Eli, danke Dir für die Review. :) Und auch Dir, Wolvy. (Freut mich sehr, daß meine Charakterisierungen Dir gefallen. Und natürlich überhaupt über Dich als neuen Leser.)
Dies ist das vorletzte Kapitel.
Die Möglichkeit der Bewegung
Eine Geschichte aus dem „Versus die Prophezeihung"-Kontext
von Raona
Achtzehn: Revanche
Jemand hat die Welt wie ein Schneeglas herumgedreht und alles weht durcheinander, Stimmen, Ereignisse. Cho und Neville schauen aus dem anderen Zimmer und wollen wissen, was los ist, Ginny und Hermione reden gleichzeitig, Wo ist Harry und am Turm und Ron wir müssen endlich los, während Draco zu erklären versucht und dann Hermione schon Ron am Arm gepackt hat und verschwunden ist, Plopp, Ginny steht halb angezogen neben ihm im Flur mit verzweifelten Gesicht -
In der Mitte er, und er fühlt sich wie ein Fels im wirbelnden Hurrican. Für ihn sind die letzten Tage ja durchgehend so gewesen, und an diesem Punkt stört es ihn nicht mehr. Er streckt die linke Hand aus, in der rechten den Zauberstab, als Cho, dann Neville mit zwei weiteren Plops in der leeren Luft verschwinden.
„Komm. Ich dürfte es schaffen, dich mitzunehmen."
Sie atmet auf, ergreift seine Hand und tritt neben ihn. Er konzentriert sich auf den Turm und die Büsche in der Nähe, hinter denen sie sich am Vortag versteckt haben, Ziel, und wappnet sich gegen ein Ansteigen des Chaospegels.
„Jetzt." Sie bewegen sich durch den Raum.
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Schneegestöber umfängt sie, die Analogie hat sich in Materie verwandelt, doch die Nähe des Meeres läßt die Flocken keine rechte Substanz gewinnen, und der Seewind treibt sie auseinander. Der Tour de la Reine steht ohnehin im Schutz der Dünen. Die Kämpfer können einander gut genug sehen. Draco zählt aus wenigen Metern Entfernung zehn Todesser in schwarzen Roben. Gegen acht von uns, denkt er, und bemerkt diesmal nur vage die Ironie in seinem Gedanken, weil ein grüner Blitzstrahl gezielt in seine Richtung zuckt. Geistesgegenwärtig springt er zur Seite. Ginny läuft los, auf die Kämpfenden zu. Instinktiv reagierend folgt er ihr und begibt sich damit ins Blitzgewitter. Von allen Seiten schießen Zauber auf ihn zu, auf ihn gerichtete und die, die nur auf dem Weg zwischen den anderen an ihm vorbei müssen.
Es muß etwas Ordnung in dieses Gewirbel kommen.
Er sieht sich die Gesichter der Todesser nicht an. „Impedimenta!" Einer fällt nach hinten, von Dracos Fluch getroffen. „Stupor!" Die kleine berobte Frau pariert und zielt auf ihn. „Expelliarmus!" brüllt er, gleichzeitig mit ihrem „Crucio!" Sie kommt ins Wanken im Versuch, ihre Waffe festzuhalten.
Einatmen. Ausatmen. Er haßt es, im Kampf den Überblick nicht zu haben, aber es gibt keine Deckung, hinter die man sich zurückziehen könnte, außer – den Turm. Langsam, die Gegner im Auge behaltend, bewegt er sich schrittweise rückwärts auf das Gemäuer zu. Die Kleine – er kennt sie vom Sehen – behält ihn im Blick. Sie deutet auf ihn, verzieht konzentriert das Gesicht.
„Tarantallegra!" kommt er ihr zuvor. Er weiß nicht, wie er darauf gekommen ist, aber es funktioniert. Die Beine der Todesserin beginnen einen wilden Veitstanz. Panisch, die Kontrolle über ihren Körper verlierend, schwingt sie den Zauberstab hin und her.
Er hat sich einen kurzen Moment Ruhe im Sturm erkämpft.
