rating: M contains violence and sex
drama/romance
POV: Naoe Nagi
please R&R
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have you seen the horizon lately?
-circles and circles-
so high above
drowning
under the surface
I hide
dieing
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… wie Glas
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Die LED-Anzeige meines Weckers blinkte geräuschlos.
02:53 am
Meine Hand fuhr automatisch zu meiner Wange. Ich konnte den weichen, wolligen Verband mit meinen Fingerspitzen fühlen. Meine Finger wanderten höher… meine Augen… Tränen? … noch höher… Angstschweiß auf meiner Stirn.
Müde wischte ich mit dem Handrücken erst über meine Stirn, dann über meine Augen.
Es war derselbe Traum gewesen, der mich geweckt hatte – derselbe Traum, der mich auch in der vorangegangenen Nacht und in der davor und in der davor und in den hundert vorangegangenen Nächten geweckt hatte. Ich setzte mich langsam auf damit die nur schwer verheilende Wunde auf meiner Wange nicht erneut aufriss. Schwer heilend, sagten die Ärzte. Sie hatten ja keine Ahnung…
Während meine Weckuhr weiter monoton 02:54 am durch das fast gänzlich leere Zimmer blinkte, schloss ich erneut die Augen um mich an den Traum zu erinnern.
...Die Stimmen...
Wie das Rauschen der Wellen, wenn sie als Brandung
den Sand unter den Füßen wegspülen
ein kaputtes radio
Wirre Fetzen einer Sprache, die ich nicht verstand.
Nicht mehr verstand.
Ich bekam Kopfschmerzen.
Ihre Blicke waren gierig, neugierig, heischend, jagend... Um mich herum... ihre lechzenden Augen, ihre lüsternen Blicke...
Eine Sensation, ja, wie eine Sensation.
Schaulustige.
Gaffer.
Widerliches, hungriges Starren.
Ich fühlte mich nackt.
Meine Hände zitterten. Meine Augen taten weh, salzige Tränen rannen meine Wangen hinab, sie waren kalt, wie Meerwasser.
salzige spuren vertrockneter wellen
Wie die Erinnerung an eine kühle Sommerbrise
- sein kurzer Augenaufschlag in meine Richtung, eher das Gefühl einer Berührung; ein Wort kam mir in den Sinn.
Dann
- leises Rauschen der vereisten Wellen im Straßenlabyrinth -
eisgraue Schleier, seine tränenverschmierten Augen, tausend geweitete Pupillen direkt auf ihn und mich ausgerichtet, aufgereiht wie Lampions an einer Schnur.
Alptraumhaft verließen seine Füße den Erdboden und
sein schmaler Körper wurde vom Wind empor geschleudert ---
und fiel 50 Meter
und fiel 50 Meter
und fiel 50 Meter
und fiel 50 Meter
und fiel 50 Meter
bis er auf dem Boden
zerschellte
...wie Glas
Ich schluckte.
Dieser Junge… er konnte es nicht sein. Er war größer. Nicht so dünn. Die Haarfarbe stimmte auch nicht. Er würde niemals nur schwarze Kleidung tragen. Schminken würde er sich wahrscheinlich auch nicht.
Natürlich wusste ich bereits, dass er es doch war.
Der Junge aus meinem Traum sah so anders aus und war doch ein und derselbe Junge, den ich krampfhaft verdrängte. So kommst du also zurück…
the eye
Die Augen.
Niemals würde ich seine Augen vergessen.
Niemals.
Blau. Das Blau seiner Augen. Das Blau seiner Augen explodierte in meinem Kopf.
So kommst du also zurück?
Nein… Du warst niemals weg.
Ich sprang auf. Ich bemerkte abwesend ein scharfes Reißen an meiner Wange und wusste, dass meine Wunde wieder aufgebrochen war.
Ich zitterte am ganzen Körper und fühlte mich wie ausgelaugt.
Du bist immer da gewesen. Du bist immer da gewesen, in meiner Nähe. Erst war alles ein Spiel. Es ging um das Vergessen. Wir beide waren wie kleine, weiße Hasen, die in einer Höhle Schutz vor dem Sturm suchten. Wir waren zwei kleine, weiße Hasen. Nass bis auf die Knochen und bis oben hin voll gepumpt mit tausend Chemikalien und Medikamenten aus dem Labor, in dem wir geboren waren. Zitternd und ängstlich kauerten wir in unserem Unterschlupf und bemerkten erst gar nicht, dass wir nebeneinander zitterten, bis sich einmal, vielleicht zufällig, vielleicht absichtlich, unser Fell ganz kurz berührte – wie ein Stromschlag.
Nah aneinander gedrängt saßen wir nebeneinander und sahen dem niederprasselnden Regen zu, den Blitzen, den riesigen Hagelkörnern, den Windstößen, die die Welt um uns her in ein lebensfeindliches Chaos tauchten – aneinander geschmiegt warteten wir und teilten die wenige Wärme, die der Sturm uns gelassen hatte und wussten doch beide, dass alles nur so lange wie der Sturm anhalten würde. Zusammen konnten wir ein wenig von der täglichen Angst vergessen. Es ging nur ums Vergessen.
