Vielen Dank für die Reviews an LiadanLadyOfSevenwaters, Nuepi, Anadastra, Jean Nin...;) und moondancer. Ihr seid supi! ;)
Da ich die Interaktivität für einen wesentlichen Bestandteil des Fanfiction-Genres halte, werde ich weiterhin in meinen Kapiteln mit euch kommunizieren, auch wenn das verbietet. Sowieso ist es Quatsch, einer Autorin vorzuschreiben, was in ihrem Kapitel sein darf. Sollte ich irgendwann gekickt werden, findet ihr mich auf ff.de.
Sorry, daß ihr so lange auf das Kapitel warten mußtet.
Die Möglichkeit der Bewegung
Eine Geschichte aus dem „Versus die Prophezeihung"-Kontext
von Raona
Zwölf: Freundkontakt
Sie apparieren vor einem großen Stadthaus. Lupin läuft zur Tür und murmelt einen Code. Draco folgt ihm, kampfbereit.
Seit er in den Zauberspiegel gesehen hat, fühlt er neben dem Stechen, das vom Betäubungsfluch übrig geblieben ist, ein Ziehen in seiner Brust. Mit wem genau wollten Neville und Ginny sich treffen? An dem Kampf sind mindestens zwei von Ginnys Familienmitgliedern beteiligt, ich wette, daß sie hierher kommen wollten.
Ein Mantra läuft in seinem Kopf ab, das er nicht bremsen kann. Laß ihnen nichts passiert sein. Alles muß in Ordnung sein. Laß ihr nichts passiert sein.
Sie rennen eine Treppe nach oben, Lupin reißt eine Tür auf. Dann stoppt er und senkt den Zauberstab. Über Lupins Schulter sieht Draco Ginnys Vater, den Mann, mit dem sich sein eigener Vater vor Jahren in der Winkelgasse geprügelt hat, auf sie zukommen.
„Schon gut, Remus. Wir haben alles unter Kontrolle." sagt der rothaarige Mann erschöpft. Schweiß zeichnet sich auf seiner Stirn ab, und seine Stimme klingt, als hätte er nicht mehr genug Luft zum Sprechen.
Lupin läßt erleichtert die Schultern fallen. „Ihr habt sie zurückgeschlagen?"
Weasley nickt.
Draco hält sich im Hintergrund, obwohl er nichts lieber tun würde, als in die Wohnung zu stürmen und die beiden Gryffindors zu suchen. Er ist hier mit Sicherheit nicht willkommen. Erst als Lupin in die Wohnung tritt, folgt er ihm, aufmerksam die Umgebung musternd. Sie kommen, an zwei am Boden liegenden Todessern vorbei, in ein großes Wohnzimmer, in dem sich der größte Teil des Kampfes abgespielt haben muß; kleinere Möbelstücke und Teile eines Schranks liegen verstreut überall auf dem Boden, Scherben bedecken die Hälfte des Teppichs. Eine junge Frau, die ihm vage bekannt vorkommt, und ein rothaariger junger Mann, dem Aussehen nach einer der Weasley-Zwillinge, sind damit beschäftigt, bewußtlose beziehungweise verletzte Todesser zu fesseln, genauso ein großer dunkelhäutiger Mann.
Ginny liegt auf einer großen grünen Couch in der gegenüberliegenden Ecke des Raumes, die Augen geschlossen. Auf ihrer Bluse hat sich über der Brust ein großer dunkelroter Fleck ausgebreitet. Blut. Ihm wird schwindlig, und er greift nach dem Türrahmen als Stütze.
Beruhige dich. Ihre Familie wäre hysterisch, wenn ihr wirklich etwas passiert wäre. Orientiere dich um Himmels Willen endlich an den Fakten.
Er versucht, sich ruhig weiter umzusehen. Lupin umarmt die junge Frau bei dem Zwilling. Ginnys Mutter kommt aus einer Seitentür, ein paar Tücher in den Händen, gefolgt von Neville mit einer Tasche. Gut, wenigstens mit ihm ist alles in Ordnung. Aus einer weiteren Tür sind Stimmen zu hören, und er glaubt, eine davon als Chos zu erkennen.
