Dankeschön klein Eli, zizou und mondtaenzerin, für eure tollen Reviews!
Die Möglichkeit der Bewegung
Eine Geschichte aus dem „Versus die Prophezeihung"-Kontext
von Raona
Vierzehn: Wahl
Er weiß nicht, von was er aufgewacht ist, aber als er die Augen öffnet und sich umsieht, liegt sie neben ihm, schlafend, aber in Jeans und Hemd, die Arme vor dem Gesicht, ins Kopfkissen gewühlt. Wann ist sie hergekommen?
Seitlich auf einen Ellenbogen gestützt bleibt er still liegen und mustert sie; ihm fällt kaum etwas Besseres ein, das er mit seiner Zeit anfangen könnte. Ein wenig Licht fällt durch die Vorhänge, die die Glastür bedecken, keine Sonnenstrahlen. Er denkt an ihre Frage vom Vorabend – „Kommst du mit?" - und daran, daß er nicht antworten konnte, obwohl ihm seine Antwort klar gewesen ist. Es ist einfach zu unwahrscheinlich, daß sie richtig darüber nachgedacht hat, was sie da sagt. Wieso sollte sie ihn dabei haben wollen, wenn sie auf die Suche nach Potter geht? Wieso, denkt er und läßt seinen Blick über sie gleiten, ist sie heute nacht hierher gekommen? Wieso überhaupt das alles, ich verstehe es noch immer nicht, auch wenn ständig etwas Neues dazukommt, über das ich nachdenken muß, habe ich noch nicht einmal begriffen, wie es zu allem überhaupt kommen konnte.
Er piekst sie leicht mit dem Zeigefinger in die Schulter. Sie dreht sich halb um und blinzelt, dann setzt sie sich auf.
„Oh. Ich wollte eigentlich nicht hier einschlafen. Hatte nur vor, dich zu wecken. Wie spät ist es?"
Er zuckt die Schultern.
„Warum schaust du mich so komisch an?"
Er zieht die Brauen zusammen. „Tue ich das?"
Sie stehen auf und er zieht sich an.
„Und," fragt sie, in der Balkontür stehend, mitten im trüben Licht des beginnenden Spätherbsttages. „Frankreich. Wie sieht es aus?"
Ohne sie anzusehen, ohne überhaupt von seinen Hemdknöpfen aufzublicken, nickt er vage, so unauffällig wie möglich, sie kann es auch anders interpretieren, wenn sie will, wenn sie ihre Meinung geändert hat, und ihn lieber doch nie wieder sehen möchte.
Sie macht dreieinhalb dieser großen besonderen Schritte zu ihm. Ihre braunen Augen bohren sich in seine grauen, die sein umwölktes Inneres widerspiegeln.
„Hast du auch manchmal eine Meinung, Malfoy? Und bist du schonmal auf die Idee gekommen, sie auch zu äußern?"
Er will wieder vor ihr zurückweichen, ein Reflex treibt ihn dazu, sich dem Funkenregen aus ihren Augen zu entziehen, der über ihn spritzt. Es kommt nie etwas Gutes dabei heraus, sich der Wut anderer zu stellen. Nur, weil er sie nicht noch wütender machen will, und fürchtet, daß sie gehen wird, bleibt er stehen. Er verschränkt die Arme vor der Brust, zur Sicherheit. Eine kluge Antwort auf ihre Frage fällt ihm nicht ein.
„Natürlich habe ich eine Meinung." Verflucht, ich klinge so hilflos. Sie glaubt mir kein Wort. Was ist schon wieder passiert? Warum ist sie verärgert?
„Knie dich hin." sagt sie.
Er tut es, ohne nachzudenken.
Sie läßt sich selbst auf die Knie sinken, so daß sie auf gleicher Höhe mit ihm ist, und legt ihre Hände auf seine Schultern, in ihrem Blick eine seltsame Mischung aus Wut, Unglaube und... Mitgefühl?
„Draco, merkst du nicht, was du da machst?" Wovon redet sie? „Ich denke, du weißt was du willst, aber du tust es nicht. Du wartest darauf, daß dir jemand sagt, was du zu tun hast, und dann gehorchst du! Zur Hölle, du tust sogar, was ich dir sage!"
„Wieso sollte ich nicht?"
„Weil du vorher darüber nachdenken solltest, ob du es willst, verdammt!"
