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:stuck inside this need to feel c o m p l e t e:

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Zu sagen, es wäre wieder genau wie früher geworden, nachdem er aus meinem Zimmer verschwand, entspräche nicht der Wahrheit. Nicht einmal der halben, nein, es wäre schlichtweg eine verdammte Lüge.

Er hatte genau 2 ½ Wochen mit mir verbracht. Verbringen müssen. 18 Tage, um genau zu sein. 27653 Stunden, weil es immer noch ein bisschen penibler geht.

Dabei hatte ich Weiß nicht einmal getötet. Sie waren genauso lebendig wie ein Haufen lästiger Insekten, genau wie eh und je.

Ich wusste nicht genau, was Crawford nun eigentlich so genau mit ihm vorhatte. Ich glaubte nicht wirklich, dass er eine Art Köder darstellen sollte. Jedenfalls nicht für Weiß. Wir hätten Weiß schon Dutzend Male vorher töten können und auch jetzt brauchte Crawford nur einen Anruf tätigen und die Sache wäre gegessen… Es wäre idiotisch. Aber auf der anderen Seite war Bombay ein unwichtiger Faktor in einem viel größeren Schachspiel. Mit ihm ließ sich niemand erpressen. Was wollte Crawford?

Ich saß auf meinem so genannten Bett, welches letztendlich nur eine simple Matratze war, hatte mein Notebook auf dem Schoß und tippte mit halsbrecherischer Geschwindigkeit Worte ohne Zusammenhang ein und löschte sie wieder. Es war eine Art Spiel, welches ich seit einigen Tagen immer wieder wiederholte, um mich abzulenken. Es waren nicht einmal unbedingt Gedanken an Bombay oder seinem Schicksal, vielmehr waren es Zweifel, Fragen, Schreie, Schreie, Schreie

Ich wusste, dass ich keines der Wörter jemals aussprechen würde, dass keiner der Sätze jemals über meine Lippen kommen würden, aber es war eine stille, leise, private Weise, gegen Schwarz zu kämpfen. Indem immerhin meine Gedanken dagegen waren. Indem ich verstand, indem ich die Augen öffnete, indem ich schrie und schrie und schrie.


Drei Tage lang hatte ich nichts von meiner Umgebung mitbekommen. Es waren Winterferien, ich verspürte keine Lust, nach draußen zu gehen und wir hatten auch keine Missionen, weshalb ich sogar Crawford, Schuldig und Farfarello aus dem Weg gehen konnte.

Ich saß gerade auf dem Fensterbrett in der Küche, trank Selterwasser in kleinen Schlucken und beobachtete die matschige Welt vor dem Fenster, als die Tür aufging. Ich drehte mich nicht um, allein die Art, wie die Tür geöffnet wurde, überzeugte mich, dass ich es mit Schuldig zu tun hatte. Außerdem sah ich sein Spiegelbild in der Glasscheibe.

Ich lauschte in mein Inneres, ob ich wohl wütend auf ihn war. Nichts. Nichts.

Ich hasste ihn. Schwarz. Weiß. Bombay. Omi. Es war mir egal, wie viele Namen sie noch für meinen Untergang erfunden hatten.

„Vermisst du ihn?"

„Guten Morgen.", knurrte ich als Antwort.

„Vermisst du ihn?"

„Nein."

„Nicht?"

„Sollte ich?", fragte ich. Ich war selbst überrascht, wie eiskalt die Stimme klang. Noch immer starrte ich stur aus dem Fenster. Ich wusste, dass ich Schuldig das Gedankenlesen einfacher machen würde, würde ich mich umdrehen und ihn ansehen.

Schuldig antwortete nicht gleich.

„Warum hast du eigentlich gelogen?"

„Was?" Mir fiel auf, dass dies allmählich zu der längsten und niveauvollsten Unterhaltung expandierte, die ich je mit dem Deutschen geführt hatte.

„Dass du Weiß eliminiert hast, Schätzchen."

Ich seufzte.

„Ehrlich gesagt – ich weiß es nicht. War was falsch daran?"

„Nope. Nur schlecht für dich."

