Und weils grad so schön ist, gleich noch ein Kapitel.

Ihr dürft aber ruhig bei beiden reviewen ;)

Bis zum nächsten Update kanns aber leider wieder ein bisschen dauern.


2. Kapitel

Erwartete und unerwartete Ereignisse

Dieses Lächeln begleite sie unsichtbar in den nächsten Tagen und Wochen auf den harten Wegen ihres Berufes. Der März kam und ging. Dann, Mitte April, passierte etwas Besonderes: Neniel begann zu bluten. Als sie eines Morgens Blutflecken auf ihrem Fell fand, erschrak sie erst. Sie beruhigte sich aber schnell wieder, als ihr einfiel, was Eresse darüber berichtete hatte. Es würde ab jetzt jeden Monat geschehen. Aber als sie dann das Fell auswaschen musste, entwich ihren Lippen doch ein Fluch. Ihre Mutter wurde aufmerksam. „Was ist los? Ist dein Fell schon so schmutzig?" Neniel zeigte ihr leicht verzweifelt das Fell und die Flecken die sich nicht auswaschen ließen. „Ach so!", Eresse begriff. Mit einem leichten Lächeln meinte sie: „Nimm Sand und kaltes Wasser! Tja, dann werden wir wohl mal wieder in die Büchse greifen müssen. Heute bleibst du Zuhause!" „Aber wieso denn?", fragte Neniel entsetzt. „Du has mir doch oft gnug erklärt, dasses keine Krankheit iss! Wir brauchn das Geld doch. Ich werd Arbeitn gehn." „Das kommt überhaupt nicht in Frage! Du wirst jeden Monat die paar Tage daheim bleiben müssen. Erstens bist du während dieser Zeit besonders krankheitsanfällig. Zweitens: Denkst du, die Männer wollen eine Frau, die voller Blut ist? Da vertreibst du dir schnell alle Kunden!" Seufzend gab Neniel klein bei. Müde trat sie vor die Tür und suchte irgendwo in all den verwinkelten Gassen eine Handvoll Sand. Einerseits nervte es sie, dass das nun jeden Monat passieren würde, andererseits war sie natürlich stolz darauf, dass sie nun eine Frau war. Aber im Großen und Ganzen ließ es sie ziemlich kalt. Es würde ihnen deshalb auch nicht ganz plötzlich besser gehen, also hatte es kaum Bedeutung.

In den nächsten fünf Tagen rührte sie ihr rotes Kleid nicht an, sondern versuchte auf andere Weise zu Geld zu kommen.

Obwohl sie sich im reicherem Teil der Stadt befand, fiel sie mit ihrem ärmlichem Kittel nicht weiter auf. Es trieben sich so viele ‚Armenviertler' herum, die um jede kleine Arbeit bettelten, sich um jede Kupfermünze stritten. Aber Neniel war der Meinung, dass dieses lächerliche ‚rechtschaffene' Arbeiten keine Früchte trug. Beinahe unsichtbar schlich schlüpfte sie geschickt durch die Menge. Sie versuchte gar nicht erst in die Nähe eines der ganz reichen Geldsäcke zu kommen, deren Leibwache trug Sorge dafür, dass Gesindel wie sie sich ihnen fern hielt. Nein die überhebliche ‚Mittelschicht' interessierte sie. Nach jenen die auch im Luxus lebten aber es nicht für nötig hielte, sich Wächter anzuschaffen, hielt sie Ausschau.

Da stolzierte wieder so ein fetter Sack durch die Gassen. Nach wenigen Augenblicken befand sie sich nur noch wenige Schritte hinter ihm. Vorsichtig sah sie sich um. Niemand durfte sie dabei ertappen. Neniel wusste genau, was mit armen Mädchen aus dem Elendsviertel geschah, wenn sie bei einem Verbrechen erwischt wurden: sie verschwanden auf nimmerwiedersehen im Kerker. So ein Angeber! Den prall gefüllten Geldbeutel einfach so prahlerisch am Gürtel baumeln zu lassen!

