5/5

part IX snow-covered home

(T)

Wie ich mich fühlte? Wie ich mich fühlte!

Die Frage sollte eher lauten, ob ich überhaupt noch etwas fühlte

außer

Qual

Schmerzen, die mich beinahe um den Verstand brachten, hätte ich noch etwas in mir.

Schmerzen, die jegliches positive Gefühl in mir aufzusaugen schienen.

Schmerzen, die mich nach und nach auffraßen...

Ich wollte nicht mehr die Augen öffnen, nie mehr. Wenn es etwas schrecklicheres als diese Finsternis in mir gab, dann war es die Finsternis, die von jedem einzelnen von Schwarz ausging... sie drohte mich zu vernichten... Ich hatte versucht, wenigstens etwas Weiß in mir zu behalten, aber stattdessen war in mir diese Leere, dieser Stumpfsinn und nicht mal mehr ein Fünkchen Hoffnung.

Sie hatten gewonnen.

Ich war nun schon fast wie sie. Aber ehe ich so sein würde wie Naoe, Oracle, Mastermind oder Berserker... ehe ich einer von ihnen werden würde... würde ich sterben. Auch wenn es das letzte war, was ich mir wünschte, dieser Wunsch war mindestens so stark, wie der, den ich damals nach Leben hegte.

Ich wollte sie töten, diese primitive Leere in mir, dieses schwarze Loch, was mich zu absorbieren drohte... Ich wollte hier fort, ehe ich selbst dieses schwarze Loch war, welches andere in seine Abgründe zieht...

Prodigy schwieg. Hockte über mir. Schwieg. Bewegte sich nicht.

Ich war die ganze Zeit wach gewesen. Seit er gekommen war, mich entfesselt hatte und mich auf die Matratze gelegt hatte. Ich habe bemerkt, wie er meine Handgelenke verbunden hat. Und ich war auch wach gewesen... als er mein Gesicht gestreichelt hatte... meine Augen... meine Lippen... er hatte mich geküsst. Ganz sanft und für einen Moment hatte ich mir eingebildet, es würde mir gefallen. Aber er wollte ja auch nur seinen Spaß mit mir haben. Auch er würde mich vergewaltigen. Quälen. Mich in den Wahnsinn treiben. Mir zusehen, wie ich vor seinen Augen zerbrach. Immer wieder. Bis ich nicht mehr war. Bis ich nur noch...

... eine Hülle war.

Ich wartete. In mir begann sich alles zu drehen und ich wurde immer verrückter, je länger nichts geschah. Wollte er mich in Sicherheit wiegen und schließlich...

Ich öffnete langsam die Augen. Er sah mir direkt in die Augen, ohne zu lächeln. Sein Gesicht war eine ausdruckslose Maske geworden und ich fragte mich, wie lange es noch dauern würde, bis ich selbst genau so aussehen würde.

„Du bist schon fast wie ich."

Ich sah ihn an. Konnte auch er Gedanken lesen, oder...

... war mit ihm genau dasselbe geschehen, bis er so war, wie er jetzt vor mir saß?

„Ich... will aber nicht.", flüsterte ich. Das Sprechen bereitete mir wieder größere Mühe und bei jedem Atemzug stachen Tausend Splitter in mein Herz.

Er lächelte traurig. So hatte ich ihn noch nie lächeln sehen und es würde mich wundern, wenn er auch nur einmal vorher so gelächelt hätte.

„Nein... Und deshalb...", flüsterte er, dann schloss er die Augen und senkte sein Gesicht erneut auf meines.

Als sich unsere Lippen berührten, wusste ich genau, was er hatte sagen wollen. Vorsichtig hob ich meine Hände und legte sie an seine Wangen. Wir küssten uns, sanft, langsam, vorsichtig, um keine der Wunden aufzubrechen, die uns beide brandmarkten.

Ich wusste ganz genau, dass dies nur eine Lüge war. Etwas, was im Licht nicht mehr bestehen konnte. Etwas, was so geheim und zerbrechlich war, etwas, was so verboten war, dass es die Engel in den Wahnsinn trieb...

(N)

Warum wehrte er sich nicht mehr? Warum schrie er mich nicht mehr an? Ich hatte angst. Lieber wollte ich bin in die Ewigkeit von ihm angeschrieen werden, als dass er sich mir nun gleich einer willenlosen Puppe unterwarf...

