Also dann, das ist das neunzehnte Kapitel, und das letzte.

Ich danke Black Zora, Klein Eli und allen anderen, die mich über die Monate mit Reviews beglückt haben. Ihr seid wunderbar!

Über abschließendes Feedback riesig freuen. Und sagt mir, was ihr als nächstes von mir lesen wollt. Ich gedenke nämlich nicht, mit dem Kritzeln aufzuhören. Was wünscht ihr euch?

So, genug der Vorrede.(Ich bin nervös und glücklich). Genießt das Lesen. Ich hoffe, wir sehen uns wieder. Raona.

Die Möglichkeit der Bewegung

Eine Geschichte aus dem „Versus die Prophezeihung"-Kontext

von Raona

Neunzehn: Frei

Das Haus des Heilers hat einen Flur, eine Wohnküche, einen Behandlungsraum, ein Schlafzimmer. In der Küche gibt es eine alte Holzbank, auf der Draco sich niederläßt und wartet. Durch die beschlagenen Fenster fällt schwach das Licht des beginnenden Tages und erinnert ihn, wie wenig Zeit vergangen ist, seit er heute morgen mit guter Laune das Frühstück geholt hat. Das Frühstück steht verlassen neben dem Bett im Wirtshauszimmer, wenn niemand es weggeräumt hat.

Was wird jetzt sein, da wir Potter gefunden haben? Wohin werde ich gehen? Wer kommt überhaupt zurück aus dem Kampf? Ich könnte zu Lupin gehen, er kann meine Hilfe sicher brauchen, was auch immer seine Aufgabe ist.

Tick Tack. Eine altmodische Standuhr in meinem Inneren. Schließ die Angst in die unzugängliche Kammer in dir, wo sie kein Fremder entdecken kann. Denn du weißt jetzt, daß es diese Kammer gibt und daß sie nicht zerschlagen wurde, wie du gedacht hast. Gesiegt, auf seltsame unerwartete Art. Ja, und nun?

Kein „und nun". Abwarten, Tee trinken. Und ich glaube fast, es ist wahr, ich kann reagieren auf das, was kommt.

Weiterhin vergeht die Zeit gemessen in Atemzügen, dann in Teeschlucken. Die Frau des Heilers schaut vorbei und sagt, daß keiner der „mutigen jungen Leute" umgekommen ist. Ihr Mann kümmere sich um die Verletzten.

Er fragt nach den Todessern, aber darüber, sagt sie, weiß sie nichts.

Zu müde, um aufzustehen und nachsehen zu gehen, was mit all den anderen ist, und sowieso ist es besser, hierzubleiben, am eigentlich relevanten Ort, und zu sehen, was geschieht. Vielleicht ist er ein paarmal eingenickt, aber im Großen und Ganzen hat er gesessen, in der Ecke der Bank hinter dem großen Tisch verborgen, Tee getrunken und die Gedanken abgewendet.

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Dann öffnet sich die Tür und Potter kommt herein. Als ihre Blicke sich für einen kurzen Moment treffen, scheint Potter nicht zu wissen, welche Maske er auflegen soll und sieht nachdenklicher aus, als Draco ihn kennt. Schließlich entscheidet er sich für ein leicht irritiertes Nicken und geht durch die Küche vorbei an ihm in das Zimmer, in dem Ginny schläft.

Kein Wort dringt durch die dicken stabilen Holztüren, die die Zimmer trennen. Ist Ginny aufgewacht? Unterhalten sie sich?

Versöhnen sie sich, oder streiten sie?

Was bleibt von den letzten Wochen, wenn wir unser verdammtes Ziel erreicht haben und sie wieder Potter in die Arme fallen kann? Er wird begreifen, was sie an ihm auszusetzen gehabt hat, er wird ihre Argumentation nachvollziehen können, und dann wird er sie zurückhaben wollen, und warum sollte sie nicht zurückgehen wollen, nunja, abgesehen davon, daß es Potter ist, aber sie liebt ihn immerhin. Sollten ein, zwei Wochen reichen, alles für sie umzukrempeln, was sie gewollt hat? Soll ich reichen?

In seinem Magen wühlt etwas ähnlich wie Angst. Es flackert auf und nieder. Vorhin noch ist es nicht dagewesen, aber jetzt, da ihm auf einmal aufgeht, was er gedacht hat, rumort es stärker und stärker. So, wie sich all das anfühlt, denkt er und seine Sicht verschwimmt, wäre es möglich. Ich erwäge es. Ich erwäge, daß es möglich sein könnte, sie entscheidet sich nicht für Potter, sondern, was immer das heißen soll, und es ist ungefähr Blasphemie, das zu denken, sie entscheidet – für mich. Nicht, daß das überhaupt die Alternative ist, die sich stellt, er oder ich. Und gut ist es nie, Happy Ends zu imaginieren. Sie stellen sich zu selten ein. Aber.

