---------
pure sickness
sick pureness
---------
Ich erwachte und sah Omi direkt neben mir liegen. Er war nackt und nur die dünne Decke verhüllte seinen Körper. Ich lächelte traurig. Ich würde niemals 'normal' sein, solange es meine Natur war, mit allem und jedem ins Bett zu gehen. Ich würde niemals jemand anderes als Naoe Nagi oder Prodigy sein, solange ich Anerkennung und Glück durch meinen Körper zu erpressen versuchte… Ich würde niemals… normal sein…
Ich stand vorsichtig auf, ignorierte die stechenden Schmerzen in meinem Körper oder die Tatsache, das ich nichts als Shorts trug. Langsam schleppte ich mich zum Fenster. Die Fensterscheibe war beschlagen; ich lehnte mich mit dem Kopf dagegen und spürte die Kälte in meine Stirn eindringen.
Ich musste wohl an die 4 Stunden so gestanden haben, mein ganzer Körper war mittlerweile so kalt wie die Glasscheibe und mein Atem kondensierte direkt vor meinem Gesicht. Bombay erwachte und sah mich überrascht an.
Er setzte sich auf und versuchte aufzustehen.
Sah geschockt an sich herunter.
Starrte mich an.
»Scheiße…«
Ich schwieg, sah ihn nur an.
Er schlang die Decke um sich und sah mich wieder blass an.
»Das… ist nicht wahr, oder?«, fragte er mit belegter Stimme. »Du hast doch nicht…?«
Ich sah ihn ruhig an und nickte langsam. »Abyssinan, Siberian und Balinese waren wohl doch nicht so… relevant.«, murmelte ich trocken.
Er erbleichte noch mehr, selbst seine Augen schienen durchsichtig und glasig-weiß zu werden.
»Nicht, dass ich das erwartet hätte… Schließlich seid ihr auch nur ein Killerquartett, nicht wahr? Oder… ihr wart es zumindest einmal…«
Ich verstand mich selbst nicht. Es war dieses ewige Spiel aus verletzen-bereuen-sterben, welches in meinem Kopf auf Dauer-Rotation lief.
Bombay war aufgesprungen und hatte mich gegen die Wand gepresst. Ein Messer in seiner Hand schwebte direkt vor meiner Kehle.
Ich sah ihn an.
Es war, als hätte er mich wieder ins Gesicht geschlagen.
Er hätte auch einfach sagen können, dass es sinnlos war, einen Feind zu lieben. Stattdessen machte er mir nur immer wieder Hoffnungen und zerstörte diese. Stattdessen bewies er mir nur immer wieder aufs Neue, dass es nur auf den Körper ankam… Als würde er mich nur lieben, wenn er mich besitzen konnte, als würde ich nur dann etwas wert sein… Ich schaute in seine Augen. Mein Kopf begann zu schmerzen.
»Ich bringe dich um!«, schrie er und Tränen rannen über sein weißes Gesicht.
»Ja? Warum hast du mich nicht gleich getötet?«, fragte ich leise. »Warum hast du es dann nicht gleich beendet? Du siehst doch, dass aus uns nicht werden kann. Du siehst doch, dass du mich hasst. Stich zu, tu es, ich habe sowieso keine Lust mehr, dein scheinheiliges Gesicht zu sehen. Weißt du, wenn ich diese verlogene Miene auch nur sehe, wird mir schlecht, Bombay!«
Er starrte mich an.
»Töte mich! Töte mich! Ich habe sie getötet, deine Freunde, deine Freunde, mit denen du immerhin einen Beruf gleich hattest: ihr habt zusammen gemordet! Töte mich, wegen mir werdet ihr niemals wieder zusammen Kinder meucheln gehen können, weißt du? Nie mehr… Nie mehr… Du verlogener Idiot…«
Bombays Messer fiel zu Boden, seine Augen waren unverwandt auf mein Gesicht gerichtet. Er war noch blasser geworden und selbst seine Lippen waren so weiß wie der Schnee.
»I-Idiot…«, flüsterte er leise. Er taumelte rückwärts, ließ sich auf den Boden sinken und verbarg sein Gesicht in den Händen. »I-Idiot… Idiot… Nur ein… Idiot…«, flüsterte er wie wahnsinnig.
Ich sah ihn an, wie er vor mir kauerte, wie verrückt zitterte und hilflos immer wieder »Idiot…« stammelte… Ich konnte es nicht fassen, was ich mit ihm gemacht hatte. Ich erinnerte mich dunkel an die Tage zurück, an denen wir uns nur als „Prodigy" und „Bombay" kannten, ich erinnerte mich an die Zeit zurück, an denen wir noch ganz simple Feinde gewesen waren…
Bombay kauerte nach wie vor auf dem Boden, aber er hatte aufgehört zu reden. Stattdessen sah er mich nur mit aufgerissenen roten Augen an.