Ich zuckte die Achseln. „Ich tu nur das, was man mir sagt." Ich sah ihm in die Augen. „Was Schwarz mir sagt."

Schuldig lachte. Laut. Unecht. Übertrieben.

„Weißt du, genau das ist das erotische an Bombay: ihn muss man zwingen, etwas zu tun, du prostituierst dich bereits, ohne das man was von dir will."

Ich starrte ihn an.

„Damit hattest du bisher noch nie ein Problem."

„Man muss eben nehmen was man kriegt. Aber lieber erfreue ich kleine unschuldige Kätzchen, als prostituierende Minderjährige, okay?"

Meine Augen brannten. Bloß nichts anmerken lassen, er will nur provozieren, provozieren…

„Du hättest ihn schreien hören sollen, es war ein herzerfrischendes Erlebnis…"


provozieren, provozieren…


„Farfarello und Crawford haben sich auch bereits an ihm ausgetobt. Wer weiß, vielleicht lassen wir auch noch was für dich dran, wenn du ganz lieb Bitte sagst…"

(bitte…)


provozieren… provo---


„Idiot.", murmelte ich, so gefühllos wie möglich und stand auf.

/Er hat immer wieder nach dir gerufen, Prodigy./

Ich setzte mühsam einen Fuß vor den anderen um die Küche zu verlassen.

/Immer wieder: Prodigy! Prodigy/

Die Tür schien Kilometer entfernt zu sein.

/Nagi/

Etwas im mir zersprang und zurück blieb ein schrilles, helles Klingeln in meinem Kopf. Ich drehte mich langsam um. In der Küche ging Schuldig in eine Angriffsposition über und lächelte genugtuend.

---reduced to insanity---

Es war von Anfang an klar gewesen, wie es enden würde. Ich hatte es gewusst und doch--- doch---

Ich ging langsam in die Knie, als ich eiskaltes Metall in meinem Nacken spürte. Vor mir lachte Schuldig als wäre er verrückt geworden. Noch immer konnte ich nichts hören, außer einem hohen, nervenzerfetzenden Klingeln, welches meinen Verstand zum Durchdrehen brachte.

Ich wagte nicht, meinen Kopf auch nur einen Millimeter zu bewegen und kniete regungslos, mit erhobenen Händen auf den Küchenfließen.

Crawford schritt an mir vorbei, warf Schuldig einen genervten und Farfarello, der sein Lieblingsmesser auf mein Hauptnervenzentrum gerichtet hatte, einen abwinkenden Blick zu. Farfarello zog sich zurück, Schuldigs Lache verwandelte sich in ein wahnsinniges Kichern und Grinsen. Ich kniete nach wie vor auf den Fließen, meinen Blick auf Crawford gerichtet.

Er zündete sich in aller Ruhe eine Zigarette an und musterte mich abschätzend von oben bis unten.

„Willst du Bombay wiedersehen?", fragte er dann ruhig, als würde er mir eine stinknormale, profane Aktie anbieten.

Ich sah ihm ausdruckslos in die Augen. Wollte ich Bombay wiedersehen?

„Was habt ihr mit ihm gemacht?"

„Das tut nichts zur Sache."

Wieso sollte ich ihn wiedersehen wollen? Zwischen uns war alles gesagt wurden. Zwischen uns war alles geklärt.

„Ja."

Meine Stimme drang leise, beinahe geflüstert aus meinem Munde, aber ich wusste plötzlich selbst, dass es mein voller Ernst gewesen war. Die Wahrheit war, dass ich ihn wiedersehen wollte. Dass ich anfing durchzudrehen.

Was ich auch wusste, war, dass ich ab jetzt vollkommen ihrem Willen augeliefert war. Ich hatte mich unterworfen, mehr als je zuvor, indem ich ihnen gestanden hatte, dass es etwas in meinem Leben gab, dass mir etwas bedeutete, etwas, das ich liebte.

Ich hatte mich ihnen in die Hände gespielt.

Von jetzt an war ich noch abhängiger von ihnen, als ich es ohnehin vorher schon war.

Crawford wirkte keineswegs überrascht, nickte nur kurz und musterte mich weiter.

