18. Kapitel

Sie liebte den Geruch dieses Hauses. Es war ein Gemisch aus den Düften von Gemüsesuppe, Zitronenkuchen und frischem Stroh. Tonks freute sich jedes Mal darauf, in den Fuchsbau zurückzukehren. Minerva McGonagall hatte sie angewiesen, den Weasleys die Fortschritte der Sicherungsarbeiten von Hogwarts zu berichten und sie zu bitten, ins Schloss umzuziehen. Sie klopfte und betrat die große Küche. Molly war gerade dabei, einen Pullover für Ginny zu stricken. Sie tat es auf ihre Art, die Nadeln tanzten während Mrs. Weasley frohgemut an einigen Blumen herumzupfte.

"Tonks, meine Liebe, komm herein, ich freue mich über nette Gesellschaft!"

Sie lief mit großen Schritten zur Tür, umarmte die junge Frau und führte sie zum Tisch.

"Bitte, bediene dich, hier sind noch einige Gemüsepasteten."

"Danke, Molly, das tue ich gerne", Tonks setzte sich und biss herzhaft in ein Stück Pastete, „ich bringe Grüße von Minerva und neueste Nachrichten aus dem Schloss."

"Wie geht es den Kindern?"

"Oh gut, Harry, Hermine und Ron vertragen sich wieder. Und Fred und George sind ganz in ihrem Element. Sie erfinden schreckliche Zauber, was das Zeug hält. Ginny lässt sich von mir Aurorentricks zeigen. Sie ist sehr begabt. Inzwischen sind auch verschiedene andere Schüler wieder zurückgekommen, Neville Longbottom, Luna Lovegood, auch einige aus Hufflepuff und Ravenclaw. Das Leben in kehrt langsam in die alten Gemäuer zurück."

"Das höre ich gerne. Dann kann Minerva ja bald den Schulbetrieb wieder aufnehmen."

"Ja das möchte sie, sie will aber noch mehr. Sie will Hogwarts so absichern, dass sie ganzen Zaubererfamilien Zuflucht bieten kann. Sie hat mit Hilfe einer alten Karte alle geheimen Zugänge zum Schloss aufgespürt und mit einem speziellen sehr starken und ich muss sagen sehr dunklen Fluch verbarrikadiert. Kein Zauberer kann diese Barrieren lebend durchbrechen. Professor Flitwick hat den Schutzzauber gefunden. Ich hätte ihm nie zugetraut, diese Art von Beschwörungen überhaupt zu verstehen. Ich habe ihm gesagt, dass ich wirklich beeindruckt bin, aber er will sich nicht zu seiner Leistung bekennen, zu bescheiden der Mann. Auch von Minerva bin ich überrascht, sie hat die Aktion durchgezogen, als wäre es ein Spaziergang. Das ist auch der Grund, warum ich hier bin. Die Schulleiterin bietet euch an, in Zukunft in Hogwarts zu wohnen. Sie will alle Ordensmitglieder bei sich haben."

Tonks sah Molly erwartungsvoll an und biss erneut in ihre Pastete. Sie war wirklich köstlich. Molly könnte den Elfen Unterricht in Kochkunst geben.

"Nein, Tonks, ich weiß nicht. Ich möchte den Fuchsbau nicht aufgeben. Wir haben so lange hier gelebt, unsere Kinder sind hier groß geworden. Wir werden es schon schaffen. Aber iss noch mit uns zu Abend, ich würde es gerne mit Arthur zusammen entscheiden."

"Schön, ich warte hier mit dir, dann können wir noch plaudern. Da fällt mir ein, ich sollte dir auch etwas von Hermine geben", sie suchte mit beiden Händen in ihren Taschen. Sie fand einen kleinen zerbrochenen Kamm und stecke ihn wieder ein. Dann förderte sie einen Bleistift und ein silbernes Klappmesser zu Tage. Sie ließ beides wieder verschwinden. Sie schüttelte den Kopf, wobei alle ihre Haare rot wurden. Sie schien es nicht zu bemerken. Dann atmete sie auf: „Hier ist es. Es ist eine Schokofrosch Sammelkarte mit einem Dumbledore darauf."

Sie reichte Molly das Bild. Mrs. Weasley zog die Augenbrauen hoch. Sie sah aus, als wären schon hunderte dieser Karten durch ihre Hände gewandert und hätten ihre letzte Bleibe im Mülleimer gefunden.

"Hermine sagt, mit diesen Bildern sei etwas Ungewöhnliches passiert. Dumbledore könne aus ihnen reden. Ihr sollt es immer bei euch führen und ihm zuhören, wenn ihr in eine brenzlige Situation kommt. Sie hat mir auch eine gegeben."

"So, Hermine sagt das." Sie seufzte und wirkte plötzlich ein wenig müde, doch sie verstaute die Sammelkarte in ihrer Rocktasche. „Dann meinetwegen. Erzähl mir nun von dir, wie geht es dir in Hogwarts?"

