Und weiter geht´s. Würd mich über ein Review freuen ;)

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„Auf unsere hübschen Begleiterinnen!" Grinsend hob Dave seinen Bierkrug und prostete Michelle zu. Er und Gary hatten kurzerhand beschlossen, dass die beiden Damen etwas trinkfester werden mussten und sie deshalb in eine Kneipe geschleppt.

„Huh, ich wusste gar nicht, dass du charmant sein kannst." Michelle lächelte leicht und versuchte ihre Kopfschmerzen zu verdrängen. In dem Gasthaus war es laut, stickig und es roch nach Bier. Michelle sehnte sich nach etwas frischer Luft.

„Hey Süße geht's dir nicht gut?" Dave hatte ihre leidende Miene bemerkt und sah die Brünette besorgt an. Gary schmunzelte. Solange er Dave auch schon kannte, noch nie hatte er gesehen, dass sich sein Freund um jemanden sorgte.

„Naja, ich hab Kopfschmerzen, vielleicht sollte ich zurück zur Pearl gehen…"

„Ich bring dich hin." Entschlossen stellte Dave sein Bier zurück auf den Tisch und stand auf. Es war an der Zeit zu zeigen, dass er nicht nur leere Sprüche klopfte, sondern auch ein Gentleman sein konnte.

Dankend lächelte Michelle ihn an, als er beschützend einen Arm um sie legte und sie sicher an einer sich prügelnden Bande Piraten vorbeiführte.

Michelle genoss es ihm so nahe zu sein und lehnte sich leicht an ihn. Sie mochte den Schiffsjungen, sehr sogar. Das Mädchen beschloss es ihm zu sagen, am besten noch heute, denn es würde sich wohl nicht so schnell eine Gelegenheit bieten, wo sie mit ihm alleine war. Und ihrem Kopf ging es auch schon wieder viel besser. Die frische Nachluft tat gut.

Doch Michelles Pläne wurden zu nichte gemacht, als sie einen einsamen Piraten auf der Reling sitzen sah, der den Kopf traurig auf die Hände gestützt hatte.

Mitfühlend sah Michelle zu Jack hinüber. Dave verstand ihren Blick und verabschiedete sich mit einem kurzen Kuss auf die Wange von ihr, bevor er zurück zur Kneipe ging.

„Hey." Michelle setzte sich neben den Piraten.

„Hey." Kam es brummig zurück.

„Wo… wo ist Mary?" Michelle wusste, dass sie mit dieser Frage ziemlich genau den Kern des Problems traf.

„Weg. In der Bibliothek." Jacks Miene verfinsterte sich. „Mit Delone." Er sprach den Namen aus, als wäre er eine tödliche Krankheit.

Michelle sagte nichts. Sie wollte Jack keine Fragen stellen, er sollte von sich aus erzählen. Eine Zeit lang herrschte Stille auf dem Schiff, bis Jack schließlich das Schweigen brach.

„I-ich mag es… es nicht wenn sie mit ihm zusammen ist." Jack schluckte. Er hasste dieses Gefühl in ihm. Er kam sich so hilflos vor. Verdammt, er könnte fast jede Frau in der Karibik haben, aber er wollte doch nur die eine!

„Ich weiß. Ich mag es auch nicht. Ich mag ihn nicht." Es stimme. Michelle mochte es auch nicht, wenn Mary mit Jean zusammen war. Sie wirkte dann immer so… so erwachsen, so fremd und nicht wie ihre Freundin mit der man alles Mögliche anstellen konnte. „Du bist eifersüchtig auf ihn, nicht wahr?" Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.

„Mhm…muss… muss ich das denn auch?" Jack sah Michelle fast schon verzweifelt an. Michelle erkannte an ihm eine Seite, die im Film nicht dargestellt wurde, die in keinem Film dargestellt werden könnte. Seine verletzliche Seite.

Im Moment erinnerte er das Mädchen mit seinen treuen braunen Augen an einen kleinen Hund, der sich nach Liebe sehnt. Es fiel Michelle schwer sich in Erinnerung zu rufen, dass neben ihr der gefürchteste Pirat der Karibik saß. Tat er eigentlich auch nicht. Neben ihr saß einfach nur ein Mann, der Angst hatte seine Liebe an einen anderen zu verlieren.

