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::sweet sickness: :sick sweetness::

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"Schätzchen, wärst du so gut mir Magentropfen aus der Apotheke mitzubringen?"

Ich starrte Schuldig an. "Magentropfen.", wiederholte ich ungläubig. Das 'Schätzchen' hatte ich geflissentlich überhört.

"Crawfie hat gestern ein bisschen. zu viel getrunken."

War mir neu. Wahrscheinlich wollte er nur sturmfrei haben um Crawford erst einmal Magenschmerzen zu machen.

//Halt den Rand und mach dir 'nen schönen Tag mit dem Kätzchen. Es muss sowieso mal raus. Es ist ganz blass, meinst du nicht? Ich hätte da allerdings noch eine andere Methode ihm ein bisschen Farbe ins Gesicht zu zaubern.//

Ich wandte mich ab. Ich wollte gar nicht wissen, was Schuldig an anderen Methoden auf Lager hatte.

//Hast es selbst schon versucht, was? Jesus, musst du schlecht im Bett sein. Oder besonders gut, was denkst du?//

Ich antwortete nicht. Als ich die Tür zu meinem Zimmer mürrisch aufstieß, saß Bombay auf dem Fensterbrett des geschlossenen Fensters und sah nach draußen.

"Willst du raus?", fragte ich und blieb in der Tür stehen.

Bombay rührte sich nicht, aber ich hörte ihn leise flüstern: ".raus?"

Ich verdrehte beinahe die Augen. "Solange du bei mir bleibst kannst du raus. Aber solltest du versuchen zu fliehen. kann ich auch nicht länger für deine Sicherheit garantieren."

"Was passiert dann?", fragte er ruhig.

"Dann töte ich dich."

Bombay nickte, drehte sich zu mir um und lief langsam und unsicher auf mich zu.

"Okay."

Seine Haut war noch blasser geworden, sein Haar ungekämmt und unordentlich. Er trug Sachen, die ich ihm geliehen hatte. Seine ganze Gestalt schien sich gewandelt zu haben in den letzten Tagen. Seine einst Katzen-ähnlichen, geschmeidigen Bewegungen, wirkten nun unsicher, fahrig und unkoordiniert; seine Augen, die mich immer so wachsam und intelligent gemustert hatten, wirkten nun wie wasserblaue, matte Glasperlen, die nichts mehr wahrzunehmen schienen.

Er war kurz davor, das letzte bisschen Weiß in sich zu verlieren. Das letzte bisschen Hoffnung schien sich bald mit seinem Verstand verabschieden zu wollen. Er würde wie sie werden. Wie Crawford, Farfarello und schuldig. Wie ich.

Letztendlich unterschied uns nicht viel von Weiß. Wir hatten vielleicht gegensätzliche Namen, aber selbst unsere Prioritäten ähnelten sich. Auch Weiß war ein Haufen enttäuschter Idioten, die ihr Lebensziel darin sahen, für das letzte bisschen 'Weiß' zu leben, zu kämpfen, zu töten, zu sterben.

Wir sind genauso.

Erst jetzt, als ich Bombays tote, hoffnungslose Augen sah, wurde mir klar, wie wenig uns letztendlich von Weiß unterschied. außer. außer.

Ich wusste es nicht. Irgendwas in Bombay schien noch immer 'Weiß' zu sein. Irgendwas hatten wir noch nicht zerstören können. Irgendwas.

Ich gab ihm meine eigene Jacke.

Es war noch mehr Schnee gefallen in den letzten Tagen. Ich sah mich um. Alles wirkte weiß, unschuldig und auf eine grauenhafte Weise. tot.

Auch jetzt noch brannte das Weiß des Schnees in meinen Augen.

Kalt.

Wir liefen immer geradeaus. Schon nach einigen Hundert Metern hatte ich den Überblick verloren und ließ mich nur noch treiben.

Wir gingen schweigend nebeneinander her, schweigend, in Gedanken versunken und frierend.

Immer wieder wunderte ich mich auf's Neue, wie groß Tôkyô sein musste, wenn wir uns noch immer darin befanden. Auch das hatte ich nie bemerkt.

Wir befanden uns in einem besonders ärmlichen und heruntergekommenen Viertel, als ich einen kleinen, verwilderten Park sah.