„Das bist nur du, Weasley. Was soll schon passieren?"
„Jetzt bin nur ich es. Aber wenn deine Todesser wieder auftauchen, Draco, was tust du dann? Wenn diese zwei, von denen du gesprochen hast, wieder auftauchen, gehorchst du ihnen dann auch? Oder Voldemort? Oder wem auch immer, der gerade für dich die Autorität verkörpert?"
Er versucht wütend zu werden. Dieses Weibstück beleidigt ihn. Schrei zurück, sagt er sich. Aber alles, was er wirklich fühlt, ist Resignation. Sie hat Recht, denkt er. Du hast dich nie gewehrt, das Risiko war immer zu groß. Du hast nie genug Mut aufgebracht, dich anders zu entscheiden. Du bist eben nicht wie sie. Du gehörst nicht zu ihnen.
„Ich bin eben nicht wie du." sagt er erstickt und bitter. „Ich schaffe es nicht, mich zu wehren. Du würdest sicher alle Schmerzen ertragen, um deinen Stolz nicht zu verlieren. Aber ich nicht. Ich habe Angst, und ich weiß nicht, wohin ich soll, wenn nicht dahin, wohin alle gehen." Er schiebt den linken Ärmel seines Hemdes nach oben und streckt den Arm aus, so daß sie das Dunkle Mal auf seiner Haut sehen kann. „Das ist mein Weg, Ginny. Ich kenne keinen anderen. Du glaubst, ich habe eine Meinung? Ich hatte nie eine. Alles was ich habe, sind Zwänge, die mich in eine Richtung drängen. Und keine Kraft, ihnen zu widerstehen, so wie du."
Sie ist nicht mehr so wütend. Ihr Blick hat sich verändert, er weiß nicht genau, wie.
„Du hast mich genau falsch verstanden, Draco." sagt sie leise. „Oder ich hab mich nicht richtig ausgedrückt. Ich wollte dir keinen Vorwurf machen, oder sagen, daß du schwach bist, sondern das Gegenteil. Du kannst dich äußern. Du kannst deine eigenen Entscheidungen treffen, und du hast es getan, sonst wärst du jetzt nicht hier."
Ihre Worte fressen sich nur langsam durch Gedankenmauern in sein Gehirn. Da hört er auf einmal ein Geräusch an der Tür, und er springt auf, fast ohne einen Laut, und reißt die Tür auf. Da steht Neville, die Hand gerade zum Klopfen erhoben, jetzt zusammengezuckt.
„Ich hab euch gehört." sagt er und schluckt. „Ich wollte lieber, daß ihr wißt, daß man euch hier im Flur hören kann."
Draco deutet mit dem Kopf nach drinnen und schließt die Tür wieder, nachdem der andere Junge ins Zimmer gekommen ist.
„Tut mir leid," entschuldigt sich der Gryffindor. „Ich wollte nicht stören."
„Schon gut." sagt Draco. Ginny schweigt.
„Aber..." Neville räuspert sich verlegen. „Sie hat recht, weißt du. Ich finde es bewundernswert, daß du dich gegen die Todesser gestellt hast. Der... Cruciatus ist viel schlimmer, als die meisten Leute denken. Ich... ich hätte auch Angst davor."
Draco muß an Bellatrix denken, seine Tante, von der er weiß, daß sie die Longbottoms mit Begeisterung gefoltert hat. Er nickt langsam.
„Und... naja, Ginny hat immer ihre eigene Meinung, und sie stellt sich immer gegen alles. Wir sollten sie lieber nicht als Maßstab nehmen." fährt Neville fort. Er lächelt, und als Draco zu Ginny schaut, sieht er sie breit grinsen.
„Ich würde ja sagen, fang klein an." sagt sie. „Aber die Entscheidungen, die du schon getroffen hast waren keine kleinen."
„Ähm." sagt Neville, um die Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken. „Es ist neun Uhr. Deine Mutter hat bestimmt schon das Frühstück fertig, Ginny."
„Neun! Dann sollten wir runtergehen, bevor sie einen Wutanfall bekommt." Sie zögert. „Gehst du schonmal vor, Neville?"
Im Gesicht des Jungen blitzt ein verständnisvolles Lächeln auf. „Klar. Bis gleich."
Ginny und Draco bleiben allein im Zimmer zurück. Sie schließt die Tür und lehnt sich mit dem Rücken dagegen, sagt aber nichts, sondern sieht nach unten.