„Ich glaube nicht." Aufmunternd legte Michelle ihm eine Hand auf die Schulter. „Aber so klischeehaft sich das jetzt anhört: Sag es ihr. Sag ihr, dass du Angst hast sie verlieren und rede mit ihr. Ihr selbst fällt… fällt es oft schwer über ihre Gefühle zu reden, auch wenn sie spürt, das etwas nicht in Ordnung ist, aber du kannst nichts falsch machen, wenn du mit Mary redest…. Und Klarheit schaffst."

Klarheit schaffen! Genau das war es doch wo vor Jack Angst hatte. Das er von einem Moment auf den anderen vielleicht die Klarheit hatte sein Mädchen verloren zu haben. Aber er wusste, dass Michelle Recht hatte. Er würde mit Mary reden, noch heute.

Lachend schlenderten Jean und Mary den Pier entlang auf die Pearl zu. Es war ziemlich spät geworden und außer ihnen war niemand zu sehen.

„Hat Ihnen der Abend gefallen Miss Mary?"

„Sehr sogar, es… es war unheimlich interessant." Mary lächelte gutgelaunt. Aber nun da sie den Vergleich hatte, wäre ein Abend mit Jack wohl doch schöner gewesen.

„Es ist bedauerlich." Jean bekam plötzlich einen traurigen Gesichtsausdruck.

„Was ist bedauerlich?" Hakte das blonde Mädchen nach.

„Ich würde zu gerne mal eine Bibliothek in Eurer Welt besuchen."

„Das geht leider nicht, aber glaubt mir, ihr verpasst nicht viel."

„Eure Welt muss aber generell sehr viel besser sein als diese hier. Allein diese „Technik" wie Ihr es nennt."

Mary lächelte bitter. „Diese „Technik" wird einmal meine ganze Welt vernichten. Es gibt inzwischen Waffen, die eine ganze Stadt mit einem einzigen Schuss vernichten können. Bei uns heißt so etwas Atombomben. Sollte ein Krieg mit diesen Waffen geführt werden, so ist die Überlebenschance für alle Menschen auf der Erde gering. Viele werden an den Einschlägen sterben und die anderen an der Strahlung. Und das ist nur ein Schreckensszenario aus meiner Welt."

Beide schwiegen und dachten über das eben Gehörte nach. Erst jetzt, wo sie den Vergleich hatte fiel Mary auf, wie… wie schlecht und dreckig ihre Welt doch war. In manchen Hinsichten hatte sie zwar Fortschritte gemacht. Die Sklaverei wurde zum Beispiel abgeschafft - wenigstens in einigen Teilen der Welt- aber sonst… Umweltverschmutzung gab es hier nicht, Atommüll war völlig unbekannt und in den Kriegen wurden Kriegsschiffe und Heere angegriffen, nicht die wehrlose Bevölkerung.

„Miss Mary…" Durchbrach Jean plötzlich die Stille.

„Mhm."

„Der… Abend mit Ihnen war sehr schön. Ich habe mich selten so gut mit jemandem unterhalten, es… es gibt nicht viele Leute die mein Interesse an Schriftstellern und der Antike teilen."

„Es freut mich, dass ich Euch nicht gelangweilt habe." Kam es etwas spitz von dem Mädchen.

„A-aber das habt Ihr jetzt nicht ernst gemeint! Langweilen!" Jean blieb stehen, so dass Mary sich zu ihm umdrehen musste. „Für eine Frau seid ihr sehr gebildet, aber In Eurer Welt scheint das ja die Regel zu sein. Und…" Nun lächelte er charmant und Mary begann sich unwohl zu fühlen. „Und ich habe noch nie eine Frau getroffen die Intelligenz und Schönheit so sehr ineinander vereint wie Ihr es tut."

„Ich… ähm… sehe das mal als Kompliment… danke." Ganz klar sie fühlte sich unwohl. Warum kam ihr der Typ gerade immer näher?

„Ihr seid bewundernswert, Mary." Jean strich ihr sanft eine Haarsträhne aus dem Gesicht und kam ihrem Gesicht dabei unangenehm nahe. Was zur Hölle tat der Kerl da? Es war alleiniges Privileg ihres Lieblingspiraten ihr die Haarsträhnen zu bändigen und wo war überhaupt das Miss geblieben? Das Mädchen lächelte etwas verkrampft. „A-ach wirklich?"