Alles in allem, denkt er, und atmet tief durch, scheint die Sache glimpflich verlaufen zu sein. Sicher ist auch ihr nichts passiert. Aber sie liegt unbeweglich da, als ihre Mutter ein Tuch auf ihre Stirn plaziert. Könnte sie sich nicht bewegen? Ich könnte hingehen und nachsehen. Zögernd löst er seinen Griff vom Türrahmen.
„Was machst du hier?" Vater Weasley hat sich umgedreht und schaut ihn überrascht und verärgert an. Er spricht ziemlich laut. Mehrere Augenpaare richten sich auf ihn und Draco.
Schön, denkt Draco, eins ist jedenfalls klar: ich kann den Kerl keinen Deut besser leiden als vor vier Jahren. Er verzieht den Mund zu einem spöttischen Halblächeln.
„Ich war zufällig in der Gegend und wollte sehen, wo sich die Résistance verkriecht." Scheinbar gelassen läßt er seinen Blick durch den Raum schweifen.
„Mit Ordnung könnt ihr wohl noch immer nicht viel anfangen, was?"
Weasley schüttelt empört den Kopf und sieht zu Lupin, der sich mittlerweile aus der Umarmung der jungen Frau gelöst hat.
„Warum hast du ihn hierher gebracht? Wir haben dir nicht zugestimmt! Und du hörst selbst, er ist aus demselben Holz geschnitzt wie sein Vater!"
Lupin sieht irritiert aus. „Könnt ihr meinem Urteil nicht wenigstens so weit vertrauen?"
Draco seufzt leise. Nicht jetzt diese Diskussion, wirklich. Spart sie euch für später auf. So unaufällig wie möglich schiebt er sich an dem größeren Mann vorbei und lehnt sich in einer Zimmerecke an die Wand, ein Platz, in dem er in niemandes Weg steht und beobachten kann. Mrs Weasley verdeckt noch immer seine Sicht auf die grüne Couch. Er hört, daß zwei andere Stimmen sich der Diskussion um sein Hiersein anschließen, blendet aber den Inhalt des Streits aus, so gut er kann. Er glaubt ihn ohnehin zu kennen. Bevor ich gehe, will ich wissen, was mit ihr los ist, das ist alles.
Endlich richtet Ginnys Mutter sich auf und verschwindet wieder im Nebenzimmer. Neville ist nirgends mehr zu sehen.
Ginny sitzt jetzt, das feuchte Tuch selbst gegen ihre Stirn pressend. Es dauert nur Sekunden, bis sie ihn entdeckt. Er kann den Blick, den sie ihm schenkt, nicht zuordnen, aber etwas Schweres und Hartes in seinem Inneren löst sich, als sie ihn ansieht, und er fühlt sich, als würden Teile von ihm sich in Wasser verwandeln und wegfließen. Trotz des Raums voller Leute zwischen ihnen hat er das Gefühl, direkt neben ihr zu stehen, der fast physischen Verbindung wegen, die ihre Blicke zwischen ihnen spannen.
Sie macht mit dem Kopf eine winzige Geste in Richtung der Seitentür, dann klettert sie vom Sofa und geht in die bezeichnete Richtung. Er folgt ihr in einigen Metern Abstand. Wortfetzen von der Diskussion dringen an sein Ohr.
Weasley Senior: „Ich sage soetwas nicht gern, aber bei dieser Familie ist es so, der Zug zur dunklen Seite vererbt sich weiter."
junge Frau: „Komm schon, Arthur, wer sind wir denn, wenn wir jetzt auch mit diesen Geschichten von Blutlinien anfangen?"
Lupin: „Dumbledore wollte, daß wir den Menschen eine Chance geben. Nur so werden wir nicht genauso wie Du-weißt-schon-wer."
Zwilling: „Aber sieh doch mal, wohin uns das bei Snape gebracht hat! Ich sag ja nicht, daß wir Malfoy keine Chance geben sollen, aber nicht einfach so. Wir müssen vorsichtiger sein."
