Kapitel 6
Gregory House hatte das Gespräch mitangehört, doch bis zum Ende geschwiegen. Sein Kopf brauchte ein paar Momente, um das Gesagte zu einem Ganzen zusammenzusetzen:
Du Idiot. Du verdammter Idiot. Du hast dich nicht nur geirrt, du hast ihr Leben gefährdet.
House schloss einen Augenblick die Augen und senkte den Kopf, bevor er ihn, wie so oft, in den Nacken legte.
Du hast Keira Unrecht getan und du bist ihr dafür eine Entschuldigung schuldig.
„Sie will mich doch gar nicht sehen", flüsterte er in sich hinein.
Würde sie sonst immer noch von dir reden?
„Ich habe sie nicht verdient. Ich bin unzumutbar. Keiner hält es wirklich lange mit mir aus. Warum sie quälen? Außerdem kann ich sie nicht glücklich machen."
Dann beweis dir selbst das Gegenteil. Aber das geht nur, wenn du zur Abwechslung mal nicht nur um das Leben deiner Patienten kämpfst.
House ließ die Luft aus seinen Lungen mit einem Mal entweichen und als er sich abwandte und seinen Blick wieder geradeaus richtete, sah er Samuel Jacobs auf sich zukommen. Der junge Mann ahnte jedoch nicht, dass House wusste, dass er gelogen hatte und wunderte sich, als der Arzt sich ihm in den Weg stellte: „Wieso haben sie mich angelogen, Mister Jacobs?", fragte Greg.
„Doktor Foreman hat mir gesagt, dass ich zu ihr könnte", wich Sam aus.
„Das beantwortet meine Frage nicht, außerdem bin ich der behandelnde Arzt, und er arbeitet für mich. Was meinen sie, wessen Wort mehr zählt?" House´ Stimme war energischer und lauter geworden und er lenkte somit die Aufmerksamkeit der meisten Menschen, die sich auf der Station aufhielten, auf sich.
„Sie können mich nicht daran hindern sie zu sehen", widersprach Jacobs und war im Begriff an Greg vorbei ins Patientenzimmer zu treten, doch dieser versperrte ihm den Weg, indem er seine Gehhilfe als Barriere zwischen dem Unbekannten und Keira einsetzte: „Ich werde nicht mit ihnen diskutieren. Sie bleiben hier, genau wo sie sind", mittlerweile waren viele Augenpaare auf die beiden gerichtet, doch Gregory ließ sich nicht abhalten Sam zu konfrontieren: „Ich weiß, dass sie nicht Keiras Verlobter sind. Sie hat nicht gelogen im Gegensatz zu ihnen."
„Sie hat einen Blackout und einen Schlag auf den Kopf bekommen. Keira ist einfach verwirrt. Wir sind verlobt, sie kann sich anscheinend nur nicht daran erinnern. Ich bin der Gesunde von uns beiden. Warum glauben sie ihr?"
„Wenn sie nicht aus dem Schwesternzimmer ihre Patientenakte entwendet haben, können sie das alles gar nicht wissen", stellte House trocken fest.
„Das hat Doktor Foreman mir erzählt", konterte Sam.
„Dann müsste ich ihn entlassen. Immerhin handelt es sich hier um vertrauliche Informationen."
„Dann tun sie das. Entlassen sie diesen Bimbo", fauchte Jacobs.
„Sie sind nicht nur ein Lügner, sondern auch Rassist. Wie erbärmlich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Miss Mills auf Kerle wie sie steht."
„Ihr Interesse an meiner Freundin und unserer Beziehung ist mir ein bisschen zu groß", zischte Samuel.
„Nun ja. Ihre angebliche Freundin war gestern Abend mit mir aus. Wir waren in einem Pub etwas trinken, kurz vor dem Überfall, aber das wissen sie sicherlich", berichtet House ungezwungen, als ob eine Mutter ihrem Kind eine Gute Nacht Geschichte vorlas.
„Sie waren das?", fragte Sam daraufhin entsetzt, „Seit wann steht sie auf Krüppel?"
„Seit sie arroganten Arschlöchern abgeschworen hat", konterte Greg.
Sekunden später durchfuhr House ein Schmerz, der durch den Kiefer eindrang und sich in seinem Schädel staute. Er spürte für den Bruchteil einer Sekunde Jacobs´ Faust in seinem Gesicht, taumelte rückwärts und fiel hin, da er seinen Stock immer noch als Schranke, statt als Stütze verwendete, und er die Wucht des Schlages nicht allein kompensieren konnte.
Greg hatte das Gefühl, sein Schädel wäre aus Wachs und hätte dem Druck nachgegeben. Es fühlte sich an, als ob sein Gesicht bis zur Unkenntlichkeit deformiert sein müsste, doch er dachte zurück, an seinen Sturz vorhin. Der Aufprall vor weniger als einer Stunde und Samuels Fausthieb schienen sich aufzuaddieren und entließen einen höllischen Schmerz, gepaart mit Benommenheit in seinen Kopf.
Am Boden liegend und aufblickend, erkannte House einen metallisch glänzenden Gegenstand in Sams Hand, als dieser in das Zimmer direkt vor ihm stürmen wollte. Ein Messer. Schoss es Greg durch den Kopf, als er die Klinge aufblitzen sah und er versuche sich aufzurappeln, was ihm jedoch nicht auf Anhieb gelang. Er atmete auf, als Jacobs im Türrahmen mit Wilson kollidierte, der gerade auf den Flur eilen wollte, um nach dem Rechten zu sehen. Er war es selbst. Kombinierte House.