„Natürlich! Bewundernswert klug und vor allem schön." Sein Gesicht näherte sich immer mehr dem ihren und seine Lippen waren kurz davor ihre zu berühren.

Plötzlich realisierte Mary was da gerade ablief. Entschlossen legte sie Jean ihre Hände auf die Schultern und schob ihn bestimmt von sich weg.

„Nein! Mr. Delone, ich will Eure Gefühle nicht verletzten, aber das geht zu weit. Ihr solltet eigentlich bemerkt haben, dass ich mich in einer festen Beziehung befinde, und dass das was Ihr hier tut sehr unschicklich ist." Huh, eine Abfuhr in der Sprache des 17. Jahrhunderts!

Delone ließ sich allerdings kaum aus der Ruhe bringen. „Das ist das einzige, was ich an Euch nicht verstehe. Warum gebt Ihr euch diesem… diesem Sparrow hin? Er ist nur ein Pirat und nicht mal annähernd gut genug für Euch, er ist weit unter Eurem Niveau! Er treibt es mit jeder Hure, während ich Euch liebe."

Das war genug! Bei Mary gab es zwei Stufen, in die sich ihre Wut einteilen ließ. Bei der ersten tobte sie und jeder sollte flüchten. Bei der zweiten blieb sie vollkommen ruhig und machte einem Eisblock Konkurrenz. Diese Stufe war meist die gefährlichere und genau das hatten Sandy und Michelle gemeint, als sie zu Gary und Dave gesagt hatten, dass Mary nicht „richtig wütend" wäre.

„Jetzt hört mir mal gut zu." Zischte sie Delone entgegen. „Ich muss mich vor EUCH überhaupt nicht für meine Gefühle rechtfertigen. Und es bestimme immer noch ich, wer gut genug für mich ist und wer nicht. Ihr glaubt wohl jeder, der keine so kostbaren Kleider wie ihr tragt oder der keine Schule besucht hat, sei minderwertig. Eure Einstellung ist erbärmlich! Und ich glaube ich habe mich in Euch getäuscht. Ich hatte das Gefühl Ihr wärt nett und freundlich. Aber in Wahrheit seid Ihr nur ein eingebildeter Schnösel, der glaubt er könne sich alles erlauben.

Soll ich Euch was sagen, Jean? IHR seid nicht gut genug für mich und ich bezweifele, dass Ihr das Wort Liebe überhaupt buchstabieren könnt!"

Mary funkelte ihn ein letztes Mal zornig an und ging dann schnellen Schrittes zurück zu Pearl. Zurück blieb ein verdatterter Jean Delone, der den Sinn ihrer Worte noch gar nicht richtig verstanden hatte.

Wütend betrat Mary das Schiff. Was bildete sich dieser Vollidiot eigentlich ein? So über ihren Jack zu reden? Und mit so einem Egoisten hatte sie auch noch ihre Zeit verschwendet!

Trotz ihrer Wut und Empörung öffnete das Mädchen leise die Kabinentür. Sie hatte erwartet, dass Jack schon schlafen würde oder überhaupt nicht auf dem Schiff war, als zwei wunderbar braune Augen sie direkt anblickten.

Irgendwie begann Mary sich unwohl zu fühlen. Warum sah Jack sie so… so furchtbar ernst an?

„Hey Jack." Kam es leise und zaghaft von ihr

Jack sagte nichts, trat aber einen Schritt auf Mary zu, nur um dann wieder zwei Schritte zurück zu machen. Verwirrt sah Mary dem Treiben des Piraten zu, bis dieser sich schließlich umdrehte und ihr fest in die Augen sah.

„Mary ich…. wir… wir müssen reden!"

Oh, oh, in Filmen bedeutete dieser Satz nie etwas Gutes.

„Ähm…ja… also...dann…" Worüber wollte Jack mit ihr reden? Ein ungutes Gefühl beschlich Mary und sie glaubte, dass er mit ihr über einen gewissen Adeligen reden wollte.

„Ich will mit dir über Jean reden."

