Ein ungläubiges „Du…?" war alles, was Draco im ersten Moment zustande brachte. Verwirrt blieb er neben Harry stehen und sah ihn einfach nur ungläubig an. Wie konnte er es wagen, hier einfach aufzutauchen, nachdem er seinen Vater ins Gefängnis gebracht hatte? Hass durchströmte Draco.

„Ja, ich." Auch Harry machte ein Gesicht, als ob es ihm zutiefst zuwider wäre, hier an diesem Ort zu sein.

„Was willst du?", blaffte ihn Draco an.

Harry hatte sich vorgenommen, rasch zur Sache zu kommen, um seinen Aufenthalt auf Malfoy Manor so kurz wie möglich zu gestalten. Er zog ein kleines Kästchen aus der Tasche, und Draco hatte für einen törichten Moment geglaubt, er wolle ihm ein Fingerring oder ein Medaillon schenken. Doch als Harry den Deckel abnahm, kam nur eine seltsame, weisse Substanz zum Vorschein.

„Was ist das?", wollte Draco wissen und musterte die Materie unbeeindruckt.

„Nur eine kleine Erinnerung.", antwortete Harry und hielt das Kästchen Draco hin. „Berühr es mit der Hand."

„Bist du verrückt?" Draco schnaubte spöttisch. „Glaubst du im Ernst, dass ich dieses komische Zeugs da anfasse, nur weil du es mir befohlen hast?"

„Ich fürchte, du hast keine andere Wahl.", sagte Harry bestimmt, der mit seiner Reaktion gerechnet hatte.

„Und ob ich die habe. Tu mir doch den Gefallen und verschwinde aus meinem Haus, Potter, hier hast du nichts verloren."

„Ich an deiner Stelle würde mir erst anhören, was ich zu sagen habe, ehe du mich wieder rauswirfst – vielleicht würdest du es eines Tages bereuen.", sagte Harry, der seinen langsam aufkeimenden Zorn mühevoll unterdrücken musste. „Glaub mir, ich bin nicht zum Spaß hierher gekommen."

Draco überlegte. Es machte ihn schon neugierig, was Harry ihm zu sagen hatte. Trotzdem… er wusste nicht, was passieren würde, wenn er diese weisse Substanz anfasste. Harry hätte ihn ja schon mal fast umgebracht…

Als ob Harry seine Gedanken gelesen hätte, sagte er: „Das Zeug wird dich nicht töten, Malfoy. Und ich verspreche, dass es auch nicht weh tut."

Argwöhnisch beäugte Draco das Kästchen in Harrys Hand. Dann, nach langem Zögern, streckte er vorsichtig seine Hand danach aus.

Du musst verrückt sein…

Aber vielleicht würde er es tatsächlich eines Tages bereuen, es nicht getan zu haben. Draco ahnte, dass es etwas Wichtiges sein musste, sonst wäre Potter nicht extra zu ihm gekommen.

Kaum hatte seine Fingerspitze die kalte Oberfläche der Substanz berührt, machte der ganze Raum einen fürchterlichen Ruck und er wurde kopfüber in etwas hinein gezerrt. Einen Moment schwebte er im weissen Nichts, dann stand er plötzlich auf einem Turm. Obwohl es Nacht war, erkannte Draco, dass er sich auf dem Astronomieturm von Hogwarts befand.

Er holte tief Luft und versuchte nachzuvollziehen, was eben geschehen war.

Als erstes fiel ihm der hässliche Totenschädel des Dunklen Mals auf, der direkt über ihm schwebte. Fassungslos starrte er es an.

„Was hat das zu bedeuten?", sagte plötzlich jemand hinter ihm.

Draco fuhr herum und schrak zusammen. Kaum einen Meter neben ihm stand – war es möglich? – Dumbledore!

Er stieg von seinem Besen und schien Dracos Anwesenheit gar nicht zu bemerken. Links von ihm schwebte ein zweiter, scheinbar herrenloser Besen. Aber Draco war sich ganz sicher, dass die Stimme, die er eben gehört hatte, nicht die von Dumbledore war.