Langsam ging ich vor ihm auf die Knie und legte eine Hand auf seine. Er starrte mich noch immer leer und ausgebrannt an, aber der Ausdruck seiner Augen hatte sich minimal verändert, bildete ich mir ein. Er wartete.
»Bereust du es?«, fragte ich leise. Bombay sah mich einfach nur an und erwiderte ruhig: »Nein. Du?« Ich schüttelte den Kopf, sah ihn aber nach wie vor unverwandt an.
»Willst du mich noch immer töten?«, fragte ich müde. Ich legte ihm das Messer in seine Hand.
Omi schloss die Augen und schüttelte geistesabwesend den Kopf. »Es tut mir… so leid…«
»Mir auch…«, murmelte ich.
Omi sah mich an, die Augen voller Tränen.
»Was ich dir von Anfang an sagen wollte…«, flüsterte ich leise; „…ist etwas, was ich nur ein einziges mal über die Lippen bringen kann… was du mich nur ein einziges mal sagen hören wirst…«
Omi sah mich nach wie vor mit großen, tränenerfüllten Augen an und nickte.
»Ich… habe dich schon immer geliebt, Omi.«
Omi brach zusammen, immer mehr Tränen liefen über seine blassen Wangen und er flüsterte leise: »Ich weiß… ich weiß doch, Nagi…«
Ich beugte mich über ihn und küsste ihn sanft auf die Lippen. »Ich liebe dich, Omi…«, flüsterte ich erneut. Er lächelte traurig, dann: »Ich liebe dich auch, Nagi-kun…«
Schwarz hatte mir beigebracht, keine Gefühle zu haben. Sobald ich Gefühle wie Hass, Eifersucht oder auch Liebe empfand, konnte ich meine Kräfte nicht mehr konzentrieren. Es war kein Job, an dem Gefühle verboten waren. Sie wurden einfach ausgelöscht und gezielt eliminiert. Solange, bis man aus purer emotionsloser Konzentration bestand. Solange, bis man nur noch ein Gehirn und zwei Hände besaß. Solange, bis nichts anderes mehr zählte.
»Ist das hier Sodom und Gomorrha?«
Ich gefror.
»Schade, ich hatte gedacht, du wärest nicht ganz so dumm, Naoe…«
Ich schwieg, Bombays aufgerissene Augen brannten sich schmerzhaft in meine Netzhaut ein. Ich versuchte mich zu konzentrieren.
»Wahrscheinlich bin ich zu freundlich und verständnisvoll mit ihm gewesen, was meinst du, Farfarello?«
Ich schloss meine Augen, begann leise, hoch konzentriert zu zählen.
»Wir sollen euch beide abholen, Chibis.«
Schuldig fühlte sich offenbar ganz besonders prächtig heute.
Im selben Moment packte Farfarello Omi und drückte ihm eines seiner Lieblingsmesser (namens ‚Abyssinian') an die Kehle. Sofort flossen dünne rote Blutrinnsale Omis Hals hinunter. Omi starrte mich angsterfüllt an.
Ich spürte, wie Schuldig versuchte, sich in meinen Kopf einzuklinken.
/Du wirst doch sicherlich keinen Ärger machen/
/Schließlich haben wir ja dein Herzblatt in unserer Gewalt. Und du wirst ihn auch nicht retten, nicht wahr? Dann wärest du nämlich ebenfalls geliefert…/
Ich spürte, wie er mir etwas metallenes in den Nacken drückte.
/Nein, du wirst ganz ruhig mit uns kommen…/
Mein Blick wanderte zurück zu Omi, der noch immer halbnackt vor mir hockte; Tränen vermischten sich mit Blut. Seine Augen waren heller als sonst und schienen zu schreien…
/Prodigy! Prodigy/, hörte ich Schuldigs Hohngelächter in meinem Kopf erschallen. Ich schloss die Augen, versuchte seine Stimme aus meinem Kopf zu verbannen, dann…
/Nagi/
Ich riss die Augen auf, sah direkt in Omis tränenerfüllte, bebende Augen.
/Nagi/ Schuldigs Lache verwandelte sich in das so bekannte Klingeln, als ich durchdrehte.
--------deshalb werden gefühle systematisch eliminiert--------sie manipulieren--------sie bringen dich zum durchdrehen------------sie können die ganze welt zerstören-------------wie drogen verschleiern sie die sicht--------------du bist nicht mehr herr der lage------------sie können die welt---deine freunde---deine feinde---sogar dich zerstören-------------------------
Ich drehte durch.
no-one knows the hell+where sanity dies+
