Sie hat ihren Grund darin, daß ich (mal wieder) eure Reaktion auf den Inhalt dieses Kapitels fürchte (und daran, daß mir der Vorrat an fertigen Kapiteln ausgeht).
Dafür ist das
Kapitel lang. :)
Die Möglichkeit der Bewegung
Eine Geschichte aus dem „Versus die Prophezeihung"-Kontext
von Raona
Dreizehn: Tauschen
Sie apparieren zu einem Häuschen am Rand Londons, blau gestrichen mit überwuchertem Vorgarten, zwei Stockwerke und rosenbewachsene Balkone: ein Vorstadtidyll. Während Lupin, Mr Weasley und die beiden vorhin verletzten Frauen eine „Besprechung" ansetzen, macht sich Mrs Weasley sofort ans Putzen und Essen bereiten und requiriert dafür ihre beiden anwesenden Kinder, Neville und Lupins Freundin, die Frau namens Tonks. Draco wird von ihr konsequent ignoriert. Er hat nicht unbedingt etwas dagegen. Von mir aus könnte mich der ganze verfluchte Orden ignorieren, das wäre eine nette Alternative zur extrem widerwilligen Akzeptanz meines Hierseins, die sie ansonsten zeigen, und ich hätte meine Ruhe.
Er zieht sich in eins der oberen Zimmer zurück, das kleinere Balkonzimmer, und sitzt im Dunkeln auf dem Bett, dunkel wegen des Regenwetters vor dem Fenster und dann der früh hereinbrechenden Dämmerung.
Wie können sie nur in diesem endlosen Trubel leben, Diskussion über Diskussion, ständig wohlwollende Freunde, die bei jedem ungewohnten Gesichtsausdruck panisch nachfragen, ob alles in Ordnung ist, diese kuschlige Gruppendynamik, in der jeder seinen Platz bekommt...Wenn ich länger als ein paar Tage hierbleiben müßte, würde ich verrückt werden.
In Malfoy Manor hatte ich wenigstens meine Ruhe, die meiste Zeit.
Nach etwa einer Stunde verblaßt das Brennen im Dunklen Mal. Er knöpft den Hemdsärmel auf und mustert das schwarze Totenkopfsymbol auf seinem Unterarm. Leicht glüht es noch, glaubt er, aber das kann Einbildung sein, das psychische Nachglühen des Schmerzes.
Tut es mehr weh, wenn ich weiter von ihm entfernt bin? fragt er sich. Sonst ist es nicht so schlimm gewesen, vor allem bin ich nicht in Ohnmacht gefallen. Wie eine liebeskranke Erstklässlerin, die dem großen Potter begegnet.
Es hat mich wirklich überrascht, denkt er, merkwürdig, als hätte ich für den Moment vergessen, daß es dieses Mal überhaupt gibt. Daß ich unwiderruflich zu ihm gehöre, egal was ich tue. Dumm, so etwas zu vergessen. Eine angenehme Täuschung war es, Illusion von Freiheit, aber es ist nun einmal nicht so, und ich sollte mich nicht absichtlich blenden.
Draußen schalten sich die Muggelstraßenlaternen an, die ihn immer wieder durcheinander bringen. Muggel dürften zu so etwas nicht in der Lage sein. Es fühlt sich nicht richtig an. Es wäre auch sicher einfacher, sie zu beherrschen, wenn sie nicht über diese undurchschaubaren sogenannten Wissenschaften verfügen würden.
Darf ich darüber überhaupt noch nachdenken? Ich kämpfe ja jetzt nicht mehr gegen die Muggel, sondern ich stehe notgedrungen auf einer Seite mit den Schlammblütern und Blutverrätern. Ja, wirklich, das tue ich, wenn man Weasley bedenkt. Ach, diese beiden Seiten sind abstoßend. Jede auf ihre Art. Es ist einfacher, davon überzeugt zu sein, daß die eine vernichtet werden muß, man ist mit dem Hassen und Kämpfen beschäftigt genug, sich keine Gedanken über vorgestellte Alternativen zu machen.
Ich kann mir keine Alternative vorstellen. Aber ich hätte gern eine.