Draco, der noch nicht begriffen hatte, was um ihm herum eigentlich passierte, sagte aufgewühlt zu Dumbledore: „Professor, ich kann das erklären! Ich habe das Dunkle Mal nicht –"

Er wurde von derselben Stimme von eben unterbrochen. Weder Dumbledore, noch der unsichtbare Besitzer dieser Stimme schienen Draco gehört oder auch nur bemerkt zu haben, obwohl er direkt neben ihnen stand.

Dann endlich ging ihm ein Licht auf; der Astronomieturm, das Dunkle Mal, die zwei Besen… Es war die Szene seines letzten Abends in Hogwarts, die er hier gerade als stummer Zuschauer wieder erlebte.

Dumbledore sprach mit jemandem, also war er damals nicht alleine gewesen. Dracos Kehle schnürte sich zu. Aber wer war der unsichtbare Zeuge?

Die Antwort kam schnell. „Harry – Geh!", ächzte Dumbledore, der offensichtlich Schmerzen hatte.

Natürlich! Das war Harrys Stimme, die er gehört hatte, warum war er nicht gleich darauf gekommen! Bestimmt trug er diesen Tarnumhang, wie damals im Hogwarts-Express, als er ihn belauscht hatte.

„Das darf doch nicht wahr sein!", flüsterte Draco entsetzt. Harry musste alles was folgte mitbekommen haben…

Als nächstes hörte Draco eilige Schritte an sich vorbeigehen. Ohne Zeit zu haben darüber nachzudenken, folgte Draco dem Geräusch. Er musste wissen, ob Harry den Turm vielleicht doch noch verlassen hatte, ehe er selbst damals heraufgestürzt gekommen war. Doch seine letzte Hoffnung schwand, als die Tür zur Wendeltreppe von innen geöffnet wurde und er sich selber herausspringen sah. Potter musste noch irgendwo sein, vielleicht hatte er sich hinter der Tür in Sicherheit gebracht.

„Wer ist noch hier?", hörte er sich selber sagen.

Du verdammter Idiot!, dachte der Echtzeit-Draco. Warum hast du nicht bemerkt, dass noch jemand hier war? Spätestens beim Anblick des zweiten Besens hättest du's doch schnallen müssen!

Er stand neben seinem Abbild, das den Zauberstab auf Dumbledore gerichtet hielt. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen, die seinen ehemaligen Schulleiter fast panisch anstarrten. Die Hand mit dem Zauberstab zitterte vor Nervosität und seine Stimme überschlug sich fast, während er sprach. Draco fand, dass er entsetzlich und auch ein wenig peinlich ausgesehen hatte.

Während er sein furchtsames Gesicht betrachtete, kam die Erinnerung an die Gefühle, die er in jenem Moment durchlebt hatte, mit einem Mal wieder zurück und durchströmten ihn fast genauso heftig, wie damals. Er war gezwungen, sich alles nochmal mit ansehen zu müssen, alles noch mal durchzustehen.

Bald eilten die anderen Todesser herauf und später auch Snape, bis es schließlich zum tödlichen Ende kam.

Kaum war Snape mit Dracos Abbild und den andern Todesser geflohen, sprang auch schon Harry – nun sichtbar – aus seinem Versteck hervor und erwischte noch den hintersten Todesser mit einem Fluch. Ohne groß Zeit zu verlieren, nahm er die Verfolgung auf und Draco blieb alleine auf dem Turm zurück.

„Verdammter Mist, Potter weiß alles.", fluchte er vor sich hin. Bisher hatte er gedacht, dass nur die Todesser von seinen Machenschaften in dieser Angelegenheit wussten, doch da Harry alles gesehen hatte, wusste es somit sicher auch der ganze Phönix-Orden – und vielleicht sogar schon das Zaubereiministerium!

Er meinte ohnmächtig zu werden, denn die Umgebung um ihn herum löste sich langsam auf, doch Sekunden später fand er sich zu Hause in der Eingangshalle wieder.

