28.
Kapitel
Harry, Hermine und Ron hatten die schwere
Eichenholztür hinter sich geschlossen und blickten sich suchend
im Büro der Schulleiterin um. Harry seufzte. Das Portrait Albus
Dumbledores schien sich in immer kürzeren Abständen auf
Wanderschaft zu begeben. Jedes Mal, wenn er diesen Raum betrat,
suchte er es aufs Neue. Hermine zeigte direkt über die Tür.
Der weißhaarige Mann lächelte sie an.
"Ich entdecke immer wieder andersartige Aussichten, das Schutznetz ist gar nicht so eintönig, wie es scheint. Ich freue mich, dass ihr da seid. Bitte nehmt Platz. Ich brauche heute etwas Zeit von euch und hoffe, dass ihr sie mir gewährt." Er sah die drei Schüler der Reihe nach an. „Zuerst gratuliere ich euch zur Aufnahme in den Orden des Phönix. Seid bitte nicht allzu ärgerlich über die zwei Jahre relative Ruhe, die euch noch gegönnt wurden, denn ihr werdet nun mehr arbeiten als die meisten anderen. Ich werde nun ganz offen zu euch reden, ihr kennt Lord Voldemort ohnehin schon besser als fast alle anderen Ordensmitglieder."
Harry stimmte ihm vollständig zu. Er brannte darauf, endlich etwas gegen den Lord zu unternehmen. Seine beiden Freunde wirkten angespannt, hörten aber aufmerksam zu. Er blickte zu ihnen. Erst jetzt drang es in Harrys Bewusstsein, dass sie sich immer noch an den Händen hielten. Hatte er etwas nicht mitbekommen? Er verdrängte seine Vermutungen und konzentrierte sich ganz auf den ehemaligen Direktor. Es gab jetzt nichts Wichtigeres.
"Die Schulleiterin hat eben in ihrer Rede die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass Lord Voldemort wieder versuchen wird, gewaltsam ins Schloss zu gelangen. Ich sage es euch, und Minerva weiß es auch, es ist sicher, dass er es tun wird und zwar in allernächster Zukunft. Wir müssen unverzüglich handeln. Genauer gesagt, ihr müsst es. Von eurem Erfolg wird es abhängen, welche Chancen Minerva hat, Hogwarts zu halten."
"Das nächste Horcrux", flüsterte Hermine, „das muss es sein, es würde Sinn machen. Die Schlange, wir sollen Nagini vernichten." Ihre Stimme wurde lauter. „Aber wie soll das gehen? Sie hält sich ständig in seiner Nähe auf, und sie lebt!"
"Hermine, du hast Recht." Dumbledore blickte sie sehr ernst an. „Es ist die Schlange. Aber Lord Voldemort wird dieses Mal schnell merken, was geschieht. Das ist der Anfang vom Ende, entweder von seinem oder…..Nun ich hoffe Ersteres. Wir müssen perfekt zusammen arbeiten, und es muss zügig gehen. Deshalb hört mir aufmerksam zu. Nagini muss unschädlich gemacht werden, bevor wir an ihren Herrn denken können. Sie wurde mit speziellen und sehr starken Schutzwällen versehen, außerdem mit einem besonderen Zauber, der dem Animaguszauber ähnelt. Falls der Lord besiegt und getötet werden sollte, könnte er in Sekundenschnelle aus seiner Schlange wieder zum Leben und auch zu seinem eigentlichen Aussehen erstehen. Deshalb hat er das Tier so gesichert, dass sie nicht zerstört werden kann. Jeder Fluch prallt von ihr ab."
"Was sollen wir dann tun?" Ron meldete sich zu Wort. „Vielleicht uns fressen lassen und ihr so schwer im Magen liegen, dass sie von selbst verendet? Das wäre wenigstens eine saubere Lösung."
Dumbledore musste schmunzeln.
"So ähnlich, Ron, deine Idee ist gar nicht schlecht. Hermine, habe keine Angst, ich erkläre es euch. Es ist in der Tat so, dass Nagini von innen heraus vernichtet werden kann. Sie ist ein Geschöpf, das selbständig denken und fühlen kann. Lord Voldemort achtet andere Lebewesen derart gering, dass ihm diese Schwachstelle entgangen ist. Harry, du musst Nagini davon überzeugen, dass sie sich selbst töten muss."
