-4- Zaubern ohne Zauberstab?
Vollkommen in Gedankenversunken starrte Hermine das Zaubertrankrezept an der Tafel an, ohne überhaupt zu registrieren was dort stand.
Ihre nächtliche Begegnung ging ihr nicht aus dem Kopf, obwohl sie immer wieder versuchte, die Sache als abgeschlossen zu erklären.
Sie würde diese Frauen nie mehr wieder sehen und immer ein ahnungsloses Gesicht aufsetzen, wenn jemand von der Rose der Dunkelheit sprach. War doch alles ganz einfach!
„Miss Granger, auch wenn sie in ihrer Genialität immer glauben, sämtliche Zaubertränke brauen zu können, und es selten für nötig halten einen Blick an die Tafeln zu werfen, so bestehe ich dennoch darauf, dass sie diese Tränke wenigstens zubereiten!"Snape stand vor ihr. Groß, schwarz und mit sehr schlechter Laune. „Ich hoffe, das ist nicht zu viel erlangt."
„N-nein, Sir!"
„Also, dann fangen Sie endlich an!"Fauchte er ihr entgegen. „Oder... wollen Sie mir mit ihrer nicht vorhandenen Aktivität zeigen, dass Sie Tränke, für deren Brauen man einen Zauberstab braucht, nicht beherrschen?"
„Doch, Sir. In der Theorie beherrsche ich es."Wäre ja noch schöner, wenn nicht. Zu diesem Thema hatte Hermine sich schon vor ein paar Wochen das entsprechende Kapitel im Lehrbuch durchgelesen.
„Dann erweisen Sie mir die Ehre und beginnen endlich!"Snapes Geduld war endgültig am Ende und das ließ er Hermine auch deutlich spüren. „ 20 Punkte Abzug für Gryffindor! - Und jetzt: Anfangen, Granger!"
Ohne ein weiteres Wort rauschte der Professor zu Neville, um seinen Kessel am explodieren zu hindern.
Seufzend begann Hermine den Trank vorzubereiten. Als wenn sie keinen anderen Sorge außer diesen bescheuerten Trank hätte!
„Psst, Hermine?"Ron sah hilfesuchend zu seiner Freundin hinüber. „Wie muss ich den Zauberstab noch mal bewegen?"
„Einen Kreis im Uhrzeiger Sinn, dann zwei Kreise entgegengesetzt und eine acht beschreiben."
Ron schaute nicht gerade klug aus der Wäsche. „Kannst es mir mal vormachen?"
Abermals seufzend griff Hermine unter ihren Umhang und erstarrte. Ihr Zauberstab!
Er war nicht dort wo er sein sollte. Hatte sie ihn auf dem Gang verloren?
„Miss Granger!"Nein, nicht auch noch Snape!
„Hören Sie auf so entgeistert in ihren Kessel zu starren und fangen sie mit dem Zaubern an. Ich erwarte nicht, dass ein kleines dummes Mädchen, wie Sie, weiß, dass der Trank mit der Zeit an Wirkung verliert, aber ich nehme dennoch an, dass Sie es zumindest glauben!"
„Sir, mein Zauberstab, ich glaube ich habe ihn auf dem Gang verloren!"
„Verloren?" Snapes Stimme war nur noch ein Flüstern und er starrte Hermine voller Wut an. Wie ein Raubtier, das seiner Beute sicher ist Dachte Hermine und plötzlich fiel es ihr siedendheiß ein.
Raubtier! Vampir!
Xenia musste immer noch ihren Zauberstab haben. Es war gar nicht ihre Schuld! Aber das konnte sie doch unmöglich Snape erklären! Wie würde sich das denn anhören?
Verzeihung Professor, aber ich habe gestern Nacht am See eine Gruppe gefährlicher Vampirinnen getroffen, und eine war so gemein und hat mir einfach meinen Zauberstab geklaut?
Nein, das war keine gute Idee. Hermine war sich sicher, dass Snape eine Menge Gifte besaß die nicht nachweisbar waren.
„Sir... ich..."
„Sparen Sie sich ihre Ausflüchte, Granger! Ich erwarte Sie die nächste Woche jeden Abend –natürlich auch am Wochenende- um punkt 8.00 Uhr in meinem Büro."Snapes Stimme war so leise, dass sie nur noch für Hermine hörbar war und komischerweise fiel ihr erst jetzt auf, wie dunkel sie eigentlich war. Geradewegs zum Wegschmelzen, wenn das nicht dieser schneidende, kalte Unterton wäre. Hermine hatte nicht mal mehr Zeit sich über ihre verrückten Gedanken zu wundern, als Snape auch schon mit seiner Schimpftriade fort fuhr.
„Und in Zukunft sollten Sie besser auf ihre Sachen acht geben! Wer weiß, was für eine unglückliche Situation es doch wäre, wenn Sie ihren Zauberstab in einer bedrohlichen Lage einfach..."Snape hob spöttisch eine Augenbraue, „...irgendwo liegen gelassen hätten. 50 Punkte Abzug für Gryffindor wegen unnötiger Abwesenheit der Materialien!"