Die Luft der letzten Sekunden hat sich in seiner Lunge gesammelt. In einem Stoß atmet er aus und rutscht von der Bank hinter dem Tisch. Hier drin wird es zu still, zu einsam und zu heiß. Die Gedanken drehen zu eindimensional in seinem Kopf. Er braucht frische Luft. Und er wird nie und nimmer hier sitzen und auf Potters Gesicht warten, wenn der das Schlafzimmer verläßt.

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Trotz der Kräuter hat sie unruhig geschlafen; sie ist nicht müde gewesen, nur, damit der Nachklang dieser Schmerzen abgestellt werden kann, hat sie sich überhaupt auf das Bett legen lassen. Träume haben sie verfolgt, in denen Kälte und Wärme, Blut und Schnee sich abgewechselt haben. Wie Fieberträume. Jetzt greift sie blind nach der Kanne, die vorhin auf dem Nachttisch gestanden hat, und deren Inhalt angeblich gut gegen das Zerren in ihren Gliedern sein soll, das sich noch immer anfühlt, als würde sie in Stücke gerissen. Wie hat Draco das nur mehrere Male ausgehalten? Allein die Erinnerung daran, wie der Fluch sich angefühlt hat, bringt sie schon wieder zum Weinen. Sie ist sicher gewesen, sterben zu müssen, und schlimmer, sie hätte es begrüßt, sie hätte den Tod gern angenommen, wie alles, das sie daraus befreit hätte. Dann hat es auf einmal aufgehört. Sie ist eine offene Narbe gewesen, nichts Vollständiges mehr. Bruchstücke, die durch alles sie Berührende nur noch zu kleineren Teilen schmelzen.

Er hat recht, es ist besser geworden. Und womit er auch recht hatte, ist, daß sie keine Lust hat, sich auseinanderzusetzen, sondern einfach nur vergessen will. Deshalb dieses warme ekelhaft schleimige Zeug in der Kanne. Schnell.

Jemand drückt ihr einen Becher in die Hand und sie trinkt, ohne die Augen zu öffnen. Als sie innehält, wird ihr bewußt, daß sie keine Augen braucht, um zu wissen, wer sie besuchen gekommen ist. Zu lange hat sie sich an seinen Geruch gewöhnt, und er beugt sich über sie, so daß sie sein Haar riechen kann. Ein Lächeln entsteht auf ihren Lippen; sie blinzelt und sieht ihm in seine einzigartigen grünen Augen.

„Ist alles gutgegangen?"

Harry nickt. „Keinem ist was Schlimmes passiert." Er zögert. „Es war gut, daß ihr in der Nähe wart."

Einen Moment lang, ohne daß etwas geschieht, mustern sie einander. Dann fällt ihr ein, wie oft sie ihn in ihren Alpträumen der letzten Monate tot und leidend gesehen hat, wie sehr sie gefürchtet hat, ihn nie finden, ihm nie helfen zu können. Wie wütend sie gewesen ist, als er sie im Stich gelassen hat, um zusammen mit ihrem Bruder und ihrer Freundin einfach zu verschwinden. Angst, Zorn, Hilflosigkeit, all das wogt wie eine schmutzige Welle über sie, und Tränen schießen aus ihren Augen. „Wo..". Ihre Stimme versagt, sie hustet. „Wo in aller Welt bist du gewesen, Harry. Euch zu finden war die Hölle."

Hilflos tätschelt Harry ihre Schulter. „Du weißt doch, ich wollte dich nicht in Gefahr bringen..."

Sie schüttelt den Kopf, zu erschöpft, um zu schreien, wie sie es Ron gegenüber getan hat. „Warte." sagt sie leise, richtet sich auf, und als er ihr aus dem Weg gehen will, wirft sie die Arme um seinen Hals und hält ihn fest. Er legt seine Arme um sie, sie birgt ihren Kopf an seiner Schulter, läßt seinen Geruch zu sich vordringen und weint ein bißchen.

Er kann damit nicht umgehen, konnte es noch nie und tätschelt unbehaglich ihren Rücken, bis sie ihn aus der Umklammerung entläßt, um sich ihm gegenüber im Schneidersitz auf das Bett zu setzen.