Lupin: „Irgendwo muß man sich doch noch auf seinen gesunden Menschenverstand und Instinkt verlassen können..."
Er läßt das Wohnzimmer und die Streitenden hinter sich. Im nächsten Raum kümmern sich Neville und Mrs Weasley um zwei verletzte Frauen mittleren Alters. Ginnys Mutter ist auf ihre Arbeit konzentriert und achtet nicht auf ihn. Neville tauscht mit ihm ein freundliches, erleichtertes Grinsen.
Eine weitere Tür, spaltweit offen, führt in ein weiteres Zimmer. Er geht hindurch.
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Der Raum ist leer, bis auf Ginny, die an der Wand lehnt, den Eingang im Blick. Er schließt leise die Tür hinter sich und bleibt stehen. Ohne sprechen zu können deutet er mit einer Kopfbewegung auf den enormen Blutfleck auf ihrer Bluse.
„Alles in Ordnung." Sie lächelt. „Es hat wehgetan, ist aber schon komplett geheilt."
„Sectumsempra?"
„Ja, so hörte es sich an." Potter hat ihn gegen mich verwendet, will er sagen.
„Snape hat ihn erfunden. Angeblich gab es früher einen ähnlichen Spruch, der gezielt angewendet werden konnte. Er wollte ihn rekonstruieren."
„Ach ja?"
„Ja."
„Meine Mutter sagt, Lupin ist auch angegriffen worden, zur gleichen Zeit wie wir. Warst du bei ihm?"
Er nickt. Sie kommt ein paar Schritte auf ihn zu, im selben Moment, da auch er einen Schritt in ihre Richtung macht.
„Ist mit dir alles in Ordnung? Du siehst blaß aus."
Er lächelt schräg. „Ich sehe immer blaß aus."
Sie zuckt die Schultern.
Götter. Bin ich froh, daß du hier bist und die Schultern zucken kannst. Du glaubst nicht, wie froh.
Sie küssen sich auf einmal, unmöglich zu sagen, wie es passiert ist oder wer angefangen hat. Sie schlingt die Arme um seinen Hals; er zieht sie an sich, einen Arm um sie gelegt, eine Hand in ihrem Haar. Sie scheinen sich aneinander festzuhalten, und so nah sind sie sich, denkt er, daß sie ineinander verschmelzen könnten, wenn das möglich wäre, näher als sie sich zuvor gewesen sind, zu egal welcher Zeit. Sie küssen einander tief, zu gleichen Teilen dem anderen näher kommen wollend, sich vergewissernd, daß die Welt noch dieselbe ist, auch wenn sie das nie mehr sein wird, denkt Draco, nicht für mich.
Er hört auf, sie zu küssen, und hält sie fest. Sie löst sich nicht von ihm. Sie ist wirklich hier, kein Phantom, kein Traum, keine Wunschvorstellung, denkt er, und sie haßt mich nicht. Sie ist hier.
Er zieht mit einem Finger die Form ihres Gesichts nach, dann ihre Augenlider, die kaum sichtbare Falte auf ihrer Stirn. Ihre Hand fährt in sein Haar. Sie küßt ihn wieder. Er läßt alles hinter sich, was Erleichterung oder Unglaube ist und ergreift statt dessen die Leidenschaft, die aus ihnen sprüht, zieht sie in seinen Körper und schenkt sie ihr in seinem Kuß, der ohne Ende ist, wie er ohne Anfang war. Irgendwann mittendrin kniet er, in der Nähe der Wand, sie sitzt auf ihm, die Beine um ihn geschlungen, ihre Körper reiben sich aneinander, seine Hände fahren unter ihre Bluse, sie ist dabei, seine Hose aufzuknöpfen.
„Deine Leute?" haucht er zwischen Küssen.
Sie holt ihren Zauberstab aus der Hosentasche und deutet zur Tür.
„Collocatus." Dann zu ihm, mit strahlenden, glasigen Augen, halb grinsend: „Mach schnell."