Zu Hermines Erleichterung klingelte es in dem Moment und sie sah zu, dass sie schnellstens ihre Sachen zusammenpackte und aus dem Kerker verschwand.
Ihr war nicht bewusst, dass sie einen zutiefst nachdenklichen Professor zurückließ.
Büro unseres allseits beliebten Tränkemeisters
Fassungslos starrte Severus Snape auf Hermine Grangers Hausaufgaben! Das konnte doch nicht wahr sein!
Miss-ich-bin-in-allen-Fächern-Klassenbeste hatte es tatsächlich geschafft in ihren Aufsatz mehr Fehler als Weasley einzubauen.
Mit gerunzelter Stirn ließ Snape seine Feder über das Pergament vor ihm kreisen und strich nach jeder fünften Zeile einen Fehler an oder verbesserte mehr als nur eine Kleinigkeit.
Immer wieder stellte er sich die Frage, was nur mit dem Mädchen los war.
Ihre Hausaufgabe war mehr schlecht als recht gemacht und im heutigen Unterricht hatte sie die ganze Zeit nur abwesend an die Tafel, mitten durch ihn hindurch, gestarrt. Und zu allem Überfluss hatte sie ihren Zauberstab „verloren"! Das hatte noch nicht mal Longbottom geschafft.
Snape hatte keine Lust mehr sich noch weiter mit dieser miserablen Arbeit zu beschäftigen und schreib an deren Ende einfach nur ein M für Mies.
Eine Verschwendung, dachte er sarkastisch. Das Mädchen hatte Talent und den Drang sich zu beweisen; ein M war da ganz und gar nicht nötig. Obwohl Severus es wohl nie zugegeben hätte, widerstrebte es ihm, einer so guten Schülerin diese Note geben zu müssen.
Woran lag dieser rasante Abstieg innerhalb von 24 Stunden? Hatte die Kleine vielleicht irgendwelche Drogen ausprobiert?
Obwohl... klein... traf die Sache auch nicht ganz auf den Punkt. Immerhin war Miss Granger letzten Monat 17 geworden, in England also durchaus volljährig. Auch wenn man die anderen Aspekte ungeachtet des Alters betrachtete, war sie nicht mehr als „klein"zu bezeichnen und dabei dachte er nicht an die körperliche Größe.
Entsetzt ließ Snape die Feder sinken. Was dachte er da eigentlich?
Schnell lenkte er seine Gedanken wieder in geregelte Bahnen. Wo könnte sie ihren Zauberstab verloren haben und vor allem warum?
Irgendwie beschlich ihn das Gefühl, dass Granger in angelogen hatte. Sie hatte sich etwas zu doll auf die Unterlippe gebissen.
Aufgebracht schrieb Snape ebenfalls ein M unter Nevilles Arbeit. Es war nicht seine Aufgabe, sich mit den Problemen einer Gryffindor zu beschäftigen. Sollte der Zustand ihrer Unkonzentriertheit in seinem Unterricht allerdings anhalten, würde er wohl oder übel mal mit den Kollegen sprechen müssen.
Gemeinschaftsraum der Gryffindors
„Sag mal Hermine, was war heute eigentlich mit dir los?"
Es war früher Abend und das goldene Trio hatte sich an seinem Stammplatz neben dem Kamin niedergelassen.
„Nichts, Ron!"Ihre Stimme klang etwas schärfer als beabsichtigt. „Ich war einfach nur todmüde und ein bisschen durch den Wind, ok?"
„Aber..."
„Hast du schon deinen Zauberstab wieder gefunden?"Harry hielt es für besser jetzt schnell das Thema zu wechseln, bevor die Kabbeleien seiner Freunde in einen handfesten Streit ausarten würden, worauf er seit dem letzten Abend nicht wirklich Lust hatte.
„Nein, wie oft soll ich dir das noch sagen. Ich werde ihn heute Nacht suchen müssen, noch einen Tag ohne übersteh ich nicht."Und die Nacht vielleicht auch nicht, fügte Hermine in Gedanken hinzu.
Sie hatte einen Entschluss gefasst. Heute Nacht würde sie zurück zum „Friedhof"gehen und von Xenia ihren Zauberstab zurückverlangen. Den ganzen Tag über hatte Hermine sich ihre Überlebenschancen ausgerechnet und war zu einem Ergebnis von 50 zu 50 gekommen. Wenn man bedachte, dass sie es mit dem gefährlichsten Vampirclan der Geschichte zu tun hatte, eigentlich ein ganz guter Schnitt.
„Wenn du willst, kann ich dir meinen Tarnumhang leihen. Nicht das Snape dich erwischt."Zwei mitleidige Blicke streiften Hermine. „Eine Woche nachsitzen ist schon schlimm genug."