„Wieso nicht?", fragte er leise, aber ich wusste selber, dass ich nicht der Richtige war, sie zu beantworten.

Schuldig, der sich wieder gefangen hatte und sich an das Waschbecken gelehnt hatte, musterte Crawford interessiert, als würde er versuchen, die Gedanken seines Chefs zu erraten. Ich lag der Wahrheit wahrscheinlich näher, als ich gedacht hätte.

Crawford schwieg eine Weile, dann sah er auf seine Uhr, musterte uns drei kurz mit einem strafenden Blick, als wäre es unsere Schuld, dass er die Zeit vergessen hatte.

„Er ist in deinem Zimmer.", sagte Schuldig ruhig zu mir, als Crawford davongebraust war.

„Wer?", fragte ich.

Schuldig sah mich spöttisch von oben herab an.

„Bombay."

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„Bombay?", fragte ich leise in die Dunkelheit, als ich die Tür von meinem Zimmer hinter mir wieder ranzog.

Keine Antwort.

„Omi?" Wie lange war dieser Name nicht mehr über meine Lippen gekommen?

Etwas seitlich von mir hörte ich ein erschrockenes Einatmen, dann wieder gespenstische Stille.

„Wo bist du?", fragte ich.

„Was willst du?" Ich wusste, dass es Omis Stimme war, auch wenn ich mir mit aller Kraft einredete, er würde es nicht sein…

„Du… bist frei."

Ich lauschte meinen Worten nach.

Ich wusste sehr genau, dass ich einen Fehler beging, ich wusste, dass mich Schwarz spätestens jetzt entgültig umbringen würde, ich wusste aber auch, dass es mich krank machen würde, wenn ich diese Stimme weiterhin ertragen müsste, seine Blicke, ihn

„Was?", erahnte ich seine plötzlich schwache, zitternde Stimme.

Ich wurde übergangslos müde, erschöpft.

„Hau einfach ab. Hau… Hau schon ab… Omi…"

Bombay regte sich nicht, aber ich spürte seinen Blick.

„Warum?", fragte er leise, menschlich, traurig.

Ich antwortete nicht, ging zur gegenüberliegenden Wand und ließ mich langsam daran hinuntersinken.

„Warum?", fragte Bombay noch einmal.

Ich biss mir auf die Unterlippe, spürte die befriedigende Kühle der Wand an meinem Rücken, versuchte eins mit dem Stein zu werden, Wand, Mauer, leblos, kalt.

„Ich hab einfach keine Lust… deine Visage noch länger zu ertragen.", murmelte ich und sprach dabei aus tiefstem Herzen. Ja, ich wollte ihn nicht sehen, ihn nie mehr sehen, ich wollte nie mehr… nie mehr… Nie mehr die Kontrolle verlieren. Ich wollte mein Leben zurück. Ich forderte mich selbst zurück. Und er gehörte nicht hier hin, er gehörte einfach… einfach… einfach nicht zu mir

…oder?

War es andersherum?

„Bisher hat dir das keine Probleme bereitet." Er war noch immer da.

„Nein, bisher nicht."

„Warum dann jetzt?"

Ich schrie auf, wälzte mich herum… innerlich. Äußerlich seufzte ich nur übertrieben und tat alles dafür, dass ich möglichst genervt wirkte.

„Dinge ändern sich."

„Du liebst mich, nicht wahr?", fragte er. Seine Stimme klang ruhig, klar und doch… und doch zitterte sie ganz leicht.

Es war nicht so sehr der Inhalt seines Frage, als seine Stimme dabei, die mich zusammenzucken ließ. Ich schwieg kurz, dann antwortete ich leise, als würde ich beten, dass er es nicht hören würde: „Vielleicht. Vielleicht für eine Sekunde. Vielleicht für eine Minute oder eine Stunde… einen Tag… Vielleicht… vielleicht für immer…"

Mir wurde sofort klar, dass Bombay es gehört hatte. Zumindest wusste er es.

Mir wurde übel.

„Hau endlich ab."

Bombay schwieg, stand auf, verließ mein Zimmer.

Die Tür schloss sich hinter ihm.

Dunkelheit.

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---there are paths in the sky---

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tbc