9.
Kapitel
Narcissa Malfoy machte sich mit klopfendem Herzen
auf den Weg. Sie würde ihn aufsuchen müssen, schließlich
hatte er ihrem Sohn das Leben gerettet, und das auf ihre Bitte hin.
Mit dem unbrechbaren Schwur hatte sie ihm das Messer auf die Brust
gesetzt, aber sie war verzweifelt gewesen, und er wusste, was er tat,
als er ihn ablegte. Sie wartete den Einbruch der Nacht ab. Sie wollte
nicht gesehen werden, in der Dunkelheit fühlte sie sich
sicherer. Mit weichen Knien schlich sie zum Haus des Tränkemeisters
und klopfte zögernd an die Tür. Nur Sekunden später
öffnete sich diese einen Spalt breit, sie sah die bekannten
schwarzen Augen, dann wurde sie hereingewinkt.
"Narcissa, du erweist mir die Ehre deines Besuches. Tritt ein", die Tür wurde von einem Mann mit dunklem Umhang und langen schwarzen Haaren geschlossen, „und bitte nimm Platz!"
"Severus."
Narcissa wollte vor ihm auf die Knie fallen, doch Severus Snape ergriff mit Bestimmtheit ihre Hand und führte sie zum Sofa.
"Bitte setze dich, Narcissa, Wurmschwanz wird uns etwas zu trinken holen. Der Lord hat mir wiederum die Gunst eines Dieners erwiesen."
Er zielte mit seinem Zauberstab in Richtung der Zimmertür, hinter der ein leiser Aufschrei zu hören war, und setzte sich dann auf den Sessel gegenüber dem Sofa. Ein kleiner hässlicher Zauberer trat in den Raum.
"Wurmschwanz, zwei Gläser Wein!"
Unter Verbeugungen entfernte sich der Diener und kehrte kurze Zeit später mit einem Tablett und zwei Gläsern mit einer Flasche Wein wieder. Er stellte sie auf dem Tisch vor dem Sofa ab und zog sich langsam zurück. Der dunkle Zauberer stand auf, um Narcissa das Glas zu füllen. Hinter Snapes Rücken wandte der kleine Mann sich einem großen goldroten Vogel zu und versuchte vorsichtig, eine Feder von ihm zu erhaschen. Als hätte er dies gespürt, schnellte Severus Snape herum und zielte mit seinem Zauberstab auf Peter Pettigrew.
"Petrificus totalus!"
Die ausgestreckte Hand zwei Zentimeter vom Vogel entfernt, erstarrte dieser mit schreckgeweiteten Augen, als ob er zu Stein geworden wäre.
"Oh nein, das wirst du nicht tun. Der Vogel ist mein Spielzeug. Du hast nicht gefragt, ob du ihn haben darfst, das war sehr unartig von dir. Dafür bekommst du Zimmerarrest."
Langsam hob der dunkle Zauberer seinen Zauberstab und genauso langsam hob Wurmschwanz wie eine Statue vom Boden ab. Er schwebte durch die Tür und die Treppe hoch. Anschließend hörte man von oben ein dumpfes Krachen, als ob ein schwerer Gegenstand auf den Boden fiele, danach nichts mehr. Severus Snape ließ den Zauberstab sinken, füllte die Gläser und setzte sich.
"Er wird uns nicht mehr stören. Was führt dich zu mir, Narcissa?"
Narcissa, die während dieser Szene ebenfalls erstarrt war, verkrampfte ihre Hände auf ihrem Schoß. Sie blickte erst auf den Boden, dann in Richtung des Tränkemeisters.
"Severus, ich schulde dir Dank für das Leben meines Sohnes."
"Ich habe meine Aufgabe erfüllt. Du schuldest mir nichts. Draco hatte nicht um meine Hilfe gebeten."
Nun etwas mutiger geworden, fuhr Narcissa fort: „Draco hat mir alles erzählt. Er sagte, er habe Dumbledore noch nie so schwach gesehen, er hätte sich kaum auf den Beinen halten können. Draco war völlig verwirrt, er erkannte den Direktor kaum."
Die Frau suchte Halt in Severus Augen. Der Zauberer sah sie an und hörte aufmerksam zu. Sie nahm einen Schluck Wein. Sie fühlte sich bestärkt. Dann redete sie weiter.
„Er gestand, dass er unfähig gewesen sei, seinen Stab gegen den Schulleiter zu erheben, weil er vermutete, dass Dumbledore vor seinen Augen im Sterben läge. Der Junge hat sicher nicht viel Erfahrung in diesen Dingen, aber es ist doch seltsam, nicht wahr? Der einzige Zauberer, den der Lord nie besiegen konnte, ist entkräftet und wehrlos, wenn ein Junge ihn bedroht. Ich kann mir keinen Reim darauf machen. Was ist in dieser Nacht geschehen?"
Der dunkle Zauberer blickte Narcissa Malfoy direkt an. Seine Miene war unergründlich. Seine schwarzen Augen bohrten sich in ihre. Unmerklich begann die Angst wieder, in ihr hoch zu kriechen. Hatte sie eine unsichtbare Grenze überschritten? Würde er mit ihr tun, was er mit Pettigrew getan hatte?
"Narcissa, du stellst viele Fragen. Manche Dinge sollten besser im Dunkeln bleiben. Aber du sollst Antworten bekommen."
Er erhob sich, umrundete den Tisch und begab sich zu der Hexe auf das Sofa, so dass sie sich direkt gegenüber saßen.
"Sieh in meine Augen und du wirst erleben, was in diesen Minuten geschehen ist."
Zitternd befolgte Dracos Mutter diese Anordnung. Severus Snape stellte ihr seine Erinnerung zur Verfügung. Sie blickte in die schwarzen Tiefen und befand sich augenblicklich zwischen vier Todessern und Draco, die einen auf dem Boden liegenden Dumbledore mit ihren Zauberstäben bedrohten. Sie hörte Wortfetzen, Severus, wir haben ein Problem, der Junge scheint unfähig zu sein, eine flehende Stimme, Severus bitte, Dumbledore, der seinen Vertrauten mit all seiner verblassenden Kraft um sein Leben bat. Dumbledores Gestalt rückte ins Zentrum ihres Bildes, ein letzter hoffender Blick des weißbärtigen Mannes, dann hörte sie die Worte Avada Kedavra, gesprochen von Severus Snape, ein grüner Blitz erfüllte die Szene, der wehrlose Dumbledore wurde in die Brust getroffen. Narcissa sprang auf, schwankte und hielt sich an der Lehne des Sofas fest.
"Severus, Dumbledore hielt dich wirklich für seinen Freund und du hast ihn, ohne ein Wort zu sagen", sie stockte und schnappte nach Luft, „du hast ihn kalt ermordet."
Zitternd entfernte sie sich vom dunklen Zauberer. Dieser stand nun ebenfalls auf und schritt um das Sofa, so dass er vor ihr zu stehen kam. Narcissa sah ihn mit Entsetzen an. Dann zuckte sie wie in plötzlicher Erkenntnis einer schrecklichen Wahrheit zusammen. Sie fiel vor dem schwarz gekleideten Mann auf die Knie und küsste den Saum seines Gewandes, als ob er der Dunkle Lord persönlich wäre. Als nichts weiter geschah, erhob sie sich und eilte so schnell sie konnte zur Tür. Sie entschwand in die Nacht und ließ die Haustür unbeachtet hinter sich ins Schloss fallen.
