Es war gerade zehn Minuten nach acht. Samantha Jones duschte sich gerade, als das Telefon in ihrer Wohnung klingelte. Sie hörte es nur gedämpft, aber deutlich.
„Wer ruft denn jetzt an?", knurrte sie und stellte den Wasserstrahl ab. Mit nassen Händen griff sie nach dem Handtuch, das über der Duschtür hing und wickelte es um ihren Körper. Eilig schob sie die Duschtür beiseite und huschte ins Wohnzimmer zum Telefon. Schon beim Abnehmen ärgerte sie sich über die Wassertropfenspur, sie hinterlassen hatte.
„Samantha Jones?", meldete sie sich. Es brauchte etwas Überwindung nicht gleich die Person am anderen Ende der Leitung direkt zu fragen, was dieser frühe Anruf sollte.
„Hier ist das Brookwood Hospital", gab eine weibliche Stimme sich zu erkennen. Samantha war verwundert.
„Das Brookwood Hospital? …Warum rufen Sie an?", erkundigte sie sich.
„Ich muss Ihnen mitteilen, dass Miss Lara Croft in der heutigen Nacht angeschossen und in unsere Klinik eingeliefert wurde", berichtete die Dame. Samantha war geschockt.
„Was? Angeschossen? Aber wie ist das passiert? Wie geht es ihr?", sprudelte es aus ihr hervor.
„Es geht ihr den Umständen entsprechend gut. Als sie wieder ansprechbar war, meinte sie, wir sollten Samantha Jones benachrichtigen."
„Vielen Dank. Ich werde sofort ins Krankenhaus kommen. Wo liegt sie?"
„Sie liegt im Zimmer 235."
„Danke. Auf Wiederhören", verabschiedete Samantha sich und legte auf. Langsam senkte sie ihre Hand. Für einige Sekunden sah sie aus dem Fenster, besann sich dann aber wieder, legte den Hörer weg und ging wieder ins Bad. Dort trocknete sie sich, zog sich an und föhnte ihre Haare. Als ihre Frisur gerichtet und ihr Make-up aufgetragen war, weckte sie mit sanfter Gewalt ihre kleine Tochter Sydney. Die mochte es überhaupt nicht, schon so früh aufzustehen, motzte und meckerte so sehr wie sie nur konnte, doch davon ließ Samantha sich nicht beirren. Mit einer rebellischen Sydney auf dem Arm ging sie die Treppe des Wohnhauses hinab, stieg mit ihr in den dunkelroten Mercedes und fuhr schnell zu ihrem Bruder. Dem drückte sie schnell Sydney in die Hand, gab ihrer Tochter einen Kuss und fuhr trotz Protest ihres Bruder („Samantha, es ist nicht gut für Sydneys Psyche, wenn du sie immer weggibst!") weiter zum Brookwood Hospital in Surrey. Dort suchte sie schnell das Zimmer 235. Vorsichtig öffnete sie die Tür und betrat das Zimmer. Sie fand Lara vor; sie lag in dem weißen Bett und schlief. Um ihre Schulter war ein Verband gewickelt. Samantha trat an das Bett heran und vergewisserte sich, dass Lara tatsächlich schlief.
‚Ruh dich aus, Lara. Mit einer Schusswunde ist nicht zu spaßen', ging es ihr durch den Kopf. Sie bewegte sich schon wieder aus dem Zimmer, als sie Lara aufstöhnen hörte.
„Sam?", brachte sie unter großem Kraftaufwand hervor. Samantha drehte sich um und sah Lara, die die Augen aufgeschlagen hatte. Sie eilte zu ihr.
„Oh, Lara. Habe ich dich geweckt? Das tut mir Leid!", entschuldigte sie sich schnell. Lara schüttelte den Kopf. Behutsam nahm Samantha sich einen Stuhl, der in der Ecke des Raumes stand, stellte ihn neben das Bett und setzte sich.
„Wie geht es dir, Lara?", erkundigte Samantha sich mit sanfter Stimme.
„Ging schon besser...aber...es braucht schon mehr...um mich umzubringen", sprach sie.
„Was ist passiert? Wer hat dich angeschossen?"
Unter Anstrengung erzählte sie ihrer besten Freundin, was sich vor ein paar Stunden in ihrer Villa zugetragen hatte. Währenddessen ging Samantha im Zimmer auf und ab, fasziniert von der Geschichte. Als Lara ihre Erzählung beendete, stand die Künstlerin mit verschränkten Armen am Fenster und hatte sich mit dem Rücken an die Scheibe gelehnt.
„Diese Frau wollte also diese Pyramide des Horus? Kannst du dich nicht an ihren Namen erinnern?", fragte Samantha schließlich.
„Nein…leider nicht. Der Arzt meinte, durch die ganzen Torturen kann es sein, dass ich einige Kleinigkeiten vergesse…angeblich sollen sie mir aber nach kurzer Zeit wieder einfallen", erklärte Lara, nach ihrer Beschreibung schon wieder etwas lebendiger.
„Das wäre gut. Scheint wieder ein Abenteuer zu werden, nicht wahr?", fragte Samantha mit etwas Routine in der Stimme.
„Ja, wahrscheinlich", antwortete Lara.
„Wegen des Vorfalls ist doch bestimmt die Polizei eingeschaltet?"
„Ja…die Bullen untersuchen alles und befragen jeden Nachbarn, der etwas davon mitbekommen hat", beschrieb Lara unerfreut darüber, dass Fremde die Befugnis hatten, in ihren Privatdingen herumzusuchen. „Vielleicht befragen sie dich auch."
„Das könnte sein."
„Wenn ja…dann habe ich dir das alles hier und die Sache mit meinem Cousin nie erzählt, okay?"
„Verstehe. Du glaubst dein Cousin hat etwas damit zu tun?"
„Ich weiß zwar nicht was, aber ich werde es herausfinden."
Samantha ging durchs Zimmer und entdeckte auf einem Tisch die heutige Times, auf der die Überschrift ‚Einbruch bei Lara Croft! Waren es fanatische Fans?' prangte.
„Sieh dir das an", meinte Samantha spöttisch und zeigte Lara die Zeitung. Auch sie musste lachen.
„Fanatische Fans…die Presse wird auch immer bekloppter…als nächstes wohl noch Außerirdische?"
Gerade wollte Samantha antworten, als an die Tür angeklopft wurde und diese ohne ein zustimmendes ‚Ja' geöffnet wurde. Herein traten zwei junge Männer, die schon ihre Papiere zückten..
„Guten Morgen. Wir sind von der Kriminalpolizei. Lara Croft?", begann einer der Polizisten. Lara nickte.
„Wir hätten ein paar Fragen an Sie." Der Gesetzeshüter bemerkte Samantha. „Und wer sind Sie?"
„Mein Name ist Samantha Jones. Ich bin eine enge Freundin von Miss Croft."
„Sie wollten wir ja auch noch vernehmen. Rupert, kümmere du dich bitte darum, Miss Jones aufs Revier mitzunehmen."
Der bisher stille Polizist nickte und wandte sich zu Samantha zu.
„Bitte kommen Sie mit mir", bat der junge Mann und wies der Künstlerin die Tür. Sie nahm an und warf Lara noch einen vertrauenserweckenden Blick zu.
„Ich werde dich so bald wie möglich wieder besuchen", versprach sie Lara noch, bevor sie durch die Tür ging.
„Bis bald", warf die Kranke ihrer Freundin noch zu, bevor sie ganz aus dem Zimmer verschwunden war und Lara sich der Befragung des Polizisten widmen musste.