Ohne uns abzusprechen, gingen wir beide in die vereisten Tiefen des Parks.

Es war seltsam. Je tiefer wir in die ekelhaft weiße, blendende, ausbrennende Welt eindrangen, desto mehr wusste ich, dass es dieses Weiß eigentlich nicht gab. Eigentlich war alles.. schwarz. Nur die Sonne, nur das Licht schuf diese schmerzende Farbe. Es gab sie nicht. Es gab keine Farben, es würde nie welche geben. Es gab kein Weiß. Aber gab es Schwarz? Es machte keinen Unterschied. Auch wenn es selbst das schwarz nicht gab - so waren Weiß und Schwarz noch weniger unterschiedlich. Wir würden immer. nur durch vorsintflutliche Regeln und Lügen getrennt sein. Ja, nicht mehr.

"Warum. lässt du mich nicht gehen?", fragte Bombay plötzlich und ich zuckte beim Klang seiner Stimme zusammen.

"Ein Experiment, ein Spiel, weißt du?", antwortete ich, so unpersönlich und distanziert wie nur irgend möglich.

Er sagte eine Weile nichts.

"Das ist. so sinnlos." Seine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. Ich schwieg, schließlich hatte er ja recht. Es war tatsächlich ziemlich sinnlos.

Plötzlich hatte ich angst. Angst, dass er gehen würde, Angst, dass er einmal nicht mehr da sein würde. Ich wusste nicht genau, warum, aber alles in mir zog sich schon allein bei der Vorstellung schmerzhaft zusammen.

schwarz erfrorene einsamkeit

Es war pervers. Ja, pervers. In den vergangenen Tagen hatte er mich immer mehr an mich selbst erinnert - an mich. damals. Er verweigerte beinahe jedes Essen, ich sah ihn niemals schlafen, nur mit offenen Augen in die Ferne starrend, er schien abwesend, weit weg von uns, distanziert. Manchmal, wenn er wieder so reglos und tot in einer Ecke meines Zimmer saß und ich-weiß-nicht-wohin starrte, hatte ich das Gefühl, er würde sogar das Atmen vergessen.

Ich war beinahe besessen von dem Gedanken, dass er wie ich werden würde, genau wie ich.

Nur etwas fehlte noch. etwas bestimmtes. Etwas, was mich entgültig in diesen Abgrund getrieben hatte, etwas. Ich wusste es nicht mehr. Ich wusste nicht mehr, warum ich der war, der ich war.

Ich sah Bombay wieder an.

Er zitterte und ich war mir sicher, dass es nicht allein die Kälte war, die ihm das still stehen unmöglich machte.

"Wie heißt du?", fragte ich idiotischer Weise.

Er sah mich direkt an, ein überraschtes Aufflackern in seinen Augen erinnerte mich daran, dass ich eigentlich noch immer nicht das Recht hatte, ihn nach seinem Namen zu fragen.

"Tsuki. Omi. Nenn mich einfach. Omi."

Ich schluckte und nickte. Noch immer waren diese meeresblauen Höhlen fest auf mich gerichtet. Ich begann, mich immer unwohler zu fühlen. Allein seine Blicke reichten mittlerweile aus, um mich aus der Fassung zu bringen. Am Anfang hatte ich noch geglaubt, dass sich das mit der Zeit legen würde, aber stattdessen wurde es nur noch schlimmer. Ich ertrug es nicht, wenn er mich ansah, wenn sich eine Flutwelle Meeresblau in meine Seele fraß und drohte, mich gänzlich zu.

Ich zuckte innerlich zusammen.

"Lass uns gehen. Nagi.", murmelte Omi und wandte sich ab.

Er lief ein paar Schritte voraus, dann drehte er sich um, sah, dass ich noch immer am selben Ort stand und ihm nachsah und streckte mir eine Hand entgegen.

"Komm schon. Lass uns gehen.", wiederholte er leise.

Ich nahm zögerlich seine Hand.

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tbc

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notes: Ich bin einfach deprimiert, höre Placebo, Manic Street Preachers, Suede, Muse, Blur und und und in Überdosis und bin ansonsten auch total neben mir.

Und ich hätte doch gerne Reviews!! Meine erste Fanfic nach laaaanger, laaaaanger Zeit. *doch zu den alten Eisen gehör*