Kapitel 33 – In Monaco

Es mag ein verrückter Plan gewesen sein, einfach so wegen eines ziemlich unsicheren Hinweises nach Monaco aufzubrechen, aber hatten sie eine andere Möglichkeit? Wieder einmal waren sie geflogen (ganz schön eintönig mit der Zeit!), nach sechzehn Stunden waren sie dann endlich in Monaco gelandet. Nun galt es ihre Feinde in einem der Hotels ausfindig zu machen und sie waren sich sehr sicher, dass hierfür nur eines der luxuriösesten in Frage käme. Zum Glück ist Monaco nicht größer als eine Stadt und somit war der Kreis ein ganzes Stück eingeschränkt. Dennoch war es eine zu große Arbeit jedes Luxushotel in Monaco abzuklappern. Dafür wusste Lara jedoch eine Lösung: Zipp war ein grandioser Hacker und Computerfreak. Er arbeitete schon seit einiger Zeit für Lara und hatte bisher alle Informationen herausgefunden, die Lara brauchte. Gerade hatte Lara Zipp den Sachverhalt mitgeteilt und er versprach das richtige Hotel in Windeseile zu finden. Derweil mieteten sich Lara und Samantha mal wieder ein Zimmer und warteten danach auf Zipps Ergebnisse. Sie hatten es so eilig gehabt, dass sie keinerlei Kleidung oder anderer Dinge in Santiago hatten mitnehmen können, also kauften sie sich schon einmal passende Kleidung für einen Abend in piekfeiner Gesellschaft. Zudem noch ein paar andere T-Shirts, Hosen, Unterwäsche und dergleichen.

„Ich frage mich", begann Samantha, als sie in einem Café saßen, „warum unserer Feinde nicht schon längst in Ägypten sind."

„Da fragst du was! Das schwirrt mir auch schon die ganze Zeit im Kopf herum."

„Und was bedeutet deine letzte Vision? Ich versteh nur Bahnhof!"

Auch darüber zermarterte auch Lara sich schon die ganze Zeit das Hirn. Was sie gesehen hatte, macht keinen Sinn, egal wie lange und oft sie darüber nachdachte. Sie seufzte, als ihr Handy klingelte. Lara nahm ab.

„Lara, ich bin's", meldete Zipps Stimme.

„Zipp, endlich!"

„Du könntest meine Arbeit ruhig etwas mehr würdigen", murrte der Hacker.

„Okay, ich merk's mir. Also?"

„Hast du was zum Schreiben?"

Lara schnappte sich eine Servierte und kramte in ihren Einkäufen nach dem neuen Lippenstift. „Schieß los", forderte Lara ihn mit ihrem improvisierten Schreibmaterial in den Händen auf.

„Es heißt Hotel Mirelle und es ist die 34 Avenue de Verdun, von dort aus hat man einen prima Blick aufs Meer, immerhin sieben Sterne…eure Feinde haben jedenfalls Geschmack…und du sagst diese Mariah ist blond? Vielleicht ist sie ja gar nicht so schlecht!"

„Sie ist ein mordendes und verabscheuungswürdiges Miststück und wenn du Sympathie für sie hegst, werde ich dir das abschießen, was dir am Wichtigsten ist", antwortete Lara mit Routine in der Stimme.

„Okay, ich habe verstanden…dafür ist mir dieses Körperteil dann doch zu wichtig."

„Kluger Junge."

„Auf dem Namen Charles James West ist die gesamte dritte Etage reserviert. Außerdem ist heute Abend eine der wöchentlichen Partys, an denen wohl alle Gäste teilnehmen, denn es ist ein großes gesellschaftliches Ereignis. Wäre eine gute Gelegenheit, oder? Auf jeden Fall…wenn du mich noch mal brauchst, bin ich da. Aber bitte nicht etwas zu schweres. Ich hacke mich gerade in das System der-"

„Zipp, fällt das nicht unter Datenschutz?", unterbrach sie ihn.

„Und ich dachte, mit dir kann ich über alles reden. Jedenfalls: Bis bald!"

„Ciau."

Währenddessen hatte Samantha die Adresse auf der Servierte gemustert.

„Das ist wirklich eine ziemlich hohe Gegend. Das Geld scheint ihnen ja nicht auszugehen."

„Das ist wahrscheinlich auch der einzige Grund, weshalb sie mit diesem Sack von Charles James West liiert ist."

„Gut möglich", stimmte Samantha zu und knabberte an einem ihrer Kekse.

Mittlerweile war es sieben Uhr abends und die beiden hatten sich für ihre Abendmode entschieden. Samantha hatte sich ein dunkelrotes Kleid mit einem langen Schlitz an der Seite ausgesucht, welches keine Ärmel und einen runden Ausschnitt hatte; dazu ein paar weiße Handschuhe. Lara hingegen wählte eine lange Hose und eine passende Korsage und um den Hals band sie sich einen seidenen Schal, den sie an der Seite festknotete und elegant an ihrem Oberkörper hinunterhängen ließ (alles in einem dunklen Blau). Beide ließen ihre Haare offen und legten sich passenden Schmuck an. Gerade war Samantha im Bad, um sich die Eyeliner-Tusche aus dem Auge zu waschen, als Laras Handy abermals klingelte.

„Hallo?"

„Miss Croft, hier ist Beth."

„Beth!", schrak Lara auf. „Was gibt es?", fragte Lara, die sich an die Abmachung mit Beth erinnerte, nur anzurufen, wenn es große Veränderungen bezüglich Seans Zustand gäbe.