Und irgendwann hatte ich mich so sehr an seine Nähe gewöhnt, dass ich alleine zu frieren begann. Ich konnte nur sehr schlecht schlafen, wenn er nicht neben mir lag und seine Augenringe sagten mir dasselbe von ihm. Ich gewöhnte mich nicht nur an seine Nähe, sie wurde mir sogar richtig lieb.
Es beruhigte mich, ihn um mich zu wissen und ohne dass ich es wusste oder er es ahnte, öffnete ich mich ihm mehr und mehr und verriet wortlos alle meine tiefsten Geheimnisse.
Der Sturm tobte immer noch, doch ich bemerkte ihn nur, wenn ich alleine war. Sobald er um mich herum war fühlte ich mich in den meerblauen Tiefen seiner Augen zu Hause.
Und eines Tages durchbrachen drei Worte die Wortlosigkeit, die uns verband.
"Ich liebe dich."
Ich starrte ihn an.
"Ich liebe dich."
Ich starrte ihn an.
Das Blau seiner Augen explodierte in meinem Kopf.
"Ich liebe dich, Naoe."
Ich sah die Angst in seinen Augen.
Er stand vor mir, seine Hände in sein T-Shirt gekrallt, seine Knöchel ganz weiß. Er zitterte etwas, sein Gesicht war noch blasser als sonst und seine blauen Augen starrten mich beinahe verstört an. Sein Haar war noch zerzaust.
Blau.
Das Blau seiner Augen
Das Klacken der Tür
Seine Schritte.
Als er das Zimmer verließ
Stille
Die Stille
Die Stille
Das Summen der Gedanken in meinem Kopf
"Es war doch nur... ein Spiel...", sagte ich hörte ich mich sagen.
Zurück blieb das Echo seiner Stimme
'Ich liebe dich.'
...in meinem Herzen
Es tat weh, diese Szene immer wieder auf Dauerrotation miterleben zu müssen. Aber ich war wie von Sinnen.
"Ich liebe dich, Naoe."
"Ich liebe dich, Naoe."
"Ich liebe dich, Naoe."
"Ich liebe dich, Naoe."
"Ich liebe dich, Naoe."
"Ich liebe dich, Naoe."
"Ich liebe dich, Naoe."
Immer wieder rief ich seine Gestalt vor mich, immer wieder ließ ich ihn die wenigen Worte sagen, die grausamsten Worte der Welt, die Worte, die ihn mir weggenommen hatten. Immer wieder stand er vor mir, die Hände fest im T-Shirt vergraben, so fest dass seine Knöchel weiß hervortraten. Zitternd, unendlich blass und mit dem Abdruck des Kissens auf seiner linken Wange sah er mich an…
Hätte es anders kommen können?
Wenn er diese Worte niemals gesagt hätte---
„Warum hast du das gesagt! Warum hast du das gesagt! WARUM HAST DU DAS GESAGT!", schrie ich und spürte wie Tränen der Wut in meine Augen stiegen.
„Du wusstest es, du hast es gewusst, du mieser Verräter, du verdammter Idiot, du---"
Rasend zerschmetterte ich mein gesamtes Zimmer. Um mich herum tobte ein Sturm – nein, der Sturm tobte in mir und ich musste ihn loswerden, er musste da raus, ich würde sonst--- Schreiend und wie wahnsinnig zitternd explodierten die Wände meines Zimmers, die Fensterscheibe zerbarst in einem Schauer aus Scherben, die auf mich hernieder rieselten.
es regnet
es regnet scherben
Ich ging in die Knie, schloss die Augen und spürte das scharfe Prasseln von Millionen Glassplittern in meinem Gesicht.
Ich wollte ihn wieder haben, egal um welchen Preis.
Erschöpft stürzte ich auf meine rechte Schulter und fiel in einen traumlosen Schlaf.
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„Du interessierst dich für Hasen?", fragte eine junge, weibliche Stimme direkt hinter mir. Erschrocken drehte ich mich um.
Hinter mir stand ein vielleicht 16-jähriges Mädchen mit halblangen schwarzen Haaren und lächelte mich schüchtern an. Als sich unsere Blicke für einen Moment trafen wurde sie rot und sah sofort zu Boden. Ich war diese Reaktion gewöhnt, nichts war mir mehr verhasst und doch konnte ich nicht die Augen von dem Mädchen lassen.
„Entschuldigen Sie bitte. Ich habe Sie mit… jemandem verwechselt. Tut mir leid. Entschuldigung.", murmelte sie ohne mich anzusehen.
Sie hatte mich mit einem Mädchen verwechselt.
Aber anstatt wütend zu werden oder mich einfach wortlos abzuwenden, beobachtete ich sie weiterhin.
„Ich arbeite hier… Also, wenn ich Ihnen irgendwie weiterhelfen kann…", stotterte sie ängstlich mit immer noch gesenktem Blick.