Er starrte Harry an, als wäre er ein Löwe, der jederzeit zum Angriff ansetzten würde. „Verdammt, was sollte das?", schrie er ihn wütend an.

Harry schloss das Mini-Denkarium und steckte es in seine Tasche zurück. „Ich habe dir nur eine kleine Erinnerung von mir gezeigt. Dir ist sicher klar, dass du mit grösster Wahrscheinlichkeit nach Askaban kommst, wenn diese Information dem Zaubereiministerium in die Hände geraten."

Draco wurde übel und auch das letzte bisschen Farbe wich aus seinem ohnehin schon blassen Gesicht. „Willst du mich jetzt erpressen?", knirschte er zwischen den Zähnen hervor und gab sich mühe, möglichst bedrohlich dabei zu wirken.

„Nein.", erwiderte Harry zu Dracos grosser Überraschung. „Nennen wir es verhandeln."

Draco horchte verdutzt auf. „Worüber?"

Sie hörten jemanden, der sich rasch näherte.

„Was ist hier los?" Narzissa hatte die Halle betreten und kam schnellen Schrittes auf die beiden Jungen zu. „Oh, Mr. Potter, was verschafft uns die Ehre?" Sie schenkte ihm einen vernichtenden Blick.

Harry gab sich größte Mühe, die Ruhe zu bewahren und keine abfällige Bemerkung zu verlieren, schließlich war er hier, um etwas zu erreichen. Er kam gar nicht dazu etwas zu sagen, Draco hatte seine Mutter schon zur Seite genommen und redete aufgeregt auf sie ein. Sie diskutierten mit gedämpften Stimmen und Harry schnappte nur ein paar Brocken auf wie: „er weiß", „war da" oder "beruhige dich".

Harry nahm sich zusammen und harrte geduldig aus. Dann endlich bezogen sie ihn wieder ins Gespräch mit ein.

Narzissa hatte ein falsches, gehässiges Lächeln aufgesetzt. „Haben Sie uns sonst noch etwas zu sagen, Mr. Potter?", fragte sie gelassen. „Ansonsten können sie gerne wieder gehen."

Draco starrte seine Mutter an. Harry durfte nicht gehen, sonst wäre er geliefert, war sie verrückt geworden?

„Keine Angst, ich gehe noch früh genug." Harry schluckte seine Wut hinunter. „Ich gehe mal davon aus, dass Sie nicht wollen, dass Ihr Sohn nach Askaban muss?"

„Das sehen Sie vollkommen richtig, Mr. Potter." Sie sprach seinen Namen jedes Mal voller Verachtung aus.

„Dann tun Sie besser, was ich sage."

Draco schnaubte verächtlich, aber er schwieg. Harry hatte ihn schließlich in der Hand.

Seine Mutter blieb erstaunlich ruhig. „Was soll ich denn tun?", fragte sie fast schon spöttisch.

„Sie können mir Informationen geben.", sagte Harry unbeeindruckt von Narzissas arrogantem Gehabe. „Über Voldemort und –" Er warf einen unsicheren Blick zu Draco, der beim Klang von Voldemorts Namen das Gesicht verzog. Harry hielt es für besser, ihn aus der Sache raus zu halten und sagte deshalb leise nur an Narzissa gewandt: „– seine Horkruxe."

Narzissas Augen weiteten sich und man hätte meinen können, dass sich Angst darin spiegelte.

„Die was?", fragte Draco beunruhigt, dem der Blick seiner Mutter nicht entgangen war.

„Das ist ausgeschlossen.", sagte Narzissa hastig, ohne auf Draco einzugehen.

Harry zog das Mini-Denkarium wieder aus der Tasche und spielte damit in seinen Händen herum. „Schade, dann sollten Sie sich schon mal von Ihrem Sohn verabschieden, Mrs. Malfoy, denn Sie werden ihn wahrscheinlich für sehr, sehr lange Zeit nicht wieder sehen. Und Sie sind wegen Deckung von Voldemort dran –"

Stupor!" Ein Blitz traf Harrys Hand und tausende kleiner Splitter stoben in alle Richtungen und verteilten sich auf dem Marmorboden. Das Mini-Denkarium war zerstört.