Er schließt die Augen und läßt den Tag revue passieren. Kaum zu glauben, daß all das an einem Tag passiert sein soll, mein Aufwachen, das sich anfühlte, als hätte ich eine neue Welt betreten, dieses surreale Frühstück, der Streit. Dann London, das schon wieder normaler wirkte. Der Kampf. Benson. Nein, nicht hängenbleiben an dieser Stelle. Da war noch mehr.
Habe ich mir wirklich Sorgen um die kleine Weasley gemacht? Und um Longbottom?
Dieser seltsame Orden, der mir mißtraut und mich dennoch aufnimmt. Ich habe es Dumbledore damals nicht glauben können. Schon, daß er mich hätte beschützen wollen, aber an dieses „wir", das er immer beschwor, daran glaubte ich nicht, und hier ist es.
Lupin sagt, ich hätte ihm das Leben gerettet. Neville stellt sich auf meine Seite.
Und Ginny. Fragt, wie es mir geht, vor allen Leuten.
Ein Tag? Und nur fünf Tage, seitdem die Gryffindors mich erwischt haben?
Je länger er überlegt, desto mehr entgleitet ihm die gestreßte Stimmung von vorhin, und er beginnt, sich wohl zu fühlen. Noch immer tragen seine eigenen Erinnerungen an die letzten Tage für ihn selbst den feinen Lichtschleier eines Trugbilds, aber auch, wenn es kaum real sein kann, fühlt sich das Bild doch lebendig und beruhigend an, und sein Kopf schwirrt nicht mehr.
Schließlich steht er auf. Ich bin bereit, Bedrohungen zu begegnen, denkt er. Vielleicht sogar Mrs Weasley.
Im Flur begegnet ihm Ginny, ein Tablett schwebt vor ihr her.
„Ich hab dir was zu essen mitgebracht. Ich dachte, du hättest wahrscheinlich keine Lust, zum gemeinsamen Abendessen runterzukommen."
Er grinst.
„Ich hatte mich darauf eingestellt, aber es ist nicht unbedingt schlecht, drum herumzukommen."
„Genau." Sie grinst ebenfalls. Die beiden Zauberer und das Tablett gehen zurück in kleine Balkonzimmer, aus dem Draco gerade erst gekommen ist.
„Ich hab schon gegessen, also bedien dich."
„Hat deine Mutter nichts dagegen, daß ich mich an ihrem Kunstwerk vergreife?" fragt er, nachdem er gekostet hat.
„Ich glaube nicht. Essen gönnt sie, soweit ich weiß, allen." Ginny gähnt. „Ich penne, solang du ißt, wenns dir nichts ausmacht." Sie hüpft auf das Bett und streckt sich darauf aus. Draco versucht, sich auf das Essen zu konzentrieren, das glücklicherweise so gut ist, daß sein Vorhaben ihm zum größten Teil gelingt.
Danach geht er zur Glastür, die auf den Balkon hinaus führt und öffnet sie. Die Reste des Regens plätschern träge auf die Dachziegeln über ihm und auf den Steinboden des Balkons. Stetiges Rauschen ist zu nahe gelegenem Pochen geworden.
Hinter sich hört ihre Schritte, die er schon lange zu kennen scheint, sie nähern sich mit dem Licht auf der Spitze ihres Zauberstabs, den sie in der Hand hält, als sie neben ihm auftaucht.
„Was sagst du zum Orden?" fragt sie. Ihre Stimme wirkt gedämpft, durch den Regen.
„Ich weiß nicht," antwortet er ehrlich. „Lupin ist ein interessanter Mensch. Aber letztlich sind sie mir alle etwas suspekt." Er betrachtet sie aus dem Augenwinkel, ihre Reaktion erwartend. Ärger, vermutlich.
Aber sie nickt.
Ich sollte mich darauf einstellen, daß sie mich überrascht, denkt er.
„Selbst mir kommt meine Familie manchmal komisch vor, naja, vor allem meine Mutter. Und ich habe nie darum gebettelt, dem Orden beitreten zu dürfen. Sie hätten mich nicht gewollt. Deshalb weiß ich auch nicht mehr, ob ich eigentlich dazugehören will."
„Ich glaube, es muß auch Vorteile haben, nirgends dazuzugehören. Du hast natürlich noch deine Freunde, und..." Er hält inne und dreht sich zu ihr.
„Was ist nun eigentlich mit Potter? Jeder schleicht um das Thema wie um den heißen Brei, aber niemand hat bisher gesagt, was Sache ist."