„Danke Harry, aber es wird auch ohne gehen."Hermine wollte nicht, dass die Vampire auch noch Harrys Tarnumhang in die Finger bekamen. „Sorry Jungs, ich geh jetzt ins Bett, noch eine Stunde schlafen, bevor die große Suche losgeht und nein eure Hilfe brauch ich nicht", ergänzte sie hastig als sie Ron den Mund öffnen sah, „ alleine ist das Risiko erwischt zu werden viel kleiner."
„Na dann, gute Nacht, Mine."
„Ja und viel Erfolg."
„Danke, Ron, ich werde wohl eher Glück brauchen, Harry."Demonstrativ gähnend ging Hermine in ihre Zimmer.
Die nächste Stunde verbrachte sie damit unruhig durchs Zimmer zu laufen und sich zu fragen, warum sie solche Suizidgedanken hatte.
Sie könnte einfach zu McGonagall gehen, sagen, dass ihr Zauberstab verschwunden sei und einen Neuen in der Winkelgasse kaufen.
Stattdessen begab sie sich freiwillig und völlig unbewaffnet in eine gefährliche Situation.
Hah, wenn Snape wüsste, wie Recht er mit seinen Worten gehabt hat.
Seufzend ließ Hermine sich aufs Bett fallen. Sie tat es nicht wegen ihrem Zauberstab, es hatte keinen Sinn sich vor diese Tatsache zu leugnen.
Sie tat es wegen Xenias Worten: Lauf, in eine Welt der Unwissenheit!
Das letzte was Hermine wollte war unwissend sein, und was diese Frauen auch getan haben mochten, sie hatten ihr angeboten Wissen zu erlangen, über das ihre Mitmenschen anscheinend nicht verfügten. Ein verlockendes Angebot! Verlockend und gefährlich.
Hermine hatte nachgelesen, was vor 13 Jahren bei einem Todessertreffen angeblich geschehen war.
Voldemort war auf dem Höhepunkt seiner Macht gewesen und es geschafft fast alle Verräter in seinen Reihen auszumachen.
Er rief sie zu einem Treffen, um ihnen angeblich einen sehr wichtigen Auftrag zu erteilen. Die Spione hatten sich wohl sicher gefühlt, wie sollten sie auch darauf kommen, dass Voldemort ihnen misstraute, wenn er für sie einen sehr speziellen Auftrag hatte?
Doch zu dem Treffen waren nicht nur die Überläufer gekommen. Voldemort hatte auch viele seiner treusten Todesser herbeigerufen, um sie für ihre Treue zu belohnen.
Die Belohnung bestand aus den Verrätern, die die getreuen Voldemort mit größtem Vergnügen gefoltert hatten. (Als Hermine diese Stelle im Buch gelesen hatte, war ihr schlecht geworden)
Irgendwann war Voldemort die ganze Veranstaltung zu langweilig geworden und war verschwunden, während das Foltern noch im vollen Gange war.
Zum Schluss waren noch 25 Todesser auf der geheimen Lichtung, wo das Treffen stattfand.
Nur einer von ihnen(der letzte der Verräter, alle anderen wurden schon umgebracht) war lebend zurückgekehrt und hatte dem Ministerium von den Geschehnissen berichtet.
Ein paar Schatten seien plötzlich aus der Dunkelheit aufgetaucht und hätten sich auf die Todesser gestürzt. Es war dunkel gewesen, doch hatte er geglaubt Frauengestalten erkennen zu können.
Während die panischen Schreie der Todesser durch den Wald hallten, hatte er sich im Schutz der Dunkelheit davon schleichen können. Die Angreifer waren wohl zu sehr mit den Todessern beschäftigt, um ihn zu bemerken.
Nach seinem Bericht hatte das Ministerium ein Kommando von Auroren zu dieser Lichtung geschickt. Alles war sie vorgefunden hatten, waren die Leichen von Voldemorts Anhängern, in deren toten Gesichtern sich das pure Grauen gespiegelt haben soll, und... ein Zeichen an einem Baum: Eine Rose an deren Stängel Flammen emporzüngelten.
Hermine wusste nicht, was sie von dieser Geschichte halten sollte. Den Vampiren nach zu urteilen war sie wirklich geschehen, doch war diese Tat nun gut oder böse gewesen?
Immerhin hatte sie sich gegen Voldemort gerichtet.
Hermine wurde jäh aus ihren Gedanken gerissen, als der Wecker, den sie sich gestellte hatte, lautstark klingelte.
Mit schwerem Herzen erhob sie sich vom Bett und griff nach ihrer Jacke.
Na dann, auf in die Höhle des Löwen!
Vielleicht würde diese Nacht etwas mehr Klarheit in ihre Gedanken bringen.
Sevena: Vielleicht sind sie ja doch gut...g Vielleicht aber auch nicht... Wer weiß... fg
JackyMausi: Freut mich,dass dir die story gefällt.
