Kampf um das dritte Stück

„Lange nicht gesehen", begann Mariah. „Das dritte Stück bitte, Lara."
Mit hasserfülltem Blick sah sie ihre Feindin an. Sie dachte an Sean und was sie ihm angetan hatte.
„Vergiss es, Mariah", konterte Lara. Ihre Rivalin schnippte mit den Fingern und schon erschienen drei Männer im Raum, die blitzschnell auf Lara zurannten und ihr den Rucksack entrissen. Mit einem starken Tritt konnte sie sich befreien, aber ihr Rucksack war in feindlichen Händen- also auch das dritte Stück der Pyramide. Mariah warf die Tür zu.
„Meine Liebe, ich sehe den Zorn ja schon in deinen Augen." Sie lachte hämisch. „Warum sollen wir uns immer auf Waffen-Niveau bekämpfen? Ein Kampf ohne Pistole ist manchmal viel interessanter", meinte sie und strich eine Strähne zurück in den Zopf. „Was meinst du?", fragte sie und nahm ihre Sonnenbrille ab.
„Mir soll's egal sein. Hauptsache ich kann dir Schmerzen zufügen", antwortete Lara und erinnerte sich wieder an ihren Cousin.
„Na dann", murmelte Mariah und nahm eine Kampfposition ein. Lara tat es ihr gleich. Mariah startete blitzschnell einen Angriff- Tritt in den Bauch. Lara wehrte mit dem Ellenbogen ab und verpasste Mariah einen Kinnhaken mit der anderen Hand. Mariah schwankte zurück, konnte aber noch Laras Angriff, Faustschlag ins Gesicht, abwehren und gab ihr einen kräftigen Tritt in den Bauch. Lara landete auf dem Hosenboden. Mariah wollte mit dem Ellenbogen auf Laras Rippen einschlagen, aber Lara rollte zur Seite, sodass Mariah auf den Boden schlug. Lara sprang auf, schnellte hinter Mariah und packte sie mit dem Arm und den Hals. Mariah rang um Luft, denn Lara zog immer fester. Um sich zu retten, schlug sie mit dem Ellenbogen in Laras Rippen. Lara taumelte kurz und versuchte dann Mariah mit einem Tritt an den Hals zu Boden zu ringen, aber sie blockte ab. Schneller, als es Lara lieb war, wurde ihr ein Kinnhaken zugesetzt. Mariah tat einen Tritt auf Laras Brustkorb und schlug sie dann mit ihrem Arm zu Boden. Lara, die mit dem Bauch auf dem Boden lag, wollte sich erschöpft aufrichten, aber Mariah trat Lara auf den Rücken, sodass sie nicht mehr aufstehen konnte.
„Gar nicht schlecht, das muss ich zugeben...", meinte sie etwas außer Atem und wischte sich die kleine Blutspur vom Kinn. „Aber ich habe jetzt keine Zeit dafür." Sie bückte sich und zählte Laras Wirbel ab. Bei einem bestimmten hielt sie an und drückte mit ihrem Daumen stark darauf. Lara verspürte Schmerzen, ihr Körper wurde taub und sie wusste, welche Kampftechnik Mariah Powell da gerade angewendet hatte.
‚Das war...dieser Druck auf meinen Wirbel...kann das sein...?'
Mariah ließ sich den Rucksack geben und stöberte darin nach dem goldenen Prisma und fand es. Sie grinste, als sie das dritte Stück der Pyramide des Horus zwischen Zeigefinger und Daumen hielt.