Sie schweigen. Ginny tastet nach Harrys Hand, die er ihr überläßt.

„Keinem was Schlimmes...", wiederholt sie fragend. Er nickt.

„Also was hast Du jetzt vor? Wollt ihr wieder weiterziehen und uns wieder allein lassen?"
„Ich wußte nicht, daß du deshalb so traurig gewesen bist. Du hast doch gesagt, es wäre okay."

Ginny zuckt die Schultern. „Ich wollte eben eine gute Freundin sein. Aber daß ihr alle einfach verschwindet..."

„Ich... tut mir leid. Es war meine Aufgabe. Hermione und Ron hätten mich nicht allein gehen lassen." Er läßt ihre Hand los, weil er seine braucht, um nervös sein Gesicht zu befingern. „Ich hab dich vermißt."

So weit ist er nie gegangen, er redet nicht über Gefühle, und in ihrem Magen stockt etwas und wird hart und warm. Aber irgendwie kann sie nicht „ich dich auch" sagen, obwohl sie so empfindet, und die Szene oft in ihren Wachträumen durchgespielt hat mit Liebeserklärung und allem, was dazugehört, außer, daß sie da keine Schmerzen gehabt hat, die nichts zu tun haben mit übersprudelnden Gefühlen.

„Können wir..." Er stockt und sie hält den Atem an. Dann sagt er nichts mehr, beugt sich vor und küßt sie. Vertraut, harmonisch, schön fühlt es sich an, kribbelnd sogar. Sie läßt sich gehen und küßt ihn zurück. Wie viele Male, die alle gestrahlt haben, im Licht eines endlich erfüllten Traums.

Harry zu küssen kann man mit nichts vergleichen.

„Heißt das, du willst wieder mit mir zusammen sein?"

Er lächelt glücklich und nickt, schüchtern nach unten sehend. „Oder ich glaube zumindest. Ich meine, ich mache mir immernoch Sorgen... Ich muß versuchen, Voldemort zu besiegen. Hermione sagt, ich könnte das schaffen." Aus den Augenwinkeln sieht er sie an. „Was meinst du?"

In Ginnys Innerem rumoren ihre Entscheidungen. „Ich denke auch, daß wir ihn besiegen können. Wenn wir alle zusammenarbeiten. Niemand ist unbesiegbar, Harry."

Sein Blick trifft wieder ganz den ihren, und ihn fixierend glaubt sie zu sehen, daß etwas, das sie nicht kennt, dort verborgen liegt, etwas, das er gerade enthüllen will, doch er kann selten lange in ihre Augen starren und sie entschlüsselt nicht, was er ihr nicht sagt. Das Geheimnis verschwindet und was bleibt ist eine sehr simple Frage.

Langsam rutscht sie auf dem Bett ein Stück nach hinten, weg von ihm, und lehnt sich gegen die Wand. „Du bist dir doch auch jetzt noch nicht ganz sicher, ob du mich überhaupt dabei haben willst, Harry."

Zurückgestoßen, oder entlarvt, setzt er sich auf.

Sie nimmt einen tiefen Zug der kühlen und leicht rauchigen Zimmerluft.

„Ich liebe dich, Harry." Ihr Herz schlägt. „Das hab ich schon seit ziemlich langer Zeit gewußt, und ich glaube nicht, daß ich je aufhören werde, dich zu lieben. Aber wir sind nie ein wirkliches Team gewesen, oder was meinst du? Ich meine, hast du mich schonmal gefragt, was ich zu einer wichtigen Sache denke? Oder was ich empfinde? Außer dann, wenn du einfach Bestätigung wolltest?"

Während sie redet, spürt Ginny die Tränen über ihr Gesicht laufen, die dorthin gehören; keine Verzweiflung. Harry sitzt bewegungslos in seinem Stuhl.

„Ich will dir keine Vorwürfe machen, denn ich habe ja auch nie vorher was gesagt. Ich bin glücklich mit dir gewesen, nur habe ich mich jetzt geändert, und ich glaube, das ist es nicht mehr. Ich bin kein kleines Mädchen mehr. Ich bin nicht die Freundin vom Helden." Ihre Augen und Wangen sind nasser geworden, je mehr sie gesagt hat, und vielleicht, denkt sie, bin ich nun doch verzweifelt, weil ich gar nicht weiß, warum genau ich das tue, und es ist nicht fair, aber anders wäre es das auch nicht, und besser jetzt, als zu spät, zu einer noch schlechteren Zeit.

„Du machst Schluß?"