„Naja, wenn er so blöd is, is er selber schuld", dache sie spöttisch. Geschickt lösten ihre Finger die Schnur, wobei sie mit ihrem Körper ihr Tun abschirmte. Als sie den klimpernden Beutel in ihrer Hand hielt, verspürte sie den Wunsch, zu laufen bevor er den Verlust bemerkte. Aber sie sagte sich, dass sie genau dass nicht tun durfte. Dadurch würde sie erst recht auf sich aufmerksam machen. Also ließ sie sich langsam von ihm wegtreiben und tauchte dann in einer der Gassen unter. Das erste Mal an diesem Tag war sie zufrieden: In so einem dicken Beutel würde sicher etwas mehr Geld drin sein. Hastig zerrte sie den ihn auf und schüttete den Inhalt in ihren geschürzten Rock. Es waren ausnahmslos Kupferlinge, sowie ein Tuch und einige größere Steine. Ein nicht unübler Trick um bei Geschäftpartnern mit dicken Beuteln Anerkennung zu schinden. Sie unterdrückte einen wütenden Fluch. Es wurde bereits Abend und ihre magere Ausbeute betrug gerade eine handvoll Kupferstücke. Die einzige Silbermünze die sie ergattert hatte, war ihr sofort von einem Bettler aus der Hand gerissen worden. Sie hatte weniger eingenommen als in den schlechtesten Tagen ihres ‚Berufes'. „...und das gerade jetzt, wo ich doch ohnehin noch extra Ausgaben tätigen muss...", schimpfte sie vor sich hin, als sie müde und enttäuscht heimwärts schlich.

„Na, und wie war es?", empfing ihre Mutter sie gut gelaunt. Ihre Tochter knurrte nur eine undefinierbare Antwort, was für sie höchst ungewöhnlich war und warf die klirrenden Münzen auf den Tisch.

„Oha, dass ist wirklich nicht sehr viel!", war der einzige Kommentar, den sie sich nicht verkneifen konnte. Sie fragte lieber gar nicht, WIE ihre Tochter an das Geld gekommen war.

„Auch scho drauf'kommen?", antwortete Neniel schnippisch und schlang ihr Abendessen hinunter. „Was ist denn los mit dir?", fragte Eresse verwundert. „Hast noch mehr sinnvolle Fragn auf Lager?", tönte es gelangweilt zurück. Eresse faucht, sichtlich wütend, „Jetzt reicht es mir aber endgültig! Das brauche ich mir nicht bieten zu lassen!" „Muss ich immer gut drauf sein?" „Nein, aber ist ein bisschen Höflichkeit zuviel verlangt? Dort wo ich herkomme zählt gutes Benehmen etwas!" „Schön für dich! Hier nich!" „Ich bin immer noch deine Mutter! Und wenn die Erziehung bei dir schiefgelaufen ist, solltest du mir trotzdem zumindest ein bisschen Respekt entgegenbringen!" „Ich bin sowieso falsch!", schrie Neniel jetzt plötzlich wütend.

Eresse sah aus, als ob sie einen Schlag bekommen hätte. „Wer sagt denn so was?"

„Das is so. Ich bin kein Mensch, für sie bin ich unheimlich. Und ne Elbe bin ich auch nich, für sie bin ich nich gut gnug. wenn jemandn keiner habn will, isser falsch! Ganz logisch. Also spar dir den Schmarrn!"

„Ich liebe dich! Du bist einzigartig und etwas wundervolles! So etwas wie dich gibt es kein zweites Mal, denk doch mal daran! Du kannst frei entscheiden, ob du unter Menschen oder Elben leben willst. Aber du wirst mit 17 aufhören zu altern, wenn es hoch kommt mit 20. Und eine andere Gabe wird sich dir auch noch bald offenbaren!", klagte Eresse.