„Kommt", befahl sie den Männern im Raum. Sie folgten dem Befehl und verließen mit ihrer Anführerin das Lager. Im vorderen Teil des Ladens hatte man Samantha inzwischen zur Ruhe gebracht. Sie saß wohlbewacht auf eine der Kisten. Ihre Waffen hatte man ihr abgenommen. Mariah ging auf Samantha zu.
„Was ist mit Lara?", wollte Samantha wissen.
„Miss Croft ist nicht tot, keine Sorge. Immerhin erspart sie uns eine Menge Arbeit. Klug, dass Sie unseren Wunsch gefolgt sind, Miss Jones."
„Warum, zum Teufel, sollte ich eigentlich mitkommen?", wollte Samantha angespannt wissen.
„Das sage ich Ihnen noch früh genug", antwortete Mariah ausweichend und sah in Samanthas hellgrüne Augen. Die angespannte Situation wurde durch das klirren einer Glasfigur unterbrochen, die Tamil Pradesh einem der Bewacher irgendwie über den Kopf gezogen hatte.
„Erschießt ihn, ihr Idioten!", befahl Mariah Powell. Der Mann, der Samantha von hinten bewachte, setzte seine MP5 schon an. Da schlug Samantha ihn von hinten mit dem Ellenbogen zwischen die Beine. Der Mann ließ seine Waffe fallen und krümmte sich vor Schmerzen. Samantha nutzte die Gelegenheit und erschoss die beiden anderen Männer, die sie bewachten mit der MP5 des Besiegten. Mit Hilfe der Waffe und ihren Kampfkünsten, schaffte sie es, sieben von zehn Männern außer Gefecht zu setzen. Die restlichen drei schaffte sie nicht zu überwältigen und wurde somit gewaltsam von ihnen festgehalten.
„Wie kann man nur so inkompetent sein...", murmelte Mariah Powell, erschoss den verängstigen Tamil Pradesh mit einem Schuss in den Kopf und ging wieder auf Samantha zu. Gerade wollte Mariah zum Sprechen ansetzen, da wurde ihr von hinten ein kräftiger Hieb an den Hals versetzt. Mariah spürte, dass ihre Beine taub wurden, fiel um und ließ die Waffe fallen. Lara ergriff die Waffe, noch kurz bevor Mariah es tat. Sie schoss auf die drei perplexen Wachen, sodass Samantha freikam.
„Hey, Sam...die Rolle der Heldin gehört immer noch mir", begrüßte Lara ihre Freundin, die ihr um den Hals fiel. Lara löste mit sanfter Gewalt ihre Arme und bückte sich zu Mariah.
„Hättest du den Druck richtig angewandt, wäre ich vielleicht noch länger gelähmt gewesen. Mein Schlag wird auch nicht besonders lang anhalten", erklärte Lara und nahm aus Mariahs Hosentasche das goldene dritte Stück der Pyramide. „Aber das kann dir eigentlich auch egal sein", fügte sie verachtend hinzu und richtete die Waffe auf Mariah. Sie drückte ab –aber nichts geschah. Keine Munition mehr. Mariah grinste und fühlte, dass die Lähmung ihrer Beine langsam nachließ. Sie führte ihre Hand zu ihrem Stiefel, in dem sich eine weitere Waffe versteckte. Lara warf die Pistole zu Boden und trat Mariah Powell voller Wut in den Bauch. In der Ecke lag noch Laras Rucksack, der von einer Wache vorhin mitgenommen wurde. Sie schnallte ihn sich wieder um und machte Samantha mit einer Geste deutlich, zusammen den Laden zu verlassen. Die beiden gingen hinaus und wurden von der Sonne geblendet, denn es war schon schätzungsweise nach Mittag. Erst jetzt wurden sie sich wieder der unausstehlich dicken Luft bewusst.

