdreht, doch stattdessen zwang er ein höfliches Lächeln auf seine Lippen. Diplomatie war noch nie seine Stärke gewesen. Morehouse warf ihm einen drängenden Seitenblick zu. Es hatte ihn ohnehin gewundert, dass sich der Captain der Fiery Cross noch nicht eingemischt hatte. Impulsiv genug war er ja.

„Es ist uns durchaus bewusst, dass wir uns auf dem Weg in spanisches Hoheitsgebiet befinden, Capitan Cornado." begann er langsam und deutlich. Cornados Gesichtsausdruck umwölkte sich sichtlich, daher fuhr Norrington schnell fort: „Wir verfolgen keine feindlichen Absichten, oder etwas in der Art. Ganz im Gegenteil. Wir sind hinter einem Piraten her, von dem wir wissen, dass er einen südlichen Kurs eingeschlagen hat. Wir hatten gehofft, dass wir ihn abfangen können, bevor er bei euch zu viel Schaden anrichtet. Jack Sparrow von der Black Pearl. Vielleicht habt Ihr schon von ihm gehört.

Die Worte des Commodore lösten bei den Spaniern eine gänzlich andere Reaktion aus, als er erwartet hatte. Cornado wackelte einige Male aufgeregt mit seinem Schnauzer, bevor er sich umwandte, um ein paar schnelle Worte mit seinen Offizieren zu wechseln. Norrington kniff alarmiert die Augen zusammen und auch die Gestalt von Jonathan Morehouse straffte sich sichtlich. Der Captain der Fiery Cross wechselte einen kurzen Blick mit einem seiner Offiziere. Ein junger, leicht untersetzter Kerl mit wachem Gesichtsausdruck. Der junge Mann schüttelte jedoch nur den Kopf.

Irritiert wandte James seine Aufmerksamkeit wieder der spanischen Delegation zu. Es würde sich später bestimmt noch eine Gelegenheit ergeben, Morehouse nach dem Grund für dieses seltsame Verhalten zu fragen.

„Es ist interessant, dass Ihr auf Suche nach Jack Sparrow seid." fuhr Cornado plötzlich in seinem schlechten Englisch fort. „Ich denken, dass wir Euch helfen." In den Augen des Spaniers stand ein aufgeregtes Glitzern.

„Und wie kommt es, dass Ihr Euch bereit erklärt, einem britischen Schiff zu helfen?" mischte sich Captain Morehouse nun doch in das Gespräch ein. Das Misstrauen in seiner Stimme war nicht zu überhören. „Das geschieht doch bestimmt nicht selbstlos und aus reiner Nächstenliebe, oder täusche ich mich da?"

Cornado bedachte den Captain mit einem kühlen Blick. „Natürlich nicht. Aber wie Zufall will, haben wir auch Befehl diesen Sparrow zu verhaften." Cornados Worte lösten bei seinen Leuten eine gewisse Unruhe aus, doch er brachte sie mit einem geknurrten „Silencio" zum Schweigen. Allem Anschein nach, waren die spanischen Offiziere nicht damit einverstanden, dass ihr Captain diese Information preisgegeben hatte. Die Tatsache, dass die Spanier nun ebenfalls auf der Suche nach Sparrow waren fand der Commodore allerdings äußerst bemerkenswert. Was hatte dieser verrückte Pirat nun schon wieder verbrochen, dass sich nun auch die Spanier gegen ihn gewandt hatten?

„Und wie stellt Ihr Euch diese Hilfe vor?" bohrte Morehouse unterdessen weiter. Ihm war anzusehen, dass er mit ihrer Situation alles andere als glücklich war. Capitan Cornado wackelte nur wieder ungerührt mit seinem Schnauzer. „Wir werden zusammen in Verband weitersegeln. Wir wissen aus guter Quelle, wo dieser Pirat vorhat zu ankern und wir…" – „Wo?" Norrington, von Cornados Worten hellhörig geworden, hatte den Capitan kurzerhand unterbrochen.

