Fachweiterbildung bestanden und befördert worden (im Juni 2022). Ab sofort schreibt hier eine frischgebackene Stationsleitung (oder Fachkraft für Leitungsaufgaben in der Pflege=FLP wie es neuerdings heißt). Allerdings post- COVID und ordentlich ausgebrannt. Kann also langsam und vorsichtig weiter gehen hier 😊

Ves betrachtete skeptisch den Eingang der dunklen Felshöhle. Der weiße Wolf hatte ihr versichert, dass die Höhle „sauber" sei. Er war erst vor kurzem mit einem der anderen Hexer dort gewesen und hatte stolz berichtet, dass sie es geschafft hatten, einen riesigen Troll zu erledigen.

Oder einen… wie hatte er es genannt? Zyklop? Ja. Das war es.

Ves war es eigentlich auch egal, was genau sie darin getötet hatten.

Hauptsache, es machte keine Jagd auf sie, während sie in dem dunklen See badete. Argwöhnisch blickte sie sich um und suchte das ufernahe Gebüsch ab. Scheinbar verlassen. Gut. Sie begann hastig ihre Kleidung abzulegen, die starr vom Blut des Monsters… oder Lethos war.

Sie würde später alles mühsam reinigen müssen, doch zuerst war ihre eigene Haut dran. Unbedingt.

Das schleimig- klebrige Blut des Monsters wollte sie so schnell wie möglich loswerden. Wenn sie es sich nicht einbildete, enthielt es eine Art Säure. Zumindest brannte es sehr in ihren zahlreichen Kratzern.

Sie würde Vesemir später dazu näher befragen. Nicht, dass sich grausige Narben bildeten oder etwas in der Art.

Sie war so kopflos zum See gestürmt… Das sah ihr gar nicht ähnlich. Letho schwirrte immerzu in ihrem Kopf herum. Wie er da so japsend am Boden gelegen hatte… Die offensichtlichen Qualen der Heilung, die seinen furchteinflößenden Körper durchgeschüttelt hatten… Die Selbstverständlichkeit, mit der er sie vor dem ausflippenden Monster beschützt hatte… Die unfassbar kraftvolle Umarmung, in die er sie gerissen hatte… Sie musste lächeln. Wie gut ihr das gefallen hatte… Wie sicher sie sich gefühlt hatte… Die Angst, ihm nicht rechtzeitig helfen zu können… Ihr Lächeln verblasste. Einen so mächtigen Kämpfer so hilflos am Boden liegen zu sehen, hatte ihr gar nicht gefallen. Sie seufzte. Dann schüttelte sie ihren Kopf. Weg mit diesen Gedanken. Er war der Königsmörder und wenn er so dumm war, sich so schwer verwunden zu lassen, dann war er eben selbst schuld.

Immerhin hatte sie daran gedacht, ein wenig Seife mitzunehmen. Die helle Leinenbluse war wahrscheinlich eh ruiniert. Sie war schmutzig rotbraun und Ves hoffte, sie irgendwie sauber zu bekommen. Vielleicht hatte Keira etwas Besseres in ihrem Vorrat.

Sie legte ein etwas graustichiges Handtuch sorgsam auf einen kleinen Felsen, um es halbherzig vor den kleinen Nagetieren zu schützen, die hier überall herumkrochen. Dann warf sie die abgelegte Kleidung auf einen Haufen direkt am Ufer und tauchte schnell in das kühle Wasser des Sees.

Ihre Füße berührten eine Menge glitschiges Schilfgras, was ihr jedes Mal eine Gänsehaut verpasste.

Sie hasste diese dunklen Gewässer, hasste es nicht sehen zu können, was sie womöglich angreifen würde. Aber das kühle Nass tat ihr gut. Sie schwamm ein wenig zur Mitte hin und konnte auch bald schon nicht mehr den Boden mit den Füßen berühren. Das Ufer brach schnell ab und der See schien recht tief zu sein. Als sie prüfend nach unten sah, konnte sie nicht einmal mehr ihre Schienbeine erkennen in dem trüben Wasser. Etwas weiter rechts von ihr vernahm sie das Platschen springender Fische.

