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part III periphery
::past|past|past::
{Tsukiyono}
Als ich aufwachte, hatte ich das unerklärliche Gefühl, alles falsch gemacht zu haben. Ich wusste nicht mehr was, wo oder wann; nicht einmal das wusste ich noch. Ich fühlte mich... deplaziert... falsch... unwahr... Noch lange hielt ich die Augen geschlossen, wollte es verdrängen, vergessen und mich einfach wieder... wegträumen...
Mein Mund war noch immer taub und ich spürte, dass meine Unterlippe angeschwollen war. Ich fühlte mich benommen und meine Glieder schien plötzlich Tonnen zu wiegen. Schwach öffnete ich die Augen und sah neben mir, dicht an mich geschmiegt, eine andere Gestalt. Mit Mühe widerstand ich dem Verlangen, sofort aufzuspringen und in die am weitesten entfernte Zimmerecke zu flüchten, nur mit Mühe. Ach ja, meine Bettbekanntschaft. Mein Junkie. Seufzend versuchte ich mich vorsichtig aus der Umklammerung zu lösen, schaffte es jedoch nicht, dafür wachte er aber auf. Er schien etwas zu murmeln, dann sah er in meine Augen, durch seine ganz verwurschtelten hellbraunen Haare, mit dunklen Augen, so dunkelblau, wie der Himmel in der Nacht oder... so dunkelblau... wie... die Augen...
Prodigys...
Nein! Mein Gott, das konnte... durfte nicht... nicht sein!!! Niemals!
gravity
Bitte...
Der Junge, der Prodigys unvergleichlich schönen Augen hatte, der Junge, der Prodigys weiches, seidiges Haar so verwuschelt auf seinem Kopfe trug... Er sah mich an, mit eng zusammen gekniffenen Augen.
no escaping
Bitte...
Er setzte sich auf, rieb sich lang und ausgiebig die Schläfen, wohl um seinen Kater irgendwie zu bändigen. Die Wunden, die immerhin ansatzweise über Nacht verheilt waren, platzten bei seinen Bewegungen teilweise wieder auf und frisches Blut lief in zarten Linien über seine bleiche, mit blauen Flecken übersäte Haut...
not for free
BITTE!!!!!
Ich schrie innerlich auf, als ich die Narbe rechts über seiner linken Schulter wahrnahm, diese Narbe, von Darts gemacht, vergiftete Darts... meine Darts...
I fall down
Mir wurde schlecht.
hit the ground
Ich sah ihn an, starrte ihn an, fixierte jeden einzelnen Millimeter seines perfekten Körpers... Warum sah ich ihn so an? Was bannte meinen Blick an seinem Körper? Was zog mich an? Ich will ihn vergessen, ausradieren aus der schlechten Eigenschaft, die man nennt. Aber anstatt wegzusehen, anstatt mich umzudrehen... sah ich ihn nur noch mehr an und es beschämte mich selbst, wie sehr ich ihn ansah.
Was'n los?, fragte er mit Prodigys Stimme und drehte sich wieder zu mir. Ich sah ihm nur in die Augen. Er sah mich an, das Entsetzen war ihm ins Gesicht geschrieben. Beinahe fasziniert beobachtete ich, wie sich seine Gefühle und Gedanken auf seinem Gesicht wiederspiegelten. , entfuhr es ihm. Ich schwieg. Er hatte es auch nicht bemerkt? Nicht bemerkt? Zufall? Unfall.
amazing grace in here
Verdammte Scheiße, fluchte er, während er sich umwand und die Fetzen seiner Klamotten zusammen sammelte. Bin ich deine Geisel?, knurrte er dann, in Shorts und in einem halbzerrissenem T-Shirt. Ich schüttelte den Kopf und wies ohne einen Ton zu sagen auf die Tür. Meine Geisel... als könnte ich noch eine weitere Minute mit ihm in einem Zimmer in einem Haus ertragen...!
Prodigy, noch immer total verdreckt und auf einem Bein hinkend, ging sehr langsam und mehr als nur leise auf die Tür zu. Ich wusste, dass zu dieser Zeit (es war 6:45 am) samstags nie jemand auf den Beinen war. Aber er wusste es nicht und vermutlich würde er es mir ach nicht glauben und es für eine Falles halten. Nagi lauschte an der Tür, sah durch das Schlüsselloch, während ich ihm vom Bett aus zusah. Es erweckte in mir eine eigenartige Mischung aus Ekel und Faszination meinen persönlichen Todfeind halbnackt durch mein Zimmer laufen zu sehen. Ich wollte ihn hier weg haben, ihn nie wieder sehen müssen... nie wieder an diese Nacht denken müssen...
Ich wollte endlich vergessen. Und so lange er halbnackt durch mein Zimmer spazierte, war daran einfach nicht zu denken...
