20. Kapitel

In der Bibliothek herrschte reges Gemurmel. Madame Pince hatte längst wieder zu ihrer mürrischen Grundstimmung gefunden und ermahnte die Schüler, leise zu arbeiten. Viele Jugendliche aller Klassenstufen bereiteten sich auf den baldigen Schulbeginn vor und wiederholten alle möglichen Arten von Beschwörungen und Zaubern. Hermine, Harry und Ron saßen ebenfalls nebeneinander und verschafften sich einen Überblick über das, was sie in ihrem letzten Schuljahr lernen sollten. Harry schlug sein Buch zu und flüsterte:

"Und ich sage euch, ich werde besser als er, ich werde ihn mit seinen eigenen Erfindungen schlagen."

"Da hast du dir echt was vorgenommen, Mann, erst willst du den Mörder Dumbledores erledigenden und dann Lord Voldemort persönlich", Ron schüttelte sich. „Das sind zufällig die beiden meist gefürchteten schwarzen Zauberer zur Zeit."

„Du musst der Auserwählte sein", stichelte Hermine, „oder größenwahnsinnig."

"Und ich dachte, ihr wolltet mir helfen, bis dass der Tod uns scheidet oder so ähnlich", Harry war nun ärgerlich, „ich erinnere mich an eine klasse Vorstellung mit viel Lichtgezauber."

"Ja, wir stehen an deiner Seite, wenn es sein muss bis zum Ende, aber wir stürzen uns nicht mit dir freiwillig ins Verderben, nur weil du den Helden spielen musst und gleichzeitig noch ein paar persönliche Rachegefühle ausleben willst", konterte das Mädchen.

"Oh, die Unzertrennlichen streiten sich mal wieder. Das ist eine nette Abwechslung!" Tonks trat zur Gruppe und grinste über ihr ganzes Gesicht. Dabei standen ihre pinkfarbenen Haare in alle Richtungen ab. „Schön, euch zu treffen. Hoffentlich tut ihr schon etwas für Verteidigung gegen die Dunklen Künste. Die Lehrerin soll sehr hohe Ansprüche haben wie ich höre."

Harry stand auf. „Ich mache es, mit euch oder ohne euch, ganz wie ihr wollt!"

"Lasst uns gehen", Ron erhob sich ebenfalls, „es ist schönes Wetter draußen, wir können auch im Park weiter lernen. Wer kommt mit?"

Harry nickte zustimmend und ergriff sein Zaubertränkebuch, Hermine und Tonks schlossen sich an. Draußen setzten sie sich in die Nähe des Sees, Tonks bot allen eine Runde Berti Brotts Bohnen jeglicher Geschmacksrichtung an und redete drauf los.

"Nun erzählt mal, was ist so spannend, dass die Verschworenen sich darüber in die Haare kriegen?"

Hermine besah sich die Frisur ihrer neuen Lehrerin und ein feines Lächeln umspielte ihre Lippen. Sie blickte zu Harry, Harry schaute zu Ron und anschließend zu Tonks. Dann nickte er.

"Okay, Tonks, es ist dein Spezialgebiet. Es geht um dieses Buch hier."

Er reichte die Zaubertränke für Fortgeschrittene der ehemaligen Aurorin. Diese blätterte in den Seiten, dann stutzte sie und las genauer. Dort standen zwischen bekannten Rezepten für verschiedenste Flüssigkeiten in kleinen schwarzen Buchstaben Beschwörungen, die ihr größtenteils fremd waren. Sie schlug andere Seiten auf und studierte sie eingehend. Einige Zaubersprüche betrachtete sie länger. Das konnte nicht sein. Das war schwarze Magie. Diese Worte hatte sie gehört, als sie noch Todesser verfolgte. Wie kam das Buch in Harrys Besitz? Sie blickte dem Jungen direkt in die Augen.

"Woher hast du das?"

"Die Antwort lautet: Von Professor Slughorn. Aber das ist es nicht, was du wissen willst. Er hat nicht gemerkt, was er mir gegeben hat", Harry atmete tief durch, „ diese Erfindungen stammen vom ehemaligen Besitzer des Buches, den du allerdings gut kennst, es ist Severus Snape."

Nymphadora Tonks ließ das Buch fallen, schnappte nach Luft und sprang auf. Sie raufte sich ihre Haare. Flüssiger Hass schien durch ihre Blutbahnen zu laufen. Dann setzte sie sich wieder, ballte die Fäuste und erklärte: „Wenn ich Snape das nächste Mal treffe, töte ich ihn!"