Sie tauchte unter und schrubbte ihre kurzen Haare mit den Fingern, kratze das getrocknete Blut von ihrer Kopfhaut runter. Dann betrachtete sie angeekelt ihre kurzen, abgebrochenen, dreckigen Fingernägel.

Mist, sie hätte deutlich mehr Seife mitnehmen sollen. Sie wollte etwas näher an das Ufer heranschwimmen, als sie plötzlich eine hauchzarte Berührung an ihrer Wade spürte, die sie kurzzeitig erstarren ließ. Gab es hier Wasserschlangen? Giftige?

Hektisch blickte sie sich um, ergebnislos in das dunkle Wasser starrend.

Sie hasste Schlangen. Und Schilf. Selbst im klaren Wasser waren ihr die sich in der Strömung wiegenden langen Blätter unheimlich. Viel zu viele Gelegenheiten für Raubfische, sich zu verstecken, anzuschleichen und anzugreifen. Ves war eine starke, mutige Soldatin, die im offenen Kampf jedem Feind furchtlos die Stirn bot. Aber Hinterhältigkeit konnte sie nicht leiden. Noch nie. Nicht bei Menschen, nicht bei Tieren, vor allem nicht im Wasser.

Sie entschied sich doch dazu, näher ans Ufer heranzuschwimmen, fasste nach unten, nahm eine Hand voll Schlick empor und „seifte" sich damit schnell die Haare ein, cremte ihre Arme, ihre Schultern, Hals und auch das Gesicht ein. Die mechanische Peelingfunktion des feinen Sandes ermöglichte es ihr, den gröbsten Schmutz zu entfernen. Sie begab sich so nah ans Ufer, dass sie sicher stehen konnte und schrubbte auch den Rest ihres Körpers ab. Den Part zwischen ihren Beinen sparte sie aus, keine Frau, die noch halbwegs bei Verstand war, wollte Sand da hinbekommen.

Wenn sie so nah am Ufer von irgendeinem Getier angefallen werden würde, war sie innerhalb von Sekunden aus dem Wasser raus. Sie legte sich rücklings ins Wasser und ließ sich ein wenig treiben. Endlich entspannten sich ihre verspannten Nackenmuskeln. Ab und zu korrigierte sie mit einer leichten Handbewegung ihre Position. Die Strömung war an manchen Stellen recht stark und zog sie Richtung Höhle und da wollte sie auf keinen Fall hintreiben.

Der Eingang war mit scharfkantigen Steinen, die gut sichtbar aus dem Wasser ragten, übersät.

Ihr entfuhr ein wohliges Seufzen. Die Landschaft um Kaer Morhen hatte etwas beruhigendes. Die hohen Wipfel der Bäume, die hohen Felsen, die um den See weit hinaufragten, die vielen Vögel, die sich abwechselnd ins Wasser stürzten, um die vielen Fische zu fangen oder sich in den Bäumen niederließen, um ein Schläfchen zu halten.

Das alles hatte eine merkwürdig einlullende Wirkung auf sie. Sie wagte es sogar, hin und wieder die Augen zu schließen, öffnete sie jedoch in regelmäßigen Abständen, um das Ufer nach potenziellen Angreifern abzusuchen.

Etwas Glitzerndes blitzte plötzlich zwischen den Bäumen der höchsten Felskannte ein gutes Stück entfernt von ihr auf. Ves ließ sich sofort so tief ins Wasser sinken, dass nur noch der Teil ihres Kopfes oberhalb ihrer Nase zu sehen war. Sie versuchte sich so wenig wie möglich zu bewegen und starrte minutenlang auf die Stelle. Nichts mehr zu sehen. Natürlich.

Sie bewegte sich langsam vorwärts, um im Fall eines Angriffs schneller bei ihrem Stilett sein zu können, das sie unter ihrer Kleidung am Ufer zurückgelassen hatte. Sie versuchte sich zu konzentrieren und sich daran zu erinnern, was Vesemir und Geralt gesagt hatten.