„Ich... fange nur nicht wieder neu an. Zumindest nicht jetzt. Tut mir leid. Es fühlt sich einfach so an. Das ist vor allem der Grund."

„Stimmt es, daß du was mit Malfoy hast?"

Damit hat sie nicht gerechnet. Lügen gegenüber Harry ist keine Option, und warum sollte sie auch?

„Ron hat's behauptet", fügt er hinzu.

Ein neuer tiefer Atemzug.

„Ja, das stimmt, aber es hat mit der Sache hier nichts zu tun."

„Wie soll ich das denn glauben können?"

„Vielleicht, Harry, weil ich dich noch nie angelogen habe. Warum, verdammt, sollte ich das tun? Es hat nichts miteinander zu tun. Ich hab mir diese Gedanken schon lange vorher gemacht, die ganzen letzten Monate hindurch, während wir euch gesucht haben. Ist mir klar, daß dir das alles seltsam vorkommt, aber es ist so, wie ich es dir sage."

Weil er während des Wortwechsels nicht weggeschaut hat, typisch für ihn, kann er ihren Blick sehen und sieht vielleicht, daß sie es ernst meint, denn er fragt nicht weiter. Aus seiner Haltung spricht Resignation anstatt von Wut.

„Na gut. Ich bin vielleicht zu spät gekommen."

Sie zuckt die Schultern.

„Darf ich dich trotzdem in den Arm nehmen? Mir ist alles zu viel. Es war besser letztes Jahr, als du da warst und Dumbledore noch gelebt hat."

Sie rutscht nach vorn. Beide umarmen sich; er hält sich an ihr fest. Sie fühlt sich wie ein Monster und wie sie selbst zugleich und fragt sich ein bißchen, ob sie das Monster ist.

Trotzdem will sie so sitzenbleiben. Illusion vergangener Tage.

Nach einer Weile schmerzt ihr Rücken zu stark vom Druck, so daß sie ein Wimmern nicht unterdrücken kann. Harry läßt los.

„Ich geh zu den anderen, ja? Dann kannst du schlafen."

„Grüßt du Ron?"

„Klar. Schlaf gut."

„Komm wieder. Verschwinde nicht einfach, bitte."

Ein wenig lächelt er, nickt, geht dann zur Tür, nicht ohne noch einmal zu ihr zurückzuschauen, und hinaus, die Tür schließt sich. Sie ist allein und sehr, sehr müde.

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Draco hat das Nachdenken vergessen und durchstreift das Dorf, bis es keine Ecke mehr gibt, an der er nicht abgebogen ist, und die Müdigkeit ihn beinah zum Taumeln bringt. Keiner der anderen kreuzt seinen Weg, so daß ihn schließlich die reine Willkür zum Hotel treibt, in dem immerhin seine Sachen noch liegen müssen und ein Bett und Ruhe vielleicht.

Jemand hat in der Schankstube gelüftet, so daß nur in den Möbeln ein Rest widerstandsfähigen Rauches geblieben ist, sonst ist die Luft frisch und kühl. An den Tischen sitzen wenige Dorfbewohner; dazwischen Neville Longbottom, das Gesicht in den Händen verborgen, Ellenbogen auf die Tischplatte gestützt. Ihm gegenüber nippt Granger an einem Becher Kaffee.

Zu erschöpft, um nervös zu sein, geht Draco auf den Tisch zu und läßt sich auf den Stuhl neben Neville fallen. Granger steht ohne ein Wort auf und verläßt mit der Kaffeetasse den Raum in Richtung Treppe.

Mit kleinen Augen schielt Neville zwischen seinen Fingern hindurch, dann nimmt er die Hände herunter. Ein faustgroßer blauer Fleck unter seiner rechten Braue hat sich gegen Heilungversuche offenbar resistent erwiesen.

„Alles in Ordnung?" Eine ständig wiederverwendbare Frage, zehnmal am Tag.

„Mm. Das Veilchen tut weh, aber wenigstens ist mit den anderen alles okay. Cho hat's ziemlich übel erwischt, aber die Dorfleute sind uns noch rechtzeitig zu Hilfe gekommen, um sie rauszuholen. Ron hat gerade erst aufgehört, sich zu übergeben. Aber ihm passiert immer sowas. Oh." Er grinst schwach. „Das weißt du."

Draco nickt. „Gibt's hier noch ein freies Zimmer, in dem ich schlafen kann, oder sind alle zu Krankenquartieren umfunktioniert worden?"