Ich spürte seine brüchigen, an einigen Stellen blutenden Lippen auf meinen, er bewegte sich nicht, schien nicht einmal zu atmen... Es vergingen Sekunden, Minuten, in denen ich einfach das Gefühl genoss, meine Lippen auf seinen zu spüren, seine Wärme an meinem Körper... Ich hatte nicht damit gerechnet und um nicht enttäuscht zu werden hatte ich es auch nicht erhofft, aber nach Ewigkeiten, so schien es mir, öffneten sich seine Lippen, ganz sanft und vorsichtig und ich spürte, wie er meinen Kuss langsam erwiderte.

Ich spürte zwei kalte, aber unglaublich sanfte Hände an meinen Wangen, wusste, dass es seine Hände waren, wusste endlich wieder, was ich selbst war und was ich... mehr als alles andere... wollte... begehrte... liebte...

Plötzlich drehte Omi seinen Kopf ruckartig weg. Ich sah ihn an.

„Was...?", fragte ich leise, tastend.

Omi antwortete nicht, starrte krampfhaft in eine andere Richtung und ich sah etwas in seinen Augenwinkeln glitzern.

Weiß? Dachte er etwa an... Weiß? Seine Freunde? Fühlte er, als würde er seine Freunde verraten, wenn er dies hier genoss? Ich schluckte schwer. Wenn es scheitern sollte, dann doch sicherlich nicht wegen den Menschen, die einen so lieben sollten, wie man war!

„Omi... ich... ich... ich liebe dich...", flüsterte ich leise. Omi schwieg. Eine Träne löste sich aus den dichten, dunklen Wimpern und perlte entlang seiner Haut zu Boden. Ich hörte ihn verhalten schluchzen.

Vorsichtig hob ich eine Hand und strich eine einzelne Strähne aus seinem Gesicht.

„Es ist okay... Du musst mir nicht antworten... wenn du nicht willst...", hauchte ich in sein Ohr. „Schlaf jetzt. Ich passe hier auf dich auf..." Ich konnte Omis Körper unter meiner Hand erzittern spüren. Ich spürte seine Schluchzkrämpfe, sein Zittern durchlief auch meinen Körper.

Ich wartete, bis sich seine Schüttelkrämpfe beruhigt hatten und sein Atem gleichmäßiger wurde. Dann seufzte ich schwer. Das wurde schwerer, als ich dachte.

Mein Blick fiel auf den zusammengekrümmten Körper vor mir. Mitleid? Fürsorge? Liebe? L.i.e.b.e! Ich lachte innerlich bitter. So etwas brauchte ich nicht. Solche Gefühle waren in meinem Job eindeutig fehl am Platz.

Ich hatte mich an ein Leben ohne dies gewöhnt. Ich hatte es lieben gelernt.

Ich musterte seine geschundene Haut und hob die Augenbrauen. Ich hatte nicht geplant, dass er so sehr verletzt sein würde. Aber vielleicht war es besser so und mein Plan würde nur noch perfekter werden.

Ich musste nur noch... ein bisschen... warten...

(T)

Ob ich ihn liebte? Konnte man ihn denn lieben? Der Gedanke an ihn tat weh. Warum sollte etwas wehtun, wenn es gar nicht existierte? Wie konnten meine Gefühle für ihn schmerzen, wenn ich mir doch sicher war, keine Gefühle... für ihn... zu hegen...?

Liebte ich ihn... doch?

Konnte man ihn denn lieben? Einen Feind? Meinen Feind? Prodigy? Er allein war Schuld an all dem, was bis jetzt geschehen war. Seine Freunde waren es, die mir das angetan hatten. Er… er…

Ich warf mich hin und her, wurde von ungewissen Träumen geplant, Sequenzen, Erinnerungen, Ahnungen, Gedanken... Als ich erwachte, saß er noch immer dort, seine Augen ruhten auf mir. „Wie geht es dir?", fragte er leise. Ich antwortete nicht. Sah ihn nur an. Sah ihn einfach an. Er war Schwarz. Er war mein Gegner, mein Gegenteil. Wir waren Kehrseiten einer Medaille. Wir waren... lebende Antithesen, wir widersprachen uns bereits durch unsere bloße Existenz. Wir waren Weiß und Schwarz. Und es gab kein Grau, in dem wir hätten leben können. Das, was wir gerade spielten, war eine Scheinwelt, eine von unseren eigenen Träumen, Wünschen und Sehnsüchten generierte Scheinwelt. Und sie würde zusammenbrechen, das wusste ich. Wir konnten nicht...

„Ich... liebe dich..."