War es üblich, dass die Wilde Jagd Späher vorausschickte? Hunde… Sie glaubte, sie haben von Hunden geredet.

Aber… Die glitzerten ja wohl nicht, oder doch?

Und so weit oben auf Felsvorsprüngen?

Sie suchte das gegenüberliegende Ufer so gut sie es einsehen konnte ab. Dort gab es nicht sehr viele Versteckmöglichkeiten. Die Felsen fielen steil herab und ein richtiges Ufer gab es eigentlich nicht. Wieder das Platschen der Fische rechts neben ihr. Dann wieder Ruhe. Der Wind rauschte durch die Bäume. Platschen. Ruhe.

Nach einer Weile beruhigten sich ihre Nerven und sie näherte sich dem Ufer, langte nach ihrer Kleidung und der Seife.

Platschen, diesmal links. Und lauter. Ein wenig zumindest. Wahrscheinlich gab es hier Welse, die Jagd auf die springfreudigen, kleineren Fische machten.

Nach einer schier endlosen Plackerei hatte sie es geschafft, ihre Jacke einigermaßen sauber zu bekommen und wollte sich endlich der Bluse widmen, als sie erneut eine hauchzarte Berührung, diesmal an ihrem Oberschenkel spürte. Sie zuckte zusammen.

„Verdammt V, jetzt reiß dich mal zusammen, es ist nur das beschissene Kraut!", schimpfte sie sich selbst und schäumte die Bluse ein, die – genau wie die Jacke vorher - ein schmutziges Gemisch aus schlechter Seife und braunem Blut ins Wasser abgab.

Toll, jetzt konnte sie noch weniger im Wasser erkennen.

Eine erneute Berührung am anderen Oberschenkel, diesmal von der anderen Seite kommend und deutlich länger an ihrem Schenkel verweilend, ließ sie herumfahren.

„Was zum…?"

„Übst du schon mal für den Freudentanz?", ertönte plötzlich Lamberts Stimme in der Nähe des Felsens, auf dem sie ihr Handtuch abgelegt hatte.

„Verdammt nochmal, was…" der Rest blieb ihr im Hals stecken. Diesmal hatte eindeutig eine Hand ihren Knöchel umfasst.

Lambert zuckte entschuldigend mit den Schultern. „Hab` mir Sorgen gemacht. Du solltest wirklich nicht alleine hier herumplantschen."

„Ich plantsche nicht, ich wasche!", keifte Ves genervt zurück. Sorgen. So ein Blödsinn. Als ob sie nicht für sich selbst…

Diesmal glaubte sie einen riesigen Schatten in ihrer Nähe gesehen zu haben, kurz nachdem erneut ihr Bein berührt wurde.

„Verpiss dich, Freak!". Sie war sich recht sicher, dass Lambert ganz gut erkennen konnte, was sie versuchte im trüben Wasser zu verbergen.

Der junge Hexer setzte ein süffisantes Lächeln auf.

„Meinst du jetzt Freaks im Allgemeinen oder nur mich?". Er verschränkte die sehnigen Arme vor der Brust und starrte sie an.

„Was zum Geier soll das denn heißen?"

Er zuckte mit den Schultern.

„Och… hab den Eindruck, dass ein ganz bestimmter Freak sich nicht verpissen müsste."

Ves tauchte sicherheitshalber noch etwas mehr unter und zog sich umständlich die Bluse an.

„Aha. Meinst du. Und was soll das nun wieder heißen?"

Lambert grinste noch etwas breiter.

„So rot wie du grade wirst, weißt du genau, was oder wen ich meine."

Auf dem höchsten Vorsprung konnte man den gesamten See gut überblicken. Letho war dort hin geklettert, weil der über die Felsen hoch – und vor allem der wieder runter – deutlich schneller überwunden werden konnte, als den verschlungenen Pfad zum See hinunterzulaufen. Er schloss einen kurzen Moment seine Augen und nahm die Umgebungsgeräusche in sich auf.