Schon jetzt atme ich schwer, bemerkt er nebenbei. Sein Haar, halb ins Gesicht geweht, klebt feucht an seiner Haut. Er zieht die kalte Luft ein und versucht, sich zu orientieren. Dort rechts, mit wirrem Blondhaar, ist Luna, kämpft Seite an Seite mit Cho gegen ... Avery. Neville verteidigt sich gegen Ramona, da kommt Ginny ihm zu Hilfe. Potter am anderen Ende des Kampfplatzes wird von drei Gestalten belagert, erhält aber jetzt Unterstützung von Granger, während Ron Weasley sich von einem gefallenen Gegner ab- und einem neuen zuwendet. Keine Zeit zu zählen, aber jemand fehlt, ich weiß es. Etwas ist nicht im Lot. Da bemerkt er es. Fast direkt hinter Potter erscheint im Schutz zweier Büsche eine weitere Gestalt, den Stab erhoben und auf den Schwarzhaarigen gerichtet. Im Bruchteil einer Sekunde erwägt Draco die Optionen. Unmöglich kann Potter den Mann gesehen haben, geschweige denn rechtzeitig auf ihn reagieren; er ist viel zu beschäftigt, die Angreifer von vorn abzuwehren. Draco ist zu weit entfernt, um vernünftig zu zielen. Dorthin laufen hieße, sich weit außerhalb der möglichen Deckung begeben, mitten ins Getümmel zurück, es ist nichtmal gesagt das er schnell genug – was soll's, verdammt. Entscheid dich.
Er stürmt los, an zwei kämpfenden Paaren vorbei, die in der Sichtline stehen, freie Spruchbahn, „Expelliarmus!" Mitten im Fluchwort wird der Todesser von Dracos Angriff getroffen, so daß der tödliche grüne Strahl den Gryffindor um Haaresbreite verfehlt und Harry, den Meuchler bemerkend, ein paar Schritte zur Seite macht. Wütend fährt der Verhüllte herum, und seine Kapuze rutscht nach hinten. Dracos Atem stockt. Es ist Benson.
Von beiden Seiten scheinen sich zwei unsichtbare Wände neben Dracos Gesicht zu schieben; seine Wahrnehmung verengt sich auf die sehr gerade Strecke zwischen ihm und dem dunkelhaarigen gutaussehenden Mann, der sein eigentliches Ziel seinen Verbündeten überlassen hat und nun seinerseits seinen neuen Gegner fixiert. Diesmal wird es nicht so einfach für ihn werden, denkt Draco. Diesmal wird er nicht einfach verschwinden können, und ich werde mich nicht noch einmal von ihm besiegen lassen.
Das Schneetreiben ist stärker geworden. Jemand hat einmal gesagt, daß es in der Bretagne nicht schneit, aber dieser Jemand muß sich geirrt haben. Weißer Sturm bildet einen zweiten Mantel um jeden der Kontrahenten und verbirgt die Außenwelt vor ihren Blicken. Mit erhobenem Zauberstab geht Draco auf den Anderen zu, gemessenen Schrittes. Nicht langsam – das heißt zögernd, nicht schnell – das heißt aufgeregt. Und Benson verzieht den Mund zu einem dunklen, anziehenden Lächeln.
„Nun, Kleiner. Hast du etwa Rachegelüste mitgebracht? Ich freue mich darauf."
Draco schweigt und reagiert nicht. Er bleibt nichteinmal stehen. Stattdessen konzentriert er sich auf die Leere in seinem Kopf, die ein dahergelaufener gewöhnlicher Zauberer nicht durchbrechen kann.
Ja, versuch es nur. Poch gegen meine Barriere und verschwende deine Kraft.
Er lächelt überlegen, als die Schönheit aus dem plötzlich wutverzerrten Gesicht des anderen verschwindet. Dann schickt er seinen Fluch los. Leise.
„Avada -"
Plötzlich ist sein Gegner verschwunden, nirgends mehr zu sehen. Er muß disappariert sein. Wohin? Mach dir keine Gedanken wegen des Zaubers. Er hat ohnehin nicht funktioniert. Nächstes Mal anders. Wohin würde ich – Natürlich.
Beiläufig einem Betäubungsfluch ausweichend läuft Draco zum Turm. Beim Näherkommen kann er oben eine Gestalt erkennen, deren Umhang weht, Stab erhoben.
Nur weil er weiß, was Benson plant, kann Draco noch knapp ausweichen, aber er stolpert dabei über eine Wurzel und stürzt. Ein scharfer Schmerz durchzuckt ihn, als sein Hüftknochen mit dem Felsboden Bekanntschaft schließt. Atemlos zwingt er sich wieder auf die Beine und macht einen Hechtsprung ins nächste Gebüsch. Neben ihm brennt ein Blitzstrahl ein Loch in den Schnee. Der Busch wird nicht lange Schutz bieten können. Er muß weg hier. Ziel, Entschluß. Ruhig. Hier, drei Meter nach links, sechs nach oben. Steingemäuer. Klare Luft.