I'm your hell, I'm your dream
I'm nothing in between
you know you wouldn't want it any other way
Als ich das zweite mal erwachte, erfüllte mich eine maßlose Leere und im ersten Moment hatte ich nur das Gefühl, wieder einen Alptraum gehabt zu haben, über meinen Dad oder Schwarz vielleicht, an den ich mich aber bereits nicht mehr erinnern konnte und der nur dieses exorbitante... schwarze... Loch... in mir zurückgelassen hatte. Das es mehr gewesen war, als nur ein simples Blendwerk gewesen war, bemerkte ich erst, als ich mich selbst in das Badezimmer forciert hatte und halbnackt vor dem mannsgroßen Spiegel stand.
Man hätte meinen können, ich hätte mich eine Runde im Mississippi-Delta gesuhlt.
Dreck, wohin ich auch sah: Dreck. Es begann in den Haaren, verklebte sie, verzwirbelte sie und tropfte an einigen Stellen als klebrige Substanz in meinen Nacken, es ging weiter in breiten Striemen im Gesicht, auf Brust und Unterleib; selbst die Beine waren nicht verschont wurden und ich bemerkte auch einiger Striemen auf meinem Rücken, die aussahen, als hätte sich jemand mit final dreckigen Händen in meiner Haut festgekrallt...
Der Dreck mischte sich in meinem Gesicht und auf meinem Oberkörper mit Blut, teilweise schon dunkel und krustig, an anderen Stellen schien es erst jetzt sich richtig auszubreiten und hinterließ ein filigranes Spinnennetz auf meinem Körper.
Langsam, voller dunkler Ahnungen, drehte ich mich um und sah auf das zerwühlte Häufchen Matratze/Kissen/Decke, was ich einmal als mein Bett bezeichnet hatte. War dies wirklich geschehen?! Nicht einfach eins dieser einfachen, banalen Einfachheiten, die man einfach mit links... vergaß?! War dies... Realität gewesen?!
Wenn dies Realität war, dann... konnte ich ab heute nichts mehr damit anfangen...
Seine Augen verfolgten mich.
In meinem Notebook.
Unter der Dusche.
Im Kühlschrank.
In jeder dunklen Nische lauerten sie.
Warteten.
Warteten.
Lachten über mich, wie ich traumatisiert in die Gegend starrte
Sahen mich an, ungläubig, als würden sie erst jetzt realisieren, wer ich tatsächlich war
Sahen mich an, verirrte Lichtstrahlen brachen sich
in diesen meerblauen Abgründen
verschluckten sie
...
liebten mich
part IV system
::present|present|present::
{Naoe}
Als ich die Augen das erste mal wieder öffnete, explodierte das helle Sonnenlicht förmlich auf meiner Netzhaut Es tat weh, unglaublich massiv weh und ich versuchte erst gar nicht erneut meine Augen zu öffnen. Langsam bewegte ich mich vorsichtig, weniger um tatsächlich aufzustehen, sondern einfach nur, um zu sehen, was in meinem Körper noch funktionierte oder ob ich wieder nachhause humpeln/kriechen/hinken konnte, als wäre ich ein Kriegs- und kein Drogeninvalide...
Meine Beine schienen vergleichsweise unglaublich vital heute und auch sonst bemerkte ich kaum etwas. Langsam erhob ich mich, noch immer mit fest geschlossenen Augen und zusammengebissenen Zähnen, um nicht vor Schmerzen aufzuschreien. Es waren wie lauter kleine, heiße Blitze, die durch meinen gesamten Körper zuckten, kleine, wehtuende Blitze...
Drogen...
Ich lachte innerlich
laut
zynisch
Was hatte ich erwartet?!
Es lief doch immer so, wenn ich Drogen nahm. Ich nahm immer eindeutig zu viele, zu starke und dann auch noch alle auf einmal. Das ich regelmäßig deshalb ins Koma fiel, war eigentlich verständlich. Oder das ich noch Tage später Schmerzen unbekannter Herkunft verspürte. Es war alles so wie immer. Ganz profan.
Ich hatte die Augen wieder geöffnet, mich auf der Parkbank wiedergefunden, auf der ich wohl auch war und begann vorsichtig, wieder aufzustehen. Immerhin befand ich mich nicht am anderen Ende der Stadt, auf einem widerlichen Hinterhof oder mitten auf einem Platz und halbnackt. Ja, es war schon oft passiert, dass ich ganz woanders wieder erwacht war und manchmal sogar in Betten mit anderen Kerlen oder Frauen, die mich wohl irgendwie abgeschleppt hatten... Bis jetzt waren sie alle wunderschön eingeschlafen, nachdem sie einen 15-jährigen Junkie vergewaltigt hatten, träumten ganz wunderbar von ein paar anderen, die sie schon hatten oder noch haben würden und... wachten nie wieder auf.