„Jep, ich bin anders! So anders, dass ich niemals jemandn findn werd, der zu mir pass'. Und sterbn wer ich au nich, hurra! Ich darf so lang in diesem Drecksloch vegitiern bis die Stadt zugrunde geht….der ganze Scheiß wird nie nEnd haben, bin eh so glücklich. Un neues Können heißt doch nur, noch mehr Pflichten, noch wer, der mich haben will. Könn mich alle mal, ich leb für mich!" Die Stimme des Mädchens war wieder in die alte Gleichgültigkeit zurückgekehrt.

Eresses wurde wieder wütend. „Womit wir wieder beim Respekt wären!", knurrte sie. „Wo Respekt fehlt ist es mit der Liebe nicht weit her. Manchmal denke ich wahrhaftig, du bist so gefühllos wie du immer tust und ich bedeute dir gar nichts!"

"Geh doch mal raus aufd Straß mit deim Respekt, vielleicht kriegst ja was 'für!", spottete Neniel unbeeindruckt. Als ihre Mutter nicht antwortete wandte sie sich um.

Eresse, die für Neniel immer ein Symbol der unbrechbaren Stärke gewesen war, hatte ihr Gesicht in ihren Händen verborgen. Kleine, durchsichtige Tränen tropften zwischen ihren Fingern hervor.

"Nana?", fragte das Mädchen verschüchtert. "Wie tief sind wir nur gesunken? Wie konnte das nur passieren?", schluchzte die alte Frau. Neniel war verunsichert. Wie sollte sie sich verhalten? Zwischen den beiden hatte es kaum körperliche Zärtlichkeiten gegeben. Vorsichtig kniete sie sich neben die auf einem Hocker zusammengesunken Gestalt, legte ihre Arme um sie und lehnte ihre Stirn an deren Schulter. Mit sanfter Stimme versuchte sie zu trösten: "Nana, solange ich denken kann, sind wir nicht gesunken! Sgibt Leut die wenger zu essen haben als wir. Du solltst stolz drauf sein, dass wir ohne Mann durchkommen sin." "Oh Neniel!", schluchzte Eresse. "Das kannst du nicht verstehen! In der Welt, in der ich aufgewachsen bin, hatte man andere Maßstäbe! Dort galt nicht Reichtum sondern Ehre." "Naneth, wer gnug zEssen hat, kanns sich vielleicht leistn, ehrnhaft zsein. Doch hier wird dich keiner für deine Ehrenhaftgkeit bwundern, sondern alle dich für deine Dummheit verhöhnn. Hier musst praktisch denkn!" Die alte Frau schlang ihre müden Arme um das Mädchen. "Ich bin sicher, eines Tages wirst du hier herauskommen und lernen, welchen Wert Ehre hat!", wisperte sie "Wenn du das sags, wirds wohl so sein, Naneth!", sagte die andere sanft. Sie wollte ihrer Mutter nicht widersprechen, aber sie glaubte nicht daran. Wieso sollte gerade jemand wie sie aus diesem Teufelskreis herauskommen? Und vor allem wie? Die Wächter an den Toren verlangten einen hohen Zoll.

"Wir sollten schlafen gehen, morgen ist ein wichtiger Tag. Ich habe lange darauf gewartet", meinte Eresse plötzlich in ganz anderem Ton. Als Neniel den Blick hob sah sie vor sich wieder die selbstbewusste Frau. Von dem Zusammenbruch war nichts mehr zu bemerken. "Wie...wie'st meinst, Naneth", murmelte sie zögerlich.

"Ja, meine ich!", erklärte ihre Mutter energisch und schubste sie in Richtung der Schlafstelle. Mit wenigen Griffen war das Mädchen entkleidet und wickelte sich in seine Schaffelle. Die Nächte waren immer noch empfindlich kühl.