Harry schnappte nach Luft, dann begann er zu lachen und verschluckte sich dabei. Nun hustete er so heftig, dass er nichts mehr sagen konnte. Das war absurd. Wie sollte er der Schlange beibringen, dass sie ihr Leben alleine beenden musste? Er fragte sich, ob Dumbledore in seinem Zustand noch richtig denken konnte. Der alte Zauberer schüttelte seinen Kopf, als ob er Harrys Gedanken erkannt hätte.
"Harry, Harry, du musst mir vertrauen. Ich weiß, was ich euch auftrage. Doch ich bin auch noch nicht fertig. Höre mir bis zum Ende zu, bevor du eine Entscheidung triffst. Hört mir alle zu. Nagini stammt aus einem alten Schlangengeschlecht, das der Familie der Gaunts zugeordnet war. Sie lebten mit Voldemorts Sippe in enger Lebensgemeinschaft und sie waren sehr stolz, den direkten Nachfahren Slytherins zu gehören. Der Lord hat Nagini von dort mitgenommen und ihr gesagt, dass sie als einzige ihres Geschlechts die Ehre habe, einem Nachfahren Slytherins persönlich dienen zu dürfen, und dass sie großen Ruhm unter ihren Artgenossen erlangen werde. Was er ihr nicht mitgeteilt hat ist, dass er ihre Verwandten alle ausnahmslos ermordet hat, als er das Haus der Gaunts nach der Verurteilung Morfins aufsuchte und zerstörte. Er wollte keine Zeugen. Er benutzt Nagini, so wie er jedes Lebewesen für seine eigenen Zwecke missbraucht. Wenn die Schlange dies erfährt, wird sie erkennen, dass ihr Leben keinen Sinn mehr hat. Sie hat ihre gesamte Familie verloren und kann keine Nachfahren mehr erzeugen. Sie ist allein. Der Ehrenkodex verlangt von ihr, ihrer Sippe in den Tod zu folgen."
"Wird sie mir denn glauben?"
"Harry, das wird von dir abhängen. Aber ich werde dir erklären, wie du zum Elternhaus Meropes gelangst. Du wirst Nagini das Werk Lord Voldemorts zeigen. Du musst nur erreichen, dass sie dir folgt und was das Schwerste ist, du musst in Lord Voldmorts Behausung eindringen, wenn er sie ohne seine ständige Begleiterin verlassen hat. Dabei wirst du die Hilfe deiner Freunde benötigen. Wenn du es versuchen willst, und du bist der einzige, der mit Nagini sprechen kann, es gibt keinen anderen Parselmund außer dem Lord zurzeit, dann werde ich dir Zeitpunkt und Ort mitteilen."
"Ich mache es sofort!"
"Nein, nicht jetzt, aber du musst dich ab sofort in ständiger Bereitschaft halten, Ron und Hermine, ihr müsst es ebenso tun. Ja, danke für euer Einverständnis. Ich werde Hermine zeigen, wie sie die Sammelkarten so modifiziert, dass sie heiß werden, wenn die Zeit da ist, dann spürt ihr es. Ich kann ihre hervorragende Idee von den Münzen der Armee Dumbledores übernehmen. Wenn ihr diese Veränderung spürt, müsst ihr unverzüglich aufbrechen."
Nun erklärte Dumbledore Hermine, wie sie den Zauber auf ihre Karten anwandte, dann allen dreien, wie sie zum Wohnsitz Lord Voldemorts gelangen konnten und von dort aus weiter zum Haus der Gaunts, anschließend schickte er sie in den geheimen Raum zurück, denn es war inzwischen fast 2.00 Uhr. Nach kurzer Besprechung entschied sich die Versammlung des Ordens hier, die Initiative ihrer Anführerin zu unterstützen und beauftragte sie selbst als beste Kennerin des Schlosses, den beschlossenen Angriffsplan zu optimieren. In den frühen Morgenstunden endlich konnten Harry, Hermine und Ron in ihre Betten gehen. Sie verabschiedeten sich schnell. Der nächste Schultag würde für sie wieder einmal sehr anstrengend werden.
