Kapitel 3

Sie trug eine schwarze Caprihose und passende Sandalen. Dazu ein Oberteil, welches in einem sommerlichen Sonnengelb strahlte. Ihre roten Haare waren locker am Hinterkopf zusammengebunden und auf ihrem Kopf steckte, im Haar befestigt, eine Sonnenbrille, die sie gerade, bei Betreten des Gebäudes lässig nach oben geschoben hatte.

Gregory beobachtete sie, seit die Glastüren für sie auseinander geglitten waren. Wilson, dessen Stimme er nur noch als Rauschen wahrnahm, ließ er links liegen und stattdessen setzte er sich in Bewegung, um ihr entgegenzugehen. Sie lächelte ihn an, und ihre Augen strahlten. Das veranlasste House seinem Schritt eine größere Würde zu verleihen, und er versuchte, das Humpeln bestmöglich aus seinem Gang zu verbannen.

Als sie beide sich schließlich mitten in der Eingangshalle gegenüberstanden, konnte er ihr endlich direkt in die Augen sehen. „Was machst du hier?", hörte er sich sagen, und er spürte das Lächeln, welches sich auf seine Lippen zu brennen schien, und sein Herz setzte einen Moment lang aus, als sie antwortete: „Ich wollte dich sehen."

Mit diesen Worten schlang sie ihre Arme um seinen Hals und in dem Augenblick, als Gregs Lippen ihre berührten, wurde plötzlich alles um ihn herum schwarz. Auch Keira war verschwunden, und House blinzelte einige Male, bevor ihm bewusst wurde, wo er sich befand. Im schummrigen Licht, welches durch die milchige Scheibe in der Zimmertür drang, erkannte er ihre regungslose Silhouette. Er war auf dem Stuhl neben ihrem Krankenbett eingeschlafen und hatte geträumt. Genau so hätte es sein können. Aber du mit deinen ewigen Zweifeln. Dachte er und klappte den Wälzer auf seinem Schoß geräuschlos zu. Er hatte sich hier versteckt, nachdem Wilson ihn mit Worten aus seinem Büro vertrieben hatte. Die Jalousien zum Flur waren zugezogen und während er nach einer Möglichkeit gesucht hatte, die ausschloss, dass ihre anhaltende Bewusstlosigkeit allein auf eine größere Schädigung ihres Gehirns zurückzuführen war, überwachte er ihre Vitalfunktionen und war einfach nur hier, für den Fall, dass sie erwachen würde. Er ließ das Buch auf den Nachttisch gleiten und lehnte sich zurück, während er mit der rechten Hand seine linke massierte und andersherum. Was ist hier schief gelaufen? Ich bin der Arsch in diesem Szenario und verdammt noch mal ICH sollte auch dort liegen, wo sie jetzt liegt.

Ein Vibrieren in seiner Hosentasche riss Greg aus seinen Gedanken, und er blickte auf das blau leuchtende Display des Pagers. Die Laborergebnisse sind da. Dachte er. Beinahe in Zeitlupe erhob er sich und suchte Halt auf seinem Stock. Einen Schritt vorwärts getreten, sah er direkt auf sie hinunter. Mittlerweile hatte ihr die Schwester andere Kleidung angezogen, sie gewaschen und sogar ihr Haar geordnet und gekämmt. Sie hätte auch auf einer Liege am Strand liegen und in der Sonne dösen können, so friedlich ruhten ihre Augen, und die Hände waren auf ihrem Bauch gefaltet. Wären da nicht Kanülen in ihrem Arm und der Tubus, der ihre Atemwege freihielt, angeschlossen an einem Beatmungsgerät, welches ihren blessierten Körper mit Sauerstoff versorgte. Greg widerstand der Versuchung nicht, ihr eine widerspenstige Strähne aus dem Gesicht zu streichen und legte anschließend seine Hand auf ihre, doch es war nicht dasselbe. Er erinnerte sich an ihre Geste vom gestrigen Abend, doch House bemerkte, dass er bei weitem nicht befähigt war, den gleichen Trost zu spenden wie sie, durch solch eine einfache Geste. Er presste seine Lippen zu einem feinen Strich zusammen und schloss die Augen für einen Moment, während er den Kopf in den Nacken legte und durch den leicht geöffneten Mund die Luft scharf einsog. Er wollte nicht gehen, aber er wusste, dass er es musste, wenn er ihr helfen wollte, und er wollte nichts mehr als das. Also schob er sich das Buch unter den Arm und ging in Richtung Tür. Jetzt kam es auf die Laborergebnisse an, ob er ihr helfen konnte.

House hatte kaum das Labor betreten, als Dr. Chase bereits ansetzte, ihn über die Ergebnisse in Kenntnis zu setzen: „Alle Tests waren negativ. Wir konnten vieles ausschließen, wie Hypoglykämie, Toxine, Hypotonie, Drogen, Medikamente, Apolex und eine Exsikkose in ihrem Alter auch…"

„Das heißt uns bleibt noch ein Kernspintomogramm", fiel House ihm ins Wort und Cameron hakte sofort nach: „Sie gehen also davon aus, dass ihre Schädel-Hirn-Verletzungen durch einen Stoß, oder harten Gegenstand derart schwer sind, dass eine Schädigung der Großhirnhälften oder des Hirnstammes vorliegt?"

