Wasser

Sie lag auf einer Luftmatratze und ließ sich im Pool treiben. Ihre Augen waren auf den Himmel, auf die Sterne, fixiert. Sie trug einen roten Bikini und plätscherte mit ihren Händen ein wenig im Wasser. Vom Beckenrand aus beobachtete sie ein ca. fünfunddreißig Jahre alter Mann.
„Verzieh dich, Ratte!", rief Mariah Powell dem Mann zu.
„Aber Mariah, warum so unfreundlich?", antwortete er mit einem perversen Grinsen.
„Erstens, du siehst scheiße aus. Zweitens solltest du nicht so freche Antworten geben, wenn wir mit Leichtigkeit auf dich verzichten könnten. Drittens, bin ich für dich immer noch Miss Powell", gab sie verächtend ab. Mariah drehte sich auf der Matratze zur Seite und ließ sich ins Wasser plumpsen. Sie tauchte zur gegenüberliegenden Seite des Beckens und zog sich dort heraus. Dort nahm sie sich ein Handtuch, das auf einer Liege neben einem Stapel anderer Handtücher platziert war, und trocknete sich behutsam das schöne Gesicht. Der Mann ging mit langsamen Schritten auf Mariah zu.
„Ich dachte nur, dass...", begann er.
„Ratte, nur weil Charles für diese eine Nacht in Madrid ist, heißt das nicht, dass ich meine Nächte mit einem anderen verbringe. Und schon gar nicht mit einem Kotzbrocken wie dir."
Der Mann stand nun genau hinter Mariah.
„Stimmt ja, du bist seine persönliche Hure."
Mariah bückte sich blitzschnell zu dem Tücherstapel und zog eine Waffe hervor. Diese hielt sie ihm an den Kopf.
„Pass auf, was du sagst, Ratte. Wir brauchen dich nicht wirklich mehr, Miss Croft führt uns nun zu den restlichen Teilen der Pyramide. Dich behalten wir nur zur Sicherheit. Denn sollte Croft sterben, brauchen wir jemanden, der uns den Standort der anderen Stücken verrät. Ich habe keine Lust, noch einmal so eine Ratte an Land zu ziehen."
„Warum eigentlich „Ratte"?"
Sie senkte die Waffe.
„Weil du zu einer der Familien gehörst, die ein Stück der Pyramide besitzen. Deine restliche Sippe hat sich gegen uns gestellt, aber du hast deine Angehörigen töten lassen, um eine Million Pfund zu bekommen, wenn wir das alles hinter uns haben. Ratte ist eine passende Bezeichnung für dein Verhalten", erklärte sie.
„Und dein Verhalten? Du hast schließlich-"
„Es könnte dir wie Sean ergehen. Halt nur, dass dich keiner ins Krankenhaus bringt", drohte Mariah und hob die Waffe wieder.
„Schon gut...", meinte er schließlich. „Ich gehe ja schon..." Er entfernte sich. „Aber...Miss Powell...trugen Sie nicht gestern noch einen Verband um Ihren Arm?"
„Es geht dich zwar nichts an, Ratte, aber Charles kann sich die besten Ärzte der Welt leisten. Er ist in Madrid, um den Geldbetrag zu überreichen. Miss Croft bräuchte ihr ganzes Vermögen, um einen von diesen Ärzten zu bezahlen."
Sie trocknete sich weiter. Der Mann verließ den Pool-Raum. Ein Diener kam mit einem Tablett herangeeilt, auf dem ein Telefon lag.
„Mister West, Miss Powell", meldete der Diener. Mariah nahm den Hörer.
„Charles?"
„Läuft alles nach Plan, Liebes?", erkundigte er sich.
„Ja. Sean liegt im Koma und es ist sehr wahrscheinlich, dass er stirbt."
„Du hast gute Arbeit geleistet. Was ist mit Lara Croft?"
„Sie hasst mich wahrscheinlich jetzt. Gut so. Wer hasserfüllt ist, kämpft besser. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie ihre Reise ansetzt. Wir werden ihr einfach folgen und ihr die Pyramidenstücke entreißen."
„Es wird leichter als wir dachten. Ich werde erst morgen wieder zurückfliegen. Die vielen Strapazen, du verstehst?"
„Aber natürlich."
„Ich werde pünktlich sein, Liebes. Wir sehen uns."
„Tschüss", beendete sie das Gespräch. Sie wusste, dass er nicht wegen den angeblichen Strapazen erst morgen fliegen würde. Natürlich vergnügte er sich mit anderen Frauen. Aber nach so vielen Jahren hatte sie gelernt sich damit abzufinden. Sie verdrängte diese Gedanken und konzentrierte sich wieder auf die Pyramide des Horus.
„Freu dich schon mal auf deine erste Vision, Lara", grinste sie.