Im Zauberlicht sieht er, wie sie die Stirn runzelt.
„Naja, es ist Harrys Geheimnis, nicht meins."
„Oh, komm schon!"
„Beschwer' dich nicht. Du kannst froh sein, wenn ich dir überhaupt was erzähle."
Er macht unwillkürlich einen Schritt zurück, verletzt. Sie hebt den Kopf und sieht ihn direkt an, wieder einen dieser Ausdrücke in den Augen, die er nicht zuordnen kann, sie hat davon einige auf Lager. Vorsichtig streckt sie die Hand aus und berührt ihn an der Wange, kurz, federleicht.
„Was ist eigentlich los mit dir?" fragt sie mit eigentümlich sanfter Stimme. „Du warst doch früher nicht so empfindlich? Oder bilde ich mir das ein?"
Er sieht weg. „Keine Ahnung."
Sie seufzt, lehnt sich am Türrahmen an und verschränkt die Arme locker vor der Brust.
Fast minutenlang spricht niemand. Er fürchtet, das Gespräch in eine Sackgasse geführt zu haben. Im Versuch, das Eis zu brechen, zuckt er die Schultern.
„Bin ich empfindlich? Das kannst du wohl besser beurteilen. Wahrscheinlich stimmt es, ich habe fast geheult, als Granger mich im dritten Jahr geschlagen hat."
Ihr Mund verzieht sich, und ihre Augen leuchten.
„Ich wette" Sie grinst ihr bösartiges, koboldhaft amüsiertes Grinsen. „Ich wette, du hast es genossen. Du hattest danach jahrelang erotische Fantasien darüber, wie Hermione dich prügelt."
Er reißt die Augen auf. Ihre Mundwinkel zittern. Als er sich auf die Lippe beißt, bricht sie in Lachen aus und reißt ihn einfach mit, so laut, schallend und dreckig lacht sie, er stellt sich Granger als Domina in Leder vor und muß noch mehr lachen, so gut paßt es. Sie halten sich die Bäuche und stoßen im engen Türrahmen aneinander, er greift einfach nach ihr, zieht sie zu sich und küßt sie, erschrickt über sich selbst, aber nichts Schlimmes passiert und sie lachen einfach weiter, bis sie nicht mehr können. Dann zieht Ginny mit komisch vorwurfsvollem Blick die Augenbrauen hoch, läßt ihre Lider flackern und sagt mit leicht näselnder Stimme:
„Ich weiß gar nicht, warum Sie lachen, Mr Malfoy. Ich habe nur eine durchaus naheliegende Theorie zu Protokoll gegeben!",
und es zeigt sich, daß man doch meistens länger lachen kann, als man denkt.
Endlich haben sie sich beruhigt.
„Gehen wir wieder rein?" fragt Ginny. „Es wird langsam richtig kalt."
Sie schließen die Tür und setzen sich nebeneinander auf das Bett im Raum.
„Ich würde wirklich gern wissen, was sich für dich verändert hat. Warum bist du nicht bei den Todessern geblieben?"
Schulde ich ihr nicht eine ehrliche Antwort?
„Dumbledore kann...konnte sehr überzeugend sein."
„Aber das war nicht der einzige Grund?"
„Momentan ist es noch nicht so einfach, ganz klar darzustellen, was die Gründe waren. Ich... war einfach nicht mehr überzeugt. Und, wo ist Potter?"
Sie schnaubt. „Toller Trick. Tauschen wir jetzt eine Information gegen die andere?"
„Warum nicht?"
„Ich werde nicht nur einfache Fragen stellen."
„Bekomme ich meine Antwort?"
Sie seufzt nocheinmal. „Daß ich nicht weiß, wo er ist, habe ich dir schon gesagt. Ich suche ihn selbst. Er ist mit Hermione und Ron unterwegs, sie suchen...etwas, das mit Voldemort zu tun hat."
Er zuckt leicht zusammen. „Müßt ihr immer seinen Namen sagen?"
„Was?"
„Nicht Potters. Du weißt schon. Seinen." Er kommt sich albern dabei vor, diese Floskel zu verwenden, aber „der Dunkle Lord" hört sich noch unpassender an.
„Ach so. Ja. Ich sehe es nicht ein, mich nach einem solchen Aberglauben zu verhalten. Wir zeigen nur, daß wir von Angst regiert werden, wenn wir diesem Mythos folgen, den er selbst um sich gebaut hat. Warum hast gerade du ein Problem damit?"