Tonks fragte sich, wie lange Hermines Einfluss dieses Bild vor dem Schicksal der anderen Karten bewahren würde. Aber sie hatte ihren Auftrag ausgeführt. Sie freute sich über Mrs. Weasleys Interesse und begann, von ihren eigenen Erlebnissen der letzten Tage zu berichten.

Allmählich wurde es dunkel. Die Sommersonne verschwand hinter den grasbewachsenen Hügeln. Arthur Weasley war nach einem anstrengenden Arbeitstag nach Hause gekommen. Er hatte frustriert erzählt, dass im Ministerium Chaos herrsche, er hätte den Eindruck, dass bald eine Abteilung nicht mehr wüsste, was die anderen täten, die eingehenden Aufträge wären zeitintensiv in ihrer Bearbeitung und viele seiner Mitarbeiter könnten wie er absolut keinen Sinn darin erkennen. Nun saßen sie beim Essen und sprachen darüber, ob sie nicht lieber nach Hogwarts umziehen und Minerva unterstützen sollten.

"Molly, meine Liebe, ich hätte Lust dazu, ich möchte ehrlich gesagt lieber für den Orden als für diesen Scrimgeour arbeiten."

"Hat er dir nicht gestern eine Beförderung in Aussicht gestellt?"

"Was willst du? Soll ich noch größeren Blödsinn produzieren? Weißt du, was heute wieder los war? Wir sollten doch wirklich…", er unterbrach sich und lauschte. Tonks und Molly blickten sich erschrocken an. Es herrschte Totenstille, „…jetzt weiß ich nicht mehr, was ich sagen wollte, ich dachte, ich hätte leise Schritte gehört, aber vermutlich höre ich jetzt schon Gespenster", meinte er und lachte unsicher. „Also, wir sollten…"

Es klopfte an der Tür. Tonks flüsterte:

"Wer kann das sein? Erwartet ihr noch Besuch?"

"Nicht um diese Zeit", erwiderte Molly, „und schon gar nicht unangemeldet. Das Haus ist doch von Schutzzaubern umgeben, wie du ja weißt. Ich dachte, wir hätten… Zauberstäbe raus!"

Die Haustür hatte sich leise geöffnet. Noch ehe Mrs. Weasley ihren Satz zu Ende gesprochen hatte, schob sich eine schwarze Gestalt lautlos durch den Türspalt. Alle drei Zauberstäbe flogen über den Tisch und landeten in einer bleichen Hand. Molly schrie auf. Die Gestalt blieb neben dem Eingang stehen. Drei weitere drangen in die Küche ein und umrundeten mit erhobenen Zauberstäben die Weasleys und Tonks, die starr vor Schreck auf ihren Stühlen saßen. Alle vier trugen Todessermasken. Der erste schloss die Tür während die anderen ihre Verhüllung abnahmen. Mr. Weasley fand als erster seine Sprache wieder.

"Bellatrix, ich hatte gewünscht, dich nie wieder zu treffen. Ich werde nie für euch arbeiten! Auch für euch nicht, Nott und Goyle!"

"Das werden wir sehen, Arthur, aber du hättest uns wenigstens herein bitten können. Wir haben höflich um Einlass gebeten."

Nott und Goyle grinsten breit und nickten mit den Köpfen. Tonks Haare wurden grün vor Wut. Bellatrix Lestrange ergriff wieder das Wort:

"Wir sind hier, um euch ein Angebot zu unterbreiten…"

"…spar dir deine Mühe!"

Die Todesserin schwenkte ihren Zauberstab und ein roter Lichtblitz ließ Nymphadora Tonks verstummen. Auch beide Weasleys konnten nichts mehr sagen.

"Ihr werdet mir zuhören, ehe ihr eure Entscheidung trefft. Und glaubt mir, sie will gut überlegt sein, denn sie ist endgültig. Der Lord bietet euch an, seine Diener zu werden. Keiner ist mächtiger als er. Folgt seinen Befehlen und ihr werdet leben. Tut es nicht und ihr sterbt. Damit ihr zusätzlich wisst, was Sache ist, informiere ich euch darüber, dass der Lord es mir überlassen hat, im Falle euerer Weigerung euere Todesart zu bestimmen." Ihre Lippen verzogen sich. „Und mir wird der Avada Kedavra allmählich zu langweilig."

Sie schlenderte auf Tonks zu und hob mit der Spitze des Zauberstabes ihr Kinn hoch: "Nun, mein hübsches Kind?"

Tonks blickte Bellatrix genau in die Augen. Dann spuckte sie ihr ins Gesicht. Die Todesserin wischte sich angewidert ihren Mund ab.

"Ich deute das als ein Vielleicht. Du bekommst noch Bedenkzeit. Crucio."

Die junge Hexe fiel vom Stuhl. Lautlos wälzte sie sich auf dem Boden. Arthur und Molly sprangen auf. Doch durch ein leichtes Zucken ihres Zauberstabes beförderte Bellatrix Lestrange sie in dieselbe Position. Dann gähnte sie und setzte sich auf den nächsten freien Platz. Minuten später hob sie den Zauber wieder auf und begann zu grinsen.