Er grinst ebenfalls, dann küßt er sie hart, ihre Zunge bewegt sich tief in seinem Mund. Seine Finger gleiten in ihre Hose, während sie seine öffnet, sie stöhnt unterdrückt, als er ihre Klitoris berührt, und preßt sich kurz an ihn. Dann rutscht sie zur Seite und streift ungeduldig ihre Hose mit der Unterhose ab, er will es ihr gleichtun, aber kommt nicht weit. Sobald sein Schwanz befreit ist, sitzt sie auf ihm, sie kommen einander entgegen, bis sie ihn ganz umfängt.
Es ist kaum möglich, keine Geräusche zu machen. Als sie sich bewegen, fühlt er sich, als müßte er schreien; er erstickt den Schrei in ihrem Kuß, das Stöhnen an ihrer Schulter, so wie sie es tut, nun, da sie einander umarmen, fest, als sie einander höher und tiefer zugleich treiben, sich im selben Rhythmus bewegend, ihr Geschlecht zuckt um seines, er sticht tiefer in sie, sie schlingt ihre Beine fester um seinen Rücken, sich mit allem an ihn klammernd, was sie hat, und er antwortet ihr, ohne anders zu können, weil alles, was er will, alles, was er wahrnimmt, sie ist, ihr Mund, ihre Feuchtigkeit, ihre leise Stimme, stöhnend, ihr Busen an seiner Brust durch den Stoff, ihr wundervolles Haar in seinem Gesicht.
Ginny.
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Sie sitzen nebeneinander und knöpfen ihre Hosen wieder zu. Er ist zuerst fertig und spricht über beide einen Reinigungszauber, denn sein Hemd ist voller Blut, das von ihrer Bluse abgefärbt hat, und sie schwitzen.
Als er sie ansieht, fallen ihm tausend Dinge ein, die er zu ihr sagen könnte, die meisten davon ergeben keinen Sinn.
„Bist du gekommen?" fragt er leise.
Sie grinst nur. Ihre Augen glänzen noch immer.
Er beschließt, das als ‚ja' zu interpretieren.
„Ich gehe als erste raus", sagt sie fröhlich, nachdem sie ihr Haar und ihre Kleidung in Ordnung gebracht hat. „Falls irgendjemand was gehört hat und dich umbringen will, kann ich dann deine Flucht decken."
Er lächelt vage und ist nicht sicher, ob er überhaupt richtig gehört hat, was sie sagt. Wenn es nach mir ginge, könnte sie einfach weiterreden. Mir kommt alles, was sie sagt, wunderbar vor.
Sie beugt sich vor und gibt ihm einen Kuß, der ihn glühend zurückläßt, voller Hoffnung, daß sie das bald wieder tun wird, besser früher als später, streicht über seine Wange und schlängelt sich durch die Tür, nachdem sie den Verschlußzauber gebrochen hat.
Er beschließt, einige Minuten zu warten, bis sein Denken sich wieder klärt. Von draußen hört er Stimmen, keine verständlichen Gespräche, zumindest schreit niemand. Wie viel Zeit mag vergangen sein, zehn Minuten?
Wenn er die Augen schließt, kann er ihren Körper noch immer spüren, ihren Blütenduft riechen, vermischt mit ihrer beider Schweiß, und er erinnert sich an das unterdrückte Stöhnen, das sie an seiner Schulter erstickt, ihr Atem seine Haut unter dem Hemd überflutend. Er kann sich so genau vorstellen, wie es sich anfühlt, sie in den Armen zu halten, daß es ihn beunruhigt. Die Erinnerung, fürchtet er, hat sich ihm eingebrannt, als ewiges Bild, wie eine traumatische Erfahrung. Er fürchtet, er wird sie nie wieder vergessen, er wird sie nie wieder einordnen und beiseite legen können, wie er es zuvor mit so vielen Bildern getan hat, wie er es gewohnt ist. Sie wird ihn nicht mehr in Ruhe lassen, fürchtet er.
Oder, auf der anderen Seite - vielleicht fürchtet er es nicht.