"Da haben wir schon etwas gemeinsam", Hermine blickte Tonks ungerührt an. „Harry möchte Snapes geheime Zauber auswendig lernen und ihn dann mit seinen eigenen Sprüchen besiegen. Aber was ist eigentlich in dich gefahren?"

"Ach, ihr habt es vermutlich noch gar nicht gehört. Es ist unerfreulich. Ich war im Fuchsbau, um deine Eltern, Ron, zu überzeugen, nach Hogwarts überzusiedeln, als vier Todesser uns überraschten. Molly und Arthur geht es gut, beruhige dich Ron, sie sind ebenfalls hier. Nun, sie machten uns das wohlmeinende Angebot, Diener von Du-weißt-schon-wem zu werden und erwarteten die Entscheidung auf ihre Art. Auf jeden Fall dauerte es", sie schüttelte sich, „diesem Mann zu lange. Snape wollte uns direkt töten. Er feuerte einen Blitz auf uns ab, rote Schwaden drangen mir in Nase und Mund, ich bekam keine Luft mehr und dachte, jetzt ist alles aus. Mir wurde schwarz vor Augen. An mehr erinnere ich mich nicht."

"Dieser Widerling!"

„Er wird seinen Lohn noch bekommen!"

"Als ich wieder erwachte, kniete Minerva neben mir, Arthur und Molly saßen schon auf zwei Stühlen in ihrem Büro. Sie gab uns unsere Zauberstäbe zurück und ließ uns versprechen, Hogwarts nicht mehr zu verlassen. Ansonsten war kein Wort aus ihr herauszubringen. Doch halt, sie machte uns Vorwürfe, dass wir diese Dumbledore Sammelkarten nicht benutzt hatten, sie sagte, wir müssten Vertrauen zu Dumbledore haben, und sie hat uns befohlen, regelmäßig die Bilder zu kontrollieren."

Hermine sah sehr zufrieden aus, als sie diese Worte hörte. Tonks schluckte.

"Vermutlich hätten wir es wirklich tun sollen. Vielleicht hätte Dumbledore uns sagen können, dass ein Angriff bevorsteht."

Hermine nickte bestätigend: „Wahrscheinlich hätte er es gekonnt. Nun in Zukunft wissen wir alle, dass es wichtig ist."

Die neue Lehrerin für Verteidigung gegen die Dunklen Künste dachte nach. Dann begann sie zu lächeln. Sie hatte eine hervorragende Idee.

"Ich hab´s. Ich werde mit euch zusammen Snapes Ungeheuerlichkeiten studieren. Und wenn wir es tun, tun wir es richtig. Das wird der Unterrichtsstoff im neuen Schuljahr. Wenn wir ihn und seine Kumpanen treffen, sind wir vorbereitet. Er hat den Todessern seine schwarze Magie beigebracht, ich habe einige Zauber erkannt. Sie werden uns nicht überraschen. Im Gegenteil, wir werden sie kalt erwischen."

Siegesgewiss blickte sie in die Runde. Harry nickte begeistert. Sogar Hermine schien interessiert zu sein. Sie sagte:

"Unter diesen Bedingungen hat das Ganze Sinn. Wenn wir alleine herumexperimentieren, ist es zu gefährlich. Doch du hast genug Erfahrung mit schwarzer Magie, um uns zu zeigen, wie man damit umgehen muss. Ich würde nur dazu raten, die Quelle nicht bekannt zu machen. Der Name Snape ruft zu viel Angst hervor."

Tonks sah das Bild des Todessers vor ihren Augen. Sie gab Hermine Recht. Der schwarze Zauberer strahlte inzwischen seine Magie mit einer Macht aus, die selbst ihr kalte Schauer über den Rücken jagte. Grimmig sagte sie:

"So machen wir es. Freut euch auf das neue Schuljahr!"

Dann reichte sie die bunten Bohnen erneut herum, alle griffen zu und die Jungen erfanden viele verschiedene Versionen, wie sie das Leben ihres verhassten ehemaligen Lehrers beenden würden. Tonks Laune wurde zusehends besser. Sie erkannte in Harry einen Gleichgesinnten. Ron würde seinem Freund folgen. Einzig Hermine schien keinen Spaß an der Vorstellung zu haben, Severus Snape hinzurichten.