Plötzlich fiel ihr etwas ein. "Was iss denn morgn so wichtigs?", fragte sie schläfrig und nur mäßig interessiert. "Das wirst du noch früh genug erfahren, geliebte Tochter!", lächelte Eresse geheimnisvoll. Neniel fiel sofort auf, das sie als 'geliebte Tochter' bezeichnet worden war, was selten vorkam und immer ein Zeichen der Hochstimmung ihrer Mutter war.

Das machte sie neugierig. Aber wenn sie etwas gelernt hatte, dann dass ihre Mutter ihr nichts erzählte, wenn sie es nicht wollte, so sehr sie auch bettelte. Deshalb gab sie sich damit zufrieden, drehte sich zur Wand, schloss die Augen und versuchte zu schlafen.

Kurz überlegte sie noch, was denn so wunderbar war, dass ihre Mutter sich so sehr darüber freute. Sie nahm kaum an, dass irgendein reicher Mann gesagt hatte, er würde morgen zu ihnen kommen und ihnen eine Menge Geld schenken. Bei dem Gedanken musste sie unwillkürlich grinsen. Ob ihre Mutter eine Arbeit bekommen hatte? Aber nein, die Menschen fürchteten sie wegen ihrer scharfen Zunge und ihrem Wissen, da würde kaum einer sie anstellen. Sie hatte keine Idee, aber ihre Mutter hatte viele Geheimnisse und sie erzählte Neniel kaum etwas aus ihrer Vergangenheit. Jedenfalls keine konkreten Dinge, nur harmlose Anekdoten. Nun, bis jetzt hatte sie alles rechtzeitig erfahren und morgen würde sie es wissen, tröstete sie sich.

In ihrem Kopf spukten noch eine menge Vorschläge herum, einer abenteuerlicher als der andere. Aber sie schaltete ihr Gehirn kurzerhand aus. Auch etwas, das sie früh hatte lernen müssen. Am Abend im Bett hatte man Zeit nachzudenken. Dann brachen all die entsetzlichen Erlebnisse des Tages über einen herein, die eine Kinderseele zermartern konnten. Wenn sie es nicht verstanden hätte, einfach abzuschalten, wäre sie wahrscheinlich schon längst wahnsinnig geworden.

Nachdem sie etwa eine halbe Stunde ins Leere gestarrt hatte verlangten die Anstrengungen des Tages doch ihren Tribut und ihr fielen langsam die Augen zu.

Am nächsten Morgen wurde sie von ihrer Mutter geweckt. Schweigend richtete sich auf und sah durch die offene Tür, dass draußen noch Dunkelheit herrschte. Nach einer flüchtigen Katzenwäsche wollte sie wieder in ihren Kittel schlüpfen, aber ihre Mutter hielt sie davon ab.

"Nicht so schnell!", lachte sie, offenbar außerordentlich gut gelaunt.

Sie packte einen Kessel heißes Wasser, der auf dem primitiven Herd vor sich hinköchelte und schleppte ihn zu dem Zuber, wo sie ihn hineinleerte. Neniel sah sie nur verständnislos an, was Eresse aber nicht zu kümmern schien. Vor sich hin summend mischte sie kaltes Wasser unter, bis es eine angenehme Temperatur hatte. "So!", schnaufte sie sichtlich zufrieden. Als sie sich umwandte war ihr Gesicht hochrot von der Anstrengung und Hitze.

"So!", sagte Neniel spötisch. "Und das wird?" "Dein Bad", grinste Eresse. "Was?", rief das Mädchen aus. "Ich hab doch gestern scho gebadt! Soviel Wasser aufzheizn könn wir uns nich leisten!" "Heute ist ein Ausnahmefall. Und wasch dir auch die Haare!", rief ihre Mutter von der Kochstelle aus, wo sie schon wieder munter werkelte.

Mit einem Knurren ließ sich Neniel in die Wärme gleiten. Nicht, dass sie grundsätzlich nicht gerne badete, im Gegenteil, aber eine solche Verschwendung ging einfach nicht in ihren Kopf hinein.


Hmmmmmmm? dackkelblickaufsetzt