Eine Sekunde lang kann er nicht atmen, dann steht er auf der Aussichtsplattform des Turms, Meter über dem Geschehen. Sein Feind, der über die Mauer gebeugt gestanden hat, fährt herum.
Draco zögert nicht mehr. Er beginnt, ein wildes, stummes Geschützfeuer von Sprüchen auf den anderen abzufeuern. Der blockt, doch für Gegenangriffe bleibt ihm keine Zeit. Es geht um den längeren Atem. Einer der Flüche trifft mit Wucht die Mauer hinter dem Todesser und schlägt ein kanonenkugelgroßes Loch hinein. Benson zuckt zurück. Einen Augenblick lang wiegt Draco sich in Sicherheit, zu lange.
„Sectumsempra!"
Sich aus der Schußlinie werfend entgeht er einem Teil des Fluchs, der Rest trifft ihn schmerzhaft in den Arm und reißt eine lange Wunde. Doch auch sein Gegner scheint aus dem Gleichgewicht. Niemand greift an. Keiner kommt dem anderen zuvor.
Sie stehen einander wieder gegenüber, wachsam.
Eiskalter Wind von der See, auf den die Kämpfenden bisher nicht geachtet haben, umweht sie mit beißender Schärfe.
„Seit wann glaubst du, stärker als ich sein zu können, Junge? Wir beide wissen doch, daß Du das nie warst."
Draco packt seinen Zauberstab fester und versucht, das Brennen des Schneewindes in der Wunde zu ignorieren. Er schweigt.
„Vor Angst die Sprache verloren?" Der Mann grinst. Leckt sich über die Lippen, eine einzige provokative Geste.
Aber so viel der sich einbilden mag, denkt Draco, er ist nur ein Mann, ein Zauberer gegen einen anderen.
„Hier hast du keine Hilfe." sagt er laut, und gleichzeitig im Stillen: „Expelliarmus."
Im wehenden Schnee hat eine Klarheit, die der Kälte entspricht, von seinem Denken Besitz ergriffen, und in derselben Klarheit beobachtet er reglos, wie der andere vom Kraftschub des Spruches nach hinten geschleudert wird, der Zauberstab ihm aus der Hand rutscht, er hinter sich greift und nur Leere anstatt einer Mauer findet.
„Stupor!"
Ein weiterer unsichtbarer Schlag trifft Benson in die Brust. Er taumelt und fällt, knapp neben dem Riß in der Brüstung. Innerhalb eines Gedankens -Accio – hält Draco den Zauberstab des Anderen in der rechten Hand, während er mit der Linken zielt. Auf irgendeine Weise muß es zu Ende gebracht werden.
Einen endlosen Moment lang regt sich nichts. Bekannte Stimmen vom Fuß des Turms, Flüche brüllend, werden vom Wind an sein Ohr getragen. Nässe auf seinem Hemd gefriert wie der Atem, der aus seinem Mund kommt. Es ist plötzlich erschreckend kalt.
Der Todesser sagt nichts mehr und starrt in die Spitze des Stabs, der auf ihn gerichtet ist. Weitere Rufe aus der Ferne, verschiedene Stimmen. Und eine bekannte schreit ein altvertrautes Wort. Crucio. Laut. Dann lacht sie schallend. Unter dem Lachen brüllt jemand in unerträglichem Schmerz.
Während Benson wieder zu lächeln beginnt, flimmert die Luft vor Dracos Augen. Schwer atmend reißt er sich aus der Erstarrung, die die Kälte und der Sieg um ihn gebaut haben, Hagelkörner bohren sich in die blutende Wunde in seinem Arm. Blutverlust, vergessen. Beinah schwanke ich. Tu das nicht, bleib stehen. Du mußt dort nach unten und handeln. Es ist Ginny, die schreit.
Er ist einen Moment zu lange abgelenkt gewesen. Schneller, als er reagieren kann, rollt sich Benson zur Seite und wirft sich in die Luke am Boden, die zu den Treppen nach unten führen muß, außerhalb von Dracos Sicht und damit außerhalb seines Wirkungsbereichs. Es ist keine Zeit, ihm nachzusetzen und keine Zeit, sich auf mehr als eine Sache zu konzentrieren. Das Schreien unten hält an. Entschlossen fokussiert er seine Aufmerksamkeit ein zweites Mal auf das Durchschreiten des Raumes, obwohl es diesmal viel schwieriger ist und so vieles ihn ablenkt. Ziel, Wille Bedacht – unten, Erde, Kampf. Er appariert.
