5. Kapitel
Severus Snape war in sein Haus zurückgekehrt. Die Siegesfeier des Dunklen Lords war vorüber. Er saß, noch bekleidet mit seinem schwarzen Mantel, auf dem kleinen Sofa in seinem Wohnzimmer, die Todessermaske lag zwei Schritte hinter der Tür auf dem Boden. Auf dem Tisch vor ihm verbreitete ein Kerzenleuchter kleine Lichtstrahlen. Er schaute unbeweglich auf die tänzelnden Flammen. Von draußen schlugen Regentropfen leise und gleichmäßig gegen die geschlossenen Fensterläden.
"Severus?"
"Severus, darf ich?"
Der dunkle Mann nickte unmerklich mit dem Kopf. Die Stimme Dumbledores war die einzige, die er jetzt ertragen konnte.
"…ich habe nie gewusst, wohin ich dich schicke…"
"…ich meine, ich habe es nie erlebt…"
Der Zauberer konnte den Schmerz Dumbledores in dessen Worten spüren. Er wandte seine Aufmerksamkeit zögernd seinem Freund zu. Dieser schien zu weinen. Severus Snape konnte die Qualen mitfühlen, die Dumbledore litt. Sie öffneten schließlich die Riegel, mit denen der dunkle Zauberer seine eigenen Emotionen verschlossen hatte. Er stützte seinen Kopf in seine Hände. Tränen stiegen aus seinem Herzen in seine Augen und er weinte lautlos und heftig. Mit leisem Flügelrauschen landete Fawkes neben ihm auf der Armlehne des Sofas. Nach einiger Zeit blickte der dunkle Zauberer auf. Die Kälte in seinen schwarzen Augen war verschwunden. Langsam strich er dem Vogel über den Rücken.
"Albus, ich habe Neuigkeiten. Du hast richtig vorausgesehen, was passieren würde. Ich konnte erste zugegeben undeutliche Eindrücke von Voldemorts Gedanken erkennen. Die Sieben ist seine magische Zahl. Sie ist ihm wichtig."
"Du wirst lernen, dich in seinem Innenleben zurechtzufinden. Es wird etwas Erfahrung erfordern, Zugang zu den Bereichen zu finden, die seine Horcruxe beinhalten."
Der schwarz gekleidete Mann nickte stumm.
"Severus, unterschätze dich nicht, du besitzt die Kraft dazu. Du bist der Einzige, der ihm Stand halten kann."
"Albus, hast du heute Morgen mit mir zusammen gesehen, was Harry Potter tut?"
"Ja."
"Er braucht Unterstützung, wenn er nicht in die Dunkelheit abgleiten soll. Er ist ein einem Zustand, in dem er sich immer weiter in seinen Hass hineinsteigert. Es wird nicht mehr lange dauern, bis er sich von seinen Freunden ab und der schwarzen Magie zuwendet, um seine Ziele zu erreichen. Du weißt, dass die schwarze Kunst den trügerischen Anschein erweckt, Macht zu verleihen und den nicht mehr loslässt, der sich ihr verschreibt, bis sie ihn vernichtet hat."
"Es freut mich, das von dir zu hören. Du hast Recht, es ist wichtig. Ich werde Minerva bitten, sich um Harry zu kümmern. Sie scheint sich mit ihrer neuen Aufgabe, Hogwarts zu schützen, angefreundet zu haben, wenn sogar ´der Lord´ darauf verzichtet, Hogwarts im Kreise seiner dunklen Gestalten einen Besuch abzustatten. Sie war schon immer eine ernst zu nehmende Gegnerin. Glücklicherweise habe ich es auch immer wieder verstanden, sie auf meine Seite zu ziehen. Wer weiß, was sonst aus mir geworden wäre…"
Der dunkle Zauberer entspannte sich allmählich. Es tat ihm gut, Albus erzählen zu hören. Und es beruhigte und beeindruckte ihn, dass sein Freund von seiner so genannten Totenruhe nichts zu halten schien und weiterhin kräftig mitmischte. Dumbledores Freunde würden auf ihn hören, auch wenn er aus Bildern sprach. Sie würden seine Ideen ausführen, es war bedeutungslos, dass er es selbst nicht mehr konnte. Es war im Gegenteil von immensem Vorteil, dass er nicht mehr angreifbar war. Die Größe und Genialität Dumbledores wurde ihm in ihrem ganzen Ausmaß bewusst. Durch seinen Tod hatte er seine Möglichkeiten um ein Vielfaches gesteigert. Langsam und im Verborgenen würde er das übergreifende Netz der Verbundenheit untereinander und des Widerstandes gegen Lord Voldemort weiter knüpfen. Er brauchte nur die Freundschaft und das gegenseitige Vertrauen seiner Verbündeten, das er zu Lebzeiten immer wieder gefordert und gestärkt hatte.
„…vielleicht sollte ich Minerva den Tipp geben, dass der Orden des hübschen Vogels ebenfalls ein wenig Führung vertragen könnte. Wenn sie es fertig gebracht hat, das Kollegium von Hogwarts sinnvoll und effektiv zu beschäftigen, was ja offensichtlich der Fall war, sollte der Orden für sie die reinste Erholung sein."
Severus Snape begann zu lächeln. Die Vorstellung von der Lehrerin für Verwandlung, die mit erhobenem Zauberstab und strengem Blick seine ehemaligen Kollegen in ihre neuen Aufgaben einwies, gefiel ihm. Sie alle würden zweifellos ihr Bestes geben. Während er dieser Vorstellung nachhing merkte er, wie seine Augenlider immer schwerer wurden. Deutlicher als bisher hörte er den Gesang des Phönixes. Sein Freund Dumbledore schien sein Lächeln schweigend zu erwidern. Der dunkle Zauberer blies die Kerzen aus, zog sich seinen Mantel über die Beine und legte sich auf das Sofa. Kurze Zeit später war nur noch Fawkes wach und betrachtete von der Armlehne aus seinen schlafenden Meister.