Na toll, wusst ich's doch.

„Ü-über dich und Jean."

Mit einem Schlag wurde Mary kreidebleich. Dieses Thema gefiel ihr ganz und gar nicht.

„Ich… ich mag es nicht, wenn du mit ihm zusammen bist. Ich…ja ich bin eifersüchtig."

„Jack… ."

„Nein Mary, hör mir einfach nur zu."

Bedrückt schloss das Mädchen wieder den Mund. Was würde jetzt kommen?

„Wenn ihr beide zusammen seid fühl ich mich irgendwie ausgeschlossen und überflüssig. Diese… diese Dinge über die ihr euch unterhaltet… davon hab ich nicht die geringste Ahnung. Diese Bücher, die anscheinend so toll sein sollen, hab ich nie gelesen und werde ich auch nie lesen. Ich könnte sie nicht einmal lesen, weil ich nicht lesen kann. Die paar Wörter, die ich noch entziffert kriege, zählen nicht." Jack seufzte leise. „Ich hab nie eine Schule von innen gesehen und hab keine Ahnung von der Weltgeschichte oder diesem ganzen wissenschaftlichem Zeugs. Verglichen mit dir oder Sandy und Michelle fühle ich mich manchmal richtig dumm, das einzige worüber ich bescheid weiß ist das Meer. Du wirst dich mit mir nie über Dinge wie Bücher oder Schriftsteller oder was weiß ich noch alles unterhalten können." Er zuckte fast schon hilflos mit den Schultern und vermied es Mary anzusehen. „Ich bin nur ein einfacher Pirat, Liebes. Und ich hab verflucht viel Angst davor dich zu verlieren."

Stumme Tränen rannen Mary über die Wange. Seine Ehrlichkeit hatte sie erst verblüfft und dann tief berührt. Er hatte ihr sein Herz ausgeschüttet und seine Gedanken preisgegeben. Er hatte ihr versucht zu zeigen was er fühlte und Mary war ihm das Gleiche schuldig, so schwer es ihr auch fallen würde.

„Jack." Sie trat einen Schritt auf ihn zu und streichelte mit ihrer Handfläche sanft über seine Wange. „Es tut mir Leid. Es tut mir Leid, dass ich nicht gemerkt habe wie sehr ich dir weh tue. Alles, was du gesagt hast stimmt und auch wenn du nur ein einfacher Pirat bist…" Sie stockte kurz und legte ihre andere Hand auf seine Schulter. „… das ist egal. Vielleicht hast du keine Ahnung über Dinge, die in der Schule gelehrt werden, aber auch das ist egal. Es ist unwichtig und überflüssig

weil… du einfach nur Jack bist. Weil du mich verstehst und mich wirklich kennst. Für Jean bin ich eine angenehme Gesellschaft und seinen Worten nach liebt er mich…"

Jetzt war es an Jack blass zu werden. Was verdammt noch mal war heute Abend gelaufen?

„Was… wie…" Unruhig sah er Mary an.

„Er…er hat versucht mich zu küssen, aber er hat es nicht getan, weil ICH es nicht wollte. Weil er nicht derjenige ist, mit dem ich zusammen sein will. Es ist halt so, für ihn bin ich nur die ewig lächelnde Mary, eben eine angenehme Gesellschaft, aber für dich bin ich einfach nur Mary. Du kennst mich Jack und auch schon ein paar meiner Macken." Sie lächelte leicht. „Genauso kenn ich dich und ein paar deiner schlechten Eigenschaften… du Säufer…." Nun lächelten sie beide. „Ich mag dich so wie du bist. Bei dir kann ich einfach nur ich sein und muss kein strahlendes Lächeln aufsetzen. Du bist für mich da, auch wenn ich mal schlecht drauf bin… oder?"

„Immer, Darling." Murmelte Jack nur und zog Mary in seine Arme. Endlich hatte er Klarheit, eine Klarheit, die wieder dieses warme Gefühl in ihm aufsteigen ließ. Sie wollte mit ihm zusammen sein und nicht mit diesem Schnösel. Ihr war es egal, dass er nicht lesen und schreiben konnte. Und sie wusste, dass er für sie da war.

„Immer." Wiederholte Jack leise.