„Bestimmt nicht alle." Mühsam erhebt sich der Junge. „Ich komme mit nachschauen. Der Kaffee hilft nicht mehr. Und dabei ist es noch nichtmal dunkel."

Sie steigen äußerst langsam nebeneinander die Holztreppe empor.

„Gin, wie geht es ihr?"

„Es ist schon wieder ein paar Stunden her, daß ich sie gesehen habe, da schlief sie. Potter... hat doch mit ihr gesprochen?"

„Harry? Keine Ahnung. Ich war hier bei Cho. Aber sie wird doch wieder?"

„Sonst hätten wir schon etwas gehört."

Er öffnet die Tür zu seinem Zimmer, in dem niemand die Nacht verbracht hat; auch jetzt ist es leer und ruhig, zwei schmale Betten stehen darin, und beide Ankömmlinge denken nicht mehr weiter als bis zu den Kissen und Schlaf.

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Spät am Vormittag erst wird Draco von der Sonne geweckt, die wohl gerade jetzt hinter den Wolken hervorbricht. Sofort hellwach spritzt er sich mit dem Zauberstab Wasser ins Gesicht und verläßt den Raum, in dem Neville noch schläft.

Gestern noch, denkt er, habe ich gewartet, daß sie auftaucht, und ich wäre nicht zurückgegangen, aus Angst, Potter zu begegnen. Aber wieso sollte ich Angst vor Potter haben? Sollte ich deshalb nicht zu ihr gehen? Reiß dich am Riehmen, Malfoy, ermahnt er sich, aber er merkt, daß er sich längst auf dem Weg zum Haus des Heilers gemacht hat und es der Ermahnung nicht wirklich bedarf. Noch bin ich nicht lange wach genug, um mir Sorgen zu machen, und dabei kann es von mir aus auch bleiben.

Sie steht vor dem Haus an die Wand gelehnt und läßt die geschlossenen Augen von der Sonne bescheinen. Wie gestern ist es klirrend kalt, und sie zittert leicht unter Wintermantel und Schals. Einen Meter vor ihr bleibt er stehen. Ob sie seine Schritte erkennt?

Sie blinzelt.

Sie blinzelt, dann reißt sie die Augen auf und schenkt ihm ein großes, erleichtertes Lächeln. Er weiß nicht mehr, was er sie fragen wollte; nur, um es festzustellen, gleitet er neben sie und berührt leicht ihren Arm. Das könnte helfen, er hat es im Gefühl. Und es stimmt: er beobachtet wie von fern, aber doch von direkt bei ihr, wie ihre Hand im Handschuh sich in den Ärmel seines braunen Mantels verkrallt, und sieht sie an. Ihre Gesichter sind fast auf gleicher Höhe, nur einen halben Kopf kleiner ist sie als er. Ihre Ohren sind rot und ihr Haar steht zu Berge.

Kein Kloß ist mehr in seinem Bauch, aber trotzdem will er nicht sprechen.

Ginny tritt ein Stück auf ihn zu, so daß sie nun an ihm lehnt anstatt an der Hauswand, und sie beugt sich nach vorne oben. Ihre Wange berührt sein Kinn. Ihre Strähnen kitzeln die Haut neben seinem Mund.

„Muß ich was sagen?" fragt sie in sein Ohr, dann spürt er ihr Grinsen sich ausbreiten, sie kichert, läßt ihn los, und die scheinbare Zerbrechlichkeit des Moments ist zerstört. Er atmet aus, als die Anspannung weicht, deren Anwesenheit ihm jetzt erst bewußt geworden ist.

Nebeneinander lehnen sie an der Mauer und schauen ins Nichts. Draco schließt die Augen.

„Gehst du zu Potter zurück?" fragt er ins Leere.

„Nein", hört er sie antworten. „Ich schaue, was mir noch so passieren kann, ohne ihn. Weißt du, ich mag die Vorbestimmtheiten nicht mehr. Ich glaube nicht an sie, also warum soll ich so tun als würde ich?"

Kein Zittern im Inneren. Keine verzweifelte Hoffnung darauf, daß sie dies oder jenes tut.

Aus irgendeinem Grund hat er eigentlich keine Angst.

„Kommst du mit Horcruxe suchen?" flüstert sie, direkt neben ihm, denn er fühlt ihren Atem. Er lacht, öffnet die Augen und sieht sie an, oder das, was er sieht, ihre Sommersprossen im Winter, von nah riesengroß in ihrem strahlenden Gesicht, Millimeter von seinem.

„Natürlich", sagt er. „Was glaubst du wohl?"