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„Ginny, Schatz, wo hast du gesteckt? Ist alles in Ordnung? Die Wunde ist doch nicht wieder aufgebrochen, Kind? Wir räumen hier noch etwas auf, dann gehen wir zu einem anderen Treffpunkt, wir apparieren natürlich, aber jemand kann dich mitnehmen, das wird kein Problem sein. Sicher beobachtet noch jemand das Haus, darum kümmert sich Kingsley, er hat auch ein paar Auroren hierher gerufen..."
Molly Weasley läßt ihren Redeschwall los, sobald sie Ginny zu Gesicht bekommt, und die ist froh darum. Wenigstens kommt sie so um die Aufgabe herum, die erste Frage zu beantworten.
Denn Mum will nicht wirklich wissen, wo ich gesteckt habe. Das würde ihr nicht gefallen.
Sie dreht den Kopf weg, um ihr Grinsen vor ihrer Mutter zu verbergen, eigentlich unnötig, denn Mrs Weasley hat selbst während des Redens nicht aufgehört, im Raum in und her zu hasten und hier etwas zu reparieren und dort etwas zurecht zu rücken, und achtet gar nicht besonders auf ihre Tochter.
„Ähm, gut." sagt Ginny belustigt.
„Ja. Dein Vater und die anderen diskutieren noch über irgendetwas... ich will es gar nicht wissen. Sage ihnen von mir, daß wir wirklich langsam los müssen, es ist zu unsicher, hier zu sein..."
Oh nein. Nur nicht der Sicherheitsdiskurs.
„Bin auf dem Weg."
Sie hört gar nicht erst darauf, was Tonks, Lupin, Fred und ihr Vater besprechen.
„He, alle herhören! Mum will, daß wir umziehen. Sofort."
Sie setzt ihre beste Weasley-Mutter-Stimme ein. Alle halten inne.
„Oh. Ich denke, deine Mutter hat recht." Ihr Vater. Klar, daß er zustimmt. Doch dann wendet er sich an Lupin. „Wir können den Malfoy-Jungen unmöglich mit ins blaue Haus nehmen!"
Darum geht es also.
Lupin atmet genervt durch die Nase aus. „Hör mir jetzt mal ganz genau zu, Arthur. Der Junge hat mir vorhin das Leben gerettet. Wäre er nicht gewesen, ich hätte allein gegen vier Todesser mit dem Rücken zur Wand kaum eine Chance gehabt. Was soll er noch tun, um sich das Recht zu erwerben, wenigstens vorerst bei uns unterzukommen?"
Arthur zögert. Neville ist in der Nähe damit beschäftigt, einen zerissenen Sesselbezug zu flicken. Ginny sieht, wie er damit aufhört und herüber sieht. Er überlegt sichtlich, ob er sich äußern soll. Sie will ermutigend nicken, da hat er sich schon entschieden.
„Mr Weasley, selbst wenn Draco wollte, könnte er nicht zu den Todessern zurück. Er hat sie an uns verraten. Sie werden ihn töten wollen."
Er schluckt, läßt aber Ginnys Vater nicht aus den Augen. Das war wirklich geschickt, Neville, denkt Ginny beeindruckt. Du hast die Trumpfkarte gespielt. Sie würden nie jemanden allein lassen, der bedroht wird. Das ist der entscheidende Punkt.
Sie weiß, was kommt, und behält recht.
Arthur nickt betroffen. „Also gut."
Lupin sieht erleichtert aus. „Holt ihn jemand? Neville?"
Ginny dreht sich gleichzeitig mit Neville um, in Richtung der Nebenräume. Draco lehnt im Türrahmen. Schwer zu sagen, wie lange er schon da gestanden und das Gespräch verfolgt hat. Sie hat nie bemerkt, wie unaufällig er sein kann, wenn er will. Wahrscheinlich war es ihm früher einfach wichtiger, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, denkt sie, und darin war er wirklich nicht übel. Aber nun verschmilzt er fast mit seiner Umgebung, seine Blässe, das weißblonde Haar, das weiße Hemd, das er trägt, neben dem hell gebeizten Holz der Tür, und er ist so schmal, auch nicht besonders groß, daß er schlicht nicht viel Platz im Raum einnimmt, jedenfalls nicht jetzt, da er darauf verzichtet, sich aufzurichten, und niemanden direkt ansieht.