Ich schwieg einen Moment.
„Ich suche einen weißen Hasen. Einen kleinen, wenn das geht.", sagte ich dann und drehte mich wieder zu dem Gehege für kleine Nagetiere um.
Das Mädchen fasste sich wieder und hob zwei kleine Hasen aus dem Gehege, um sie mir zu zeigen.
Ich entschied mich für den kleineren. Sein Fell war heillos durchwühlt und er hatte einen unglaublich verschlafenen Blick.
„Das macht dann 3000 Yen, bitte.", sagte die Kassiererin.
Ich bezahlte.
Während ich das Wechselgeld in meine Tasche stopfte, bemerkte ich den Blick des Mädchens in meinem Nacken.
Ihr Körper war weiß, fast durchscheinend weiß.
Sie war unheimlich jung, vielleicht 15 Jahre alt.
Der Heiligenschein ihrer halblangen schwarzen Haare war ein wunderschöner Kontrast zu ihrer hellen Haut und dem Weiß des Lakens, in welches sie sich gehüllt hatte.
Ich musterte sie lange, meine Blicke streiften wieder und wieder die weichen Formen, die von dem Laken verhüllt wurden.
Sie sah mich an.
Das erste mal, seitdem wir ihren Laden verlassen hatten, trafen sich unsere Blicke.
Die fremde Farbe ihrer Augen bezauberte mich erneut.
„Was ist?", fragte sie und sah mich fest an.
Jetzt, entblößt vor mir liegend, schien sie wesentlich selbstbewusster zu sein als vor ein paar Stunden.
„Nichts.", sagte ich, drehte mich um und zog mein T-Shirt über den Kopf.
Ihre Lippen waren heiß und sie küsste mich immer wieder mit ihren hungrigen, wasserblauen Augen. Ihre kleinen Hände flogen an meinem Körper entlang, berührten sanft, für Sekundenbruchteile, streichelten, verschwanden…
„Darf ich dich Toji nennen?", flüsterte sie unsicher fragend in mein Ohr.
Ich drehte den Kopf, sah sie an.
Sie schlug für ein paar Sekunden die Augen nieder.
„Ja.", murmelte ich.
Sie küsste mich wieder und wieder.
„Darf… ich dich Omi nennen?", fragte ich dann.
Diesmal sah sie mich an.
„Natürlich."
Ich schlang meine Arme um ihren schmalen Körper und presste sie an mich.
„Ich liebe dich!"
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Als ich aufwachte war ich allein.
Das Mädchen, dessen Namen ich niemals erfahren hatte, war verschwunden.
Ich drehte mich auf die Seite.
Mir war schlecht.
Ich stand auf, lief zu der Bar, nahm eine Flasche irgendwas und trank.
Es war kurz nach Mittag. Ich hatte zwei Stunden geschlafen.
Die ganze Nacht hindurch hatte ich… hatte sie…
Ich fühlte mich schwach, meine Knie zitterten.
Ich war froh, dass sie fort war. Ich hätte es nicht ertragen, sie noch einmal zu sehen. Ich nahm noch einen Schluck von dem bitter schmeckendem Zeug.
An meinem T-Shirt vom Vortag waren Lippnstiftspuren. Ich nahm eine Schere und zerschnitt das ganze T-Shirt.
Völlig entkräftet schleppte ich mich den Flur entlang zum Bad, stellt die Dusche auf sehr heiß und begann alle Spuren der vergangenen Nacht abzuwaschen.
Mitten beim Duschen kamen dann Tränen. Plötzlich, ohne Vorwarnung. Ich sank schluchzend an der Wand entlang auf den Boden und weinte, weinte.
„Omi...", flüsterte ich immer wieder. „Omi!"
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An diesem Tag beschloss ich ihn zu suchen.
Er war oft genug direkt von seiner Schule zu mir gekommen und so wusste ich, wo ich zu suchen hatte. Außerdem befand sich nach wie vor eine seiner Schuluniformen in meinem Schrank.
Ich nahm den Kleiderbügel mit Hemd, Pullover und Hose und legte ihn auf mein Bett.
Langsam fuhr ich mit meinen Fingern über den Stoff.
Ich musste ihn einfach sehen.
Entschlossen zog ich T-Shirt und Hose aus und schlüpfte in die Uniform.
Noch immer haftete ein leichter Geruch nach ihm an dem weichen Stoff.
Ich schloss einen Moment die Augen und sah ihn im Geiste vor mir in eben dieser Uniform.
Die Uniform passte perfekt, auch wenn ich den eher legeren Schnitt als ungewohnt empfand.
Ich schate auf die U-Bahnkarte und schätzte, dass ich ungefähr eine halbe Stunde brauchen würde, um bei seiner Schule zu sein. Dann sah ich auf die Uhr. In zwei Stunden hätte er Schluss.
Ich ließ die Tür hinter mir ins Schloss fallen und lief los.
Meine Schritte wurden immer schneller, je näher ich dem Hauptgebäude seiner Schule kam.
to be continued soon
yuki 2006