Der Kampf tobt noch immer, so daß sich wohl sonst niemand auf Ginny konzentrieren konnte, die sich auf dem vereisten Boden windet, ihr gegenüber in zehn Schritten Entfernung Dracos alte Bekannte Emily Benson, das Gesicht im Lachen abschreckend, wie er sie selbst erlebt hat. Sie wendet den Kopf, um ihm in die Augen zu sehen. So schnell die lähmende Kälte es erlaubt hebt er den Arm.
„Sectumsempra!" schreit er, Schlimmeres vermeidend.
Sie hat nicht einen Moment lang mit seiner Gegenwehr gerechnet und sich zu sehr auf die Freude eingelassen, die sie anscheinend verspürt, wenn sie jemandem Schmerzen zufügen kann. Wie oft er sie so lachen gesehen hat, und nun fällt sie, mit aufgerissener Brust, und er würdigt sie keines weiteren Blickes und läuft zu der anderen Frau, die am Boden liegt.
Ginnys Gesicht ist verschmiert von Tränen, Schnee und dem Sand unter ihr, sie bewegt sich nicht, atmet flach, mit geschlossenen Augen. Als er sie berührt tropft sein Blut, das er vergessen hat, in ihr Haar.
Zitternd öffnet sie die Augen und schielt vage in seine Richtung.
„Schon gut", flüstert er und nimmt sie in die Arme, sanft, weil er weiß, daß sie sich fühlt, als würde sie zerquetscht von jeder Berührung. „Es geht vorbei." Er versucht zu lächeln. „Ich weiß es. Du kannst mir ruhig glauben." Aus ihrer Kehle entringt sich ein schiefer wimmernder Laut, und er sieht eine weitere Träne ihre Wange herablaufen. Vielleicht ist es zu spät, trifft ihn ein panischer Gedanke. Ich weiß nicht, wie viel sie aushält, manche sind schon daran gestorben, andere haben bleibende Schäden davongetragen. Allein die Vorstellung läßt seinen ohnehin knappen Atem stocken. Er schnappt nach Luft. Auf einmal schraubt sich der scheinbar auf lautlos gesunkene Lärmpegel um ihn wieder nach oben. Er hört den Kampf und die Rufe, die nicht nachgelassen haben. Sie werden Hilfe brauchen. Er sieht sich um, doch im selben Moment ist ihm klar, daß er keine Hilfe sein wird, und die Ruhe um ihn und Ginny nicht lange anhalten kann. Neville, zu Lunas Hilfe stolpernd, sieht herüber. „Bring sie weg!" ruft er, oder das ist, was Draco versteht. Der Weg zum Dorf ist zum Laufen viel zu weit entfernt, und er glaubt, sich kaum auf den Beinen halten zu können. Das ist das letzte Mal für lange Zeit, schwört er sich selbst, als er, Ginny in den Armen haltend, noch einmal seine Konzentration sammelt und den Weg in die Sicherheit magisch überbrückt. Hinter sich läßt er Vieles, unerledigt.
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Im Dorf ist noch kaum jemand auf den Straßen, der Wind immerhin wird geblockt durch die Häusermauern, aber die Kälte bleibt.
Er weiß kaum, wie es geschieht, daß er Hilfe ruft, Leute zusammenlaufen, Fremde, die sich um ihn kümmern, andere, die zum Kampfplatz eilen, um Potters Leuten beizustehen. Seine Aufmerksamkeit ist zu sehr von ihr beansprucht, während er ihr beruhigende Wortfetzen ins Ohr murmelt. Alles ist noch zu frisch, um Distanz gewinnen zu können oder am Boden der Tatsachen anzukommen.
Einer, der sich als Medizauberer vorstellt, nimmt Ginny aus seinen Armen. Im Schutz der Hütte des Arztes sitzt er an ihrem Bett, bis sein Atem wieder gleichmäßiger wird und er begreift, daß er selbst eine Pause braucht und sie ihre Ruhe, um zu schlafen. Nur schlafen, sonst ist alles in Ordnung mit ihr. Sie ist stark.
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Bitte reviewt, es ist eure vorletzte Chance. :)