Er schwieg, sah mich an, eine Träne erschien in seinem Augenwinkel. Dann beugte er sich schnell nieder zu mir und wir küssten uns erneut. Wie sehr hatte ich mich danach gesehnt! Wie sehr diesen Moment herbeigewünscht! Ich spürte seine sanften Lippen, seine Zunge in meinem Mund, spürte ihn, fühlte ihn über mir... und für den Moment war es mir genug, einfach seine Wärme zu spüren, zu wissen, dass mich jemand nicht im Stich lassen würde. Ich hatte keine Angst mehr, dass ich genau so wie Schwarz werden würde. Nicht, solange dieser Funken Hoffnung existierte. Dieser Funken Hoffnung... der in ihm weilte. Den wir teilten. Der uns beide erfüllte.

(N)

Noch nicht, flüsterte ich zu mir. Noch nicht! Nur noch ein wenig Geduld... Wenn ich jetzt nachgeben würde, würde mein ganzer Plan zerfallen und ich stünde wieder dort, wo alles angefangen hatte.

Wir küssten uns, es vergingen Minuten in denen wir einfach die Nähe des Anderen genossen, seine Wärme spürten...

... bis die Geräusche von einem Schlüssel im Schloss uns wieder aufweckten.

Aus unserer Traumwelt zurückholten.

Die Utopie zerrissen.

Ich lächelte in Gedanken.

Bald... bald...

Ich spürte Omi unter mir erschauern, als Schuldig die Tür aufstieß.

Als würde ich ihn beschützen wollen, legte ich einen Arm um ihn und zog ihn sanft hoch, lehnte ihn an die Wand.

Schuldig starrte von einem zum anderen, zögerte, dann lachte er schallend auf.

Ich hörte sein Lachen in meinem Hirn und Schmerzen pulsierten durch meinen ganzen Körper. Omi neben mir krümmte sich ebenfalls und ich hörte ihn unter Schmerzen schreien. Ich fragte mich, wie schlimm es für ihn sein musste... ich war schon beinahe daran gewöhnt... Aber eigentlich war es mir egal.

Nach dem Schuldig sich endlich wieder beruhigt hatte und keuchend nach Luft schnappte, musterte er uns genüsslich. Er schien die Situation gerade zu genießen, auszukosten, als er sichtlich vergnügt fragte: „Na, wie weit sind wir denn diesmal gekommen?"

Ich spürte seinen schmalen Arm, der sich schutzsuchend um meinen Körper klammerte.

„Tut mir ja leid, meine Süßen, dass ich die Romanze leider beenden muss, aber wir haben heute noch was besseres vor, wenn ihr wisst, was ich meine..."

Ich zwang mich, angesichts Schuldigs widerlichem Sinn für Humor ruhig zu bleiben und starrte ihn mit zusammen gekniffenen Augen an.

„Von dir hätte ich das sowieso nicht erwartet. Schon eher von mir, dass ich mich an so einen Kleinen ranmache..."

Omis Finger krallten sich in meine Haut.

„Aber was rede ich da? Ich bin nur hier, um euch euer neues Herrchen vorzustellen... Er schob Farfarello (in Zwangsjacke) herein. „Voilà. Herrchen – Spielzeug. Spielzeug – Herrchen." Schuldig kam sich sicherlich toll vor.

„Leider könnt ihr euch im Moment nicht näher bekannt machen, denn wir haben gerade eben Besuch von deinen Fans bekommen...", sagte Schuldig mit einem breiten Grinsen zu Omi herüber.


„Ich liebe dich, Nagi...", flüsterte er leise, zärtlich. Ich lächelte kalt in die Dunkelheit. Er würde es sowieso nicht sehen können.

„Ich liebe dich... so sehr..."

Vorsichtig tastete ich mit meiner Hand nach dem Messer, welches ich mir bereitgelegt hatte.

„Liebst du mich auch, Nagi?", fragte Omi ängstlich, weil ich nicht antwortete. Ich wartete einen Moment, bis ich das Messer sich in der Hand hielt.

„Ja." Vorsichtig drehte ich mich zu ihm.

Er sah mich direkt an.

„Zeig mir... wie sehr du mich liebst...", flüsterte ich sanft. Omi schwieg und sah mich überrascht an. „Ich liebe dich... mehr als alles andere... Du bist mir sogar wichtiger als mein Leben! Ich... ich liebe dich..."

Ich lächelte sanft und presste meine Lippen begehrend, verführend auf die seinen. Omi stöhnte leise.

„Beweis es mir...", flüsterte ich.

Er sah mich an, nur mühsam hielt er sein Begehren in Zaum. Ich hielt ihm das Messer entgegen. Zwei meerblaue Augen sahen tief in meine.

„Ich werde dich retten, keine Angst, ich werde immer für dich da sein…", flüsterte ich zärtlich und küsste ihn erneut, drängend, verlangend...