Das der einzige, der einen One-Night-Stand mit mir überlebt hatte, ausgerechnet mein Feind war, war wohl Ironie eines Schicksals, dass ich nicht haben wollte...
Ich lief nachhause. Meine Beine bewegten sich wie von allein, ich erwischte mich mehrmals dabei, wie ich sie fasziniert beobachtete, als wären meine Beine externe, von mir völlig unabhängige Dinge, Geräte oder sonst etwas... Doch auch daran war ich gewöhnt. Ich konnte mich ja wirklich wundern und freuen (?), dass ich mich nach 13 x Crawfords-Mega-Kick noch mehr oder weniger bewegen konnte und vor allem noch ...
Ich schätzte es auf etwa 1 pm, als ich schwach in das Schwarz-Appartement wankte.
Ich hatte seit 48 Stunden nichts gegessen außer... Drogen. Ich hatte seit 48 Stunden ein ziemlich imperiales Problem. Seit 48 Stunden war die Farbe in meinem Kopf groß geschrieben. Seit 48 Stunden...
I'm searching for things that I just cannot seeMein Zimmer kam mir so unendlich weit entfernt vor, ich sah um mich herum plötzlich lauter nebelgraue Bombays, die mich riefen, ansahen, anstarrten... die mich erkannten und in denen etwas zerbrach...
I do not need I do not need nobody I do not need I do not need nobodyMir schwindelte, ich stützte mich schwer an die Wand, riss mit einer Hand die Jacken von Schuldig herunter, hörte das Krachen von einigen Champagnerflaschen, die sich wohl auf den Jacken befunden hatten, nur gedämpft, durch Watte, dumpf, leise, entfernt...
Ich schloss die Augen, versuchte Bombays Bild zu verscheuchen, aber stattdessen sah ich ihn in mir, sah ihn, wie damals, in der Nacht, die nie hätte sein sollen... Ich wollte das alles nicht mehr, wollte zurück in meine eigene, geschützte und entfernte Welt, meine Insel, meinen Platz, wollte ihn nicht mehr kennen, mich nicht mehr erinnern, alles vergessen...
Ich wollte nicht mehr seine Augen sehen, ich wollte gar nichts mehr sehen, ich wollte zurück zu dem Punkt, zurück zum Ausgang... Ich war doch glücklich gewesen, davor, oder? Ich hatte mich doch an alles gewöhnt, ich hatte mich sogar daran gewöhnt, dass ich nicht mehr als ein Spielzeug war... Ich war doch glücklich gewesen, hatte mich auf meinem kleinen Raum eingelebt, mich daran gewöhnt, ich war doch ganz glücklich gewesen, oder?!
Wie konnte eine einzige Nacht, eine einzige, verfluchte Nacht, meine ganze Welt in Trümmer legen, wie konnten meerblaue Augen mich ansehen, während in mir alles zusammenbrach?!
Ich wollte nicht mehr mein beschränktes Paradies, wenn ich den Himmel gekostet hatte...
how can you see inside my eyes like open doors
leading you down into my core where I've become so numb
without a soul
my spirit's sleeping somewhere cold
until you find it there and lead it back home
Wer würde denn so zurück in ein Patchwork-Jenseits wollen?
I hate the world todayDer Flur wurde mit jedem Schritt nur noch länger, ich hatte das Gefühl rückwärts zu laufen... Ich... wollte... hier... weg...
until you find me there
Perfekt. Dich habe ich schon gesucht, Naoe.
Ich sah auf, langsam, ahnungsschwanger und unglaublich kaputt. Crawford. Mein Boss. Das heißt, der Mann, der von Anfang an über mich entschieden hat und mich im Prinzip hatte... Der Mann, der mich mit einem Fingerschnippen töten – oder am Leben lassen konnte... Ganz wie er wollte, wie es ihm gerade ging.
Du bist mir noch etwas schuldig, fürchte ich...
Ja. Mir ging es schon apokalyptisch, aber Crawford musste immer noch einen draufsetzen. Ich nickte
alles drehte sich
nicht um mich
denn ich war ja nicht
Die Tür, die hinter mir zufiel, kam mir vor wie das Höllentor, hinter dem ich mich mal geborgen gefühlt hatte.
don't let me die here
there must be something wrong
Mir war klar, wie verrückt ich war. Wie verrückt das alles war. Wie wahnsinnig... Hätte mich jemand ernsthaft gefragt, ob ich glaubte, dass das alles war...
... dann hätte ich eigentlich nur lachen können.
Wären mir dabei nicht Tränen in die Augen gestiegen...
'cause I lost myself
I watched it escaping
::only blue silence::
continued soon
bombay