„Gute Nachrichten", antwortete Beth erleichtert. „Er ist aus dem Koma aufgewacht! Es geht ihm gut!" Ihre Stimmte hörte sich nach Freudentränen an und so war es.

Laras Herz machte einen Hüpfer und für eine Sekunde vergaß sie ihre gute Erziehung und rief so laut wie sie konnte ihre Freude in den Raum hinein.

„Ist das wahr? Ist das wirklich wahr?", hinterfragte Lara und ihre Augen füllten sich ebenfalls mit Tränen.

„Ja! Ich wollte es auch nicht glauben, aber die Ärzte haben es mir eben gesagt. Er ist gerade in Behandlung."

„Wann kann ich ihn sprechen?"

„Ich fürchte, da müssen sie noch ein Weilchen Geduld haben. Er wird noch eine Zeit lang das Bett hüten müssen und ein Telefon in seinem Zimmer hat er leider nicht."

„Schade…richten sie ihm bitte aus, dass er schnell wieder gesund werden soll und dass ich das alles hier schon richte."

„Das werde ich tun. Viel Glück bei ihrem weiteren Abenteuer und seien sie vorsichtig."

„Das werde ich. Auf Wiedersehen, Beth." Sie legte auf, warf das Handy aufs Bett und machte sich auf, Samantha die freudige Nachricht zu verkünden. Auch Samantha jubelte mit Lara und für ein paar Minuten benahmen sie sich wie kleine Kinder, denen man gerade umsonst Süßigkeiten gekauft hätte. Schließlich besannen sie sich und machten sich voll motiviert auf den Weg zum „Mirelle Hotel", in dem Mariah Powell sich befinden sollte.

Der elegante Schriftzug prangte leuchtend am Hochhaus über einer großen Markise, die so groß war, dass man sie auch als Zimmerteppich hätte verwenden können. Gerade wollten sie in das Hotel hineingehen, als der Pförtner ihnen den Weg versperrte.

„Ihre Leasing-Karten bitte."

„Was für Karten?", fragte Lara ratlos.

„Die Karte, mit der sie ihre Zimmertür öffnen, Miss."

Daran hatten sie nicht gedacht. Die Party war nur für Hotelgäste und deren Begleitungen. Eine sogenannte Leasing-Karte besaßen sie nicht.

„Also…ehrlich gesagt…"; „Wir haben sie noch im Hotel liegen gelassen"; „Unserer Freunde sind schon auf der Party"; „Die sind gerade in den Gully gefallen", waren ihre vergeblichen Ausreden.

„Wenn Sie bitte für die anderen Gäste Platz machen würden", bat der Pförtner, der es offensichtlich nicht zum ersten Mal erlebte, dass man versuchte sich auf die Party zu schleichen. Widerwillig und peinlich berührt, machten sie kehrt und stellten sich zunächst an den Rand der Straße.

„Daran haben wir nicht gedacht. Was nun?", fragte Samantha. Beide wussten nicht weiter und sahen sich stillschweigend in der Gegend um.

„Hinterhof", meinte Lara schließlich.

„Hinterhof?"

„Na ja, in solchen Situationen nimmt man immer den Eingang im Hinterhof. Los, komm!"

Also betraten sie die engen Gassen, wo die Mülleimer standen und es höllisch stank. Dann hörten sie zwei Menschen miteinander reden und versteckten sich hinter einem der Container.

„Echt toll, dass du mir diesen Auftritt organisiert hast!"

„Das habe ich doch gern gemacht."

Während sich die beiden unterhielten, fasste Lara den Plan die beiden bewusstlos zu schlagen und ihnen ihre Leasing-Karten abzunehmen. Kurzerhand sprang sie hervor, ging freundlich auf die beiden zu und versetzte beiden ohne Vorwarnung einen kräftigen Schlag ins Genick, sodass sie bewusstlos zu Boden sanken. Nun trat auch Samantha hinter dem Container hervor und musterte die beiden Frauen, die auf dem Boden lagen. Die eine trug ein rotes Kleid und die andere einen blauen Hosenanzug.

„Denen nehmen wir jetzt die Karten ab", beschloss Lara und begann die beiden zu durchsuchen.

„Musstest du sie nur deswegen niederschlagen?"

„Das ist Abenteurer-Philosophie, Sam."

Lara durchsuchte die Taschen der beiden, fand Portmonees, Ausweise und andere Papiere, aber keine Leasing-Karten.

„Das war also dein Plan…?"

„Okay, ich hab mich geirrt", gab Lara zu. „Aber wir können auch einfach reingehen", schlug sie stattdessen vor und wies auf die Tür hinter ihnen, die glücklicherweise nicht zugefallen war.

„Miss Conchita? Ihr Auftritt ist in fünf Minuten", hörten sie eine Stimme von drinnen rufen. Die beiden verstanden nicht, als ihr Blick auf einen Zettel am Boden fiel, auf dem für heute Abend die neu entdeckte Sängerin „Lita Conchita" angekündigt wurde. Dann wechselten ihre Blicke von dem Foto auf dem Werbepapier zur eben Niedergeschlagenen im roten Kleid. Die Ähnlichkeit war verblüffend.

„Lara", begann Samantha. „Du hast soeben das Abendprogramm niedergeschlagen."

Pause.

„Upps."

Was nun? Das Abendprogramm, samt Managerin oder Redakteurin oder was auch immer, war niedergeschlagen und bewusstlos. Zudem würde sicher bald jemand nachsehen, wo ‚Lita Conchita' denn bliebe und der Anblick von Lara und Samantha, die um die beiden herumstanden, war eindeutig. Eine Lösung musste her und zwar schnell!