Er zuckt die Schultern. „Wir nennen ihn nicht beim Namen. Er würde es als respektlos empfinden."
Sie schaut ihn auf einmal eindringlich an. „Draco. Was ist dir dort bei den Todessern passiert? Das, an das du dich gestern Nacht erinnert hast?"
Unbewußt verbirgt er sein Gesicht hinter einer Hand. Ich kann ihr nicht einfach Lügen erzählen. Ich kann sie nicht fortschicken. Wenn überhaupt irgendjemand ein Anrecht auf mein Vertrauen hat, dann ist es doch sie. Oh Merlin. Rede ich jetzt schon von Vertrauen? Drück es irgendwie harmlos aus, klinisch. Du willst hier schließlich kein Mitleid erregen.
„Du weißt doch selbst, zumindest aus Geschichten, womit Todesser sich so amüsieren."
„Nicht wirklich. Was soll das sein?" Sie zieht die Brauen zusammen und ihre Augen werden klein, er wundert sich, daß er darauf noch achtet, bei allem, was gerade wieder in seinem Kopf passiert. „Die Unverzeihlichen Flüche?" Leise.
Er sagt nichts.
„Welche?"
„Tja, wohl nicht Avada Kedavra." Er zwingt sich zu einem falschen Lächeln. Reiß dich endlich zusammen, Draco. Du stehst wie ein überempfindlicher Versager vor ihr da. „Warum willst du das so genau wissen? Es ist keine spannende Geschichte."
Sie schüttelt langsam den Kopf. „Es geht nicht um spannende Geschichten."
„Um was denn sonst?"
Ihre Haut fühlt sich sehr warm an, als sie seine Hand in ihre beiden nimmt, die linke Hand, ganz in der Nähe des Dunklen Mals, vor dem sie keine Angst zu haben scheint. Meine Hand ist vielleicht kalt, denkt er, deshalb kommen ihre mir so warm vor. Die Wärme scheint emporzusteigen, in seinen Arm und seinen Körper, beruhigend und neu.
„Ich..." Sie stockt. „Ich will nicht nochmal so einen Fehler machen wie gestern." Er hört sie durchatmen. „Es hat mir einen Schreck eingejagt, was da mit dir passiert ist. Ich habe... ich habe mir Sorgen gemacht, verdammt! Irgendwas war da doch, außer den Flüchen!"
Er blinzelt ein paar Tränen aus den Augen, hat aber keine Zeit, sich darüber zu wundern oder zu ärgern. Als er spricht, spricht er schnell, um nicht wieder den Mut zu verlieren.
„Es waren nur Träume, nichts Reales. Sie hätten sich nicht getraut, etwas Reales zu unternehmen, und so fanden sie es wahrscheinlich auch lustiger. Zwei ziemlich neue Leute, ein Paar, aber ich denke, sie haben nicht als einzige davon gewußt. Der Cruciatus war ganz geschickt damit kombiniert, deshalb hatte ich gestern Angst..."
„Daß der Cruciatus kommt."
„Ja. Vermutlich."
Sie hält weiter seine Hand fest, und er wundert sich wieder, warum.
„Also...heißt das, die haben dir Träume geschickt, in denen solche Dinge vorkamen, wie die, die ich.. getan habe?" Sehr leise.
„Nein! Das ist überhaupt nicht zu vergleichen!" Er sieht sie an. „Hör zu, das ist alles lange nicht so wild, wie es hätte sein können, und mit dir hat es nichts zu tun. Nichts. Träume kann man ausblenden und vergessen. Fang nicht mit Mitleid oder sowas an, ich kann damit nicht umgehen."
„Aber mit dem, was passiert ist, kannst du umgehen?"
„Es ist nicht einmal wirklich passiert. Ich vergesse es. Ich überdecke es mit neuen Erinnerungen. Cruciatus ist nicht so leicht zu vergessen, aber ich kann Dinge gut beiseite schieben." Außer dich, denkt er.
„Okay. Ich versuche, mich nicht aufzuregen." Nicht, daß sie so klingen würde. „Es ist deine Entscheidung."
"Danke."
Sie schüttelt den Kopf, wie um vages Unverständnis auszudrücken.