Cornado wackelte empört mit seinem Schnauzbart. „Das Ziel werden wir Euch zur rechten Zeit sagen." antwortete er pikiert. „Wie schon gesagt. Ihr könnt mit uns segeln. Aber seid Euch bewusst, dass Ihr Euch in spanischem Territorium begebt. Und ich verlange dass Ihr Euch so verhaltet." Cornado bedachte Norrington mit einem langen abschätzenden Blick.

„Dieses Arrangement gefällt mir nicht." warf Morehouse von der Seite ein. Der Spanier zuckte nur mit den Schultern, ohne seinen Blick von dem höherrangigen Offizier abzuwenden. „Kommt mit, oder bleibt. Eure Entscheidung."

Morehouse schüttelte den Kopf. „Das gefällt mir nicht." wiederholte er entschieden. Mit einem wütenden Blick packte Norrington ihn am Aufschlag seiner Uniformjacke. Er murmelte ein kurzes „Entschuldigt uns einen Augenblick." in Cornados Richtung und zog den Captain entschlossen außer Hörweite.

„Was sollte das?" zischte er, außerstande seine Wut im Zaum zu halten.

„Ich habe nur in Worte gekleidet was ich denke." gab Morehouse nicht weniger aufgebracht zurück. „Es ist nicht akzeptabel mein Schiff einfach so dem Wohlwollen dieses Spaniers auszuliefern. Was ist, wenn er es sich später anders überlegt? Dann jagt er uns womöglich eine Breitseite in die Flanke! Es sind fast zweihundert Seelen hier an Bord Commodore. Das ist es nicht wert."

„Wir haben von der Admiralität einen klaren Auftrag erhalten. Und den gedenke ich auch auszuführen!"

„Und das ohne Rücksicht auf Verluste." entgegnete der Captain sarkastisch.

Norrington bedachte den anderen Mann mit einem eisigen Blick. „Was wollt Ihr mir hier unterstellen? Ich würde niemals das Leben dieser Männer leichtfertig aufs Spiel setzen."

Morehouse wollte antworten, doch Norrington schnitt ihm mit einer herrischen Geste das Wort ab.

„Wagt es ja nicht meine Autorität in Frage zu stellen, Captain."

„Darf ich Euch daran erinnern, dass Ihr auf der Cross ganz offiziell über keinerlei Befehlsgewalt verfügt?" Morehouse war ganz offensichtlich am Ende mit seiner Geduld.

Ein gefährlich ruhiger Ausdruck breitete sich auf Norringtons Gesicht aus. Jetzt war der andere definitiv zu weit gegangen. „Ich bin immer noch Commodore der Royal Navy Captain. Und wenn Ihr so weitermacht, dann werde ich dafür sorgen, dass Ihr wegen Insubordination vors Kriegsgericht gestellt werdet. Habt Ihr mich verstanden?"

Die beiden Offiziere starrten sich einige Augenblicke wütend an. Die Spannung zwischen ihnen wäre auch für einen unbeteiligten Beobachter deutlich fühlbar gewesen.

„Ob Ihr mich verstanden habt!"

Morehouse presste seine Kiefer so fest aufeinander, dass seine Zähne hörbar knirschten. „Aye, Sir." würgte er schließlich mühsam hervor.

„Damit wäre das dann ja wohl geklärt."

Norrington wandte sich schließlich wieder an Cornado, der das Gespräch zwischen den beiden Kontrahenten interessiert verfolgt hatte. „Wir werden Euch begleiten, Capitan."

Cornado warf Captain Morehouse einen skeptischen Blick zu. „Gibt es ein Problem?"

Der Commodore folgte dem Blick des anderen Mannes. Morehouse stand in steifer Haltung genau dort, wo er ihn zurückgelassen hatte, und gab sich anscheinend alle Mühe, seinen Vorgesetzten allein mit seinen Blicken zu erdolchen. Norrington unterdrückte das Gefühl des Triumphes, das sich in ihm ausbreiten wollte. Es war noch nicht vorbei.

„Nein, es gibt kein Problem." entgegnete er schließlich. "Wir werden Euch begleiten."


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Ravanna