Wieso ist es mir nicht früher aufgefallen? Er wirkt, als sei er gewohnt, sich zu verstecken. Als ob er sich fürchtet, entdeckt zu werden. Und das paßt zu allem, was ich in den letzten Tagen mit ihm erlebt habe, und zu nichts, das ich von früher kenne. Hat er sich damals auch schon getarnt, nur auf andere Art, oder hat sich so viel verändert?
Neville geht zu Draco und spricht mit ihm, während die anderen sich bereit machen und ihre Sachen zusammensuchen. Die Verletzten sind offenbar alle wieder halbwegs auf den Beinen, die Todesser gefesselt und im dritten Nebenraum verstaut, wo sie auf Kingsley und sein Aurorenteam warten.
Ginny hat nicht mehr zu tun, als ihren Besen zu nehmen und den Rucksack aufzusetzen, und während sie wartet, wandern ihre Gedanken. So viel passiert dieser Tage, und trotzdem beschäftigt sie sich nicht mit ihrer Planung, oder mit Horrorvisionen darüber, was noch geschehen könnte. Ihr Überlegungen sind anderer Natur: hundert Variationen, Draco Malfoy zum Stöhnen zu bringen, nicht unbedingt nur auf konventionellste Weise. Sie stellt ihn sich in verschiedensten Lagen vor, gefesselt, geknebelt, nackt, an tausend Orten, und sie ist es, die über seinen Körper verfügt. Sie bestimmt über all seine Reaktionen.
Hat sie schon früher solche Phantasien gehabt, über andere Männer oder Frauen? Nie über reale Personen, glaubt sie, wenn, dann muß ich das verdrängt haben. Dean hätte mich für pervers gehalten. Und Harry... das verbittet sich einfach, über ihn auf solche Art zu denken. Alles, was ich mir in bezug auf ihn vorgestellt habe, war immer harmonisch und nett. Kleinmädchenträume.
Und, Ginny, denkst du über Malfoy etwa nichts in dieser Art? Gib es zu, es geht nicht nur darum, ihn zu kontrollieren. Sieh ihn dir an, und dann behaupte mit Überzeugung, daß du ihn nicht küssen willst, du willst nicht durch sein Haar streichen und ihn nicht in die Arme nehmen. Gib zu, du magst sogar wie er redet. Sogar seinen Humor.
Ruhe jetzt. Sie schneidet diese Bahn ihrer Gedanken ab. Und weiter? Solche Bilder kommen mit den anderen. Was soll das schon bedeuten?
Sie lehnt sich an die Wand und schaut noch einmal zu ihm hinüber – gerade rechtzeitig, um zu bemerken, wie er mitten im Gespräch plötzlich zusammenzuckt, erschrocken, und mit der rechten Hand nach seinem linken Unterarm tastet. Dann bricht er zusammen. Ihr wird heiß und kalt. Bevor sie weiß, wie ihr geschieht, rennt sie zu ihm.
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Neville hat gerade eine Bemerkung über das Apparieren fallengelassen, darüber, daß es überschätzt werde und man sich auch anders fortbewegen könne, und Draco will ihm widersprechen, da trifft ihn auf einmal völlig unerwartet ein scharfer Schmerz im Arm und läßt ihn zusammenfahren. Was -? Natürlich. Das Mal. Er tastet danach, der Schmerz verstärkt sich rasant, seine Haut scheint sich abzuschälen, die Knochen zu verglühen. Ihm wird schwarz vor Augen.
Auf einmal liegt er am Boden und schaut in die über ihm schwebenden Gesichter von Neville und Ginny. Alles dahinter ist verschwommen sichtbar. Das Mal brennt noch immer, aber warum um Himmels willen bin ich ohnmächtig geworden? Ich sollte mich daran gewöhnt haben, daß es auch manchmal plötzlich kommt.
„Was ist los?" flüstert Ginny.