Harry fuchtelte wie wild mit seiner schmerzenden Hand durch die Luft. „Autsch! Malfoy, bist du total durchgeknallt?"

Mit Draco waren die Nerven endgültig durchgegangen. Die Panik hatte die Kontrolle über seinen Verstand erobert und reflexartig das Beweisstück vernichten wollen. Er wunderte sich selbst über seine Tat und senkte verwirrt den Zauberstab.

„Draco, was hast du dir dabei gedacht?", fragte Narzissa empört.

Harry rieb sich noch immer die Hand. „Falls du jetzt denkst, du hättest dich gerettet, dann irrst du. Diese Erinnerung sitzt nämlich tief in meinem Kopf und kann jederzeit wieder herausgezogen werden. Das einzige, was dir wirklich helfen würde, wäre wohl mich zu töten, doch das kann ich auch nicht empfehlen. Meine Freunde wissen, dass ich hier bin und wenn ich nicht zurückkomme, werden sie handeln."

„Ich gehe nicht nach Askaban!", schrie Draco zurück. „Mutter, gib' ihm diese verdammten Informationen, wir wollen doch beide auch, dass der dunkle Lord vernichtet wird!"

Stille.

Noch ehe Draco realisiert hatte, was ihm gerade rausgerutscht war, konnte er es auch nicht mehr zurück nehmen.

Seine Mutter sah ihn erschrocken an. „Draco…"

Harry blinzelte ungläubig. Hatte er gerade richtig gehört? Sein erster Gedanke war, dass dies ein abgekartetes Spiel von den Malfoys sein musste, um ihn zu täuschen… Aber was, wenn es nun tatsächlich die Wahrheit war? Wollten sie wirklich, dass Voldemort starb? Dann hätte sich sein schwacher Verdacht bestätigt.

„Gehen wir ins Arbeitszimmer.", sagte Narzissa kurz angebunden.

Harry folgte ihr zögerlich, Draco bildete den Schluss. Obwohl Harry noch ziemlich durcheinander war, kam er nicht umhin, die Größe und der teure Prunk des Hauses zu bemerken und er geriet leicht ins Staunen, als sie durch zahlreiche Räume und Korridore wanderten. Er stellte sich vor, wie verwöhnt Draco hier aufgewachsen sein musste und begann seine Arroganz schon fast zu verstehen.

Narzissa öffnete eine schwere Tür aus robustem Holz und ließ die beiden eintreten. Es war Lucius Malfoys Arbeitszimmer, doch seit seiner Inhaftierung vor einem Jahr arbeitete Narzissa hier an seiner Stelle. Sie setzte sich in den wuchtigen Sessel hinter dem großen Schreibtisch und bot Harry einen der Stühle ihr gegenüber an. Draco war viel zu angespannt, als dass er sich hätte setzen können, er zog es lieber vor, nervös im Zimmer auf und ab zu tigern.

„Also, Mr. Potter.", begann Narzissa, und es schien als wäre der grösste Teil ihrer Verachtung ihm gegenüber plötzlich abgefallen und sie ihn nun als einen gleichberechtigten Verhandlungspartner ansehen würde. „Sie haben etwas gegen Draco in der Hand, das ihn und teilweise auch mich in eine sehr unglückliche Lage bringt. Ich werde nicht zulassen, meinen Sohn auch noch zu verlieren."

„Sie wissen ja, wie sich das verhindern lässt. Nur Sie können mir diese Informationen geben und niemand sonst."

„Oh, denken Sie das?", erwiderte Narzissa müde.

„Ich weiß es sogar. Vor einiger Zeit, als Ihr Mann noch ein gewisses Ansehen bei Voldemort genoss, sind ihm viele wichtige Dinge anvertraut worden, zum Beispiel Tom Riddles Tagebuch –" Harry hob bedeutungsvoll die rechte Augenbraue. „– und ich weiß, dass da noch mehr ist, obwohl Ihr Mann mittlerweile ja ganz unten in Voldemorts Gunst angekommen zu sein scheint."