„Du bist nicht mehr bei den Todessern, weißt du? Ich akzeptiere deine Entscheidung, das ist selbstverständlich. Du mußt dich dafür nicht bedanken."
Er atmet aus, Spannung löst sich.
„Ihr Guten seid doch verrückt." Unsicher und schief lächelt er, den Kopf schüttelnd.
„Quatsch. Ihr seid verrückt, wenn schon jemand. Komm, wir laufen ein bißchen durchs Haus. Ich brauche Bewegung."
„Ich auch."
Es ist Nacht geworden. Sie schleichen durch die leeren Gänge des Blauen Hauses bis zum Dachboden, bis auf einige Kisten leer, und staubig, und klettern aus dem Dachfenster auf das schräge Ziegeldach, schlüpfrig vom Regen.
„Accio Mäntel!" Ihre Mäntel kommen geflogen.
„Der Mantel paßt so gar nicht zu meiner Vorstellung von dir."
„Zu meiner auch nicht. Lupin hat ihn für mich beschworen."
Sie setzen sich oben auf den Dachfirst. Es regnet fast gar nicht mehr.
„Kann ich nochmal auf das Thema zurückkommen?"
"Hmm." Unklare Antwort.
„Du kannst doch Okklumens. Wie konnten sie dann in deine Träume eindringen?"
„Der Dunkle Lord ist stärker. Sie haben ihn um Unterstützung gebeten. Er ist auf meine Familie zur Zeit nicht besonders gut zu sprechen."
„Oh."
„Genau." Pause. „Wie ist das nun mit Potter?"
Sie grinsen beide.
„Die drei sind nach der Hochzeit meines Bruders, das war in den Sommerferien, verschwunden. Ich hatte keine Ahnung, wohin, aber ich war nicht überrascht. Sie hatten schon so ein paar Andeutungen gemacht. Ron machte dann kurze Zeit später den Fehler, zu Besuch zu kommen. Ich hab ihn mit allen Mitteln ausgefragt, auf was für einer Mission sie unterwegs sind, und er hat mir genug Andeutungen geliefert, daß ich, mit etwas Glück und speziellem Vorwissen, das zufällig niemand außer mir mitbringt, nach einiger Zeit Forschung rausgefunden habe, worum es geht."
"Und worum geht es?"
Sie zögert.
„Schon gut. Potters Geheimnis undsoweiter." Sie sieht aus, als hätte sie ein schlechtes Gewissen, so wie sie die Schultern hängenläßt; viel mehr ist hier draußen nicht zu erkennen.
„Und als er verschwunden ist, war eure Affäre vorbei?" wechselt er das Thema.
„Nein, er hat schon vorher Schluß gemacht."
„Er?" Draco wird bei der Frage lauter, und sie legt den Finger auf die Lippen. „Wie ist er denn auf die hirnrissige Idee gekommen? Ich habe Potter ja nie für besonders schlau gehalten, aber für so blöd dann auch wieder nicht."
"Soll das ein Kompliment für mich sein?"
"Nein, es soll eine Beleidigung für Potter sein."
Sie lacht. „Er hatte einen guten Grund. Nun ja, für ihn war es ein guter Grund."
Er zieht die Augenbrauen hoch. „Sag nicht, es hat mit irgendeiner Heldensache zu tun? Oder hat er sich in Granger verknallt? Doch nicht in deinen Bruder."
„Nein." Sie fährt sich mit der Hand durchs Haar. Er beobachtet sie im blassen Laternenlicht. „Es war die Heldensache. Er wollte mich nicht zur Zielscheibe machen. Oder so."
Sein erster Impuls ist ein weiterer abfälliger Kommentar über Potters Urteilsvermögen, doch er unterbricht sich selbst. Ich hätte daran nicht gedacht, denkt er, es ist eine komische Gryffindor-Sache, aber... sie ist verständlich. Ich würde sie auch nicht in Gefahr bringen wollen, wenn ich es vermeiden könnte.
Sie fährt fort. „Ich konnte ihn schon irgendwie verstehen. Ich würde die Menschen, die ich liebe, auch nicht gefährden wollen. Aber er hat die Entscheidung ohne mich getroffen, als ob ich nichts damit zu tun hätte. Ich bin auch fähig, Verantwortung zu übernehmen, weißt du, für mich selbst, es wäre nicht seine Aufgabe gewesen. Warum konnte er es nicht mir überlassen, ob ich das Risiko eingehen will? Der Krieg betrifft uns alle. Warum muß er immer so tun, als ob es vor allem um ihn geht?"
