Kapitel 25 – Zweifel

„Warum zum Teufel hast du dich meinen Anweisungen wiedersetzt, Mariah! Ich habe dir ausdrücklich gesagt, dass wir Croft und Jones in Ruhe lassen, bis sie das fünfte Stück gefunden haben!"

Schon seit einigen Minuten musste sie sich diese Vorwürfe anhören. Sie stand mit verschränkten Armen an die Wand gelehnt und sah auf ihre Arme.

„Und wenn sie es gefälscht hätten?", fragte Mariah. Sie wollte keine Ausrede finden. Es ging ihr bei dieser Aktion einzig und allein darum, etwas zu tun, das ihr nicht befohlen wurde.

Nur einmal.

„Das habe ich dir doch schon erklärt!", polterte Charles James West weiter.

Sie hörte einfach nicht hin. Sollte er doch sagen, was er wollte. Wozu sich rechtfertigen, wenn ihr ‚Geliebter' ihre Argumente doch in Grund und Boden stampfte? Das hatte sie schon oft versucht und nun ließ sie sich nicht mehr auf diese ‚Diskussionen' ein. Doch irgendwie wurden ihre Augen wässrig. Sie wusste nicht warum. Mit aller Kraft kämpfte sie gegen die Tränen an, denn niemand sollte sie weinen sehen.

Nicht mehr.

Das war schon oft genug passiert und jedes Mal hat es ihre Feinde einen Dreck gekümmert wie sie sich fühlte. Dass sie weinte gab ihnen nur Genugtuung das erreicht zu haben, was sie wollten. In diese Situation wollte sie nie wieder geraten. Noch immer kämpfte sie mit ihren Tränen. Noch immer versuchte sie die Vorwürfe zu überhören, die ihr gemacht wurden. In solchen Situationen dachte sie krampfhaft an ihr Ziel. An die Pyramide des Horus.

‚Es wird vorbei sein', ermutigte sie sich selbst. Doch manchmal reichte das nicht. Manchmal schien es für sie wirklich keinen Ausweg mehr zu geben und sie fragte sich, ob das alles, was sie tat umsonst war. Was, wenn sie ihr Ziel wirklich nie erreichen würde, wie man es ihr oft prophezeit hatte, um ihr jeglichen Mut zu nehmen. Was, wenn alles anders gelaufen wäre und sie schon längst nicht mehr da wäre?

‚Wenn man mich damals doch erschossen hätte.'

„Was ist nur aus deinen Fähigkeiten geworden?", fragte West verachtend und schaute aus dem Fenster, seiner Geliebten den Rücken zugewandt. „Du warst einmal sehr talentiert, aber das lässt nach. Hör mit dieser rebellischen Phase auf und tu wieder, was ich sage."

Wut stieg in Mariah auf. Nein, Hass stieg in ihr auf. Für ihn waren fähige Leute die, welche ihm gehorchten und nie ein Widerwort gaben. Egal wie sehr diese Leute darunter litten.

Was war nur aus dem Mann von damals geworden, der ihr zugehört hat? Der sie geliebt hatte?

Langsam glaubte, nein, wusste Mariah, dass er diese Liebe nur aus Berechnung damals vorgespielt hat. Sie hatte ihn geliebt, doch das war nun vorbei.

Sie fuhr mit ihrer zitternden rechten Hand zu ihrem Waffenhalter, zog langsam den Revolver heraus und richtete ihn auf den Mann, der ihr den Rücken kehrte. Sie schenkte seinen Worten kein Gehör. Ihre zitternden Finge klammerten sich um die Waffe. Sie wollte abdrücken, als ihr auffiel, welchen Revolver sie da in der Hand hatte.

Es war genau der, mit dem sie Lara Croft zum ersten Mal begegnet war. Sie dachte wieder an ihr Ziel und dass sie es nicht erreichen würde, wenn sie ihn nun erschießen würde. Mariah bändigte den Hass und die Tränen, steckte den Revolver wieder ein und sah auf.

„Die beiden sind zäh und sicher nicht tot. Wir haben über Croft schließlich ausreichend recherchiert, um zu wissen, dass sie schon mit ganz anderen Situationen fertig geworden ist", argumentierte Mariah. „Ich weiß auch nicht, warum ich ihnen nachgefahren bin", log sie. West drehte sich um und Mariah hatte Mühe ihm in die Augen zu sehen.

„Das stimmt allerdings…", gab er zu. Sie ging auf ihn zu.

„Ich werde wieder nach der Pyramide sehen, wenn sie auch das fünfte Stück an sich gebracht haben und dann werde ich sie ihnen abnehmen."

Er sah in ihre dunkelblauen Augen und strich über ihr blondes Haar. Es fiel ihr schwer, aber sie ertrug es.

„Da bin ich mir sicher", gab er sanft zurück und drückte sie an sich. Mariah wollte durchhalten. Für alle, die nie an sie geglaubt hatten. Und wenn sie daran zweifelte, egal wie groß ihre Zweifel waren, dachte sie fest an ihr Ziel und eigentlich war es nicht direkt die Pyramide des Horus.