Dracos Fäuste knallten auf den Tisch und er funkelte Harry zornig an. „Wag es nicht, meinen Vater in den Dreck zu ziehen!"

Harry giftete zurück. „Ich glaube nicht, dass gerade du in der Lage bist, mir etwas vorzuschreiben!"

Dracos Augen blitzten, doch er blieb still, so schwer es ihm auch fiel.

„Kehren wir wieder zum eigentlichen Thema zurück.", sagte Narzissa ruhig und Draco begann wieder seine Kreise durchs Arbeitszimmer zu ziehen. „Darf ich erfahren, wer bisher alles über Dracos Mitwirken Bescheid weiß?"

„Nur die Ordensmitglieder und Schüler, die an jenem Abend in Hogwarts in den Kampf mit den Todesser geraten sind. Es ist vereinbart worden, gegenüber dem Ministerium vorerst nichts von ihm zu erwähnen. Darum trägt in ihren Augen die ganze Schuld Snape alleine – vorerst noch."

„Ich verstehe nicht ganz, was ihr damit bezweckt, Draco zu decken?"

Harry gab ein abfälliges Geräusch von sich. „Es ist leicht fürs Ministerium, einfach alle Verbrecher nach Askaban zu sperren. Die Leute vom Orden hingegen versuchen denjenigen noch zu helfen, die noch nicht vollständig auf die schiefe Bahn geraten sind. Dir noch eine Chance zu geben, war mein Vorschlag."

Draco blieb abrupt stehen. „Was? Deiner?"

Harry nickte mit finsterer Miene. „Klingt unglaublich, nicht?"

„Allerdings." Draco wusste nicht, was er davon halten sollte. „Warum hast du das gemacht?"

„Weil ich nicht glaube, dass du ein Todesser bist, oder jemals einer sein willst."

Wie Recht er hatte! „Ach ja?"

„Ja, ich habe gesehen, wie du deinen Zauberstab gesenkt hast, als du Dumbledore bedrohtest und ich bin sicher, du wärst auf sein Angebot eingegangen, wenn nicht in dem Augenblick die Todesser hereingeplatzt wären. Außerdem hast du mir vor ein paar Minuten mit deiner klaren Aussage meinen Verdacht noch bestätigt."

Draco rauchte der Kopf. Es war einfach zuviel, was in den letzten Minuten auf ihn eingeprasst war. Es klang alles so unglaublich. In all der Aufregung hatte Harry mitgekriegt, wie er seinen Zauberstab gesenkt hatte? Diese minimale Bewegung? „Aber… auch wenn ich kein Todesser bin, ein Verbrechen habe ich trotzdem begangen –"

„– weil Voldemort dich und deine Familie bedroht hat.", unterbrach ihn Harry. „Was ist los, Malfoy? Kannst du nicht einfach ruhig sein und akzeptieren, dass ich dir geholfen habe?"

Draco schwieg. Wieso musste Harry immer so edelmütig sein? Er an seiner stelle hätte sich die Chance vermutlich nicht entgehen lassen, Harry an den Pranger zu stellen. Aber Harry musste ja wie immer den großen Helden spielen. Doch diesmal musste Draco über seine Grossmütigkeit froh sein, ohne ihn wäre er jetzt vor Gericht oder gar schon in einer Zelle von Askaban.

Narzissa schaltete sich wieder ein. „Ich muss mich wohl bei Ihnen dafür bedanken, Mr. Potter. Aber Ihnen ist doch klar, dass ich meinen Sohn und mich in Gefahr bringe, wenn ich Ihnen helfe und den dunklen Lord verrate?"

„Dafür ist schon vorgesorgt." Harry zog einen Lederbeutel aus der Tasche und stellte ihn auf den Tisch. Seine Hand war immer noch von Dracos neuerlicher Attacke gerötet.

Misstrauisch griff Narzissa nach dem Beutel und warf einen Blick ins Innere. Ihre Augen weiteten sich. „Ist das ein…?"