Omi zögerte noch kurz, dann nahm er das Messer aus meiner Hand und setzte es vorsichtig an seine Pulsadern. Ich wartete, sah ihm in die Augen.

„Warum willst du... so einen Beweis...?", flüsterte er.

„Weil ich dich retten will. Ich will dein ein und alles sein. Ich will der sein, der sich in deinen Augen widerspiegelt, ich will der sein, der deine Lippen berührt, ich will der sein, der dich ansehen darf... Ich will dein Leben sein..."

Omis Atem ging unregelmäßig und ich sah eine Träne in seinem linken Augenwinkel.

„Das bist du, Nagi..."

Damit schnitt er sich seine Pulsadern auf, warf das Messer fort und sah mich mit Tränen in den Augen, aber glücklich lächelnd an. Ich sah in seine Augen, auf die Arme, die er in meine Richtung streckte, das Blut, dass warm und rot über seine Handgelenke lief, sich pulsierend vermehrte und schwer zu Boden tropfte. Fasziniert beobachtete ich das Schauspiel.

„Es tut so... weh, Nagi...", flüsterte er, Tränen rannen sein Gesicht hinab.

„Ich weiß…", murmelte ich, bewegte mich jedoch nicht.

„Ich… liebe dich... so sehr...", seine Stimme erreichte kaum meine Ohren, ich beobachtete nur das sich ausdehnende rote Muster auf seiner hellen Haut.

Ich stand auf.

Seine Augen folgten mir. Noch immer hielt er seine Arme ausgestreckt, vor Schmerzen und Angst zitternd.

„Du bist so... lächerlich.", sagte ich leise, schneidend kalt.

„Schau dich doch an. Vergewaltigt. Durchgefickt. Blutend. Heulend. Du bist nicht mehr wert als ein widerliches Insekt…"

Ich lief auf ihn zu, lies mich vor ihm in die Knie sinken.

„... welches ich zertreten werde. Hör mir gut zu Bombay, Kätzchen: Ich. Hasse. Dich."

Ich konnte sehen, wie etwas in ihm zerbrach. Sah ihn zerbrechen. Sterben. Er schwieg, die Arme nach wie vor lächerlich vor sich ausgestreckt. Wie fühlte es sich an, so aus allen Wolken zu fallen? Verraten zu werden, von der Person, die man liebte? Wie fühlst du dich?

Er zerbrach vor meinen Augen, ich konnte es sehen, fühlen, ich konnte seine Schmerzen beinahe psychisch spüren.

Das Blut lief weiter an seinen schmalen Handgelenken herab.

„Du... hast gesagt... du liebst mich...", flüsterte er stockend, ungläubig, entsetzt...

„Und gedacht habe ich: ICH HASSE DICH!", schrie ich ihn an.

Ich packte ihn an seinen Armen und warf ihn auf die Brust, fesselte seine Hände auf den Rücken, nachdem ich sie halbwegs verarztet hatte.


i was never loyal except to my own pleasure zone

i'm forever black-eyed


„Und sterben lasse ich dich auch nicht. Es ist viel schöner so, Kätzchen."

Ich gab ihm noch einen Tritt, dann drehte ich mich um und ging zur Tür.

Ein letztes mal sah ich ihn an, wie er heulend, zitternd und sich unter Schmerzen windend auf dem Bett lag.

„Es war alles nur eine Lüge... ja?", flüsterte er.

„Korrekt.", antwortete ich ruhig.

Er stöhnte.

„Dann bring mich doch endlich um."

Ich lachte.

„Bring mich um! Bitte!"

Ich lachte noch lauter.

„Bring mich um! Ich flehe dich an, BRING MICH UM, NAOE!"

Lachend und kopfschüttelnd lief ich aus dem Raum.

„Willkommen bei Schwarz. Mach's gut, Süßer!"


Ich schloss die Tür hinter mir und sank an ihr langsam zu Boden.

Es war vorbei. Ich hatte den Auftrag letztendlich erfüllt.

Ich vergrub mein Gesicht in den Händen.

Endlich war ich wieder allein. Allein in meiner Welt.

In meinem Winter.

Mehr brauchte ich nicht und vor allem wollte ich nicht mehr.

this is my december

this is all I need

und doch… hatte ich ihn…

wirklich geliebt…

---the end---


bombay

notes: Nya, ich wollte nicht schon wieder eine OOC-Story schreiben, hier also the real-evil-Nagi… Eventuell wird es jedoch noch ein Sequel geben, das weiß ich bis jetzt noch nicht - kommt auf die allgemeine Resonanz an!