„Können wir das ausschließen?", stellte Gregory die gefürchtete Gegenfrage.

„Aber es konnten keine größeren Frakturen an ihrem Kopf festgestellt werden", schränkte Chase ein.

„Das ist korrekt, aber bereits Mikrofrakturen einzelner Nerven in ausreichender Menge, können zu einem komatösen Zustand des Patienten führen", korrigierte House, „Sie beide werden sich darum kümmern, dass der Kernspintomograph frei ist, oder frei wird. Dieser Fall hat Priorität. Im Notfall werfen sie die anderen raus. Ich bürge mit meinem Namen, falls jemand fragt. Ich will die Ergebnisse so schnell wie möglich."

Sowohl Chase, als auch Cameron nickten knapp und machten sich an ihre Arbeit. Als sie das Labor verlassen hatten, gönnte sich Greg einen Moment der Ruhe. Er atmete tief durch, wurde aber kurze Zeit später von Foreman unterbrochen, der in der Tür Stellung bezogen hatte: „Wieso haben sie mir die Aufgabe erteilt, die Familie der jungen Frau ausfindig zu machen, House?"

„Nun ja, ich kann sie nicht leiden. Noch viel weniger kann ich es leiden auf Beerdigungen angepiept zu werden, um dafür zu sorgen, dass sie sich nicht überarbeiten", konterte er, wandte sich seinem Gegenüber zu und setzte sich langsam in Bewegung, um auf ihn zuzutreten.

„Sie haben keine Tante, House", stellte Eric trocken fest, „Ich hab mich nicht über sie informiert, um das irgendwann gegen sie benutzen zu können, falls sie das denken. Ich wusste schon vorher, dass sie keine Tante haben. Habe es aber für mich behalten. Ich habe ihnen, gegenüber Cuddy, schon viele Male den humpelnden Arsch gerettet, und wie bedanken sie sich? Sie lassen mich eine Großfamilie benachrichtigen, die es gar nicht gibt. Sie wussten, dass ich mich tot suche, das habe ich ihnen sofort angesehen, aber die Frage, die sich mir stellt ist: Warum? Cameron ist die bessere Seelsorgerin von uns dreien."

„Ich wusste, dass sie mich nicht verpfeifen, Foreman. Und ich wusste, dass sie das für mich erledigen, worum ich sie gebeten habe, ohne zu fragen: Warum?"

„Sie meinen diesen Zettel hier?", der junge Arzt wedelte mit einem aufgefalteten Stück Papier, „Warum sollte ich den Eltern nicht die ganze Wahrheit erzählen?"

„Sie wissen doch wie Eltern sind, Foreman. Ähnlich wie Wachpersonal im Knast: Immer in Sorge."

„Hören sie auf, schon wieder abzublocken. Sie sind mir hierfür", wieder wedelte er mit dem kleinen Zettel, „eine Erklärung schuldig und dass sie mich versuchen zu verletzen, lässt sie nicht drum herum kommen."

House lächelte, mit Blick auf seine Füße. Der junge Kerl hatte viel gelernt, vor allem hartnäckig zu sein und ihn so lange zu nerven, bis er die Wahrheit sagte: „Ihre Eltern wollten nicht, dass sie an die Ostküste zieht. Die Ostküste ist brutal und ein Mädchen aus dem Westen sollte hier nicht leben, jeden Tag der unmittelbaren Gefahr eines Überfalls ausgesetzt", äffte House zahlreiche namhafte Politiker nach, doch dann wurde er ruhiger und ernst: „Kurz gesagt: Sie ist ihr einziges Kind, und sie hatten Angst um sie. Na ja… sie hatten Recht, oder wie sehen sie das?", erklärte House, nicht ohne einen zynischen Unterton und einen schmerzerfüllten Blick ins Leere.

Foreman war überrascht über seine Gefühlsregung: „Sie kennen sie", war seine Schlussfolgerung, „Verdammte Scheiße, House, wieso haben sie das nicht gleich gesagt?"

„Ganz einfach: Weil ich niemanden aus Sympathie behandele, zumindest nicht offiziell."

„Glauben sie, dass nur einer hier sich geweigert hätte, ihnen zu helfen? Sie haben manchmal eine ziemlich erschreckende Meinung über uns alle."

„Hören sie Foreman. Irgendwann, wenn sie mal zum Barbecue zu mir in mein schickes Haus am Stadtrand kommen und meine wunderschönen und klugen Kinder, sowie meine bezaubernde Ehefrau bewundern, werde ich ihnen die ganze Geschichte erzählen, aber momentan liegen meine Prioritäten, nicht bei Würsten und Small Talk, und nun gehen sie und helfen sie Chase und Cameron."

Eric war nicht völlig unzufrieden mit dem Verlauf des Gesprächs. Er hatte innerhalb von wenigen Minuten mehr über House erfahren, als in den letzten sechs Wochen. Der Mann schien tatsächlich auch Gefühle zu haben und ein Privatleben. Irgendwie ließ das Ganze seinen Chef gar nicht mehr so Angst einflößend erscheinen wie früher. Er machte also kehrt und suchte Robert und Allison.

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