„Ja.", bestätigte Harry. „Auf Anweisung von Minerva McGonagall sollen Sie das bekommen, wenn Sie bereit sind uns zu helfen."

„Was ist drin, Mutter?", wollte Draco neugierig wissen.

Narzissa zog einen merkwürdigen, unförmigen Stein aus dem Beutel. Er war durchsichtig und im Innern spann sich ein wirres Netz aus grünen Fasern, die seltsam pulsierten, als ob der Stein lebte. Er war kaum größer als ein Schnatz.

„Was ist das?", fragte Draco und musterte das hässliche Ding.

„Ein Spickoskop – aber eine uralte Version und sehr viel nützlicher." Narzissa tippte mit ihrem Zauberstab dagegen und sprach einen für Draco unbekannten Zauber aus. Der Stein in ihrer feinen Hand begann wie wild zu vibrieren. Es ertönte ein Summen, das rasch anschwellte, bis schließlich sogar die Wände des Zimmers zitterten und Draco glaubte, sein Trommelfell würde jeden Moment platzen. Dann zischte es, als ob eben ein Schwert aus seiner Halterung gezogen worden wäre, und Draco sah, wie vom Stein ein Ring grünen Lichtes ausging und sich rasch vergrösserte, als würde er den Raum scannen. Der Ring verschwand durch die Wand und plötzlich war es wieder still geworden.

Narzissa stellte das Spickoskop sorgfältig auf den Tisch zurück. Die Fasern pulsierten nun intensiver als zuvor und wenn man es nicht besser gewusst hätte, hätte man glatt meinen können, dass sich da ein noch lebendes Organ wand.

Der verwirrte Gesichtsausdruck ihres Sohnes entging Narzissa nicht. „Jetzt ist es aktiviert und kann jede Person im Umkreis von zwei Meilen orten, die dem Besitzer des Spickoskops etwas Böses tun wollen. Ausserdem kann der Feind innerhalb der Reichweite weder apparieren, noch mit einem Portschlüssel, per Flohpulver oder anderen magischen Mitteln eindringen."

„Wow…", war alles was Draco dazu sagen konnte. Er fühlte gleich viel wohler ums Herz. „Und das funktioniert auch wirklich?"

„Das will ich doch hoffen für dich.", meinte Harry provozierend.

Draco warf ihm einen vernichtenden Blick zu, ehe er wieder den Stein beobachtete.

Harry hatte sich die Bemerkung nicht verkneifen können. „Der Orden hat das Spickoskop mit dem Hauptquartier verbunden. Wenn es also eine Gefahr wittert, leitete es auch ein Signal dorthin weiter und in wenigen Sekunden werden Ordensmitglieder bei euch sein."

„Gut, ich akzeptiere dieses Angebot.", sagte Narzissa, der offensichtlich ein kleiner Teil ihrer Last von den Schultern fiel. „Kommen wir zu meinem Teil. Draco, würdest du bitte draußen warten?"

Draco starrte seine Mutter an. „Was?"

„Warte bitte draußen.", wiederholte sie.

„Aber… Wieso? Ich kann –"

„Du brauchst das, was jetzt folgt, noch nicht zu wissen."

Draco verharrte kurz an Ort und stelle, wollte etwas erwidern, doch dann sah er ein, dass es keinen Sinn machte, und ging zur Tür.

Harry strengte sich an, nicht zu grinsen, aber Draco entging das triumphierende Glitzern in seinen Augen keineswegs. Er schloss die Tür etwas lauter als gewöhnlich hinter sich.

Einen Augenblick sagte niemand der beiden Anwesenden etwas. Narzissa hasste es, ihren Sohn wütend zu machen. Doch diesmal ging es nicht anders, als ihn fort zu schicken. Voldemort wollte, dass so wenige Leute wie möglich von seinen Horkruxen erfuhren. Sobald jemand unnötiges darüber Bescheid wusste, stand diese Person ganz oben auf Voldemorts Todesliste und sie konnte nicht zulassen, Draco in noch grössere Gefahr zu bringen. Sogar sie selbst wünschte sich, niemals darüber in Kenntnis gesetzt worden zu sein. Lucius hatte ihr nach seiner Festnahme einen Brief hinterlassen, indem er sie über alles aufgeklärt hatte.