„Und wieso bist du jetzt auf der Suche nach ihm? Willst du ihm dasselbe erklären?"
„So ähnlich. Ich will, daß er unsere Hilfe akzeptiert. Kann ja sein, daß er sie nicht braucht, aber wir haben das Recht, etwas zu tun! Wie kommt er denn auf die Idee, daß er das Recht hat, alles allein... er glaubt vielleicht selbst schon an dieses Gerede der Zeitungen, vom ‚Auserwählten'." Ihr Ton schwankt zwischen wütend und resigniert, während sie über Potter redet, und die Sätze scheint sie schon oft im Kopf durchgegangen zu sein. „Vielleicht liegt er ja auch wirklich richtig. Ihm ist soviel Schlimmes passiert, ich sollte ihm nicht vorwerfen, daß er mich beschützen will..."
"Erwartest du jetzt von mir, daß ich Potter verteidige? Da redest du mit dem falschen Mann." Sie sehen einander kurz in die Augen, dann schaut sie weg, Richtung Straße, und grinst nachdenklich.
„Das wäre wirklich eine verkehrte Welt, in der du Harrys Partei ergreifst."
„Oh ja. Noch verkehrter, als sie sowieso schon ist, also lasse ich's."
Fragender Blick. „Hättest du denn-?"
„Nein. Ich stimme dir zu. Ich... bewundere an dir, daß du Verantwortung übernimmst. Ich habe das nie gekonnt. Laß es dir nicht ausreden."
„Danke." Wieder Schweigen, während die einzigen Geräusche von den leisen Regentropfen kommen, die wieder vereinzelt zu fallen beginnen, und, weit entfernt, vom Brummen eines Muggel-Autos. Sie fröstelt, und er wünscht, er hätte den Mut, sie in die Arme zu nehmen. Ein solches Gespräch, und ich denke nur daran, sie zu berühren. Oder ist es eher die Geste als der Kontakt selbst?
„Willst du wieder reingehen? Du zitterst ja schon." Verdammt. Das kann sie als Angriff interpretieren, nicht? „Ich meine..." Ihm fällt keine Ausrede ein.
„Ja, so langsam." sagt sie. „Sonst taucht noch meine Mutter aus dem Nichts auf und wickelt mich in eine Decke."
Sie holt noch einmal tief Luft, atmet die frische nasse Nachtluft ein, ihr Brustkorb hebt und senkt sich, und sie schließt die Augen, als der Wind, auf dem Dach verstärkt wehend, über ihre Stirn und in ihr Haar bläst. Wie genau ich sie immer noch beobachte, wundert Draco sich. Als ob ich nicht genug von ihr gesehen hätte.
Ginny gleitet durch das Dachfenster nach innen und streckt die Hand aus; er nimmt sie und läßt sich hinunterziehen, und sie stehen wieder auf dem düsteren Dachboden.
„Ich bringe dich zu deinem Zimmer."
„Ist das jetzt mein Zimmer? Das mit dem Balkon?"
„Ich vermute schon. Der Rest der Belegschaft wird es bestimmt als verseucht empfinden, nachdem du es belegt hattest." Grinsen, ein weiches, freundliches.
Vor der Zimmertür drückt sie seine Hand.
„Hör mal... ich denke, ich werde nach Frankreich gehen, Harry suchen. Kommst du mit?"
Ein Schauer, wie Gänsehaut über den ganzen Körper, überfällt ihn.
„Das ist doch nicht dein Ernst." Seine Kehle fühlt sich eng an und hemmt den Klang seiner Stimme bis zur Heiserkeit.
Sie zuckt die Schultern. Dann, gepreßt: „Wohin hast du denn sonst vor zu gehen?"
Keine Ahnung, sagt ein Teil von ihm, aber irgendwo wird es einen Ort geben. Mit dir, sagt der andere Teil. Und beide, lauter: das sind Illusionen, und du hast kein Ziel. Und du findest keins.
Er schweigt.
„Ich gehe schlafen. Überleg es dir." Sie beugt sich vor und streift mit den Lippen leicht seine Wange. Dann lächelt sie und verschwindet in den Schatten des Flurs.
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Reviews, bitte? Am besten krass
viele. ;)