"Hey, lasst uns ein bisschen mehr Spaß haben. Nott und Goyle, hebt sie der Reihe nach hoch, so dass ich ihnen in die Augen sehen kann."

Als sie genug wusste, gab sie den Männern Zeichen, ihre drei Opfer wieder auf den Boden zu legen. Dann winkte sie sie wieder zu sich heran und gab ihnen leise Aufträge. Die Todesser verschwanden und kamen nach kurzer Zeit zurück.

"Bellatrix, wir haben gefunden, was du uns gesagt hast. Draußen im Stall war einer in einer Futterkiste. Hier ist sie."

"Gut, sehr gut, gebt mir die Kiste. Fangen wir mit Molly an. Stellt sie hin und haltet sie fest."

Sie öffnete die Kiste und vor Mrs. Weasleys Augen entstiegen Fred und George. Ihre Gesichter waren blutleer. Sie gingen auf ihre Mutter zu und brachen vor ihren Füßen zusammen. Sie waren tot. Dann tauchte Rons Kopf auf. Molly sackte tränenüberströmt in sich zusammen. Die schwarze Zauberin schüttelte den Kopf.

"Was für eine schwache Vorstellung! Vielleicht unterhält Arthur uns besser."

Nott und Goyle ließen Mrs. Weasley fallen und packten ihren Mann. Dieser presste seine Lippen zusammen und sah Bellatrix hasserfüllt an. Rons Oberkörper, der inzwischen der Kiste entwichen war, verwandelte sich in Ginny. Ihr Gesicht war entstellt, ihr Körper von blutigen Geschwüren übersät, sie blickte Hilfe suchend auf ihren Vater. Arthur sah aus, als liefen ihm kalte Schauer über den Rücken. Er ballte seine Fäuste und öffnete den Mund.

"Ich glaube, er will uns etwas sagen", die Todesserin schaute in die Runde und gab ihren Opfern ihre Stimmen zurück.

"Du bist eine Verbrecherin, du solltest dich schämen, Bellatrix…"

"Oh, es ist nichts interessantes…", sie zuckte mit den Schultern und hob ihren Zauberstab, um alle wieder verstummen lassen. Da fiel ihr der Todesser an der Tür ins Wort, der als einziger seine Maske nicht abgelegt hatte.

"Bellatrix, das ist Zeitverschwendung. Du benimmst dich wie eine protzende Teenagerin. Beende es oder ich tue es."

Tonks, die immer noch unter dem Tisch lag, runzelte die Stirn. Ihr ganzer Körper schmerzte von den Nachwirkungen des Cruciatus Fluches, aber ihr Gehirn arbeitete wieder. Diese Stimme kam ihr bekannt vor. Heiße Wut durchströmte sie. Sie dachte nicht lange nach.

"Snape, du Verräter, du wagst dich in dieses Haus? Wie tief bist du gefallen!"

Bellatrix höhnte: „Willst du dir noch mehr davon anhören? Oder darf ich jetzt weitermachen?"

"Ich habe gesagt, wir machen Schluss. Ich werde dem Lord berichten, dass du seinen Auftrag ausnutzt, um dich zu vergnügen…"

"…du hast nicht das Recht dazu, ich…", die Todesserin verstummte mitten im Satz. Der verhüllte schwarze Zauberer hatte blitzschnell mit seinem Zauberstab auf die Frau gezielt, die nun ebenfalls nichts mehr sagen konnte. Seine Stimme war gefährlich leise.

"Du weißt sehr genau, dass du mir unterstellt bist. Es wäre besser für dich, das nicht zu vergessen."

Mit einer kleinen Handbewegung beorderte er alle drei Todesser zu sich. Dann richtete er seinen Zauberstab auf die Opfer am Tisch. Ein roter Strahl schoss aus dessen Spitze. Er wandelte sich zu einer Glocke aus rotem Nebel, der sich über die Weasleys und Tonks senkte. Als die Schwaden sich Sekunden später auflösten, lagen alle drei bewegungslos auf dem Boden. Sie atmeten nicht mehr. Die Diener Lord Voldemorts setzten ihre Masken auf und verschmolzen wieder mit der Dunkelheit außerhalb des Hauses.

Minuten später war in der Küche der Weasleys ein leises „Plop" zu hören. Minerva McGonagall sah sich suchend um. Sie war kreidebleich im Gesicht. Sie zog die bewegungslosen Körper zusammen, ergriff von jedem eine Hand und machte einen Schritt nach vorne. In einem Wirbel verschwand sie mit ihrer Last. Die Stille der Nacht erfüllte den Raum. Der gedeckte Tisch schien immer noch darauf zu warten, dass im nächsten Moment die Weasleys aus allen Winkeln des Hauses zusammenströmten, um gemeinsam zu essen und zu erzählen. Er würde es lange tun. Der Fuchsbau war nun leer.