„Sagen Sie mir nun, was Sie alles über Voldemorts Horkruxe wissen?", fragte Harry langsam ungeduldig.

Narzissa stand auf, ging zum Save hinüber und öffnete ihn mit dem Zauberstab. Sie entnahm daraus einige Briefe, Dokumente und eine kleine Schatulle. Damit setzte sie sich wieder hinter den Schreibtisch. „Sie müssen wissen, dass ich Ihnen nicht nur helfe, um Draco zu schützen." Ihre großen, blauen Augen zogen sich zu wütenden Schlitzen zusammen. „Ich will, dass dieses schwarze Biest endlich getötet wird und meine Familie in Ruhe lässt." Während Harry angestrengt zu realisieren versuchte, was er eben gehört hatte, öffnete Narzissa die Schatulle und reichte ihm einen alten, verschnörkelten Schlüssel. „Den werden Sie brauchen."

OoooOoooO

Unterdessen lief ein wütend fluchender Draco im Salon neben dem Arbeitszimmer hin und her. Was dachte sich seine Mutter dabei, ihn wie ein kleines Kind zu behandeln? Er war jetzt volljährig und alt genug, um solche Dinge zu erfahren. Das war jetzt schon das zweite Mal an diesem Tag, dass seine Mutter sich unmöglich aufgeführt hatte. Was war nur in sie gefahren?

Und vor Harry hatte er auch wie ein Idiot dagestanden. Er musste sich ja prächtig amüsiert haben! In dem Moment, als Draco Harrys feixende Miene gesehen hatte, war der ganze Hass auf den Gryffindor-Helden wieder aufgekeimt, obwohl er in den Minuten zuvor etwas wie Dankbarkeit für ihn empfunden hatte. Nein, Freunde würden sie wahrlich nie werden, da halfen auch solche großen Taten von ihm nichts mehr. Er hasste Harry, und Harry hasste ihn.

Draco musste eine angespannte halbe Stunde warten, bis seine Mutter und Harry aus dem Arbeitszimmer traten. Zu allem Übel wurde er von seiner Mutter auch noch angewiesen, Harry zur Türe zu begleiten.

Eine Weile liefen sie schweigend nebeneinander her. Draco kochte.

„Und, hast du bekommen, was du wolltest?", fragte er bissig.

„Ja.", antwortete Harry, schien aber mit seinen Gedanken ganz wo anders zu sein.

Wieder gingen sie schweigend nebeneinander her.

„Tut deine Hand noch weh?", fragte Draco, als sie die Eingangshalle betraten.

Harry sah ihn verwundert an.

„Ich hoffe es doch.", giftete Draco weiter. „Schade, dass sie überhaupt noch dran ist."

„Was hast du für ein Problem, Malfoy? Ist dein Stolz verletzt oder was?"

„Ich will dir nur noch sagen, dass bloß weil du mich nicht verraten hast, ich dir noch lange nicht verzeihen werde, dass du mir meinen Vater genommen hast!"

„Ach sei ruhig, Malfoy! Denk doch mal nach, ich habe auch Sirius und Dumbledore verloren, und jedesmal hatten entweder du oder dein Vater die Hände im Spiel! Was soll ich denn sagen?"

Draco verstummte verdattert. Wieso hatte Harry immer Recht?

Mittlerweile war Harry schon zur Türe hinaus.

Draco fasste sich. „Wie auch immer, ich hoffe es ist das letzte Mal gewesen, dass wir uns begegnet sind."

„Na, das hoffe ich auch!" Harry zog von Dannen.

Leider hofften die beiden vergebens.

Soooo, Lesy is back mit ein wenig Verspätung! Sorry :) Der Urlaub war übrigens ganz toll! Wusste gar nicht, dass Engländer so gut ausschaun g
Ach ja, mit Reviews macht ihr mir wie immer eine riesen Freude!