Man könnte fast denken, daß sie besorgt klingt, denkt er, wenn ich nicht wüßte, daß das Unsinn ist. Er richtet sich so weit auf, wie es möglich ist, ohne mit dem Kopf eines Gryffindors zusammenzustoßen und schüttelt den Kopf, um ihn zu klären.
„Ich bin... erschrocken. Es ist nichts Besonderes, keine Ahnung, warum ich..." Er spürt, wie ihm das Blut ins Gesicht steigt. Hastig rappelt er sich auf. Die Blicke aller Anwesenden sind auf ihn gerichtet, Lupins fragend, die anderen irritiert und mißtrauisch.
Niemanden ansehend beantwortet er die unausgesprochene Frage.
„Der Dunkle Lord beruft ein Treffen ein, ein kurzfristiges Treffen." Abscheu auf den meisten Gesichtern. An Lupin gewandt fragt er: „Ich nehme an, man kann von hieraus nicht disapparieren?"
Während der Angesprochene den Kopf schüttelt, antwortet Mr Weasley.
„Nein. Es gibt Barrieren."
Draco nickt. „Gut."
Jemand berührt ihn am rechten Arm, und er wendet den Kopf, Neville erwartend, aber es ist Ginny, nah neben ihm stehend.
„Hast du Angst, daß du einfach zu dem Treffen apparierst, ohne es zu wollen?"
Ob ich Angst habe... was soll das, will sie mich schon wieder provozieren? Ich weiß schon, daß sie mir nichts zutraut. Muß sie darauf herumreiten?
„Es tut weh, oder?" fragt sie leise. „Vielleicht beeinflußt es das Denken und die Selbstkontrolle."
Irritiert starrt er sie an.
Lupin ist von den dreien unbemerkt herübergekommen. Seine Ruhe zieht Dracos Aufmerksamkeit auf sich, wie schon zuvor, und er will Ginny sowieso nicht beachten, wenn ihn viel zu sehr interessiert, was sie über ihn denkt.
„Draco, Snape sagte, es erfordere sehr viel Selbstbeherrschung, Voldemorts Ruf nicht zu folgen. Ich denke nicht, daß er gelogen hat, was das betrifft."
Draco grinst, schräg und humorlos. „So schwierig kann es nicht sein, wenn ich es bisher zweimal geschafft habe. Ich habe zur Sicherheit gefragt. Und hört auf, darüber zu philosophieren. Ich bin nur erschrocken, das ist alles, ich habe mich zu sicher gefühlt. Kein Grund zu neuen Diskussionen."
Langsam nickt der Werwolf. „Wenn du meinst."
„Wer von euch sollte das besser beurteilen können als ich?"
Gut gemacht, Junge. Jetzt hast du vermutlich alle ihre Voruteile bestätigt.
Na und? Sie hätten ohnehin daran geglaubt. Und Ginny...
Er sucht ihren Blick. Sie zieht die Augenbrauen hoch.
Die anderen scheinen beschlossen zu haben, daß der Vorfall wirklich keiner Diskussion mehr bedarf, und die ersten von ihnen begeben sich schon ins Treppenhaus und von dort auf die Reise, auch Neville, wie Draco mit etwas ungutem Gefühl bemerkt. Ich sollte ihn nicht immer ignorieren, nur weil er wenig redet, aber auf sie zu achten, bedeutet schon genug Anstrengung.
Sie legt noch einmal eine Hand auf seinen rechten Arm, und so sehr sein Stolz verlangt, daß er sie wegschiebt, bleibt er doch wieder reglos, ihre Berührung einatmend. Geh nicht.
„Falls du's nicht gemerkt hast..." Sie redet leise, nah an seinem Ohr, ihr Atem streift ihn. „...ich habe nicht versucht, dich zu beleidigen oder so. Es war nur eine Vermutung. Okay?"
Ohne eine Antwort abzuwarten läßt sie ihn los und läuft ihrem Vater hinterher.
Lupin, diskret in die andere Richtung gewendet, hat aus dem Fenster gesehen. Nun deutet er zum Ausgang. „Können wir?"
Reviews, bitte?