Mariah, die ihre Beine wieder vollständig spürte griff nach dem Funkgerät an ihrem Gürtel und schaltete es an.
„Schnappt sie euch", sprach sie, immer noch etwas groggy von dem starken Tritt in den Bauch, hinein.

Lara und Samantha wussten, dass zehn ruhige Schritte auf der Straße genug waren. Schon hörte man wieder Schüsse und die Leute auf der Straße gerieten in Panik, wirbelten umher und suchten nach Verstecken. Trotzdem mussten viele sterben. Auch Lara und Samantha liefen davon, flüchteten aber in eine Gasse neben dem Antiquitätenladen jedoch rief gerade einer der Männer mit Waffen, dass sich in der Gasse die Gesuchten befänden. Die beiden rannten die enge Gasse entlang. Nach ein paar Abzweigungen stellte sich heraus: eine Sackgasse! Und die Gegner waren ihnen dicht auf den Fersen. Lara zog ihre 9mm aus dem Rucksack.
„Schieb die Kisten zusammen, ich halte die Gegner in Schach", befahl sie Samantha. Ohne Wiederworte befolgte sie die Anweisung und schob die zerbrechlichen Kisten zu einem kleinen Turm zusammen. Er war gerade mal hoch genug, um über die Mauer hinüber zu klettern. Lara hatte die Gegner erfolgreich abgewehrt und stieg nach Samantha über die Mauer und feuerte dabei mit einer Hand noch immer weiter. Bevor sie wie auch Samantha unsanft auf der anderen Seite landete, schubste sich noch den Kistenstapel um, damit man ihnen nicht so leicht folgen konnte. Zusammen rannten die zwei noch einige weitere Gassen entlang, bis sie wieder die Straßen erreichten. Auch hier war Panik ausgebreitet.
„Wir brauchen ein Fluchtfahrzeug!", rief Samantha ihrer Freundin in der kreischenden Menge zu.
„Du hast Recht! Steigen wir in den Wagen dort!", befahl Lara und deutete auf einen Jeep, dessen Motor noch am Laufen war. Anscheinend war der Besitzer bei dem Massaker auf den Straßen schnell davongerannt. Schneller als erwartet hatten sie den Jeep erreicht und sprangen auf die vorderen Sitze des Fahrzeugs. Lara gab Gas und fuhr durch die panische Menge.

„Geht es Ihnen gut, Miss Powell?", fragte ein Gefolgsmann von Charles James West, der mehr Autorität, als die anderen zu besitzen schien. Mariah richtete sich auf. Ihre Rippen schmerzten.
„Nein", gab sie entnervt zurück. „Ist alles hinter Croft und Jones her?"
„Alle positionierten Truppen sind im Einsatz. Laut Bericht sind sie noch nicht weit gekommen."
„Ich werde mitziehen. Mit welchem Fahrzeug sind sie entkommen?"
„Ein Jeep. Mehr wurde noch nicht berichtet."
Mariah nickte.

Lara fühlte einen Schuss an ihrem Gesicht vorbeisausen. Und bei einer Kugel blieb es nicht. Gleich rasten Hunderte von Patronenhülsen auf das Auto zu- nur mit der Absicht, einen zu treffen, der darin saß. Im Rückspiegel konnte man viele Autos hinter ihnen erkennen, die bedrohlich näher kamen.
„Festhalten, Sam!", rief Lara ihrer Freundin zu. Vor ihnen lag eine Brücke, die gerade hochgeklappt wurde, da ein größeres Schiff passieren wollte. Lara gab genügend Gas, um noch auf die andere Seite zu fliegen. Mit 120 Stundenkilometern rasten sie die halbaufgeklappte Brücke hinauf und flogen in freiem Fall über die Verbindung. Nach dem starken Aufprall auf der anderen Seite war der Jeep hinüber. Lara und Samantha taten ihre Augen aber erst nach einigen Sekunden wieder auf. Sie hatten überlebt und außer ein paar Kratzern keine Wunden. Samantha hatte zum Schutz ihren Kopf auf ihre Arme gelegt. Lara sah vom umklammerten Lenkrad auf. Anscheinend war kein Auto ihnen über die Brücke gefolgt, aber sicher würden die Verfolger bald nachkommen. Sie stieg aus dem Wagen aus und sah hinüber zu Samantha, die gerade zu begreifen schien, dass sie noch lebte. Unspektakulärerweise hüpften die beiden in ein Taxi und fuhren davon, bevor der Feind nachkam.