Was kommt jetzt? Er fragt sich das zum hundertsten Mal, seit er ihr vor fünf Tagen begegnet ist, fällt ihm auf. Hat sie wieder einen für ihn undurchschaubaren Plan aufgestellt? Er wartet. Sie weiß jetzt so viel über ihn, daß sie ihn an jedem wunden Punkt treffen kann, wenn sie will.
Endlich hebt sie den Kopf. Ihre Hände hat sie vor sich verschränkt; sie beißt sich leicht auf die Unterlippe, bevor sie spricht.
„Apropos Mut und Entscheidungen, ich wollte dir noch was sagen." Sie sieht ihm schließlich in die Augen. „Ich bin heute morgen nicht nur gekommen, um dich zu wecken, oder aus Zufall. Ich wollte dich sehen."
Was?
Sie scheint auf eine Antwort zu warten, aber er weiß nicht, was er sagen soll.
„Kannst du nicht was sagen? Ich komme mir komisch vor."
„Was denn?"
Sie verdreht die Augen. „Woher soll ich das denn wissen?"
„Warum wolltest du...?"
Sie versucht ein etwas schiefes Grinsen, das fast von ihm sein könnte.
„Tja, es sieht so aus, als kämen ganz gut miteinander klar dieser Tage. Oder was meinst du?"
Er zieht eine Augenbraue hoch. „Wenn du es so nennen willst."
Sie lacht beinah. Es ist - wieder eines dieser alten, aber wahren Bilder - als würde die Sonne doch noch aufgehen.
„Warum auch immer." Er lacht, durcheinander, und schüttelt gleichzeitig den Kopf.
„Warum auch immer." Ihre Augen blitzen. „Also, ich wollte das nur sagen. Gehen wir jetzt runter?"
Er sagt: „Nein."
Sie runzelt die Stirn, fragend. „Warum nicht?"
„Ich will auch etwas sagen." Natürlich nicht das Wichtige, Offensichtliche. Gott bewahre. Er tritt näher an sie heran, sie beinah berührend. „Du weißt doch hoffentlich, daß die Gründe, daß ich tue, was du sagst, andere sind. Andere als in den Fällen, die du aufgeführt hast."
Er glaubt zu beobachten, wie sich ihr Atem fast unmerklich beschleunigt.
„Was genau... willst du mir damit sagen?"
„Was ich damit sagen will, Ginny, ist, daß ich für dich jederzeit wieder knien werde. Und du wirst mich nicht davon abhalten." Sein Mundwinkel zieht sich zu einem ironischen Lächeln nach oben, das trotzdem echt ist, es pflanzt sich fort in seinen Tonfall. „Und abgesehen davon – das Nein gerade war für dich. Reiner, sinnloser Widerstand."
Sie hat offenbar die Fassung verloren. Ihre Augen sind groß und ihr Mund leicht geöffnet. Dann grinst sie wieder. Und sie küßt ihn, schnell. Ihm wird schwindlig, weil der Raum sich zu drehen scheint, im Zentrum der Bewegung ihre Zungen, die sich umeinander winden und auch keine sichere Basis bieten, und er weiß nicht ob er fallen wird; vorsichtshalber hält er sich an ihr fest, das macht es nicht besser, er vergißt zu atmen bei der Empfindung ihres Körpers nah bei ihm.
Nach dem Kuß schenkt sie ihm diesen bedrohlich-aufregenden Ausdruck, der mit dem fiesen Lachen dahinter in Verbindung steht.
„Du könntest irgendwann noch bereuen, daß du mich mit einem Freibrief ausgestattet hast."
„Das glaube ich nicht."
Daß er den letzten Satz ernst gesagt hat, hat sie nicht bemerkt, sie ist schon dabei, sich umzudrehen und die Tür zu öffnen.
„Komm, oder sie suchen nach uns." Sie folgen Neville nach unten.
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Mir wurde empfohlen, den Leuten zu drohen, ich würde nicht weiterschreiben, wenn ich nicht mehr Reviews bekomme. Dann reviewen sie angeblich wie wild. (Hihi).
Trotzdem hab ich das nicht vor, wie alt sind wir denn? Reviewt einfach trotzdem. :)
Und das nächste Update kommt schneller als dieses, (halbwegs) versprochen.