James sah sein Gegenüber nur verwirrt an, realisierte jedoch nicht, was sich vor seinen Augen abspielte. Erst als Jacobs an ihm vorbei ins Zimmer gestürmt, und Wilson freie Sicht auf seinen am Boden liegenden Freund hatte, wurde ihm bewusst, dass etwas faul war. Er kam nicht dazu lange Überlegungen anzustellen, als er Greg rufen hörte: „Halt ihn auf!"
Sofort machte James kehrt und lief zurück. Kaum durch die Tür getreten sah er, dass Keira nicht mehr in ihrem Bett lag. Sie hatte die Liege stattdessen als eine Art Schutzwall zwischen sich und Sam gebracht, der auf der anderen Seite stand. Geistesgegenwärtig stürzte sich Wilson auf seinen Gegner und versuchte ihn zu überwältigen, doch er hatte dessen Kraft gründlich unterschätzt. James versuchte ihm das Messer abzunehmen, welches Sam noch immer in der Hand hielt, um schlimmere Verletzungen zu verhindern, doch stattdessen wurde aus dem Vorhaben ein handfestes Gemenge.
Gregory, der noch immer im Flur nach einer Möglichkeit suchte sich aufzurichten, hatte es zwischenzeitlich geschafft, Eric Foreman anzupiepen. Der Afroamerikaner schien schon in der Nähe gewesen zu sein, da er gerade um die Ecke des Korridors gebogen kam, als die Stationsschwester die Polizei rief. Eric wollte seinem Chef gerade beim Aufrichten helfen, als House zwischen den Zähnen hervorpresste: „Da rein. Überwältigen sie den Kerl", und Foreman tat, wie ihm geheißen. Im Zimmer angekommen stoppte er abrupt. Als er realisierte, was vor seinen Augen geschah, kam er Wilson zu Hilfe und versuchte Jacobs zu ergreifen, doch auch beide Männer gemeinsam hatten Schwierigkeiten ihn dingfest zu machen.
Keira sah sich währenddessen verzweifelt im Raum um, auf der Suche nach etwas, was ihr helfen konnte Samuel zu überwältigen und den beiden Männern zu helfen, aber in den Zimmern der Intensivstation befanden sich so gut wie keine Gegenstände, die ihr dabei hilfreich sein konnten, oder sie waren zu schwer.
In der Zwischenzeit, hatte es Gregory, mit Hilfe einer Schwester, geschafft sich aufzurappeln und stolperte in Richtung Nebenraum. Dort öffnete er eine der Schubladen und griff nach dem Inhalt, bevor er sich, so schnell es ihm möglich war, zu Keira, Wilson, Foreman und Jacobs in das Patientenzimmer aufmachte.
Keira war überrascht und atmete auf, als sie Greg ins Zimmer kommen sah, doch sie sagte kein Wort. Stattdessen beobachtete sie, wie House sich Samuel von hinten näherte und ehe sie sich versah, stach Gregory ihm eine Spritze in den Rücken, was diesen aufschreien ließ. Greg ließ sich gegen die Wand hinter ihm fallen, um durchzuatmen. Er hat Schmerzen. Schoss es Keira durch den Kopf, doch sie verhielt sich ruhig.Nach weniger als zwei Minuten, die Foreman und Wilson ihn noch in Schach hielten, sackte Jacobs zusammen. James atmete hörbar auf: „Was hast du ihm gegeben?", fragte er.
„Ketamin. Er schläft wie ein Baby", erklärte House und zog ein schmerzverzerrtes Gesicht.
„Das gibt uns zehn Minuten", ergänzte Foreman, „Dann dürfte die Polizei hier eintreffen. Wir schaffen ihn am besten auf den Flur; Hier stört er nur die Patientin."
Daraufhin brachten Eric und James Sam auf den Flur und Keira blieb mit House allein zurück. Sie sah, wie er sich drehte, mit dem linken Unterarm an der Wand abstützte und seine Stirn anlehnte, während er versuchte sie im Auge zu behalten. Keira fixierte seinen Blick und beobachtete ihn eingehend, um sich dann langsam in Bewegung zu setzen. Schließlich stand sie direkt vor ihm und spürte, wie er sich von der Wand löste und seine Arme um sie legte. Die junge Frau folgte seinem Beispiel und legte ihre um seinen Hals, während sie spürte, wie er sein Gesicht in ihrer Halsbeuge vergrub. Es war ein stiller Moment, in dem Greg ihr ohne Worte zeigte, dass er froh war, dass es ihr gut ging, doch er dauerte nicht lange an. Keira spürte, wie er plötzlich kraftlos zusammensank und an der Wand hinabglitt. Sie versuchte ihn abzufangen und hielt seinen Kopf auf ihrem Schoß, während sie verzweifelt nach Hilfe rief: „Ich brauche hier einen Arzt. Greg, hör mir zu. Du musst wach bleiben, hörst du? Ich weiß, du bist der Arzt von uns beiden, aber so viel habe ich behalten", sie lächelte gequält und versuchte ihn bei Bewusstsein zu halten. House versuchte verzweifelt ihr Gesicht zu fixieren, doch immer wieder verschwammen ihre Züge vor seinem Auge. Er spürte ihre Hände, wie sie über sein Gesicht und durch sein Haar strichen, doch es fiel ihm schwer bei Bewusstsein zu bleiben.
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